Ich putzte Londontime ausgiebig und in aller Ruhe, sodass er sich an die einzelnen Schritte und Handgriffe gewöhnen konnte. Der Hengst war nach wie vor ein wenig unruhig und unsicher, doch ich ließ ihm alle Zeit der Welt und zeigte ihm auch jedes Utensil, dass ich zum Putzen benutzte. Von der Bürste bis zum Hufkratzer. Alles wurde ausgiebig beschnuppert und dann erst, wenn er alles für gut befand, wurde weiter geputzt. So konnte ich ihn ziemlich gut bei Laune halten, während ich ihn putzte. Das Hufe Auskratzen war jedoch wieder eher eine Tortur. Vorn mochte es noch gehen, da blieb er ruhig. Doch als es an die hinteren Hufe ging, wurde London ungemütlich. Er zog die Hufe immer wieder weg, zur Not auch so ruckartig, dass er mir weh tat. Ich seufzte leise, freute mich schon auf all die blauen Flecken und nahm es hin. Wird schon schief gehen. Und tatsächlich, nach einiger Zeit – ich ließ ja nicht locker – wurde er lieber und ich konnte die Hufe einigermaßen gut aus kratzen.
Mit dem Putzen fertig, knotete ich dem hübschen Fuchs Hengst sein Knotenhalfter um. Wir würden eine kleine Runde spazieren gehen und da sollte ja nichts schief gehen. Ich streichelte ihn immer wieder und lobte ihn ausgiebig für jeden Moment, den er lieb und brav war. Das mochte übertrieben scheinen, aber nur so konnte ich sein Vertrauen gewinnen und mit ihm arbeiten. Zudem lernte er so gleich, was gewünscht und was eben nicht gewünscht wurde vom Menschen. Klar, er war ja immer noch ein Tier und sollte auch dementsprechend leben. Aber ein wenig musste er sich eben an die Regeln des Menschen anpassen. Er machte das aber so lieb, dass ich keine Bedenken hatte. Als ich ihn losband, ging es auch schon in Richtung Felder.
Die Erntemaschinen dröhnten laut vom Feld und ich bereute meine Entscheidung, hier lang zu laufen, schon ein wenig. Dann aber bemerkte ich, dass der kleine Frechdachs zwar seine Problemchen beim Befolgen von Regeln hatte, nicht aber Angst hatte oder gar schreckhaft war. Na dann würde das ja gar nicht so schlimm, hier entlang zu laufen. Ich machte ihn bloß immer wieder aufmerksam, damit er auf keine blöden Gedanken kam. Ein Risiko wollte ich ja schließlich dennoch nicht eingehen. Doch der Hengst blieb brav und wir liefen in Richtung Wald. Dort angekommen probierte er erstmals, sich einfach abzuwenden und wieder zurück zum Hof zu stiefeln. „So nicht, mein Freund.“ Mahnte ich ihn an und zupfte am Strick, bis er wieder mit den Gedanken bei mir war. „So ist es brav.“ Lobte ich dann sofort, um ihm das richtige Verhalten gleich klar zu machen. Diese Diskussion führten wir, solange der Hof in Sichtweite war, noch einige Male. Doch irgendwann schien London einzusehen, dass es ihm nichts brachte. Kann ich ja froh sein, dass er nicht begriff, dass er das hundertfache von mir wog und mich rein theoretisch einfach hätte mitschleppen können.
Wir kamen in den Wald hinein und erschrocken – beide – traten wir einen Schritt zurück. Ich war froh, dass Londontime so ruhig blieb. Denn bei dem Reh, das einfach so aus dem Dickicht gesprungen war, erschrak ja selbst ich. „So ist es lieb.“ Lobte ich ihn und wir gingen weiter. Immer wieder versuchte er, an den Rand zu drängen um ein wenig Gras für sich abzuzwacken. Doch ich zupfte dann konsequent am Strick und die Hilfen übertrugen sich natürlich auf das Knotenhalfter, sodass er sich wieder mir zuwandte und brav blieb. So kamen wir relativ ungestört zu einer kleinen Wiese, wo ich ihn dann zur Belohnung tatsächlich grasen ließ. Der Hengst war sehr angetan von meiner Geste und nahm die Gelegenheit sofort wahr. „So ists lieb.“ Lobte ich ihn, weil er nie so weit weg ging, dass er mich etwas hinter sich her zog oder anderweitig nicht brav war. Ich ließ ihn einige Zeit am frischen Gras knabbern, ehe wir dann weiter gingen. Beim Weitergehen musste ich mich ganz schön ins Zeug legen. Weiter, wollte Londontime nämlich nun wirklich nicht. Doch letztlich folgte er mir und lief sehr brav neben mir her. Immer wieder, wenn er so brav lief, lobte ich ihn. Wir kamen so sehr schnell zurück zum Hof und der Hengst hatte sich, dort wieder angekommen, eine kleine Ration Müsli redlich verdient.
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