Sie konnte es nicht fassen. Seine starken Arme hielten sie fest, boten ihr Schutz und Halt in einem Moment, da sie zu fallen drohte in ein tiefes Loch, das er ihr erst gegraben hatte. Ihr fehlte jegliches Verständnis für sein Verhalten. Womöglich hätte sie sich damit abfinden können, dass er ein gewalttätiges Arschloch war. Dass er sie jedoch vergewaltigte und am Morgen danach den großen, liebenden Ehemann herauskehrte, machte sie wahnsinnig und spielte mit ihren Gefühlen. Wenn er so war, konnte sie sich nicht mehr von ihm abschotten. Konnte sie ihn nicht als die Bestie hassen, die er war. Denn ganz offensichtlich war dies nur eine Seite der Medaille.
Ihre Versuche, sich aus seiner Umarmung zu befreien, scheiterten kläglich. Er war zu stark und scheinbar auch nicht willens, sie gehen zu lassen. Er brummte leise und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Sein warmer Atem strich ihr über den Nacken und verursachte eine Gänsehaut. Ihr Herz begann zu rasen, in ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Was tust du nur mit mir? , fragte sie sich verzweifelt, während sie den Widerstand fallen ließ und sich seiner Umarmung ergab. Er schien es bemerkt zu haben, denn sein Griff lockerte sich und er strich ihr behutsam über den Rücken, den Nacken, seine Hand fuhr entlang ihres Halses und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Momente vergingen, da er ihr in die Augen sah. Seine Iris leuchtete blau, ein lebendiges Blau, wie Türkis. In seinem Gesicht war all die Härte verschwunden, die sonst darauf ihren Platz einnahm. Hätte es Silver nicht besser gewusst, sie hätte ihn als warm lächelnd beschrieben. Doch das war unmöglich. Womöglich schmiedete Nathan bloß einen neuen Plan, sie zu erniedrigen.
Sie schloss die Augen, verschloss sie vor der widersprüchlichen Realität. Ein wenig zitternd, konnte sie seinen betörenden Duft einatmen. Sie wusste, er war ihr ganz nah. Nicht nur körperlich. Er hielt ihr Schicksal ins einen Händen und Nathan würde nicht zögern, sie mit nur einem Wimpernzucken zu vernichten. Hätte er ihr gesagt, welche Angst er vor ihr hatte, sie hätte es ihm nicht geglaubt.
Warme, raue Lippen fanden den Weg auf ihre Stirn. Für einen Moment vergaß Silver alles, was sie über Nathan wusste. Sie ertrank beinahe in der Sanftheit seiner liebevollen Geste.
„Nathan...“ Es war vielmehr ein Hauchen, ein Flüstern nur. Beruhigend streichelte er sie, umschloss sie, schirmte sie mit seinen Armen von der kalten, rauen Welt ab. „Das geht so nicht, Nathan.“
„Warum nicht?“ murmelte er geistesabwesend eine Antwort, auch er hatte die Augen geschlossen und schien den Moment zu genießen. Silver ihrerseits öffnete vorsichtig die Lider um einen Blick auf ihn zu erhaschen. So friedlich hatte sie ihn noch nie gesehen. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz, warum nur konnte er nicht immer so sein? Sie hätte ihn geliebt. Lieben können. Lieben dürfen. Aber so? Energisch kämpfte sie gegen die Schmetterlinge im Bauch an, die sich so falsch anfühlten. Bei all dem, was er ihr antat, war es unmöglich ihn zu lieben, oder?
Die Laken knisterten, als Nathan sich auf den Rücken wälzte und die Augen öffnete. Er sah sie nicht an, seine Miene wurde härter und es schien, als legten sich Schatten auf sein Gesicht. Er war so schön, dass es sie schmerzte. So schön und so verletzlich. So verbittert. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Brach er das Schweigen nach langen Momenten. Silver hätte zufrieden sein sollen, doch es bereitete ihr Kummer. Sie wusste ja selbst nicht einmal mehr, was sie wollte. Wie sie damit umgehen sollte.
Seine muskulöse Gestalt schälte sich aus der Decke, nackt lief er durchs Zimmer zum Schrank. Sie konnte seine Rückseite sehen und spürte ein Ziehen zwischen den Schenkeln. Sofort erstarrte er, sein gesamter Körper schien angespannt. Er wandte sich und verwundert sah er ihr direkt in die Augen. Sein Gesicht drückte nichts als Verblüffung aus.
„Du begehrst mich?“ Seine kehlige Stimme schmiegte sich in ihre Ohren, ehe sie den Kopf verlegen schüttelte. Was redete er da?
„Ich kann es wittern, du begehrst mich.“ Stellte er unnötigerweise ein zweites Mal fest, ehe sie sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Natürlich. Nathan war nicht nur reinblütig, er gehörte zudem einem sehr mächtigen, alten Adelsgeschlecht an. Seine Sinne waren viel schärfer als die ihren und somit auch sein Geruchssinn. Sie erwartete beinahe, dass er sie sofort nahm. Sich nahm, was sie offensichtlich provozierte. Doch stattdessen ließ er sich auf der Kante des Bettes nieder und sah Silver aus seinen unergründlich schönen Augen an. „Nach all dem, was ich dir antue... Wie kannst du mich begehren?“
Er wirkte so verloren in diesem Moment, dass Silver Mut fasste und sich neben ihn setzte. Mit einer Hand verdeckte sie ihre Brüste dürftig mit dem Laken. Mit der anderen Hand strich sie ihm über das vom 3-Tage-Bart stoppelige Gesicht. Sie glaubte bereits, zu weit gegangen zu sein, doch da senkte er den Blick und schmiegte seine Wange in ihre Handfläche. „Ich bin ein Monster.“
„Du bist so viel mehr als das, Nathan.“ Was sagte sie da? Sie war doch das Opfer, es war nicht an ihr ihn zu trösten. Er war es, der auf die Knie hätte fallen sollen. Sie um Vergebung hätte anflehen sollen. Und es wäre an Silver gewesen, ihn abzuweisen. Denn was er getan hatte, war nicht zu entschuldigen. Sie wollte sich soeben zurückziehen, als es sie wie ein Blitz traf.
Doch diesmal empfand sie keine Dunkelheit, keine Trauer, keine Ohnmacht. In ihr breitete sich ein warmes Gefühl aus und sie sah sich selbst, durch seine Augen. Und sie empfand Zuneigung. Nein, ein Gefühl weit stärker als Zuneigung. Und Schuld. Doch so schnell die Empfindungen gekommen waren, so schnell ebbten sie ab. Nathan baute eine Mauer um sich.
„Raus aus.. meinem Kopf.“ Ächzte er, in seinem Blick wieder nur kalte Abweisung.
„Du...“
„Ich muss jetzt auf Arbeit.“
„Du empfindest etwas...“
„Pass auf, was du heute tust. Lass Damayanti...“
„Gib es zu!“
„Bis heute Abend.“
Als er aus dem Zimmer stürmte, wäre sie ihm am liebsten nachgelaufen. Doch sie wusste, er würde sich ihr kein zweites Mal so öffnen, wie in diesem Moment. Ihre Erregung war längst abgeflaut. Ernüchtert ließ sie sich zurück ins Bett fallen.
Silver hätte nicht sagen können, wie lange Nathan und sie so dagestanden hatten. Sie hatte seinen warmen Atem auf ihrer Kopfhaut gespürt und das regelmäßige Klopfen seines Herzens gehört. Sie hatte ihre zitternden Finger auf seine starke Brust gelegt und die seinen – ebenfalls zitternd – auf ihrem Rücken wiedergefunden. Er hatte sie fest bei sich gehalten, und doch war er so vorsichtig gewesen, als hätte sie zerbrechen können. Und dann war der Moment jäh vorbei gewesen. Er hatte sie losgelassen, war zurückgetreten und gegangen. Kein Wort hatte seine Lippen verlassen, als er sie ratlos in der Bibliothek hatte stehen lassen. Ihre Tränen hatten Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, die Augen vom Weinen gerötet. Ihr Kopf brummte gnadenlos, ihr Herz raste vor Angst und Nervosität. Doch vor allem stolperte es, weil sie noch immer seinen Duft in der Nase hatte: würzig und sündig, doch auch eine Spur von Heimat lag darin. Wie frisch gesägtes Holz. Jener Geruch, der durch das Haus strömte, wenn der Kamin Wärme spendend brannte. Eine Assoziation, die ihr an ihm so fremd erschien, dass sie kurz schmunzeln musste. Nathan mit Heimat und Zuhausesein zu vergleichen, schien absurd. Dieser Mann bot niemandem ein Zuhause.
Den Kopf schüttelnd, richtete sie kurz ihre Haare. Doch viel zu retten war da nicht. Sie musste einfach damit leben, dass sie schrecklich zerstört aussah. Nach einer Nacht auf dem Boden wohl kaum verwunderlich. Ihre zögerlichen Schritte waren leise gesetzt, sie wollte nicht gehört werden. Nathan war mit Sicherheit auf dem Weg zur Arbeit, Damayanti irgendwo im Haus. Sie wollte ihr nicht begegnen. Silver hatte keine Ahnung, was genau sie getan hatte. Doch sie wusste, die Alte würde es ihr so schnell nicht verzeihen. Dabei... Sie hatte es doch nicht mit Absicht getan?! Silver konnte es nicht steuern, wusste ja nicht einmal genau, was es war. Sie wusste nur, dass sie sich in andere Menschen versetzen konnte. Irgendwie. Bei Berührungen. Aber bei Gott, sie hätte selbst alles darum gegeben, diese Fähigkeit nicht zu besitzen.
Auf dem Weg in ihr Zimmer, schlich sie beinahe. Doch es half nichts. Damayanti war überall und nirgends, und so stolperte die junge Frau unweigerlich über die Dienerin, die soeben eine Vase abstaubte. Als sie Silver bemerkte, schreckte sie auf. In ihren dunklen Augen, die sonst so gütig schienen, sah Silver nun nur noch Trauer und Verbitterung.
„Damayanti, ich...“ Hilfesuchend streckte sie die Hand nach ihr aus, doch sie zog sie sofort zurück. Wer wusste schon, was geschehen würde.
„Herrin, macht Euch keinen Vorwurf. Es liegt in eurer Natur.“ Es mochte wohl so etwas wie ein Friedensangebot sein, doch Silver konnte den bitteren Unterton in ihrer Stimme nicht überhören. Seufzend senkte sie den Blick, erneut drückten sich Tränen in ihre Augen. Die Dienerin schien es bemerkt zu haben, ihre Stimme nahm einen wärmeren Klang an, als sie erneut das Wort erhob: „Ihr seid eine Seelenwanderin. Ihr könnt es nicht kontrollieren, noch nicht. Aber ihr könnt es lernen, um den Menschen in Eurer Umgebung keinen Schaden zuzufügen.“
„Ich weiß doch noch nicht einmal, was genau dabei passiert?!“ Ein Schluchzen konnte sie nun nicht mehr verhindern, Silver lehnte sich an die Wand um ihren Stand nicht zu verlieren.
„Ihr könnt Euch in andere Menschen versetzen, ihr Leid spüren. Das ist das eine. Doch Ihr könnt in anderen auch längst vergessenes oder verdrängtes Leid zurück an die Oberfläche hohlen. Was mit...“
„...was mit dir passiert ist. Durch mich sind diese Erinnerungen bei dir wieder lebendig geworden?!“ Nun erst wurde ihr klar, was sie angerichtet hatte. Den Kopf schüttelnd, fielen ihr die langen silbernen Haare in schimmernden Kaskaden vors Gesicht. Die Spitzen wurden von ihren Tränen nass.
„Ihr konntet es nicht wissen.“
„Es tut mir dennoch so wahnsinnig leid, Damayanti. Ich würde dir niemals absichtlich weh tun.“
„Lasst es uns vergessen, Herrin.“ Als Silver nun den Blick hob, hatte sich das Gesicht der Alten entspannt und die Liebe, die sie in sich trug, schien zurück an die Oberfläche gefunden zu haben.
„Ich werde Euch nun einen Kakao machen und Euch von den alten Legenden erzählen.“ Schlug die Dienerin vor, Silver nickte wortlos. Sie war müde, ihr Rücken schmerzte und sie hätte sich am liebsten in ihrem Bett vergraben, doch es schien ihr wichtiger, dieser verdammten Gabe – oder sollte sie besser „Fluch“ dazu sagen? – auf den Grund zu gehen.
Wenig später saßen Damayanti und Silver vor dem riesigen Kamin. Die Dienerin hatte ihn angeschürt und nun brannte das Feuer hell lodernd und spendete tröstliche Wärme, die Silver dringend nötig hatte. Zögerlich nippte sie an der heißen Schokolade, die die Dienerin ihr zubereitet hatte. Sie fühlte sich so schuldig, dass sie das Getränk am liebsten gar nicht angenommen hatte. Zumindest hatte sie darauf bestanden, dass auch Damayanti einen Tee trank. Nun, da sie so zusammen in den Sesseln vor dem offenen Kamin saßen, schienen die Standesunterschiede beider ausgeglichen. Silver mochte es so, der Gedanke eine Dienerin zu befehligen, hatte ihr von Anfang an nicht gefallen.
„Nun...“ murmelte die Inderin, sichtlich betreten. Es schien fast, als wolle sie etwas Unanständiges sagen. Doch dann brach sie ihr Schweigen. „Es gibt viele Legenden, die sich um die Rasse der Vampire ranken. Vielleicht kennt Ihr ja einige.“
Silver schüttelte langsam den Kopf. „Die Vampire haben meine Familie gejagt, mein Vater erzählte daher kaum davon.“
„Die Vampire waren nicht immer eine starke, erfolgreiche Rasse. Einst hatten die Menschen sie nahezu ausgerottet. Die Vampire hielten sich immer bedeckter, bis deren Existenz angezweifelt wurde. Zu dieser Zeit wurden natürlich auch die Ressourcen knapp, allgemein sank der Lebensstandart und die ersten Konflikte bahnten sich an.“ Damayanti nippte an ihrem Tee und sah Silver tief in die Augen. Die verstand noch nicht, was all das mit ihr zu tun haben sollte.
„In den Kriegen der Vampire wurden die Seelenwanderer als Waffen eingesetzt. Es gibt nicht viele von ihnen, eine seltene Gabe. Diese Vampire können fühlen, was andere fühlen. Können alte, verschüttete Emotionen und Erinnerungen wieder erwecken. Und diese Emotionen so verstärken, dass der Gegenüber leicht wahnsinnig wird.“
Erschrocken hielt sich Silver die Hand vor den Mund, ein leises Stöhnen drang daraus hervor. Hatte sie das etwa Damayanti angetan? Hatte sie die verschüttete Erinnerung der Alten wiederaufleben lassen und sie das Leid um ein vielfaches spüren lassen?!
„Du weißt, das hätte ich niemals mit Absicht getan. Damayanti, glaub mir. Ich hätte dir niemals ein Leid zufügen wollen.“ Erneut brach sie in Tränen aus, was die Situation nicht besser machte. Silver fühlte sich, als würde die Welt auf sie nieder stürzen. Wie sollte sie mit einem solchen Fluch umgehen?
„Herrin, bitte. Ihr konntet es nicht wissen und Eure Gabe hat auch sein Gutes. Hat Nathan nicht gerade Euretwegen das Mädchen gefunden? Weil ihr eure Seele habt zu ihr schweifen lassen? Ohne Eure Hilfe, wäre das Mädchen gestorben.“ Von dieser Seite aus hatte Silver all das noch nicht betrachtet. Doch es fiel ihr schwer, die Schuldgefühle abzustreifen und sie gegen den Stolz einzutauschen, den zu empfinden vielleicht ebenso angebracht gewesen wäre.
„Was kann ich tun, damit das nicht wider passiert?“
„Ich kann es Euch nicht sagen. Ich selbst habe auch nur wenig darüber gehört, die Vampire fürchten jene, die wir Ihr seid. Seelenwanderer können großen Schaden anrichten. Vielleicht findet Ihr in alten Büchern etwas darüber, wenn ihr wollt, helfe ich Euch.“ Dankbar wollte Silver ihre Hände ausstrecken, doch erneut zog sie sich augenblicklich zurück und starrte betreten auf ihre Hände. Es war nun Damayanti, die ihrerseits nach ihr griff und beruhigend über Silvers Hände tätschelte.
„Alles wird gut.“ Das warmherzige Lächeln der Alten spendete ihr zumindest ein bisschen Trost.
Kapitel 6
Jedes Mal, wenn ich sie ansah, konnte ich es in mir brodeln spüren. Wie Elektrizität, die durch jede Faser meines Körpers zuckte. Wie Feuer, das in mir loderte. Ich sah Silver und verlor den Verstand. Ihre grauen Augen, die trotz des leblosen Farbtons warm und lebendig schienen. Ihre seidiglangen Haare, die in dieser unnatürlichen Farbe auf ihre Schultern, ihren Rücken herabfielen. Ich sah, wie sie leise lächelte, wenn sie in Gedanken versunken saß. Doch ich sah auch die Schmerzen, die ich ihr jeden Tag aufs Neue zufügte. Und ich spürte Hass und Liebe zugleich.
Mein Vater hatte eine kluge Entscheidung getroffen. Eine bessere Partie hätte mir ohnehin nicht zufallen können. Ich war ein Aussätziger, keine Dame von Wert hätte mich genommen. Und die meisten Vampirinnen waren durchaus in er Position, sich ihre Partner frei zu wählen. Lieblose Ehen wie die unsere waren selten und veraltet.
Als ich nun Silver ansah, wie sie in ein Buch versunken auf dem Bett saß als ich ins Zimmer eintrag, fragte ich mich: ist diese Ehe so lieblos, wie ich es mir einzureden versuche? Sie blickt auf und für eine Sekunde steht ihr die Angst in den Augen, doch im nächsten Augenblick scheint sie sich an unsere Begegnung heute morgen zu erinnern. Sofort habe ich wieder den steten Herzschlag im Ohr, der vor Aufregung stolpernd in ihrem Herz schlägt. Ich habe den Duft in der Nase, den sie betörend verströmt. Und ich habe dieses merkwürdige Gefühl im Magen. Warm und flau. Als würde sich der Boden drehen, bewegen, wanken und schwanken. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen, hätte ihr die loe Strähne ihres Haares hinters Ohr gestrichen und sie im Arm gehalten. Ich wusste, wie schlecht es ihr ging. Zuerst die Ehe mit mir und nun diese Bürde, die das Schicksal ihr auferlegt hat. Ob sie auch etwas empfindet, wenn sie mich berührt? Als Ermittler habe ich mich natürlich kundig gemacht, was genau Silvers Gabe mit sich bringt. Wenn sie das Leid anderer heraufbeschwören, verstärken, beleben konnte – war sie dann nicht meine größte Feindin, ohne es zu wissen? Was, wenn sie all die Mauern, die ich aufgebaut habe, niederreißt? Ich bliebe zurück als ein Häufchen Elend. Und in diesem Moment, als mir das klar wurde, flammte der Hass wieder auf und verdeckte all das, was ich wohl als Liebe bezeichnen musste.
Ich durchquerte den Raum, ohne die Tür zu schließen. Jeder Diener, jede Dienerin hätte nun von außen beobachten können, was ich tat. Ich trat ans Bett und forderte sie grob auf, aufzustehen. Ich sah das Zögern in ihren Augen. Vielleicht hatte sie nach dieser kurzen Episode geglaubt, dass ich mich verändert hätte. Doch stattdessen zwang ich sie, sich zu entkleiden. Nur um kurze Zeit später ihre Beine gewaltsam außeinander zu drücken. Ich spürte mein Geschlecht pochend in meiner Hose, als sie wehrlos vor mir auf dem Bett lag. Als ich in sie Eindrang, vernahm ich das leise Wimmern und Schluchzen. Konnte ich ihre Furcht und Enttäuschung beinahe wittern, spüren. Ich drang in sie, ohne auf die Schmerzen zu achten, die ich ihr dabei zufügte. In einem schnellen Rhythmus erledigte ich, was mein Körper wohlwollend aufnahm.
Langsam ließ ich von ihr ab, glitt in meine Hälfte des Bettes und schloss die Augen. Ich tat, als schliefe ich. Ich lauschte. Ihr leises Wimmern, die verschluckten Schluchzer. Ich konnte das Rascheln ihrer Decke hören, als sie sich enger hinein kuschelte, als suche sie Schutz. Als ihr Atem ruhiger wurde und sie schlief, öffnete ich die Augen. Der Mond schien sanft durch die Vorhänge hinein und auf ihr Gesicht. Selbst im Schlaf konnte ich ihr ansehen, wie sehr sie litt. Und ich verstand mich selbst nicht. Wieso hatte ich ein solches Gefallen daran, ihr weh zu tun? Dem Menschen weh zu tun, der mir – so ungern ich es zugab – etwas bedeutete. Bedeutete sie mir etwas? Ich beobachtete sie lange und spürte, wie ein Kloß in meinem Hals wuchs. Ich war ein Monster, eine Bestie.
Als ich am Morgen erwachte, spürte ich etwas Warmes. Ein geliebter Duft traf in meine Nase. Ich öffnete die Augen nicht, ertastete jedoch einen warmen Körper an meinem. Ungläubig öffnete ich die Augen und bemerkte, wie auch sie verwirrt aus dem Dämmer des Schlafes auftauchte. Wie lagen eng umschlungen, ihr Kopf an meiner Brust. Und es fühlte sich so verdammt gut an, dass ich sie nicht gehen ließ, als sie erschrocken die Flucht anzutreten versuchte.
Ich werd echt rot o.O ICh kann doch gar nicht schreiben
Hier wie versprochen Kapitel 4.
Kapitel 4
„Eine was?“ Wahrscheinlich hatte Damayanti etwas anderes erwartet, Silver hingegen sah sie aus skeptisch-fragenden Augen an und verstand kein Wort. Hatte sie was verpasst? Irgendeine der ach so tollen Geschichten rund um die tolle Aristokratie der Vampire? Wenn es das war, musste Silver enttäuschen. Sie kannte die Geschichte der Vampire nicht. Sie war keine vollwertige Vertreterin der Rasse, sie war ja nur ein Mischling. Und als solche konnte sie froh sein, zu leben. Mit der Geschichte des Adels hatte sie sich daher wahrlich nie befasst. Doch Damayantis Augen drückten nun etwas aus, was Silver beim besten Willen nur als Sorge hätte beschreiben können.
„Ist alles in Ordnung?“, hakte sie daher nach und wartete ungeduldig, dass die Dienerin das Wort ergreifen würde. Doch die taumelte bloß und hielt die Hand vor den vor Schreck geöffneten Mund. Mit der Eleganz einer Katze stand Silver auf und trat zu Damayanti, legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter in der Absicht, die Frau zu trösten. Doch je fuhr ihr ein Blitz in den Kopf. Oder zumindest fühlte es sich so an. Silver schreckte keuchend rückwärts, ehe sie über ein am Boden liegendes Buch stolperte und fiel. Da erst schreckte die alte Dienerin aus ihrer Schockstarre und eilte ihrer Herrin zu Hilfe. Sichtlich aufgelöst, half sie Silver auf die Beine.
„Herrin, es tut mir so leid. Das hätte nicht geschehen dürfen.“
„Ich habe es gespürt, du hast...“ Die eisgrauen Augen Silvers waren schreckgeweitet. Sie hatte Damayanti gesehen, wie sie auf einem Platz stand. Jung war sie. Und in einen wunderschönen Sari gekleidet, der nun jedoch achtlos verrutscht schien. Auf dem Platz befanden sich viele Menschen. Lachende, weinende, schimpfende, verzweifelte. Und vor der Masse ein Podest. Ein Mann darauf, die Schlinge um den Hals und den Sack über dem Kopf. Da brach die Vision ab, doch Silver benötigte sie gar nicht um zu wissen, was weiterhin passieren würde. Sie hatte den Schmerz der Dienerin als den ihren gespürt und wusste, dass dieser Mann eine wichtige Rolle in Damayantis Leben eingenommen hatte.
„Es tut mir Leid.“ Murmelte sie vorsichtig. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich für das Eindringen in Damayantis Gedanken entschuldigte oder an dem offensichtlichen Verlust der Alten Anteil nahm. Vielleicht beides.
„Was habt Ihr gesehen?“ Die Stimme der Inderin zitterte, sodass sie den Satz mehrmals wiederaufnehmen musste, um ihn verständlich hervor zu bringen. Forschend sah sie in Silvers Gesicht, wartete ab, dachte nach. „Ihr habt Jeevan gesehen. Ihr habt meinen Jeevan gesehen.“ Nun fielen Tränen aus ihren Augen, die die Ozeane dieser Welt hätten speisen können. Einem Häufchen Elend gleich, sank nun Damayanti auf die Knie und begann zu beten. „Ihr habt Jeevan gesehen. Meinen Jeevan.“ Immer wieder wiederholte sie, was Silver nur mit Mühe zu verstehen glaubte.
„Der Mann? Ist Jeevan der Mann, an dem...“
„Galgen? Ja, mein Jeevan. Jeevan.“ Silver spürte den Drang in sich wachsen, sie zu umarmen, für sie da zu sein. Doch sie wagte es nicht, denn sie glaubte ein weiteres Mal in die Gedanken der Frau zu dringen.
„Damayanti. Bitte. Es tut mir so leid, ich wollte nicht... Ich kann es nicht kontrollieren. Damayanti, es tut mir leid. Höre doch auf zu weinen.“ Verzweifelt fuhr sie sich durch die silberfarbenen Haare, die ihr in die Stirn und die Augen hingen. Das Schluchzen der Inderin, klagend und markerschütternd, war zu laut, als dass sie das Poltern auf dem Flur hätte hören können. In sich spürte sie eine Leere, die ihr schwer zu schaffen machte. Schmerz. Tiefer, abgründiger Schmerz.
„Was ist hier los?“ Nathans Stimme grollte voller Aggressionen ins Zimmer. Als er Damayanti am Boden liegen sah, schluchzend und vor Schmerz erbebend, stieß er Silver zur Seite und trat zu der Frau, die sein Herz zu berühren schien. Fürsorglich schlangen sich seine Arme um sie, hielten das zitternde Häufchen Elend. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe die Szene sich wieder zu ändern schien. Nathan saß neben ihr, sie umschlingend, tröstend, beruhigend auf sie einsprechend. Und Silver konnte nichts tun, als wie zur Salzsäule erstarrt neben ihnen zu stehen.
Ein vernichtender Blick traf sie, als Damayanti sich endlich beruhigte und Nathan seine stahlblauen Augen auf sie richtete. Nichts als Kälte und Verachtung lagen darin und Silver, die eigentlich keinerlei Erwartungen an diesen Mann hegte oder hätte hegen dürfen, spürte den Schmerz in ihrer Brust. Sie hatte geglaubt, es würde besser. Doch nun hatte sie wohl endgültig die zarten Bande, die sich zwischen ihr und Nathan entsponnen hatten, zerstört und alles weitere im Keim erstickt.
„Halte dich von ihr fern.“ Zischte er sie an, als er Damayanti stützend an ihr vorüber ging. Sein Gesicht schien gezeichnet von den letzten Stunden, Tagen, Wochen. Ja vielleicht Jahren? Der nachwachsende Bart warf Schatten auf sein markantes Kinn. Die Augen waren so kalt und leer, dass Silver zu schreien drohte.
Als Nathan und die Dienerin das Zimmer verlassen hatten, taumelte Silver durchs Zimmer. Ihre Gedanken überschlugen sich immer und immer wieder. Worte geisterten ihr durch den Kopf, sie fesselnd. Jeevan. Seelenwanderin. Nathan. Als sie nicht mehr konnte, als sie das Schwanken ihrer Beine spürte, setzte sie sich in eine Nische neben einem der Schränke. Sie konnte den Staub auf ihrer Zunge schmecken. Der Tag neigte sich dem Ende, Dunkelheit nahm von der Bibliothek und somit auch von Silver Besitz. Kein Geräusch zerstörte die bedrückende Stille, vor der sie sich so fürchtete. Sie hatte nicht die Kraft, aufzustehen und den Raum zu verlassen. Die fürchtete sich. Vor Nathan. Doch vielmehr noch vor sich selbst.
Die Stunden vergingen, aus der Dämmerung wurde tiefe Nacht. Silver spürte die aufbrandende Müdigkeit, versuchte sie jedoch zurück zu drängen. Doch der Körper ist ein Organismus, der macht was er will. Ihre Augen klappten zu und in ihren Träumen befand sie sich auf diesem Platz, die drückend tropische Hitze Indiens schnürte ihr die Brust zu und der Mann, Jeevan, stand am Galgen. Der Sack über seinem Kopf blähte sich leicht und zog sich zurück, mit jedem Atemzug. Der Henker stand neben ihm, ein Moment der Stille und des Stillstands. Und dann das Zurückklappen der kleinen Falltür, Jeevan verliert den Boden unter den Füßen und wenige Momente lang zittern seine Beine, wie von einem Anfall geplagt. Dann Stille. Und von vorn.
Am Morgen konnte Silver jede Faser ihres Körpers schmerzhaft spüren. Sie hatte die Nacht in ihrer Ecke verbracht, zusammen gekauert. Von ihren Alpträumen geplagt. Sie hatte tausendfach den Tod eines scheinbar geliebten Menschen erlebt. Sie war Damayanti. Die junge Damayanti, noch frei und voller Hoffnungen, welche auf einen Schlag zerstört wurden. Silver grübelte, wer Jeevan war. Der Bruder der Dienerin? Oder – bei dem Gedanken schauderte sie – deren Mann? Es würde erklären, warum die Dienerin die Zeichen der verheirateten Frau auf sich trug, obwohl Silver nie eine Familie zu Gesicht bekommen hatte.
Es half nichts, sie musste aufstehen und sich aus diesem Raum wagen. Sie hatte Hunger, Durst und ein Bad dringend nötig. Doch ihr Herz stolperte, sobald sie aufstand und den erkalteten Kaffee auf dem Tisch stehen sah. Es erinnerte sie nur ein weiteres Mal daran, was gestern Abend geschehen war.
Als sie an die Tür trat und eine Hand auf die Klinke legte, wurde diese wie von Geisterhand bereits nach unten gedrückt und die Tür schwang auf. Vor ihr, nur eine Nasenspitze entfernt, stand ihr Ehemann. In seinem Gesicht konnte sie Verbitterung und Abscheu sehen. Seine Augen so tot, so lieb- und leblos. Silver hasste es, ihn so zu sehen. Sie hätte allen Grund gehabt, ihn zu hassen. Doch sie tat es nicht. Kein Mensch kam so auf die Welt. Was musste ihm bloß wiederfahren sein, dass er so wurde?
„Du verlässt mein Anwesen. Sofort.“ Die Kälte in seiner Stimme raubte Silver die letzte Kraft, die sie besaß. Weinend stützte sie sich an seine breite Brust, die erstaunlicherweise eine Wärme ausstrahlte, die sie so nicht von ihm erwartet hätte. Ein Schluchzen ließ ihren Körper immer und immer wieder erbeben. Nathan stand zur Statue erstarrt einfach nur da. Doch Silver konnte das schnell schlagende Herz spüren, es hören.
„Ich wollte das nicht. Ich kann es nicht kontrollieren. Ich weiß doch gar nicht was ich da tue. Ich habe sie anfassen, trösten wollen. Und dann war mir Schwarz vor Augen. Und dann habe ich etwas gesehen. Und dann ist alles eskaliert. Ich habe das nicht gewollt, verdammt.“ Nathans Shirt war bereits durchnässt von ihren Tränen, als er sich endlich rührte. Seine Arme hoben sich. Sie spürte es, wie er seine Muskeln anspannte. Und dann fühlte sie das schwere Gewicht auf ihrem Rücken. Er zog sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
„Schon gut.“ Murmelte er mit seiner rauhen Stimme, die an Schleifpapier erinnerte. „Alles gut.“ Seine Hand fand zögernd nach oben, er strich vorsichtig über ihr glattes Haar und zwang sie dann, ihm in die Augen zu sehen.
„Ich habe überreagiert, es tut mir Leid.“ Silver stockte der Atem und auch das Schluchzen verging auf einen Schlag. Ungläubig sah sie dem Mann in die Augen, der ihr jeden Tag das Herz mehrfach brach. Momente der Stille vergingen. Silberne und stahlblaue Blicke verschrenkten sich und die Herzen beider schlugen nah beinander, im Gleichtakt. Silver hätte nicht genau sagen können, von wem es ausging. Ob sie den Kopf hob oder er den seinen senkte. Doch ihre Lippen trafen sich, der salzige Geschmack ihrer Tränen traf auf die rauhen Lippen dieses Mannes. Der Kuss schien ewig anzudauern, vielleicht verlor Silver auch bloß alles Zeitgefühl. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er sie nach dem Kuss im Arm wiegte wie ein Kind, ein kleines Mädchen. Dass er sie schützend umklammerte und die Wärme seines Körpers in sich aufsog, da sie selbst innerlich so sehr fror. Für diesen Moment war er ihr Fels in der Brandung und erdete sie.
wie Jo meines Wissens bereits in die Gruppe gepostet hat, wurde mir gestern die von manchen von euch gesammelte Überraschung übergeben. (Wer genau es war, weiß ich nicht. Sonst hätte jeder persönlich ein Schreiben erhalten!) Und mein Hirn arbeitet seit dem auf Hochtouren, wie ich euch danken soll. Ich studiere seit nunmehr fünf Jahren die deutsche Sprache, aber mir fehlen momentan die Worte. Am liebsten würde ich euch - und zwar wirklich jedem einzelnen - einen persönlichen Brief schreiben, handschriftlich. Jeden einzelnen umarmen. Und es wäre noch immer nicht genug gedankt. Ich bin fassungslos, in welcher Heimlichkeit ihr euch zusammengetan habt um mir eine Freude zu machen. Auch jetzt sitze ich wieder hier und zittere ein wenig, hab einen Kloß im Hals. Ihr Verrückten! Mir bedeutet das wirklich sehr, sehr viel und es bekräftigt mich wieder einmal darin, dass Freunde, die man nur aus dem Internet kennt, wahre Freunde sein können und auch sind.
Ich nehme daher diese Überraschung zum Anlass, um euch auch einmal im Allgemeinen und nicht nur im Speziellen zu danken. Dunkelzeit bzw. dessen Vorgänger Invidia Fatalis gibt es nun seit 10 Jahren. Und einige von euch sind gleich am Anfang oder zumindest recht früh dazu gestoßen. Was summa sumarum ergibt, dass ich ein paar von euch seit fast 10 Jahren kenne. Wie sagt man so schön? Freundschaften, die länger als 7 Jahre halten, halten ewig. Wenn man es sehr genau nimmt, kenne ich einige von euch fast mein halbes Leben. In einem Leben voller Hochs und Tiefs ward ihr immer present. Ihr habt mich getröstet, als ich einen wichtigen Menschen in meinem Leben verloren habe. Habt euch mit mir gefreut, als ich Casper kaufen konnte. Wusste ich nicht weiter, brauchte ich Rat oder einfach Ablenkung - ein LogIn hat gereicht. Und damit meine ich nun nicht nur die "Alten Hasen", denn damit würde ich jenen Unrecht tun, die vielleicht erst ein Jahr oder gar kürzer dabei sind. Dunkelzeit ist nicht nur ein Online-Pferdespiel. DZ hat sich zu einem Treffpunkt entwickelt, wo Menschen aus unterschiedlichsten Ecken des deutschsprachigen Raums zusammen finden, wo Freundschaften sich bilden, wo immer ein offenes Ohr zu finden ist, wo man Trost und Rat findet, wo man seine Freude teilen kann, wo man einfach nur herum spinnen kann. Ich habe dazu vielleicht die Basis beigetragen, weil mein Kopf irgendwann entschied: Hey Lisa, Programmieren ist toll. Aber mit Leben habt ihr es gefüllt und dafür danke ich euch.
Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, umso weniger kann ich Emotionen zum Ausdruck bringen. Ich wünschte in solchen Momenten, ich könnte es. Ich hoffe, dass auch nur ein Hauch meiner Dankbarkeit bei euch ankommt. Ich freue mich wirklich jeden Tag, dass ich euch habe kennen lernen dürfen und dass ihr zu meinem Leben gehört.