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Lijuan » 26.12.2016, 10:23 » Herdenplatz GS #1

Feuerhuf



Sie war sich ihrer Wirkung auf andere durchaus bewusst. Lijuan war eine Jahrtausende alte Erzengelin. Auch wenn ihr Leib selbst dem eines normalen Pferdes glich, umgab sie eine Aura so schierer Macht, dass schwachen Kreaturen der Atem verschlagen bleiben konnte. Sie lächelte sanft, als sie die Nervosität ihres Gegenübers bemerkte. Die leise Brise, die Lijuan stets umgab, hob und spielte mit ihrer Mähne. Die taubengrauen, verschleierten Augen musterten adlerscharf ihr Gegenüber. Sie hatte auch nach all den Jahren nichts an ihrer jungfräulichen Schönheit verloren: Lijuan wirkte auf den ersten Blick wie ein junges Mädchen, dass keiner Fliege etwas zu leide tun konnte.  Wie doch der Schein trog!

"Feuerhuf." wiederholte sie seinen Namen und kicherte; mädchenhaft und wunderschön. Sie selbst war wunderschön und doch so erschreckend. Wer wenn ich schrie, hörte mich aus der Engel Ordnungen? Und selbst wenn, ich verginge vor ihrem stärkeren Sein. Lijuan war wohl eines der mächtigsten Wesen dieser Welt. Dieser Existenz. Doch sie machte sich aus dieser Macht schon lange nichts mehr. Sie spielte damit. Sie spielte mit Leben. Doch nach Macht gierte es ihr nicht. Nicht mehr. Sie hatte alles erlangt, was man auf dieser Welt hätte erlangen können. Und doch war sie nie das gewesen, was die Sterblichen, Schwachen doch so oft verspürten: glücklich. Nun gab sie sich ganz und gar ihren Gelüsten, ihren Launen und ihrem Schicksal hin. Aus der Politik der Großen hatte sie sich zurückgezogen und nun wandelte sie hier zwischen Sterblichen, als gehöre sie noch auf diese Welt. Doch Lijuan war schon lange kein Teil dieser Sphären mehr. Wollte es vielleicht auch gar nicht mehr sein. So recht konnte sie sich nicht entscheiden. Sie vermisste manchen Tages das irdische Leben, doch dann erblickte sie wieder all das Leid und die Ärgernisse und entschied sich, dem allen abzusagen.

Nun aber stand sie, körperlich und voll und ganz lebendig, vor Feuerhuf und dieser wartete auf eine Antwort, auch wenn sein Körper am liebsten Kilometer um Kilometer zwischen sie gebracht hätte. Fast beiläufig raschelte Lijuan kurz mit ihren Flügeln, der Ansatz derselben juckte ein wenig und sie bewegte sanft ihre Schwingen, um dem Juckreiz zu entgehen. Dann aber wandte sie sich an den noch Fremden und lächelte erneut. "Mein Name ist Lijuan." Ihre Stimme glockenhell. Sie hätte weiter sprechen können: Ich bin Erzengel von China. Beinahe ältestes Wesen der Welt. Und auch mächtigstes. Doch sie beließ es dabei. Der arme Junge war bereits jetzt  beinahe ohnmächtig vor Angst, dabei hatte Lijuan keinerlei Interesse daran ihm zu schaden. Vielmehr war sie durchaus an einem Gespräch interessiert. Auch Erzengel sehnten sich nach Gesellschaft. 

Lijuan » 03.12.2016, 09:57 » Herdenplatz GS #1

Feuerhuf



Sie hatte das Stillreich durchquert, um zurück zum Herdenplatz der Gaistjan Skairae zu gelangen. Die Herde, der sie nunmehr angehörte, lag wie ein angreifbarer kleiner Haufen auf dem Herdenplatz verstreut. Hier eine verirrte Seele, da ein Geisteskranker - Faithless Heer war nichts anderes, als ein lächerlicher Haufen Verrückter. Und sie mittendrin. Die Herde mochte wenig bedrohlich erscheinen, doch mit Faithless und Lijuan in den Reihen, besaßen die Geister soviel Macht, dass eine Ballung solcher Kräfte eigentlich gegen das Gleichgewicht der Natur verstoßen mochte. Faithless war ein reinblütiger Geist, ein nie gelebtes Wesen. Und sie? Lijuan war nicht mehr von dieser Welt. Und man mochte es ihr bereits ansehen: Ihr reines, taubengraues Fell war von einer Unnahbarkeit, dass sie andere zum Erzittern verleiten konnte. Ihre Augen wurden von einem milchigen Schleier verhüllt. Für unwissende ein Anzeichen werdender Blindheit. Lijuan hingegen besaß Augen wie ein Adler und sah bei weitem mehr, als es sterblichen Wesen vorbehalten war. Aktivierte die Stute ihren Schutzzauber nicht, so waren auf ihrem Rücken geschmeidige Engelsflügel zu sehen. Und Lijuan war bei weitem zu arrogant, ihr wahres Wesen so zu verhüllen, wie die anderen Engel es zuweilen taten. Warum eigentlich? Wollten sie die Sterblichen nicht schrecken? Solcherlei Kindereien waren der Erzengelin egal. Sie war schon nicht mehr Teil dieser Welt. Lijuan war eine ganz eigene Sphäre, dem Leben weit entrückt.

Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken und die Engelin spitzte die Ohren. Sie sah wunderschön aus. Ihre exotische Anmut glitzerte wie ein Edelstein in der tristen Welt. Kein Wunder, dass so viele ihr Herz an das Wesen verloren hatten, obgleich jede einzelne Faser an ihr gefährlich war. Jedes Haar die Macht besaß, zu töten. Wieder so ein verdammter Vogel. Sie hatte durch Zufall die Gedanken eines anderen Pferdes aufgeschnappt. Eine Gabe, die nur sehr selten funktionierte und auch nur dann, wenn der andere aufgrund einer Unachtsamkeit unkonzentriert war. Ein mädchenhaftes Kichern floh aus ihrem Mund, als sie sich durch das Unterholz bewegte. Allein ihrer Gedankenkraft war es zu verdanken, das keiner der Äste sie berührte. Wie von magischer Hand bogen sich die Sträucher so, dass sie Lijuan nicht berührten und wurden dann zurück an ihren Platz versetzt. 

"Nun." bemerkte sie, als sie sich einem etwas größeren, allerdings ebenso eleganten Pferd gegenüber sah. Sie raschelte mit ihren Flügeln und spreizte sie kurz, um sie in voller Pracht zur Schau zu stellen. "Ein Vogel bin ich nicht, auch wenn mir offensichtlich Flügel zu wachsen scheinen." Ihre reine, wunderschöne Stimme klang durch die eiskalte Luft des Winters. Mit neugierigen Augen musterte sie den Hengst, der eine ähnliche Statur wie sie selbst aufwies. Sein Fell war makellos. Ein Exemplar ganz nach Lijuans nach Ästhetik strebendem Sinn. Sie lächelte und wartete ab. Der erste Schock mochte bereits sitzen, hatte sie doch seine Gedanken belauscht.

Lijuan » 24.08.2015, 07:47 » Der Leuchtturm #1

Xi


Sie musterte jenen, der ihr am nächsten stand, eindringlich. Xi's Mienenspiel verriet so vieles über ihn. Lijuan hatte es nicht nötig, sich seiner Gedanken zu bemächtigen. Die treue Seele sprach allein in den feinen Zügen seines aristokratischen Gesichts Bände. Er sorgte sich, das spürte sie. Ob er sich ihretwegen sorgte? Ein Lächeln formte ihre Lippen zur fein geschwungenen Linie. Kein Wesen dieser Welt besaß annähernd Macht, Lijuan zu töten. Der gesamte Kader der Erzengel wäre vonnöten, um sie von dieser Welt zu tilgen. Doch selbst dann, ja selbst dann, würde sie als Geistwesen verbleiben und sich in einem anderen Körper rematerialisieren können. Allein Faithless war zu fürchten, das gestand sie sich ein. Doch sie waren Verbündete, aus purem Eigennutz und Interesse, Neugierde. Lijuans Neugierde mochte gar so weit reichen, dass sie bereits darüber nachgedacht hatte, sich von Faithless töten zu lassen. Allein um zu sehen, ob sie auch dieser Urgewalt trotzen konnte. Das Spiel mit dem Tod war der Erzengelin von China durchaus vertraut, ob auch des Todes Bruder mit sich verhandeln und spielen ließ? Nun, da er einen ihrer Lieblinge getötet hatte, musste Faithless schon reichlich Charme aufbringen, die Wogen zu glätten. Lijuan hatte ihm uneingeschränkte Kooperation versprochen. Vom Tode Raphaels war damals jedoch noch nicht die Rede. Bei einer persönlichen Unterredung würde sie die genauen Umstände des Vergehens ihres "Freundes" erfahren wollen. Doch nicht jetzt. Nicht hier. Nicht, wenn die vertraute Nähe Xi's ihr ein so angenehmes Gefühl von Heimat versprach.

"Ich kenne den Geist kaum, doch sein Wahnsinn reicht nicht soweit, die gesamte Engelschaft auslöschen zu wollen. Dieser Kampf erfordert ein gewisses Maß an sanfter Diplomatie, mein lieber Xi. Raphael hat Faithless stets offen provoziert. Ob nicht auch ich zum Schlag ausgeholt hätte, in seiner Lage? Wir werden sehen, ob Illium geschickter vorgehen wird im Umgang mit den anderen Herden. Raphael war nicht darauf bedacht, Bande zu knüpfen. Aber wir wissen beide, dass in einer Welt mit solch mächtigen Wesen, keiner die Oberhand gewinnen kann. Ich habe genug Dynastien kommen und gehen sehen, die Diplomatie war stets der Schlüssel zur Ewigkeit." Sie murmelte, leise und mädchenhaft. Doch ihre Worte waren verständlich, allein weil ihr Gefährte die Stute in- und auswendig kannte. Auch im Kader der Erzengel konnte die Kooperation allein deshalb reibungslos funktionieren und ein Blutbad umgehen, da man miteinander zu leben gelernt hatte und den Wünschen des anderen schrittweise entgegen kam. Lijuan lag nichts daran, auch Illium in den Tod zu treiben und Faithless dabei zu unterstützen. Sie würde dem Herrscher der Geister und Toten die Kooperation mit ihrer Rasse schmackhaft machen müssen, die Vorteile aufzuzeigen versuchen. Vielleicht konnte man ja - in einem Faithless' seliger Experimente - den Versuch eines Mischwesens wagen? Welche Macht besaß wohl ein untoter Engel? Ein untoter Erzengel? Lijuan schmeckte Blut auf den Lippen, fuhr sie mit der Zunge nach. Ihre Augen begannen vor Erregung zu glimmen.
Lijuan » 08.03.2015, 21:59 » Der Leuchtturm #1

Xi


Lijuan hatte jene Ränkespiele des Kaders und der Höchsten ihrer eigenen Spezies zum Erbrechen satt. In ihrem viele Jahrtausende währenden Leben hatte sie all das, was sich abspielte, bereits gesehen. Überraschungen waren ihr nicht mehr vergönnt. Sie war auf der Suche nach neuen Herausforderungen, kurzweiligen Episoden. In der Hoffnung ihre eigenen Kräfte, die das Spiel mit dem Tod betrafen, voran zu treiben, hatte sie sich auf eben jenen eingelassen, der den ihr liebsten Erzengel tötete. Sie wusste nun nicht, ob sie ihn hassen oder bewundern sollte: Faithless. Der Geist hatte das vollbracht, wozu nur ein Bruchteil ihrer eigenen Artgenossen im Stande gewesen wäre. Und ihres Wissens nach ging es Faithless sehr gut, er hatte also kaum Blessuren davon getragen. Auch das sprach für die unermessliche Macht des Geistes. Doch mit dem neuen Erzengel, der in den Kader eingetreten war und nun über das Stillreich verfügte, würde der Fahle es schwer haben. Illium war ein vielversprechender Knabe. Er lernte, ebenso wie Raphael, sehr schnell. Raphael mochte der Sohn zweier Erzengel gewesen sein, Illium hingegen trug ein Feuer in sich, das ihn auf den ersten Blick unbesiegbar und auf den zweiten zumindest zu einer harten Nuss werden ließ. Und aus der Erfahrung gelernt, würde sich Illium kaum so rasch von dem Geist niederringen lassen. Allein mit Lijuans Hilfe würde Faithless ihm die Stirn bieten können, doch diese würde sich weigern den wunderschönen blaugeflügelten Knaben zu töten. Daran lag ihr nichts, zumal sie auch ihn mochte. Er war in ihren Augen der schönste der Spezies Engel. Sie genoss es ihn fliegen zu sehen. Sie würde nicht zu seinem Untergang beitragen, soviel war gewiss.
“Es handelt sich um einen Geist. Er selbst behauptet, er sei der Bruder des Todes. Ich habe mich in seinen Dienst begeben.“ Damit war eine Bombe geplatzt, mit der Xi nun wohl ordentlich beschäftigt sein würde Seine Herrin hatte sich in den Dienst eines anderen Wesens begeben. Tatsächlich gehörte Lijuan für die Dauer ihres Aufenthaltes im Stillreich den Gaistjan Skairae an. Nur so hatte sie den besten Zugang zu Faithless’ Macht. Nur so konnte sie lernen, was er selbst wusste. “Illium hat den Platz Raphaels eingenommen. Durch die Wut und Verzweiflung, die er verspürt haben muss, hat sich der Prozess der Verwandlung zum Erzengel stark beschleunigt. Er ist sehr stark. Und er steht gerademal am Anfang seines Seins.“ Es gab verschiedenste Engel in ihren Reihen. Jene, denen nur ein gewisses Maß an Macht zugedacht war und nicht mehr hinzu lernten, sofern jenes Potential ausgeschöpft war. Jene, die sehr langsam lernten und nie zum Erzengel wurden. Und jene, die eines Tages an der Schwelle zu einer ganz anderen Existenz standen, denn Erzengel und Engel hatten bis auf die Flügel wenig gemein. Engel waren durchaus noch sterblich und ihre Emotionen glichen jenen der Sterblichen, auch wenn sie für das Ausleben ihrer Gefühle mehr Zeit zur Verfügung stehen hatten. Erzengel hingegen verließen oft die Sphären des normalen Lebens. Sie lernten ihrem Charakter nach spezifische Mächte zu gebrauchen, so wie Raphael das Heilen erlernte und sie selbst das Beschwören des Todes. Was musste sie einst für ein Mädchen gewesen sein, wenn ihr Charakter sich im Wiederbeleben von Toten manifestierte?
Traurig sah sie für einen Moment über das Meer, das in wilden Wellen tobte. Manchmal fragte sie sich, warum sie nicht einfach in den Schlaf verfiel, der besonders alten Engeln zu wählen freistand. Aber Lijuan war nach wie vor hungrig nach mehr. Einst hatte sie einen Sterblichen geliebt und ihn getötet, um sich ihrer Schwäche zu entledigen. Manchmal glaubte sie, dies sei ein Fehler gewesen. Denn mit der Liebe hatte Lijuan auch jegliche Freude aus ihrem Leben gebannt. Allein wenn sie Xi ansah, empfand sie manchmal noch jenes sanfte Kribbeln im Bauch das man spürte, wenn Adrenalin und Endorphine den Blutkreislauf eroberten.
Lijuan » 18.02.2015, 21:03 » Der Leuchtturm #1

Xi


Einst hatte auch sie geliebt, wie Raphael ein sterbliches Wesen. Doch der Weg, den sie seither beschritten, unterschied sich gewaltig voneinander. Raphael hatte seiner Sterblichen, Liesel, jene Macht eingeräumt, die Lijuan verwehrt hatte. Während Liesel, die schwache Liesel, an seiner Seite hat verweilen dürfen, hatte Lijuan getötet. Und nun? Das Resultat sprach für sich. Ein Erzengel war tot, einer nicht. Lijuan war so alt, dass man die Jahre kaum noch zu nennen wagte. Allein Caliane übertrumpfte die Jahrtausende, die Lijuan hatte auf- und untergehen sehen. Längst hatte sie die Freude an all dem Lebendigen verloren. Man konnte eine Erzengelin, die jede Nuance des Lebens ausgekostet hatte, nicht mehr begeistern. Sie war daran, neue Sphären für sich zu entdecken, um der langwierigen Ewigkeit neue Kurzweil abzuringen. Für manch Sterblichen mochte es eine Gnade sein, auf ewig leben zu dürfen. Stets stärker und machtvoller zu werden. Doch Lijuan, eine Stute die alles Erdenkliche erreicht hatte, wusste, dass ebenjene Macht auch ein Fluch sein konnte, der das Leben zur Last werden ließ. Vielleicht umgab sie sich gerade deshalb so gern mit dem Tod, war er doch das einzig ihr unbekannte Element geblieben. Bis jetzt. Denn sie hatte bereits erste Kontakte zu Faithless geknüpft, sich gar seiner Führung unterworfen. Ein Schauspiel, dass ihr ein mädchenhaftes Kichern entlockte. Sie, eine Erzengelin die von ihren Untertanen als Göttin verehrt wurde, unterwarf sich nicht. Faithless hingegen war ein Geschöpf, das selbst ihr einen gewissen Respekt abverlangte. Sein Bruder war der Tod höchstpersönlich, Faithless ein wandelnder Leichnam. Oder zumindest nichts Lebendiges. Genaueres hatte Lijuan noch nicht heraus finden können.
Schließlich plauderte der Geist nicht einfach all das aus, was er wusste und was seine Existenz ausmachte. Er hatte es mit einer Leichtigkeit geschafft, Raphael zu töten, dass ihr schauderte. Sie spürte Angst. Ein Gefühl, dass ihr erstmals wieder einen Hauch von elektrisierender Lebendigkeit einflößte. Wahrscheinlich war Lijuan noch immer stärker als der Fahle, doch an ihm hätte sie wahrscheinlich trotzdem eine harte Nuss zu knacken. Sie spürte das prickelnde Grauen in jeder Faser. Lebendig.

Sie hatte nach einem langen, erquickenden Flug die Küsten des Stillreichs erreicht, in ihrem Rücken der bunte Leuchttum der Menschen. Früher hatten Lichter darin den Weg angezeigt, die Schiffe vor dem Zerschellen an den Küsten bewahrt. Nun aber waren die Menschen vertrieben, auch hierfür gab man Faithless die Schuld. Es hieß, er habe den Menschen ihre Kinder geraubt. Ein Delikt, das in der Engelwelt Hochverrat glich und mit dem sofortigen und qualvollen Tod bestraft wurde. Lijuan hätte es schockieren müssen, dass Raphael sich an den Kleinsten vergriff. Doch auch bei diesem Gedanken lief ihr ein wohliger Schauder über den taubengrauen Rücken. Nicht mehr von dieser Welt. Sie wusste, dass Raphael diese Worte mit ihr in Verbindung brachte. Als sie ihm und seiner zuckersüßen Sterblichen einen Besuch abgestattet hatte, hatte sie sich mit seinem Geist verbunden. Natürlich hatte der Schimmel mit den golddurchwirkten Flügeln versucht, sie daran zu hindern. Doch sie war bereits alt, als Raphael gerade erst geboren wurde. Er hatte nicht den Hauch einer Chance gegen sie. Und so hatte sie gewusst, was man über sie dachte. Was man von ihr wusste. Und - besser noch - was man nicht von ihr wusste. Man hatte ihr jegliche Verbindung zu dieser Welt abgesprochen, dass sich diese Bindung lediglich veränderte über die Jahrtausende schien den hasenfüßigen Engeln nicht begreifbar. Allein Caliane vermochte zu verstehen, was in der jüngeren Lijuan vor sich ging. Ob auch sie selbst eines Tages in einen Schlaf, vergleichbar dem Calianes, fallen würde? Ob auch sie mit ganz neu erwachenden, überraschenden Kräften daraus erwachsen würde? Doch Lijuan war noch nicht bereit, sich der Welt für Jahrhunderte zu entsagen. Sie war noch zu hungrig.

Sie blinzelte in den Himmel, der zu toben schien. Wunderschöne, einzigartige Flügelschemen bildeten sich vor den sturmgepeitschten Wolken ab. Xi. Ein ungläubiges Lächeln trat auf ihr mädchenhaftes Gesicht. Die verschleierten Augen musterten den Engel, der allein durch ihre Gnaden lebte, amüsiert. "Aufgeschreckt wie ein junges Huhn? Was kümmert es dich, was aus Raphael wurde?" Doch sie wusste genau, dass ihre rechte Hand durchaus alle Berechtigung und auch Grund dazu hatte, sich einen Überblick zu verschaffen. Dass eine Reise vom fernen China in diesen Tal nicht notwendig gewesen wäre, ließ sich jedoch nicht bestreiten. Es hätte genügt, mit Lijuan in Verbindung zu treten. Ihre Bindung war stark genug, die abervielen Meilen zu überbrücken, war der Wille stark genug. "Aber ja. Er ist tot." Bitterkeit mischte sich in ihre Worte, unter all den Engeln war er es gewesen, der ihr am liebsten war. Lijuan, fasziniert von allem Schönen und Absurden, hatte natürlich einen besonderen Blick auf Raphael geworfen. Er war nicht nur atemberaubend schön mit seinen goldenen Flügeln und dem herb maskulinen Körper. Er war zudem der Sohn zweier Erzengel. Zweier Erzengel, die unter dem dringenden Verdacht standen, sich ihres gesunden Geistes entledigt zu haben. Allein ein Engel war es, der seiner überragenden Schönheit halber ebenfalls ein ähnliches Interesse in ihr weckte: Illium. Die Geschichte entwickelte sich also nicht ganz zu ihrem Nachteil, auch wenn ihr der Goldjunge fehlte.

Nachdenklich blickte sie übers Meer. In ihren Augen kein Funken Leben, keine Farbe, reines weiß. Ein Fremder, Unwissender mochte sie für blind halten, ähnliche Schleier zogen über ihre Iris. Dennoch sah sie so scharf wie ein Adler. Der Erzengel, der dem Abgrund am nächsten stand, war bezeichnenderweise von reinweißer Gestalt. Ihr Körper hatte ein interessantes taubengrau, ihre Flügel waren ähnlich. Sie wirkten matt und glänzend zugleich, ihre Mähne war weiß. Sie wusste, dass man ihr Schicksal bereits in der Wiege vorbestimmt hatte. Umso amüsanter war es, dass man sie mit der Farbe der Unschuld identifizierte. Und womöglich traf dies auch zu. Lijuans Seele war rein, sie war nicht schwarz, nicht rot, nicht angefüllt von Gift. Ihr Wahnsinn, oder zumindest das was von anderen als Wahnsinn ausgelegt wurde, war allein das Resultat einer bereits zu langen Lebensspanne. Kaum ein Wesen dieser Welt konnte die Leere spüren, die in ihr gewaltsam herrschte. Allein Xi hatte sie ab und an einen Blick in ihr Innerstes gewährt. Mein treuer Diener. dachte sie bei sich, wohl wissend, dass er die Worte vielleicht vernahm.
Lijuan » 31.10.2014, 22:57 » Der Friedhof #2

Krabat


Sie war so alt, dass der bloße Gedanke daran Schmerzen bereitete. Eine Zahl, die den normal Sterblichen unvorstellbar erschien, maximal auf die Sandkörner am Meer anzuwenden war. Nicht aber auf das Alter eines real existierenden Lebewesens. Sie wurde nicht umsonst als Gottheit verehrt, denn ein Leben ohne sie war für die meisten Sterblichen schlicht unmöglich, ebenso für deren Eltern, Großeltern, Urgroßeltern. Und ganz gleich wie viele "Ur" man daran hing, es waren niemals genug um einen Ahnen zu finden, für den Lijuan nicht existierte. Lijuan war eine Konstante, ohne die diese Welt mittlerweile undenkbar geworden war.

Sie konzentrierte sich jedoch wieder auf ihren durch und durch interessanten Gesprächspartner. Dass Lijuan jemanden oder irgendetwas interessant fand war eine Seltenheit, umso kostbarer war ihr der Jüngling - als solchen konnte sie ihn im Angesicht ihrer eigenen Tausende betrachten -, der keineswegs eine schlechte Figur abgab. Ein glockenhelles, mädchenhaftes Kichern klang, als er sprach. "Sagt bloß, dass Ihr an Götter glaubt. Bestimmung? Wer hat euch denn vorherbestimmt, wohin der Weg euch führt? Lasst Euch einen Rat von einer Stute geben, die älter ist als es ihr anzusehen ist: Es gibt keine höheren Kräfte, die Euren Weg vorherbestimmen. Die höheren Kräfte scheren sich einen Dreck um Euch." Sie lächelte nach wie vor charmant, doch ein grausames Lächeln drang auf ihre Lippen. Für nur wenige Momente wurde ihre grausame Schönheit mit all dem getränkt, was sie war: nicht mehr von dieser Welt. Ganz fern einer körperlichen Existenz. Lijuan benötigte ja nicht einmal mehr Nahrung, kein Wasser. Sie hatte sich von den fleischlichen Gelüsten losgesagt, von dem was man Leben nannte. Aber würde Krabat mit diesem Wissen überhaupt umgehen können? Ahnte er eigentlich das Ausmaß dessen, was vor ihm stand?

Entschuldige. Muss selbst erst wieder reinkommen .__.
Lijuan » 08.04.2014, 12:17 » Der Friedhof #2

Krabat


Wie alt er wohl sein mochte? Fünfzehn, ja gar zwanzig Jahre? Das Leben eines Sterblichen fast verlebt. Und für Lijuan waren dies doch nur Sekunden, ein Atemhauch, nichts weiter. Sie hatte zuviele Sterbliche kommen und gehen sehen, als dass sie jene hätte zählen können. Allein ihre Zeit als Fohlen, als Säugling!, umspannte mehrere hundert Leben. Und nie zuvor hatte es sie gekümmert. Warum denn auch; Engel blieben meist unter sich und nutzten die Ungeflügelten eher als Sklaven, Boten oder Diener. Trotzdem durchfuhr es sie eiskalt, als sie an das Ableben Krabats dachte, dass in ihrem Sinne schon morgen bevorstand. Natürlich verfügte sie über die Kraft, die Toten zurückzuholen. Jedoch in einem so unwürdigen Zustand, dass sie IHN nicht würde wiederholen, verdient hatte er das nämlich nicht.

Seine Blicke trübten sich, verklärt und doch wunderschön. Wer oder was war er, dass er den Erzengel von China in seinen Bann zog? Eigentlich ein lachhafter Gedanke, bedachte man Lijuans Stellung im Machtgefüge der Welt. Sie wurde nicht nur wie eine Göttin verehrt, in gewissem Maße war sie das auch. Und er? Ein Unbedeutender. Wohl kaum hundert Pferden dieser Welt überhaupt bekannt. Lijuan wurde von Tausenden und Abertausenden angebetet!

Seine Geschichte gefiel ihr, vertrieb die Kurzweil und stahl sich in ihr Herz, auch wenn die meisten dieses längst für tot erklärten. Doch, sie hatte ein Herz. Sie empfand. Sie war sogar fähig, zu lieben. Man durfte Grausamkeit nicht immer mit Herzlosigkeit gleichsetzen. Alles hatte seine Vorder- und Kehrseite. Lijuan bildetete da keine Ausnahme. Allein die Tatsache, dass keiner von ihrer warmen Seite wusste, bildete den Unterchied. "Raven. Auch dieser Name steht Euch wohl. Und Euer Begleiter ist mir wohl aufgefallen." Sie lächelte. "Aber verflucht? Der Rabe ist schwarz und von vielen verschrien. Und doch, frage ich Euch, ist alles schwarz böse? Ist denn alles immer nur schwarz, nur weiß? Nehmt es mir nicht übel, aber ich glaube dass auch in Euch sowohl das eine, als auch das andere wohnt. Was zu Tage tritt ist allein eine Frage des Schicksals." Die Erzengelin zwinkerte ihrem Gesprächspartner zu, wobei ihr die Ponysträhnen erneut aus dem Gesicht peitschten und doch wiederkehrten; ihre ohnehin milchigen Augen zu verschleiern. Ein zartes Glimmen ihrer Macht umwob die zierliche Gestalt des Wesens, dass nun unter Sterblichen wandelte. Was wohl Raphael davon hielt? Sie wusste, dass der andere ihr diese Sterblichkeit und Erdigkeit bei weitem nicht mehr zutraute. Und, um ehrlich zu sein, auch sie hatte geglaubt, mit dem Irdischen abgeschlossen zu haben. Allein einen Ausflug hatte sie unternehmen wollen und dann war ihr Krabat begegnet, und womöglich hielt er sie nun am Boden der Tatsachen fest.

Ein wenig ertappt fühlte sie sich schon, als er sie danach fragte, wie sie den weiten Weg geschafft habe. Nun. Sie hatte ihre Flügel ausgebreitet und die Jahrtausende hatten ihr Übriges getan, dass eine solche Distanz für sie nur ein kurzer, unermüdender Sprint war. DAS aber würde sie ihm nicht sagen können. Er fiele aus allen Wolken, rauschte womöglich kreischend davon. Oder aber, und in ihr schimmerte die Hoffnung das es so war, er besaß die innere, Sterblichen selden verliehene Kraft, dieser Widernatürlichkeit zu trotzen. "Nun. Es war ein langer Weg, doch mit der nötigen Ausdauer und keinem Ziel vor Augen landete ich einfach irgendwann hier. Ein Bekannter lebt in diesen Gefilden." Sie versuchte zu lächeln und biss sich doch auf die Zunge. Verraten hatte sie sich! Wahrscheinlich würde er fragen, wen sie besuchen wollte. Und dann hätte sie ihn anlügen müssen. Oder sie gestand die Wahrheit und warf damit die Frage auf, was Lijuan vom Erzengel höchstpersönlich wollte. Dass sie selbst viel stärker war als der hier lebende Erzengel Raphael... Nein, es wäre zuviel. Sie geizte sonst wohl kaum mit ihrer Macht, liebte es angebetet zu werden. Und auch bei Krabat hätte sie keine Probleme damit. Und doch wollte sie nicht, dass er sie ihrer Macht wegen anbetete. Es sollte ihr Charakter, ihr Wesen sein, der das verursachte. Da aber überkamen sie Zweifel. Denn Lijuan hatte seit Jahren vergessen was es bedeutete, mit seinen inneren Werten zu punkten. Charmant mochte sie sein. Doch charmant konnte jeder sein. Sie hingegen war das tödlichste Wesen der Welt. Ein Gedanke und aus Krabats Mund, Ohren, Nase würde Blut tropfen. Ein anderer Gedanke und seine inneren Organe verkümmerten so schnell sie es wollte. Doch kein Gedanke dieser Welt genügte, um seine Sympathie ehrlich zu gewinnen. Das musste sie sich erarbeiten. Arbeit. Dieses Wort war ihr so unbekannt, dass sie im ersten Moment fürchtete und letztlich doch, angetrieben von der seltenen Herausforderung, am liebsten sofort damit begonnen hätte, sich ihm bestmöglich zu präsentieren.
Lijuan » 07.04.2014, 17:23 » Der Friedhof #2

Krabat


Es war nicht unbedingt die Tatsache, dass eine Krähe um sie herum schwirrte. Etwas gab ihr Anlass zur Annahme, dass dieser Junge nicht unbedingt so sterblich war, nicht ganz so normal, wie man es hätte vermuten können. Und der Aspekt, dass die Krähe nun um Krabat herum schlich als sei dieser ein Magnet, machte es nicht einfacher. Eine Erzengelin wie Lijuan eine war, erkannte Dinge wie diese mit der Auffassungsgabe eines Adlers. Doch sie verschloss und versiegelte die Lippen. Würde dieses Thema nicht fallen lassen, solang der Helle es nicht tat. Stattdessen entsann sie sich darauf, ihn zu betrachten. Ihn eingehend zu mustern, denn so schön war er, dass es sich lohnte. Etwas an ihm -womöglich der Charme- ließ Lijuan vor Entzücken erschaudern. Sie hatte nicht daran geglaubt, dass je ein Sterblicher sie wieder würde faszinieren können. Dann aber beschlich sie jener üble Nachgeschmack eines Gedanken, der besser ungedacht geblieben wäre. Der letzte Sterbliche, der sie so fasziniert hatte, hatte sterben müssen. Denn jene Fasziniertheit war eine Schwäche für Unsterbliche. Ihr Sterblicher hatte sie "angesteckt" und das galt es zu vermeiden. Und doch... Auch bei Raphael hatte sie prophezeit, dass seine Sterbliche ihn würde verletzbar machen. Dass sie sein Untergang sein würde. Und tatsächlich hatte es ihn anfänglich geschwächt, doch im Nachspiel hatte sich ganz deutlich gezeigt, dass der Sohn Calianes aus diesem Einbruch gestärkt und mit neuen Fähigkeiten heraus ging. Vielleicht... Aber nein, auf wilde Spekulationen wollte und konnte sich Lijuan nicht einlassen. Sie war hier, um ein ganz anderes Ziel zu verfolgen. Der Junge hier war ihr lediglich eine willkommene Zerstreuung, wie so vieles auf dieser Welt.

"Mh.... Krabat." schnurrte sie , unverhohlene Neugierde in ihrer Stimme. "Und doch war dies nur ein Name von vielen? Erzählt Ihr mir, wie es dazu kam, dass andere euch nicht ebenfalls "Krabat" nannten?" Sie lächelte zuckersüß. "Im Gegenzug biete ich Euch meinen Namen: Er lautet Lijuan und - vielleicht könnt Ihr es ja am Klang meines Namen schon erahnen - ich stamme aus einer Gegend, weit fort von hier: China." Und wieder jenes mädchenhafte Lachen, klirrende Glocken und kein bisschen gespielt. Lijuan mochte ein Scheusal sein, mochte blutrünstige Dinge tun. Und doch legte sie Wert auf Ehrlichkeit. Sie handelte nach einem (angesichts ihres Verhaltens sehr groteskem) Ehrenkodex, den sie genau nahm und Vergehen konnten hart bestraft werden. Sie war ja kein Monster, auch wenn das wohl neunundneunzig Prozent der Weltbevölkerung genau so behaupten würde. Und zugegeben... Sie hatte bereits harmlose Tiere vor den Augen unschuldiger Kinder zerplatzen lassen, das Blut spritzte. Doch diese Göre hatte es nicht anders verdient, hatte Lijuan als alte Dame verhöhnt und somit brutal an der Ehre und dem Stolz des Engels gekratzt. Lijuan war gerecht, auch wenn Gerechtigkeit manchmal auch Brutalität verhieß. Denn wie sonst konnte man jemanden strafen, der Böses tat? Ein Hengst, der Stuten schändete? Nun. Lijuan war kreativ in ihrer Urteilsfindung. Die verschiedenen Spielarten des Todes genau ihr Metier. Ja. Sie war grausam. Doch wenn man so lange lebte, wie sie, verloren die Nuancen allmählich an Bedeutung und letztlich blieb nur eines: schuldig oder nicht.

Umso schöner, wenn ein Sterblicher es schaffte, sie erneut an das Ufer der Lebenden zu ziehen. Sie aus den Wogen der Unendlichkeit zu zerren. Sie war eigentlich eine Verlorene, mit dem alleinigen Unterschied, dass ihr soviel Macht innewohnte, dass sie als Gewinnerin gesehen wurde. Und sie selbst würde sich ihre Schwäche, in trister Starre zu verharren, niemals eingestehen. Und er faszinierte sie, jawohl. Und hätte sie es sonst doch als Schwäche gesehen, so sah sie nun auch Hoffnung darin. Raphael war gewachsen daran. Warum nicht auch sie?

Sanft streichelte der unsichtbare Wind ihre Mähne, zerwühlte sie ein wenig. Lijuan würde wohl stets wie ein kleines, unbedarftes Mädchen wirken und konnte andere doch mit einem Wimpernschlag töten. Sie lächelte. Und es war ein so fragiles Lächeln, dass jeder ehrbare Hengst sie hätte zu schützen versucht. Wie wohl dieser Hengst hier, Krabat, ihre Mächte und ihr Wesen einschätzte? Ob auch er das kleine Mädchen sah? Oder ahnte er bereits, einem der mächtigsten Wesen dieser Welt gegenüber zu stehen? Es war der Grund warum sie lächelte, doch nicht nur. Denn ihre Lippen kräuselten sich auch genau deswegen: wegen ihm. Süßer kleiner Junge, mein. murmelte sie, als sie gedanklich ihre Klauen in ihn schlug und dabei doch die Gefahr nicht eingehen wollte, ihn zu verletzen.
Lijuan » 07.04.2014, 16:14 » Der Friedhof #2

Krabat


Lijuans milchig getrübte und doch nicht blinde Augen betrachteten den Jungen - und das war er gemessen an ihrem Alter - aus dem Augenwinkel und so nahm sie die klassische Verbeugung wohl wahr, die ihm bereits die Gunst der Erzengelin bescherte. Lijuan mochte es, wenn Hengste Anstand besaßen. Wenn sie in der hohen Kunst des Höfischen unterrichtet waren. Die Taubengraue hatte so viele Dynastien und Höfe erlebt - überlebt - , dass sie genau wusste, wie sich gutes Benehmen abzeichnete. Seine Stimme schlich sich ihr ins Gehör und sie konnte ein mädchenhaftes Kichern nicht bezähmen, dass sich gluckernd ihre Kehle herauf bahnte. Dass er sie, eine zehntausend Jahre alte Engelin, als junge Lady bezeichnete, war ihr das schönste Kompliment. So sehr sie dieser Welt auch entrückte, der Sinn für schöne Komplimente war ihr nie abhanden gekommen.

Ein nicht vorhandener Windhauch strich ihr das helle Langhaar aus dem Gesicht, als sie sich ihm nun vollends zuwandte und ihn mit ihren unnatürlichen Augen betrachtete. "Jung... nun. Wenn Ihr es so nennen wollt." klangen die Worte vom zweitältesten Wesen dieser Welt und sie waren so sanft, dass man Lijuans Wesen kaum erkannte. Fürwahr, sie hatte nicht verlernt, sich unter Sterblichen zu bewegen. Auch wenn sie alles andere als von dieser Welt war. Sie war etwas so Besonderes, weder tot noch lebendig. Und ihren Rücken zierten taubengraue, perfekt auf ihr Fell abgestimmte Flügel, die so rein und anmutig waren, dass von ihrem teils verderbten Geist kaum etwas zu erkennen war. Früher oder später, wenn Lijuan es so wollte, würde der Fremde auch diese Flügel zu Gesicht bekommen. Nun aber faltete sie sie säuberlich auf ihrem Rücken, sodass sie einem Sterblichen nicht sichtbar waren. "Ich besuche diesen Ort seiner Schönheit wegen. Findet Ihr nicht, dass ein Friedhof etwas gar Magisches an sich hat? Etwas, was einen der Toten gedenken lässt - selbst der einem Unbekannten?"

Wieder flohen ihre Blicke über ihn, so schön war er. Er hätte einen gar vortrefflichen Lustknaben abgegeben. Doch Lijuan hatte auch diesem weltlichen Belangen abgesagt. Wobei... Es gab stets den ein oder anderen guten Grund, seine Ansichten zu verändern und zu widerlegen. Aber so schwach, als dass sie angesichts eines recht hübschen Sterblichen wacklige Knie bekommen hätte, war sie nicht. Bei weitem nicht. So schwach war sie wohl noch nie gewesen. Sie versuchte, sich an ihre Kindheit zu erinnern. Ein taubengraues Kind. Schon damals etwas besonderes, denn die Sterblichen hatten ihre Andersartigkeit sofort erkannt. Welches Fohlen war, bitteschön, schon nach der Geburt so hell? Kamen doch die meisten, selbst Engel-, Kinder als Dunkle zur Welt und erfreuten sich Jahr um Jahr einer optischen Wandlung.

Lijuan spürte, dass der Tod auch an ihm haftete. Nicht stark genug und doch wahrnehmbar. Ob er jemanden verloren hatte? Vor Kürze? Die Erzengelin verzog fasziniert die Stirnpartie, als sie an ein Gespräch mit dem Fremden dachte. Gern hätte sie ihm ihren Namen genannt, der Höflichkeit und Etiquette halber wartete sie jedoch. War es doch an dem Hengst, sich ihr vorzustellen. Wie erfrischend, dass jemand sich ihr nicht vor die Hufe warf! Sie nicht wie eine Göttin anbetete! Sie war in diesen Teil der Welt gereist, um ihrem eigenen Gebiet zu entfliehen. Nicht, dass es nicht schön war geliebt und gefürchtet zu werden. Sie wollte jedoch endlich einmal wieder die Wurzeln in diese Welt schlagen, wenigstens ein bisschen mitbekommen. Und dieser Bursche hier schien absolut nicht zu wissen, wen er vor sich hatte - hervorragend!
Lijuan » 24.02.2014, 20:02 » Der Friedhof #2

Krabat


Taubengrau schimmerte ihr Fell in der Wintersonne, die hier und da durch das dichte Treiben blitzte. Es war ein herrliches Wetter, eine sonderbare Kombination. Während durch die lückenhaften Wolken immer wieder die Sonnenstrahlen tanzten, flohen die Flocken aus dem Himmel und breiteten sich auf der eisbedeckten Welt aus. Lijuan fügte sich in dieses Bild, als wäre sie für Winter und Kälte geboren. Vielleicht war dem auch so. Ihre Geburt lag so viele tausende Jahre zurück, dass sie es schon nicht mehr ermessen konnte. Wer waren eigentlich ihre Eltern und warum wurde sie überhaupt geboren? Als einer der stärksten Engel der Welt war sie derselben mittlerweile so entrückt, das nichts ihre Aufmerksamkeit fesseln konnte und nichts ihr mehr Freude bereitete.

Sie spürte es sofort, als ein Jüngling den Garten betrat. Auch wenn sie selbst ihn weder sehen, noch wittern konnte. Man war keine viertausend Jahre alt und wusste dann nicht, wann ein Jungblut den Ring betrat. Amüsiert kicherte sie. Es war das Lachen eines jungen Mädchens und keinen Deut älter sah Lijuan aus. Bis auf ihre Augen war sie eine ganz normale Stute. Nur die Pupillen, die schwarz hätten sein müssen, waren bei ihr von eben demselben grau, wie ihr Fell. Hätte sie ihre Schwingen in der Gestalt des Pferdes nicht eingebüßt, so wären auch diese von reinem grauweiß gewesen. Sie trauerte ihnen ein wenig nach, doch sie verschmerzte den Verlust. Nun, an diesen Körper gebunden , konnte sie zumindest wieder unter den Lebenden wandeln und sich ihren Lüsten hingeben, auch wenn diese mittlerweile ebenfalls zu langweilen begann. Es war an der Zeit, dass Lijuan ein wenig Freude empfand. Dass sie ein Spielzeug fand, das ihr Interesse länger als nur ein paar Momente - in Lijuans Rechnung waren Momente im übrigen Jahre - andauerte.

"Sei gegrüßt." säuselte ihre kratzige, eher furchterregende Stimme. Eine Stimme, die eigentlich glockenhell erklang und doch so tot war, dass man die Kälte förmlich auf der Haut spüren konnte. Sie wandte sich um und ging auf den Hellen zu, der von einer makellosen Schönheit war. Ein wenig erinnerte sie ihn an ihren einstmals Geliebten. Was aus ihm geworden war? Er war tot. Lijuan hatte ihn getötet. Sie hatte ihn geliebt und deshalb hatte er sterben müssen, sonst wäre er ihr Tod gewesen. Hätte sie schwach gemacht. Liebe machte schwach. Das hatte sie begreifen müssen, ehe er sie ein klein wenig sterblich machte. Ihre Gedanken galten nun Raphael. Einem Hengst so schön wie Tag und Nacht zugleich. Sie hatte ihn immer bewundert und nun bewunderte sie ihn umso mehr. In dieselbe Situation wie sie einst geraten, hatte er sich doch für einen anderen Weg entschieden: er hatte seine Sterblichen leben lassen und sich ihr verschrieben. 'Wenn das mal nicht dein Tod sein wird, lieber Raphael.', murmelte sie lautlos vor sich hin und widmete sich dann wieder dem Fremden, der keine Ahnung hatte,vor welch mächtigem Wesen er stand.
Lijuan » 11.02.2014, 15:27 » Der Friedhof #2

Krabat


Der Schnee fiel und wollte nicht aufhören damit. Die Welt schien weiß gepudert, als Lijuan ihre Hufe in das Kalt trieb - weiter, immer weiter. Sie galoppierte über eine weitläufige Wiese, die allmählich von Bäumen gesäumt immer dunkler schien. Sie war so schnell, dass kein Vernünftiger an ihrer Unsterblichkeit hätte zweifeln können. Es schien beinahe, als wuchsen ihr ein Paar Flügel aus dem Rücken. Taubenweiße Schwingen, die so rein waren und kräftig schlugen... Doch womöglich war all das auch bloße Illusion. Wer wusste das schon?

Nun gut, in diesem Teil der Erde gab es genug widernatürliche Wesen. Und sie war nur eine weitere Ausgeburt der kranken Fantasie dieses Gottes, der angeblich vor einiger Zeit die Erde schuf. Ob da was dran war? Schließlich war Lijuan selbst schon fast so alt wie diese Welt. Womöglich war sie ja die Göttin? Zugegeben, in ihrem Heimatland verehrte man die Erzengelin gottgleich. Aber die Langeweile trieb sie aus den ihr bekannten Gefilden Chinas. Sie wollte etwas erleben, ihrem monotonen Dasein ein bisschen Zerstreuung bieten. Und welche Region eignete sich besser, denn jene, die von Raphael und seiner Mutter höchstpersönlich regiert wurde?! Caliane. Dieses Wort. Dieser Name. Seit Jahrhunderten war Lijuan das älteste Geschöpf der Welt. Und nun machte ihr dieses Geschöpf Konkurrenz - pah. Aber während Caliane noch immer auf dieser Sphäre verweilte, noch immer nur eine Ebene des Daseins bewohnte, war Lijuan dieser Welt schon lange entrückt. Schon lange...

Ihr Weg führte sie nicht einfach irgendwohin, nein. Der mächtige Engel steuerte direkt gen Friedhof. Lijuan stand mit einem Bein im Grab, jedoch freiwillig. Die Engelin schaffte den Spagat zwischen der Welt der Lebenden und der, der Toten. Sie hatte die Fähigkeit an sich entdeckt, Tote auferstehen zu lassen. Noch war dies nur ein unfertiges Merkmal ihres Charakters, nur eine Spielerei. Doch so wie man jede Fähigkeit trainieren konnte, so konnte auch diese wachsen und gedeihen wenn sie auf fruchtbarem Boden wuchs.

Lijuan betrat den Friedhof wie ein gesittetes Pferd: durch das Tor. Was nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Überall lagen die Mauern in Bruchstücken, man konnte fast überall in den kleinen Todesgarten eintreten. Aber Anstand, den besaß sie. Wenn auch einen eher merkwürdigen. Es machte ihr nichts aus, einen anderen kaltherzig zu töten, dessen Herz heraus zu reißen und womöglich zu verspeisen. Es störte sie jedoch, wenn die kleinen Freuden der Gastfreundschaft nicht gewahrt wurden. Wie dem auch sei, sie befand sich nun auf dem Friedhof und ein tiefer Atemzug verriet ihr, dass dies der Ort war, an den sie gehörte. Es roch nach Verderbtheit, Tod und Vergangenheit. Sie stand ganz still. Kein Lüftchen wehte. Und doch wehten ihr Mähne und Schweif wie von Geisterhand. Lijuan gehörte nicht mehr zu dieser Welt, sie hatte also auch nicht deren physikalischen Normen zu gehorchen.
Lijuan » 28.02.2013, 21:23 » Nebelfelder#1

Lucia



Was dachte sich dieses Mädchen eigentlich, wer sie war? Kopfschüttelnd nahm sie die gelogene Antwort hin. Hätte Lucia ihre Gefühle besser im Griff, wäre sie wohl sogar getäuscht wurden. Doch die Lüge hätte gar ein Sterblicher entlarvt. "Mein liebes Mädchen, kleines süßes Ding, Lügen bringen dich nicht weiter. Es ist mir ganz gleich, ob du Raphael kennst. Es wäre bloß ein erster Anhaltspunkt gewesen." Lijuan wäre wohl wütend auf sie gewesen, hätte sie nicht ihren Nutzen in Lucia selbst gesehen. Hätte sie nicht erkannt, dass ihr die blutjunge sterbliche Stute noch von Nutzen würde sein können. "Ja. Er ist auch ein Erzengel, Liebes. Aber ich bin bei weitem mächtiger, weil älter. Du glaubst gar nicht, wieviele Generationen ich schon vor dir hab zur Welt kommen sehen...."Es klang eher nachdenklich, denn giftig. Sie war in Gedanken versunken, musste herausfinden, wie sie am besten an Informationen über Raphael gelangte, ohne dass dieser sofort bemerkte, woher der Wind wehte. Sie lagen nicht im Streit, sie war ihm mehr zugetan als er ihr. Doch das tat ja nichts zur Sache. Sie wollte nicht auffallen. Noch nicht.

Lijuan horchte auf, als Lucia von Neuem sprach und konnte sich ein zärtliches, bitteres Lächeln nicht verkneifen. "Ich glaube nicht, dass es nur so heißt." Lijuan zwinkerte und setzte dabei ein wenig ihrer Kraft ein, sodass die Steine unter Lucias Hufen zu Kiesel zerstoben. "Bedenke, wen du vor dir hast, Mädchen." Lijuan kicherte, sie fand es amüsant, wie sich das Mädchen innerhalb der wenigen Minuten so gedreht und gewunden hatte. Nun hatte sie Angst vor Lijuan, berechtigterweise, und wagte es nicht, sich ihr in den Weg zu stellen. Dabei wusste das Mädchen wiederum nicht, wie wichtig sie eigentlich für Lijuans soeben ersponnenen Plan war. Doch das musste Lucia ja auch nicht wissen, womöglich würde sie dann ein wenig nachlässiger. "Ich verfolge Ziele, meine liebe süße Lucia. Und du wirst mir behilflich sein. Glaube mir, wenn du mir zu Diensten bist, wirst du es nicht bereuen. Ein Erzengel kann mit Grausamkeit richten, doch er kann mit ebensolcher Macht auch belohnen." Ihre Stimme klang süß, ihre Augen blinzelten freudig. Der weiße Schleier ihrer Augen begann sich im Wirbel zu drehen, einem Orkan gleich. Wieder kam ein sanfter Hauch von Wind auf, der allein Lijuan berührte. "Ich habe Großes vor. Und du kannst es zu Großem bringen." Sofern das Püppchen sich als würdig erwies, verstand sich.
Lijuan » 23.02.2013, 12:28 » Nebelfelder#1

Lucia



Sie spürte die Angst, die das Mädchen gepackt hatte. Sie hätte danach greifen können und es sofort zu fassen bekommen. Lijuan wusste um ihre Stärke und vor allem um die furchteinflößende Präsenz, die den anderen einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Doch sie war alt, sehr alt. Bei Engeln, wie ihr ihr, hieß das jedoch nicht Gebrechen oder gar Tod. Es hieß vor allem eines: Macht und Kraft. Und dieser bediente sie sich gern und reichlich, trieb ihre Spielchen mit dem Tod und war bereit, andere dafür bluten zu lassen. Sie wusste, dass in diesem Tal interessante Dinge vor sich gingen, vielleicht war Lucia ja ein Teil dieses interessanten Spiels? "Kennst du Raphael?" Sie wusste, dass der helle Erzengel sich in diesem Gebiet aufhielt und sie wusste ebenso, dass ein besonderes Band die beiden miteinander verband, auch wenn der Jüngere das wohl so nicht sehen würde, wenn man ihn damit konfrontierte. Lijuan hingegen war sich immer seines Aufenthaltes bewusst, nicht aber seiner Pläne. Sie wüsste zugern, was den Schönen in dieses karge Land getrieben hatte. Von Faithless hatte sie gehört, natürlich. Allerdings nahm sie den Fahlen, der sich als ein Geist ausgab, nicht recht ernst. Machtvoller als Lijuan selbst würde er ja wohl kaum sein, ganz gleich welche Eisen er im Feuer hielt.
"Oder Faithless? Sagt dir der was? Was weißt du über dieses Tal, verrate mir alles. Ich muss es wissen." Lijuan wusste, dass sie aus diesem Mädchen all die Informationen heraus kitzeln konnte, die sie wünschte. Lucia hatte Angst, gleichsam war sie aber so mutig und stark die Fassade aufrecht zu erhalten, die einen Sterblichen wohl getäuscht hätten. Sie hatte den Schneid, sich Lijuan gegenüber zu stellen. Hätte fliehen können, tat es jedoch nicht. Die graue Alte schien amüsiert über das Mädchen und glaubte in ihr eine interessante Gespielin gefunden zu haben. Wenn diese weiterhin mit so viel Mut und Sturheit heran ging, so konnte sie durchaus nützlich sein. Lijuan fiel als Unsterbliche, als Erzengelin sofort auf. Sie hingegen würde lautlos spionieren und so Informationen erhalten können.
Lijuan » 17.01.2013, 20:38 » Nebelfelder#1

Lucia



An Lijuans Hof hätte niemand auch nur gewagt, die Macht der Erzengelin anzuzweifeln. Lijuan war eine höhere Instanz, die mächtigste Kraft auf Erden. Es mochte Ältere geben, es mochte bei weitem Jüngere geben - aber sie hatte sich weiter entwickelt. Sie hatte diesen verdammten materiellen Körper nicht einmal mehr nötig, um am Leben zu bleiben und behielt ihn doch; der Kurzweil wegen. Sie lächelte Lucia an und entblößte dabei eine Reihe makelloser Zähne. Die taubenweiße Stute musterte ihr Gegenüber intensiv. Ihre Mähne wehte nach wie vor, obwohl nun Windstille herrschte. "Scheint, als hättest du begriffen, Mädchen." Natürlich war es schwer fassbar für eine Sterbliche, dass ein Jahrhunderte und Jahrtausende altes Wesen vor einem stand. Lijuan hingegen erfreute es, die nun vor Angst zuckenden Glieder der Stute auszumachen, die aus einem ungestümen Mut heraus nicht dem Drang der Flucht nachgaben. Eine leise Bewunderung stellte sich ein, als Lijuan diesen Mut erkannte und ihr hoch anrechnete. "Entweder steckt viel Mut in dir, oder du bist eine Närrin. Vielleicht auch beides." Sie trat wieder näher an Lucia heran, wobei ihr kalter Atem dem Mädchen ins Gesicht schlug und sie selbst die Wärme der schönen Roten am Körper spürte. Lijuan war eine Anhängerin der Höflichkeit; befolgte man die Regeln dieser so konnte sie selbst zuckersüß wie eine Puppe sein. Verärgern jedoch sollte man sie nicht, war einem das eigene Lieben auch nur einen müden Atemzug wert. "Möchtest du immer noch eine Probe meiner Kräfte, oder können wir nun über das "närrische alte Frau"-Gerede hinweg sehen und uns wichtigeren Dingen zuwenden?" Sie lächelte, eiskalt. Sie hatte vieles mit dieser zierlichen Person vor. Schließlich erwies sie den Mut, Lijuan die Stirn zu bieten. Das schaffte nicht jeder, manch Engel selbst war zu feige dazu.
Lijuan » 03.01.2013, 12:05 » Nebelfelder#1

Lucia



Der Erzengel Chinas sah das rote Mädchen, das ihr Leben zu verwirken schien, amüsiert an. Etwas an ihr beeindruckte Lijuan. Das rote Geschöpf hatte wahrlich den Schneid, einer Unsterblichen die Stirn zu bieten. Und selbst wenn diese keine Ahnung hatte, wen sie vor sich hatte, so würde sie doch nicht umhin kommen, die von Lijuan ausgehende Macht zu erkennen. "Ach Mädchen..." Säuselte die taubenweiße Stute, die ihre milchigen Augen nun ganz schwarz hatte werden lassen. Ein dämonisches Leuchten ging von ihrem Körper aus, als sie ihre Macht, wenn auch nur einen Funken dessen, in sich sammelte und sich vorbereitete, der kleinen Stute den Garaus zu machen. In diesem Moment jedoch erblickte Lijuan direkt im Gebüsch ein Reh, das sich vorsichtig den beiden angenähert hatte. Es stand ganz still.Lijuans verschwommene Blicke glitten auf das wehrlose Tier und im nächsten Moment sackte das Reh tot in sich zusammen, aus allen Körperöffnungen stark blutend. "Möchtest du die nächste sein?" Wieder jenes mädchenhafte, kindliche Lachen dass der Jahrtausende alten Stute so gut stand und sie noch weiter dieser Welt entrückte, als eh schon. Sie, die nicht einmal mehr zu den Lebenden gezählt werden konnte. Dem Tod so nahe, weil er ihr Freund war. Ganze Tote hatte sie in einem jämmerlichen Zustand der Stille wieder auferstehen lassen. Und nun erdreistete sich dieses Mädchen, sich ihr in den Weg zu stellen? Beachtlich, wenn man der Gefahren bedenkt. Jämmerlich, wenn es Lijuan von ihrem eigenen Standpunkt aus betrachtete. Es wäre für sie schließlich keine große Tat, der Zierlichen mit einem Atemzug das Herz aus der Brust zu reißen und sie dann traurig verbluten zu lassen.
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