Merten & Plot
Er konnte dem Rappen nicht verübeln, alle Hoffnung aufgegeben zu haben. Tonda empfand sich selbst teils als Narr, weil er noch immer an das Gute im Leben glaubte. Doch wofür sonst sollte er leben? Verträte er dieselbe, hoffnungslose Ansicht wie Merten, so hätte er sich ebenso gut die Klippen hinab stürzen können. Doch er hatte es nicht getan, denn er wusste: wo Schatten war, war auch Licht. Und Mertens Worte waren ohnehin haltlos, umso aufgebrachter und aufgewühlter reagierte Tonda. „Du glaubst allen Ernstes, dass normale, gut ausgebildete Soldaten diese Herde schützen können? Ist dir denn nicht aufgefallen, was für Wesen sich in diesem Tal befinden? Merten, es gibt hier Geister die ohne mit der Wimper zu zucken Leiber zerfetzen. Und Engel, die ohne eine Spur von Mitleid Körper hinterlassen, deren Knochen hunderte Mal gebrochen wurden. Glaubst du denn wirklich, dass sterbliche Soldaten die Unschuldigen retten und beschützen können? Wenn du das tust bist du ein größerer Narr, als ich selbst es bin!“ Seine Augen funkelten wütend, doch noch immer lag jene Güte, die Tonda eigen war, darin. Er mochte rüde Worte sprechen, dennoch liebte er Merten. Der Zaubererbruder sah all die Raben als seine Brüder an. Brüder, die er stützen musste weil sie weitaus jünger waren als er selbst. Weil sie in eine Gefahr geraten waren, von der sie nichts hätten ahnen können. Weil sie verloren, Tag für Tag. Und weil sie eigentlich auch ebenso Gutes bewirken konnten. Er schüttelte den Kopf und sah Merten nunmehr traurig an. Der Hengst hatte sichtlich aufgegeben, auch wenn eben dies nicht die richtige Einstellung war. „Wenn du aufgibt, begehst du den Fehler deines Lebens, Merten.“ Tonda wollte sich zum Gehen wenden, doch etwas fesselte schlagartig seinen Blick. Ein heller Hengst war auf das Gebiet der Corvus Corax getreten. Vorsichtig trat Tonda einen Schritt näher, denn von dem Fremden ging ein regelrechter Sog aus. Wer war das? „Merten, spürt auch du dieses Gefühl? Oder liegt es an mir?“ Seine Gedanken kreisten sofort um den Fremden, dessen schiere Anwesenheit sein Blut zum pulsieren brachte. Etwas ging hier bei weitem nicht mit rechten Dingen zu und hätte er, wie die anderen, Märchenmond kennen gelernt, so hätte er die Ähnlichkeit gesehen, die beide Hengste verband. Unsicherheit trat auf Tondas Gesichtszüge, als er stehen blieb und seinen Blick auf dem Fremden ruhen ließ.
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