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Ich habe lustigerweise wieder begonnen, zu schreiben. Warum auch immer smilie Es ist eine an sich 0-8-15 Vampir-Lovestory. Nix außergewöhnliches also. Aber vielleicht liests ja doch der ein oder andere. Da meine Protas auf Stars etc beruhen, bzw. in ihrem Aussehen daran angelehnt sind, stell ich gleich noch Fotos mit zur Verfügung smilie Ich übernehme keine Haftung. Vermutlich ist das ganze grottenschlecht, fehlerhaft und ausdrucklich schwach. Ich habe es noch nicht korrektur gelesen, sondern schreibe momentan erstmal so am Plot entlang einfach frei Schnauze smilie
 

Silver Moreau





Nathan Nekrasov





Damayanti






 



 



 



Wörter: 99

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05.09.2016, 21:43
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Prolog



 

Der spitzenbesetzte Saum des schwarzen Kleides war schön anzusehen, Silver strich immer wieder darüber. In Gedanken versunken, bemerkte sie nicht wie die Dienerin den Raum betrat.

     „Herrin, es wäre nun an der Zeit. Wenn Ihr mir bitte folgen würdet.“ Auch im Gesicht des älteren Dienstmädchens standen Sorgenfalten. Bis auf den hohen Rat gab es wohl niemanden, der diese Hochzeit befürwortete. Dennoch hatte sich Silver zu fügen. Sie befand sich nicht in der Position, Ansprüche oder eigene Wünsche geltend zu machen. Also erhob sie sich, das Kleid raschelnd ihren kleinen, weiblichen Körper umschmeichelnd, und ging zur Tür. Ein letzter Blick in den Spiegel: Das dunkle MakeUp unterstrich die grasgrünen Augen, das silberfarbene Haar, dem sie ihren Namen zu verdanken hatte, fiel in sanften Wellen bis auf die Hüften. Sie war schön. Doch die Trauer, ihr ständiger Begleiter, konnte auch mit all den Perlen, Rüschen und dem Zierrat nicht vertuscht werden.

Die Dienerin geleitete Silver in einen großen Raum, der durch eine Unmenge an Kerzen in ein sanftes, warmes Licht getaucht wurde. Ihr Blick fiel auf den Mann am Altar. Das dunkle Haar hing ihm ein wenig strähnig in die Stirn, verdeckte die hellen Augen, die wie Eis funkelten. Es war unhöflich von ihm, sich seinen 3-Tage-Bart während der Zeremonie stehen zu lassen, doch es vollendete das raue Äußere des jungen Mannes.  Zitternd und mit dem Gefühl, dass der Boden schwankte, näherte sich Silver dem Altar und stellte sich neben Nathan, der nun seine gefühllosen Blicke auf sie lenkte.

 

Schön. Wunderschön. Ein Adjektiv, dass seine Braut perfekt beschrieb. Silver machte ihrem Namen alle Ehre, schimmerte wie ein Stern in der Dunkelheit und doch… Wenn er tief in sich selbst nach Gefühlen für sie suchte, stieß er unweigerlich immer wieder nur auf Wut und Verachtung. Er hätte dieser Heirat niemals zugestimmt, doch der vampirische Adel legt keinen Wert auf die Meinung ihrer Sprösslinge. Nathan war, seines Charakters wegen, beinahe unverheiratbar. Nicht unter die Haube zu bringen. Keine Aristokratin, die sich nicht in großer Not befand, würde einen Rüpel wie ihn heiraten: ungepflegt, jähzornig und stets schlecht gelaunt. Unverheiratete Vampire galten ab einem bestimmten Alter als Ausgestoßene. Sein Vater hatte diese Ehe arrangiert, damit sein Sohn sich den Traditionen des Adels gemäß band und somit kein schlechtes Licht auf die Familie Nekrasov fiel.

Für die meisten Vampire war dies ein glücklicher Tag. Der Höhepunkt ihrer Existenz. Denn die meisten Vampire verbanden sich mit dem, den sie liebten. Doch Nathan liebte nicht. Und Silver liebte nicht. Ein vom Schicksal zusammen gewürfeltes Paar. Entsprechend nüchtern verlief die Zeremonie, nach dem Blutaustausch an der Halsschlagader war das Band zwischen Silver Moreau und Nathan Nekrasov besiegelt. Bis dass der Tod sie schied.


Wörter: 540

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05.09.2016, 21:44
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Kapitel 1



Silver zitterte am gesamten Leib, als sie mit Nathan das geräumige Schlafzimmer betrat. Das Haus, das ihr Schwiegervater dem jungen Paar zur Verfügung stellte, war hübsch eingerichtet und entsprach Silvers Geschmack. Zumindest das vermochte sie ein wenig glücklicher zu stimmen. Sie verbrachte lieber eine lieblose Ehe in einem schönen Haus, als dass sie die Abneigung ihres Gatten in einer Bruchbude ertragen musste.

     „Nun…“ stammelte sie, ihre Stimme ebenso zitternd wie ihr Körper. Nathans kalte Blicke waren starr aufs Bett gerichtet. Silver konnte nicht einmal erahnen, ob er sich über etwas Gedanken machte oder einfach nur vor sich hinstarrte, ebenso wie sie überfordert von der neuen Situation. Doch dann kam Leben in den schönen, rauen Mann. Mit festen Schritten trat er auf Silver zu, die instinktiv zurückwich. Grobe Hände packten ihre Handgelenke und stießen sie aufs Bett.

     „Zieh dich aus.“ Seine Stimme hatte einen so kalten Unterton, dass sie eine Gänsehaut davon bekam. Silver wusste nicht, wie sie angemessen reagieren sollte. Es kam gar nicht in Frage, dass….

     „Zieh dich sofort aus, sonst tu ich es. Und glaub mir, das willst du nicht.“ Silver wollte so vieles nicht, doch sie hatte gegen Nathan keine Chance. Sie selbst war nur Halbvampirin, eine Frau noch dazu. Nathan entstammte einem alten, reinblütigen Adelsgeschlecht. Er war älter als sie und weitaus stärker. Unter Tränen strich sie die Träger ihres Kleides herunter, nestelte am Verschluss auf dem Rücken. Ihr Ehemann betrachtete sie grimmig.

     „Geht das nicht schneller?!“ Mit einer eleganten Bewegung befand er sich auf dem Bett neben ihr, sie konnte seinen warmen Atem auf ihrem Hals spüren. Er packte das Kleid und riss es einfach auseinander. Das Geräusch des Stoffes brannte sich in Silvers Gehör ein, schreckstarr ließ sie über sich ergehen, was folgen mochte. Nathan drückte ihre Schenkel auseinander. Sie glaubte, in seinen Augen eine Spur von Wahnsinn zu erkennen. Sie wimmerte, als er sie mit dem Rücken aufs Bett drückte. Seine andere Hand öffnete seine elegante Anzughose, aus der er sich rasch zu befreien wusste. Die letzte Barriere, ihrer beider Unterwäsche, wurde ebenso schnell zerstört wie ihr Kleid. Drängend  stieß er in sie, nahm ihr nebst ihrer Jungfräulichkeit auch jede Würde, die sie besaß. Silver schloss die Augen, um ihn nicht sehen zu müssen. Ihre Gedanken lösten sich mit jedem Stoß aus ihrem Kopf, verirrten sich in eine schönere, friedlichere Ferne. Erst als sie den warmen, klebrigen Samen an ihren Schenkeln herablaufen spürte und Nathan sich zurückzog, wandte sie sich zur Seite und zog die Knie an.

     „Das nächste Mal ein bisschen mehr Eigeninitiative.“ Die höhnische Stimme ihres Gatten gab ihr den letzten Stoß, die junge Vampirin begann zu schluchzen.

    

„Sei ruhig, ich will schlafen.“ Nathan hatte sich mittlerweile vollends entkleidet und seinen Platz zu ihrer Rechten eingenommen. Wenige Augenblicke später schlief er seelenruhig, während sie das Schluchzen zu unterdrücken versuchte, dass sich immer wieder krampfhaft ihren Hals heraufschob. Sie musste an ihre Eltern denken. Daran, wie sie vor wenigen Monaten starben. Daran, warum sie starben. Benjin Moreau war ein einst angesehener, vollblütiger Vampir gewesen. Er hatte diverse Ämter inne, die ihm im Rahmen seines adligen Geblüts auch zustanden. Jeder hatte ihn geachtet, bis er sich verliebte – in eine Sklavin, eine menschliche Sklavin. Er hatte Vivian geheiratet, sein altes Leben für sie aufgegeben, seine Familie gegen sich aufgebracht und es nie bereut. Silver war ein Kind der Liebe, ein Wunschkind. Doch die vampirische Aristokratie empfand Benjins Heirat als Verrat. Es brodelte Jahre in den Herzen seiner Gegner, bis sie vor nunmehr einem Jahr das Haus der Familie in Brand gesetzt und somit das Leben ihrer Eltern beendet hatten. Nur Silver hatte überleben können. Doch ihr Leben war gefährdet. Als ungebundene Halbvampirin bedeutete jeder Atemzug für sie eine Gefahr. Ihre einzige Möglichkeit bestand darin, sich durch Heirat einen gewissen Schutz zu erkaufen.
     Langsam wand sie sich und musterte Nathan, der friedlich neben ihr lag. Im Schlaf war er wunderschön. Er war ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Nicht seiner Manieren wegen. Er war Hauptmann der Garde. Somit war er für den Schutz ihrer Rasse verantwortlich und riskierte nicht selten sein Leben. Er war es, der verschwundene, verschleppte Vampire rettete, Morde aufklärte und die Vampire gegen Angriffe durch Menschen beschützte. Er war ein Held. Ein Held, der soeben seine Frau vergewaltigt hatte.


Wörter: 859

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05.09.2016, 21:44
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Kapitel 2



Am Morgen, als Silver aufwachte, war Nathan schon verschwunden. Auf Arbeit. Eigentlich hätte ihr klar sein müssen, das ihr frisch angetrauter Ehemann keinerlei Wert auf die traditionelle Woche legte, die dem Paar eigentlich zustand. Stattdessen ermittelte er und ließ sie allein in diesem Haus, das ihr so fremd war.  Was sollte sie nun tun? Ihre geliebten Bücher hatte sie verloren bei jenem Brand. Zumal Nathan wahrscheinlich auch die Bücher, wie ihre restliche Habe, veräußert hätte. Nun gehörte sie in sein Haus wie Couch und Kühlschrank – sie war ein Möbelstück für ihn, nicht mehr. Eine andere Art Sklavin, als ihre Mutter es dereinst gewesen war.

     Langsam schob sie ihre Beine aus dem Bett, das edle Laken fiel raschelnd zur Seite. Sie wollte es soeben aufheben, als es leise an der Tür klopfte.

     „Seid Ihr wach, Siress?“ Eine Dienerin lugte vorsichtig durch einen Spalt hinein, in ihren Händen ein Tablett mit Frühstück. Silver seufzte leise. Der Gedanke, dass ihr nun Diener zur Seite standen, missfiel ihr. Doch sie würde die kleine, ältere Frau nicht vor den Kopf stoßen.

     „Tritt ein.“ Silver setzte sich zurecht und empfing das Tablett auf ihrem Schoß. „Möchtet Ihr die Tageszeitung oder kann ich euch anderweitig zu Diensten sein?“ Silver nippte an dem stark gebrühten Kaffee und wies auf einen Stuhl. „Setz dich zu mir.“ Doch die kleine Frau schüttelte vehement den Kopf, sodass ihre dunkle Haube aus Locken lustig wippte. „Nein, Siress. Das steht mir nicht zu.“ Sie verneigte sich noch einmal viel tiefer, viel demütiger und Silver spürte einen Stich im Herzen. So demütig hatte auch ihre Mutter den Vampiren dienen müssen. Ob diese Frau wohl… ob sie menschlich war? Wie dereinst ihre Mutter?

     „Dann mach dir einen schönen Vormittag, ich komme ganz gut allein zurecht.“ Die Dienerin verbeugte sich ein letztes Mal und verließ mit einer Spur von Irritation, aber auch Zurückweisung das Zimmer. Silver indes knipste den Fernseher an und begab sich auf die Suche nach dem Nachrichtenkanal. Gerade, als sie das richtige Programm fand, blitzte das Bild ihres Ehemanns auf dem Bildschirm auf. Sein nachdenkliches Gesicht füllte den Screen und Silver fror das Bild ein. Nachdenklich musterte sie sein Gesicht, seine Züge, die nachdenkliche Stirnfalte, die traurigen, kalten Augen. Und ein leises Ziehen stahl sich in ihr Herz. War das Angst, was sie fühlte?

 

Silver hatte sich in ihr neues Leben eingefunden. Morgens stand sie auf und ließ sich das Frühstück ans Bett bringen. Nicht, dass sie nicht lieber selbst aufgestanden und in die Küche gegangen wäre. Doch die Dienerin, Damayanti, nicht vor den Kopf stoßen. Mittlerweile hatte sie ein wenig über die alte Frau in Erfahrung bringen können. Damayanti stammte aus Indien und muss früher eine Schönheit gewesen sein. Sie war menschlich, doch einige Tropfen Vampirblut in ihrer Ahnenreihe verschafften ihr ein gesundes, sehr langsames Altern. Die exotische Frau trug schöne, farbenfrohe Saris und Gewänder. Ihre Nase zierte ein goldener Ring, der die Vorzüge des einst so schönen, nun faltigen aber immer noch ansehnlichen Gesichts unterstrich. Damayanti war ihrem Herren gern eine Dienerin. Silver konnte das nicht begreifen. Was hatte Nathan getan, dass diese herzensgute Frau ihn mochte? Für gewöhnlich reagierten die Menschen zwar mit Respekt auf ihn, doch niemals fürsorglich oder gar liebevoll. In Damayantis Gesicht hingegen spiegelte sich Wärme, wenn sie ihren Herren sah.  Silver konnte sich diese herzliche, warme, wenn auch nur einseitige Beziehung nicht erklären. Doch wozu auch. Es genügte ihr zu wissen, dass die Inderin auch ihr zur Seite stand und allmählich gewannen sie einander lieb.  

Damayanti hatte soeben den Tee serviert und verließ leise das Wohnzimmer. Es war einer jener seltenen Abende, an denen Nathan zuhause war. Silver hatte sich aufs Sofa gekuschelt und behielt ihren Mann im Auge, der über Akten versunken am Schreibtisch saß. Sie fürchtete sich bei weitem nicht so sehr vor ihm, wie sie es vielleicht hätte tun sollen. Jeden Abend, wenn er ins Schlafzimmer kam, nahm er sich, was ihm seiner Meinung nach zustand. Und Silver, verängstigt, nahm es hin und gab ihm so gut es ging, was er von ihr verlangte. Mehr war da nicht. Freundliche Worte, ein Gespräch, nichts um ihren Mann kennen zu lernen. Nathan war und blieb der Fremde, den sie nicht einschätzen konnte. Doch immer, wenn sie durch Zufall einen Blick von ihm einfing, war sie wie gelähmt. Er erschien so endlos traurig, dass es ihr weh tat. Auch wenn sie allen Grund gehabt hätte, ihn von ganzem Herzen zu hassen. Doch bis auf das allabendliche Leid, tat er ihr nicht weh. Er beachtete sie nur ganz einfach nicht.

Vorsichtig legte Silver das Buch, das sie gerade las, aus der Hand. Ihr grüner, leuchtender Blick hob sich und sie beobachtete Nathan. Er sah elend aus.  Den Kopf hatte er auf seine Hände sinken lassen. Die schlanken Finger vergruben sich in den schwarzen Locken, die ihm wild ins Gesicht fielen. Er sah schön aus, aber so verloren. Ehe sie begriff, was sie tat, stand Silver auf und trat zu ihm. Ihre Hände fanden seine Schultern, die sie aufmunternd drückten. Erschrocken erstarrte Nathan wie zu einer Skulptur.

     „Entschuldige, ich…“

     „Schon gut.“ Seine Stimme klang beherrscht, aber Silver erahnte darin ein nervöses Zittern. Brachte ihn ihre Nähe tatsächlich so aus der Fassung?

     „Soll ich dir etwas bringen?“, fragte sie mit schwacher, ängstlicher Stimme. Ihre Finger fuhren mehr aus Nervosität, denn Zuneigung, streichelnd über seinen Rücken. Diese Nähe zu ihrem Peiniger brachte beide aus der Fassung. Silver schalt sich innerlich, was sie sich dabei bloß gedacht hatte. Doch ungeschehen konnte sie es nicht machen.

     „Nein, ich… ich brauche nichts.“ Seine raue Stimme, sonst so ausdrucksstark und laut, nun ein raues Flüstern. Er wendet sich erneut seinen Akten zu, doch sie kann die Anspannung spüren.

     „Setz dich bitte wieder….“ Doch er kam nicht weit. Silver betrachtete das kleine goldene Armband, das auf dem Tisch lag. Gedankenverloren strich sie darüber und eine eisige Woge überkam sie. Ein Zittern durchfuhr ihren Körper und sie spürte Schmerz. Äußerlich erstarrte sie, innerlich jedoch litt Silver Qualen, ehe sie mit einem Schnappen nach Luft aus ihrer Trance erwachte. Sie hatte die Höhlen oberhalb der Stadt gesehen. Hatte in schwarze Umhänge gewandete Männer gesehen, die in ihrem Gesicht eine auffällige Narbe oder Zeichnung trugen. Sie hatte gespürt, wie ihr Schmerzen zugefügt wurden und sie hatte instinktiv gewusst, dass sie missbraucht und verhört, ja gefoltert wurde. Nathan warf ihr einen unbeeindruckten, jedoch genervten Blick zu.

     „Was soll das? Verpiss di….“

     „Sucht in den Höhlen über der Stadt nach ihr.“ Murmelte Silver und lief rasch aus dem Zimmer, sich nicht im Klaren darüber, was ihr Auftritt gerade sollte.

    

Silver konnte hören, wie das Auto fort fuhr. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, war Nathan verschwunden. Sie war nicht unbedingt traurig darüber. Wenn er nun fort war, hieß das, dass sie die Nacht allein würde verbringen können. Damayanti klopfte leise.

     „Kann ich Euch noch etwas bringen, Herrin?“

     „Kannst du dich einfach zu mir setzen?“

     „Aber Herrin, es steht mir nicht….“ In den braunen Augen der Dienerin schimmerte es traurig.

     „Nur ein wenig, bitte. Ich möchte nicht allein sein.“ Murmelte Silver. Die Dienerin nickte. „Es ist nicht immer einfach mit dem Herrn, das weiß ich.“ Ganz offensichtlich vermutete die Dienerin Nathan als die Ursache ihres Kummers, doch Silver konnte noch immer jene Schmerzen auf der Haut spüren, jenes eisige Kribbeln der ersten Unterkühlungen. Das verschwundene Mädchen musste zwar eine Vampirin sein, doch auch Vampire erforen, wenn sie langer Zeit extremer Kälte ausgesetzt wurden. Und es war Winter.

 

Die Tür knarrte leise, als Nathan mitten in der Nacht nach Hause kam. Seine Augen wirkten schwarz, in umgab eine Aura der Dunkelheit. Silver schreckte aus den Laken, als seine kalte Hand sie weckte.

     „Du hattest recht.“ Noch ehe sie reagieren konnte, spürte sie seine rauen Lippen auf den ihren. Er hatte sie noch nie geküsst. Sie hatte sich nicht einmal vorzustellen gewagt, wie er schmeckte. Sie schloss die Augen und konnte  für einige Sekunden vergessen, was er ihr angetan hatte. In dem Moment erlebte sie das erste Mal ihn. Ihn allein, ohne all die Grausamkeit die er in sich trug. Der Kuss währte nicht lang, er schreckte viel zu früh zurück. Vielleicht irritiert, weil sie ihn erwiderte. Sie konnte seine warmen Lippen noch auf ihren spüren, als er das Zimmer bereits hektisch verließ und erstmals nicht bei ihr schlief. Ihre Gedanken kreisten um den Mann, der ihr täglich das Herz brach. Was hatte dieser Kuss zu bedeuten?


Wörter: 1736

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05.09.2016, 21:44
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Danke <3 Kapitel 3 ist nun endlich fertig .___.


 

Kapitel 3



Die Nacht verbrachte Silver unruhig in ihren Laken wühlend. Sie konnte die Augen kaum schließen, schon sah sie erneut die Höhlen vor sich, konnte sie den Schmerz auf ihrer Haut spüren, in ihrer Haut. Sie konnte nahezu fühlen, wie das Blut das Laken, in dass sie schweißgebadet vor Angst gehüllt hatte, tränkte. Sie wünschte sich, und das machte ihr nur noch mehr Angst, zu Nathan. Wo war er hingegangen?

Der Morgen graute und die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Fenster. Das warme Licht kitzelte ihre Nase, ihr Kopf dröhnte und sie spürte keinerlei Motivation, ihren Körper aus dem Bett zu zwingen. Doch ebenso wenig wollte sie liegen bleiben, sich weiter diesen furchtbaren Gedanken hingeben, die ihr einen Schauer über den Rücken jagten. Sie wirkte zerbrechlich, als sie sich in ihrem Nachthemd auf die Bettkante setzte. Ihre schlanken Finger vergruben sich im Laken, als sie die Augen kurz schloss. Ihr war schwindlig und kalt. Seufzend richtete sie sich auf, taumelte kurz und suchte dann im Kleiderschrank eine Jeans und eines ihrer Lieblingsshirts.

Als Silver die Küche betrat, sah sie Nathan wie er in die Zeitung versunken an seinem Kaffee nippte.

     „Guten Morgen.“ Murmelte sie leise, als er nicht aufblickte und auch sonst keinerlei Notiz von ihr zu nehmen schien.

     „Morgen.“ Seine Stimme klang kratziger denn je. Als Silver erneut taumelte, hob sich sein Blick doch und eisblaue Blicke umfingen sie und verstärkten das Kältegefühl umso mehr. Doch etwas wirkte verändert an ihm, war es Sorge? Plötzlich stand er neben ihr, eine Hand um ihre Hüfte gelegt.

     „Leg dich wieder ins Bett.“ Er wirkte… ja, wie wirkte er eigentlich? Seine Bewegungen waren fahrig, er schwitzte, seine Augen suchten nervös nach etwas, wohin sie hätten blicken können. Er war nervös und Silver musste sich ein Lächeln verkneifen. Doch dann verdunkelten sich ihre Züge, sie spürte wie die Schwärze des gestrigen Abends erneut von ihr Besitz ergriff. Sie lehnte sich an ihn, doch das Gefühl wurde schlimmer. Aus einem Instinkt heraus, wich sie von ihm. Und ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, er war verletzt. Wo blieb dieser Ausdruck, wenn er sie gegen ihren Willen nahm? Sie schüttelte den Kopf und bemühte sich, wieder klare Gedanken zu fassen.

     „Es geht schon.“ Murmelte sie leise, ohne ihn erneut anzublicken. Sie ertrug den Ausdruck in seinem Gesicht nicht: so verletzt. Erstmals kam ihr der Gedanke, dass dieser Mann nur so hart geworden war, weil man ihm etwas angetan hatte. Weil er selbst Schmerzen in sich trug, die keiner sah. Die nur er sah. Wieder dachte sie an das, was Damayanti ihr gesagt hatte. Wusste sie etwas? War es das, warum sie ihren Herren immer wieder in Schutz nahm, auch wenn dieser sich grausam verhielt?

     „Ich muss jetzt zur Arbeit, das Mädchen befragen.“ Er trat nun seinerseits zurück, fahrig fuhr er sich mit der rechten Hand durch das störrische, dunkle Haar.

     „Geht es ihr soweit gut?“

     „Sie kommt wieder auf die Beine. Momentan ist sie stark traumatisiert und unterernährt. Die oberflächlichen Wunden klingen bereits ab.“ Silver glaubte in seinem Gesicht Mitgefühl zu erahnen. Der Fall nahm Nathan mit. Unbewusst streckte sie ihre Hand aus, ihre kalten Finger streichen sanft über seine Wangen, ehe sie erschrocken bemerkte, was sie tat und sich zurückzog.

     „Ich hoffe, es geht ihr bald besser.“ Murmelte sie und übersah geflissentlich Nathans unergründlichen Blick.

     „Es ist noch Kaffee da. Du siehst müde aus. Wenn du nicht schlafen gehen willst, trink ein wenig davon. Das wird dir guttun.“ Ein leises Seufzen drang aus seinem Mund, ehe er sich seine Jacke schnappte und zur Tür ging, nicht ohne beiläufig mit seiner Hand die ihre zu berühren.

     „Bis heute Abend.“

 

Die Tage verstrichen alle gleich, so auch dieser. Silver spürte den Unmut in sich größer und größer werden. Die Untätigkeit, zu der sie verdammt war, erschreckte sie und machte sie übellaunig. Von dem einst unbeschwerten und glücklichen Mädchen war nicht viel übrig. Als sie so darüber nachdachte und den Rand der Kaffeetasse nachfuhr, wurde ihr schwindlig. Sie durfte und konnte so nicht weitermachen, sonst würde sie in ihrem Unmut bald ihrem Gatten Konkurrenz machen. Es reichte, wenn einer der beiden verbittert war.

     Damayanti steckte den Kopf zur Tür hinein, als Silver gerade aus dem Stuhl sprang, als wäre sie gebissen worden. „Aber Herrin, was habt Ihr denn vor?“ fragte die exotische alte Frau vorsichtig. Einmal mehr kam ihr  der Gedanke, dass die Alte womöglich für ihren Herren sehr akribisch beobachtete, was Silver zuhause tat, wenn sie allein war. Sie seufzte leise, eine solche Skepsis wollte sie nicht an den Tag legen. Doch der Gedanke drängte sich ihr auf.

     „Ich wollte eben ein wenig … forschen? Ich habe gestern etwas Merkwürdiges erlebt und würde nun gern ein wenig mehr darüber erfahren.“ Silvers Augen musterten Damayanti aufmerksam, denn in deren Gesicht flackerte kurz so etwas wie Erkenntnis und Erstaunen auf, Erschrecken?

     „Herrin, vielleicht wollt Ihr in unserer Bibliothek einmal nachsehen? Soweit ich weiß, besitzt der Herr eine große Fülle an Büchern und Nachschlagewerken.“

     Silver war überrascht. Sie wusste, dass Nathan so seine Geheimnisse hatte. Aber dass in diesem Haus eine riesige Bibliothek verborgen war, hatte die junge Frau nicht ahnen können. Sie hätte sie doch schon viel eher aufgesucht, hätte sie davon gewusst. Doch das Haus war riesig und die meisten der Türen führten in leere, kalte, unbewohnte und leblose Räume. Sie hatte es irgendwann aufgegeben, sich umzusehen. Sie hatte ja doch immer nur vor der gleichen Leere gestanden.

     „Kannst du mir den Weg zeigen?“ fragte Silver mit einer Spur Hoffnung in der Stimme. Vorsichtig strich sie das silberne Haar hinter die Ohren und trat auf die Dienerin zu, die einen Schritt zurückwich. Die plötzliche Nähe behagte ihr nicht und Silver stoppte abrupt. Sie wollte der Inderin keine Angst machen.

     „Aber selbstverständlich. Folgt mir bitte, Herrin.“ Mit einem Knicks wandte sich Damayanti um und führte Silver die Korridore entlang, vorbei an Statuen und Bildnissen, die die Familie Nekrasov darstellten. Silver konnte darin immer wieder die Härte erkennen, die sie auch aus Nathans Gesicht kannte. Doch in keinem dieser Gesichter fand sie die Traurigkeit und Bitterkeit, die in ihrem Mann zu wohnen schien. An einem Portrait Nathans blieb sie stehen. Es hing in einem so verwinkelten Gang, dass man es unmöglich beim Erkunden des Hauses zufällig hätte finden können. Vorsichtig strich die junge Frau mit den Fingerspitzen über das Ölgemälde. Für eine Sekunde wurde ihr heiß und kalt zugleich, weiß vor Augen. Sie spürte Schmerz, einen unsagbaren Schmerz den kein Wesen je würde ertragen können. Sie stolperte zurück und in diesem Moment endete das unsagbar Gefühl.

     „Alles in Ordnung, Herrin? Wollt Ihr Euch setzen? Wollen wir zurück gehen? Ihr seht bleich aus.“

     „Es ist schon gut, Damayanti. Bring mich zur Bibliothek.“

     Eine kleine Wendeltreppe führte hinaus in eines der Türmchen dieses Hauses und schließlich standen die beiden vor einer Tür, die knarrend nachgab. Dahinter befand sich, was jedes Herz eines Bücherliebhabers hätte höher schlagen lassen.

     „Wow.“ Hauchte Silver, beeindruckt von der schieren Masse der Bücher, die sich an der runden Wand des Türmchens in unerdenkliche Höhen stapelten. Eine fahrbare Leiter konnte und musste benutzt werden, um das Großteil der Bücher überhaupt zu erreichen.

     „Kann ich Euch noch weiterhin behilflich sein, Herrin?“

     „Bringst du mir einen Kaffee oder Tee?“ Silver lächelte entschuldigend.  Sie wusste, dass die arme alte Dienerin nun den gesamten langen, verwinkelten Weg durch die Villa zurück laufen musste, nur um dann erneut die Bibliothek aufzusuchen. Doch Damayanti verneigte sich nur und mit einem Lächeln huschte sie davon.

Die filigranen Fingerspitzen der jungen Frau strichen gedankenverloren über die Rücken der Bücher, die sie vom Boden aus erreichen konnte. Sie entzifferte all die Titel, die teils in kostbaren Goldlettern aufgedruckt waren, häufig jedoch schon so abgegriffen waren, dass man nur mit Müh und Not lesen konnte, um welches Buch es sich handelte.

     Nathan besaß eine Vielzahl alter Romane namhafter Autoren, doch auch viele unbekannte Schreiber befanden sich in seiner Sammlung. Einem Teil der Bibliothek schienen Sachbücher vorenthalten, als Silver darauf stieß, vertiefte sie sich umso mehr in ihre Arbeit. Es handelte sich um naturwissenschaftliche Berichte, historische Erzählungen, Chroniken, Untersuchungen, Experimente. Doch nichts von alldem konnte ihr weiterhelfen. Die Inhaltsverzeichnisse blieben für sie unbedeutend, keiner der aufgeführten Punkte schien mit dem in Verbindung zu stehen, was ihr widerfahren war.

     Sie erschrak, als ein leises Klopfen die Rückkehr der Dienerin ankündigte. „Entschuldigt.“ Nuschelte Damayanti, als sie den starren Ausdruck ihrer Herrin sah. „Ich hatte nicht vor, Euch zu erschrecken.“

     „Schon gut.“ Schnell hatte sich Silver wieder gefangen. „Ich war nur einfach zu tief in meiner Suche versunken. Mach dir keine Gedanken.“ Vorsichtig stieg sie von der Leiter und empfing die dampfende Tasse, während Damayanti die kleine Kanne auf eines der Tischchen stellte, die im Raum verteilt standen.

     „Hat Eure Suche bereits erste Ergebnisse gebracht?“, erkundigte sich die ergraute Frau, die ein Bindi auf der Stirn trug. Erstmals dachte Silver darüber nach. War dieses rote Zeichen zwischen den Augen nicht eigentlich ein Symbol der verheirateten Frau? Dienerinnen waren nicht verheiratet, zumal sie es bei Damayanti gewusst hätte, wenn diese gebunden war. Doch das ging Silver nichts an, sie schüttelte den Kopf um ihre Gedanken zu vertreiben. Ihr kurzes Zögern musste der Dienerin aufgefallen sein, fragend musterte sie die junge Vampirin.

     „Nein. Bis jetzt nichts. Diese Bücher scheinen alle sinnlos für mein Vorhaben. In keinem finde ich, was etwas mit dem zu tun haben könnte, was ich erlebt habe.“

     „Herrin, ich möchte nicht vermessen klingen und Euch keinesfalls zu nahe treten. Doch wenn Ihr mir beschreibt, wonach Ihr sucht, könnte ich vielleicht helfen?“ In Damayantis Stimmlange klang  deutlich die Furcht  an, die sie empfand. Es stand einer Dienerin nicht zu, selbst das Wort an die Herrschaft zu richten. Besonders im Hause Nekrasov, war das Leben mitnichten einfach. Doch ganz offensichtlich verband die alte Frau auch eine beinahe familiäre Zuneigung mit Nathan. Wie oft in der kurzen Zeit hatte Silver bereits beobachtet, wie in Damayantis Augen der selbe Ausdruck trat, den ihre eigene Mutter ihr manchmal zugeworfen hatte. Jene liebevolle Anklage, die allein Eltern gegen ihre Kinder erhoben.  

     „Du wirst mich für verrückt halten.“ Lächelte Silver, als sie sich auf einen der Sessel fallen ließ. Dieser war braun und aus Leder, sehr bequem und so groß, dass der zierliche Körper der jungen Frau darin zu versinken drohte. Der Kaffee in ihrer Tasse duftete und dampfte, vorsichtig nippte sie daran und genoss das belebende Gefühl des Koffeins.

     „Herrin, ich habe schon so manches im Leben gesehen. Und es wäre ganz undenkbar, dass ich Euch für verrückt halte.“ Erstmals glaubte Silver, auf dem Gesicht der Alten ein Lächeln zu finden, dass ihr golt.

     „Nathan hatte… diesen Fall. Das verschwundene Mädchen.“ Damayanti nickte, als Silver nicht weitersprach. „Er hatte Beweismittel mitgebracht, und ich habe eines davon berührt. Ein Armband. Und plötzlich befand ich mich in dieser eisigen Höhle, wo sie das Mädchen später fanden. Ich habe gespürt, was sie spürte. Gesehen, was sie sah und gehört, was sie hörte.“ Ein Zittern durchfuhr sie, sie wusste doch selbst, wie verrückt all das klang. Doch Damayantis Gesicht war wie versteinert.

     „Grundgütiger, Ihr seid eine Seelenwanderin.“

 




Wörter: 2352

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14.10.2016, 07:40
» JenJen



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Heimweh. Freiweh. Fernweh.
Nach dir & mir.


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Schreib unbedingt weiter, ich liebe alle 3 Kapitel und bin gespannt aufs Nächste <3


Wörter: 15

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mein Herz liegt auf Eis
du bist nicht mehr da

Weiß nicht wie lang ich hier schon stehe, hab mein Zeitgefühl verloren. Die Tage werden kürzer, du bist nicht zurück gekommen. Ich sag es ist erträglich, wenn mal wieder jemand fragt. Von mir aus bleib ich ewig, weiter hab ich nicht gedacht...

14.10.2016, 20:37
» Lisa
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Ach... redet doch nicht o.O Aber ja <3 Kommt auf jeden Fall mehr smilie 


Wörter: 15

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16.10.2016, 13:51
» Lisa
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Ich werd echt rot o.O ICh kann doch gar nicht schreiben smilie 
Hier wie versprochen Kapitel 4.
 

Kapitel 4



     „Eine was?“ Wahrscheinlich hatte Damayanti etwas anderes erwartet, Silver hingegen sah sie aus skeptisch-fragenden Augen an und verstand kein Wort. Hatte sie was verpasst? Irgendeine der ach so tollen Geschichten rund um die tolle Aristokratie der Vampire? Wenn es das war, musste Silver enttäuschen. Sie kannte die Geschichte der Vampire nicht. Sie war keine vollwertige Vertreterin der Rasse, sie war ja nur ein Mischling. Und als solche konnte sie froh sein, zu leben. Mit der Geschichte des Adels hatte sie sich daher wahrlich nie befasst. Doch Damayantis Augen drückten nun etwas aus, was Silver beim besten Willen nur als Sorge hätte beschreiben können.

     „Ist alles in Ordnung?“, hakte sie daher nach und wartete ungeduldig, dass die Dienerin das Wort ergreifen würde. Doch die taumelte bloß und hielt die Hand vor den vor Schreck geöffneten Mund. Mit der Eleganz einer Katze stand Silver auf und trat zu Damayanti, legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter in der Absicht, die Frau zu trösten. Doch je fuhr ihr ein Blitz in den Kopf. Oder zumindest fühlte es sich so an. Silver schreckte keuchend rückwärts, ehe sie über ein am Boden liegendes Buch stolperte und fiel. Da erst schreckte die alte Dienerin aus ihrer Schockstarre und eilte ihrer Herrin zu Hilfe. Sichtlich aufgelöst, half sie Silver auf die Beine.

     „Herrin, es tut mir so leid. Das hätte nicht geschehen dürfen.“

     „Ich habe es gespürt, du hast...“ Die eisgrauen Augen Silvers waren schreckgeweitet. Sie hatte Damayanti gesehen, wie sie auf einem  Platz stand. Jung war sie. Und in einen wunderschönen Sari gekleidet, der nun jedoch achtlos verrutscht schien. Auf dem Platz befanden sich viele Menschen. Lachende, weinende, schimpfende, verzweifelte. Und vor der Masse ein Podest. Ein Mann darauf, die Schlinge um den Hals und den Sack über dem Kopf. Da brach die Vision ab, doch Silver benötigte sie gar nicht um zu wissen, was weiterhin passieren würde. Sie hatte den Schmerz der Dienerin als den ihren gespürt und wusste, dass dieser Mann eine wichtige Rolle in Damayantis Leben eingenommen hatte.

     „Es tut mir Leid.“ Murmelte sie vorsichtig. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich für das Eindringen in Damayantis Gedanken entschuldigte oder an dem offensichtlichen Verlust der Alten Anteil nahm. Vielleicht beides.

     „Was habt Ihr gesehen?“ Die Stimme der Inderin zitterte, sodass sie den Satz mehrmals wiederaufnehmen musste, um ihn verständlich hervor zu bringen.  Forschend sah sie in Silvers Gesicht, wartete ab, dachte nach. „Ihr habt Jeevan gesehen. Ihr habt meinen Jeevan gesehen.“ Nun fielen Tränen aus ihren Augen, die die Ozeane dieser Welt hätten speisen können. Einem Häufchen Elend gleich, sank nun Damayanti auf die Knie und begann zu beten. „Ihr habt Jeevan gesehen. Meinen Jeevan.“ Immer wieder wiederholte sie, was Silver nur mit Mühe zu verstehen glaubte.

     „Der Mann? Ist Jeevan der Mann, an dem...“

     „Galgen? Ja, mein Jeevan. Jeevan.“ Silver spürte den Drang in sich wachsen, sie zu umarmen, für sie da zu sein. Doch sie wagte es nicht, denn sie glaubte ein weiteres Mal in die Gedanken der Frau zu dringen.

     „Damayanti. Bitte. Es tut mir so leid, ich wollte nicht... Ich kann es nicht kontrollieren. Damayanti, es tut mir leid. Höre doch auf zu weinen.“ Verzweifelt fuhr sie sich durch die silberfarbenen Haare, die ihr in die Stirn und die Augen hingen. Das Schluchzen der Inderin, klagend und markerschütternd, war zu laut, als dass sie das Poltern auf dem Flur hätte hören können. In sich spürte sie eine Leere, die ihr schwer zu schaffen machte. Schmerz. Tiefer, abgründiger Schmerz.

     „Was ist hier los?“ Nathans Stimme grollte voller Aggressionen ins Zimmer. Als er Damayanti am Boden liegen sah, schluchzend und vor Schmerz erbebend, stieß er Silver zur Seite und trat zu der Frau, die sein Herz zu berühren schien. Fürsorglich schlangen sich seine Arme um sie, hielten das zitternde Häufchen Elend. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe die Szene sich wieder zu ändern schien. Nathan saß neben ihr, sie umschlingend, tröstend, beruhigend auf sie einsprechend. Und Silver konnte nichts tun, als wie zur Salzsäule erstarrt neben ihnen zu stehen.

     Ein vernichtender Blick traf sie, als Damayanti sich endlich beruhigte und Nathan seine stahlblauen Augen auf sie richtete. Nichts als Kälte und Verachtung lagen darin und Silver, die eigentlich keinerlei Erwartungen an diesen Mann hegte oder hätte hegen dürfen, spürte den Schmerz in ihrer Brust. Sie hatte geglaubt, es würde besser. Doch nun hatte sie wohl endgültig die zarten Bande, die sich zwischen ihr und Nathan entsponnen hatten, zerstört und alles weitere im Keim erstickt.

     „Halte dich von ihr fern.“ Zischte er sie an, als er Damayanti stützend an ihr vorüber ging. Sein Gesicht schien gezeichnet von den letzten Stunden, Tagen, Wochen. Ja vielleicht Jahren? Der nachwachsende Bart warf Schatten auf sein markantes Kinn. Die Augen waren so kalt und leer, dass Silver zu schreien drohte.

Als Nathan und die Dienerin das Zimmer verlassen hatten, taumelte Silver durchs Zimmer. Ihre Gedanken überschlugen sich immer und immer wieder. Worte geisterten ihr durch den Kopf, sie fesselnd. Jeevan. Seelenwanderin. Nathan. Als sie nicht mehr konnte, als sie das Schwanken ihrer Beine spürte, setzte sie sich in eine Nische neben einem der Schränke. Sie konnte den Staub auf ihrer Zunge schmecken. Der Tag neigte sich dem Ende, Dunkelheit nahm von der Bibliothek und somit auch von Silver Besitz. Kein Geräusch zerstörte die bedrückende Stille, vor der sie sich so fürchtete. Sie hatte nicht die Kraft, aufzustehen und den Raum zu verlassen. Die fürchtete sich. Vor Nathan. Doch vielmehr noch vor sich selbst.

Die Stunden vergingen, aus der Dämmerung wurde tiefe Nacht. Silver spürte die aufbrandende Müdigkeit, versuchte sie jedoch zurück zu drängen. Doch der Körper ist ein Organismus, der macht was er will. Ihre Augen klappten zu und in ihren Träumen befand sie sich auf diesem Platz, die drückend tropische Hitze Indiens schnürte ihr die Brust zu und der Mann, Jeevan, stand am Galgen. Der Sack über seinem Kopf blähte sich leicht und zog sich zurück, mit jedem Atemzug. Der Henker stand neben ihm, ein Moment der Stille und des Stillstands. Und dann das Zurückklappen der kleinen Falltür, Jeevan verliert den Boden unter den Füßen und wenige Momente lang zittern seine Beine, wie von einem Anfall geplagt. Dann Stille. Und von vorn.

 

Am Morgen konnte Silver jede Faser ihres Körpers schmerzhaft spüren. Sie hatte die Nacht in ihrer Ecke verbracht, zusammen gekauert. Von ihren Alpträumen geplagt. Sie hatte tausendfach den Tod eines scheinbar geliebten Menschen erlebt. Sie war Damayanti. Die junge Damayanti, noch frei und voller Hoffnungen, welche auf einen Schlag zerstört wurden. Silver grübelte, wer Jeevan war. Der Bruder der Dienerin? Oder – bei dem Gedanken schauderte sie – deren Mann? Es würde erklären, warum die Dienerin die Zeichen der verheirateten Frau auf sich trug, obwohl Silver nie eine Familie zu Gesicht bekommen hatte.

Es half nichts, sie musste aufstehen und sich aus diesem Raum wagen. Sie hatte Hunger, Durst und ein Bad dringend nötig. Doch ihr Herz stolperte, sobald sie aufstand und den erkalteten Kaffee auf dem Tisch stehen sah. Es erinnerte sie nur ein weiteres Mal daran, was gestern Abend geschehen war.

     Als sie an die Tür trat und eine Hand auf die Klinke legte, wurde diese wie von Geisterhand bereits nach unten gedrückt und die Tür schwang auf. Vor ihr, nur eine Nasenspitze entfernt, stand ihr Ehemann. In seinem Gesicht konnte sie Verbitterung und Abscheu sehen.  Seine Augen so tot, so lieb- und leblos. Silver hasste es, ihn so zu sehen. Sie hätte allen Grund gehabt, ihn zu hassen. Doch sie tat es nicht. Kein Mensch kam so auf die Welt. Was musste ihm bloß wiederfahren sein, dass er so wurde?

     „Du verlässt mein Anwesen. Sofort.“ Die Kälte in seiner Stimme raubte Silver die letzte Kraft, die sie besaß. Weinend stützte sie sich an seine breite Brust, die erstaunlicherweise eine Wärme ausstrahlte, die sie so nicht von ihm erwartet hätte. Ein Schluchzen ließ ihren Körper immer und immer wieder erbeben. Nathan stand zur Statue erstarrt einfach nur da. Doch Silver konnte das schnell schlagende Herz spüren, es hören.

     „Ich wollte das nicht. Ich kann es nicht kontrollieren. Ich weiß doch gar nicht was ich da tue. Ich habe sie anfassen, trösten wollen. Und dann war mir Schwarz vor Augen. Und dann habe ich etwas gesehen. Und dann ist alles eskaliert. Ich habe das nicht gewollt, verdammt.“ Nathans Shirt war bereits durchnässt von ihren Tränen, als er sich endlich rührte. Seine Arme hoben sich. Sie spürte es, wie er seine Muskeln anspannte. Und dann fühlte sie das schwere Gewicht auf ihrem Rücken. Er zog sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.

     „Schon gut.“ Murmelte er mit seiner rauhen Stimme, die an Schleifpapier erinnerte. „Alles gut.“ Seine Hand fand zögernd nach oben, er strich vorsichtig über ihr glattes Haar und zwang sie dann, ihm in die Augen zu sehen.

     „Ich habe überreagiert, es tut mir Leid.“ Silver stockte der Atem und auch das Schluchzen verging auf einen Schlag. Ungläubig sah sie dem Mann in die Augen, der ihr jeden Tag das Herz mehrfach brach. Momente der Stille vergingen. Silberne und stahlblaue Blicke verschrenkten sich und die Herzen beider schlugen nah beinander, im Gleichtakt. Silver hätte nicht genau sagen können, von wem es ausging. Ob sie den Kopf hob oder er den seinen senkte. Doch ihre Lippen trafen sich, der salzige Geschmack ihrer Tränen traf auf die rauhen Lippen dieses Mannes. Der Kuss schien ewig anzudauern, vielleicht verlor Silver auch bloß alles Zeitgefühl. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er sie nach dem Kuss im Arm wiegte wie ein Kind, ein kleines Mädchen. Dass er sie schützend umklammerte und die Wärme seines Körpers in sich aufsog, da sie selbst innerlich so sehr fror. Für diesen Moment war er ihr Fels in der Brandung und erdete sie.


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Kapitel 5



Silver hätte nicht sagen können, wie lange Nathan und sie so dagestanden hatten. Sie hatte seinen warmen Atem auf ihrer Kopfhaut gespürt und das regelmäßige Klopfen seines Herzens gehört. Sie hatte ihre zitternden Finger auf seine starke Brust gelegt und die seinen – ebenfalls zitternd – auf ihrem Rücken wiedergefunden. Er hatte sie fest bei sich gehalten, und doch war er so vorsichtig gewesen, als hätte sie zerbrechen können. Und dann war der Moment jäh vorbei gewesen. Er hatte sie losgelassen, war zurückgetreten und gegangen. Kein Wort hatte seine Lippen verlassen, als er sie ratlos in der Bibliothek hatte stehen lassen. Ihre Tränen hatten Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, die Augen vom Weinen gerötet. Ihr Kopf brummte gnadenlos, ihr Herz raste vor Angst und Nervosität. Doch vor allem stolperte es, weil sie noch immer seinen Duft in der Nase hatte: würzig und sündig, doch auch eine Spur von Heimat lag darin. Wie frisch gesägtes Holz. Jener Geruch, der durch das Haus strömte, wenn der Kamin Wärme spendend brannte. Eine Assoziation, die ihr an ihm so fremd erschien, dass sie kurz schmunzeln musste. Nathan mit Heimat und Zuhausesein zu vergleichen, schien absurd. Dieser Mann bot niemandem ein Zuhause.

Den Kopf schüttelnd, richtete sie kurz ihre Haare. Doch viel zu retten war da nicht. Sie musste einfach damit leben, dass sie schrecklich zerstört aussah. Nach einer Nacht auf dem Boden wohl kaum verwunderlich. Ihre zögerlichen Schritte waren leise gesetzt, sie wollte nicht gehört werden. Nathan war mit Sicherheit auf dem Weg zur Arbeit, Damayanti irgendwo im Haus. Sie wollte ihr nicht begegnen. Silver hatte keine Ahnung, was genau sie getan hatte. Doch sie wusste, die Alte würde es ihr so schnell nicht verzeihen. Dabei... Sie hatte es doch nicht mit Absicht getan?! Silver konnte es nicht steuern, wusste ja nicht einmal genau, was es war. Sie wusste nur, dass sie sich in andere Menschen versetzen konnte. Irgendwie. Bei Berührungen. Aber bei Gott, sie hätte selbst alles darum gegeben, diese Fähigkeit nicht zu besitzen.

 

Auf dem Weg in ihr Zimmer, schlich sie beinahe. Doch es half nichts. Damayanti war überall und nirgends, und so stolperte die junge Frau unweigerlich über die Dienerin, die soeben eine Vase abstaubte. Als sie Silver bemerkte, schreckte sie auf. In ihren dunklen Augen, die sonst so gütig schienen, sah Silver nun nur noch Trauer und Verbitterung.

     „Damayanti, ich...“ Hilfesuchend streckte sie die Hand nach ihr aus, doch sie zog sie sofort zurück. Wer wusste schon, was geschehen würde.

     „Herrin, macht Euch keinen Vorwurf. Es liegt in eurer Natur.“ Es mochte wohl so etwas wie ein Friedensangebot sein, doch Silver konnte den bitteren Unterton in ihrer Stimme nicht überhören. Seufzend senkte sie den Blick, erneut drückten sich Tränen in ihre Augen. Die Dienerin schien es bemerkt zu haben, ihre Stimme nahm einen wärmeren Klang an, als sie erneut das Wort erhob: „Ihr seid eine Seelenwanderin. Ihr könnt es nicht kontrollieren, noch nicht. Aber ihr könnt es lernen, um den Menschen in Eurer Umgebung keinen Schaden zuzufügen.“

     „Ich weiß doch noch nicht einmal, was genau dabei passiert?!“ Ein Schluchzen konnte sie nun nicht mehr verhindern, Silver lehnte sich an die Wand um ihren Stand nicht zu verlieren.

     „Ihr könnt Euch in andere Menschen versetzen, ihr Leid spüren. Das ist das eine. Doch Ihr könnt in anderen auch längst vergessenes oder verdrängtes Leid zurück an die Oberfläche hohlen. Was mit...“

     „...was mit dir passiert ist. Durch mich sind diese Erinnerungen bei dir wieder lebendig geworden?!“ Nun erst wurde ihr klar, was sie angerichtet hatte. Den Kopf schüttelnd, fielen ihr die langen silbernen Haare in schimmernden Kaskaden vors Gesicht. Die Spitzen wurden von ihren Tränen nass.

     „Ihr konntet es nicht wissen.“

     „Es tut mir dennoch so wahnsinnig leid, Damayanti. Ich würde dir niemals absichtlich weh tun.“

     „Lasst es uns vergessen, Herrin.“ Als Silver nun den Blick hob, hatte sich das Gesicht der Alten entspannt und die Liebe, die sie in sich trug, schien zurück an die Oberfläche gefunden zu haben.

     „Ich werde Euch nun einen Kakao machen und Euch von den alten Legenden erzählen.“ Schlug die Dienerin vor, Silver nickte wortlos. Sie war müde, ihr Rücken schmerzte und sie hätte sich am liebsten in ihrem Bett vergraben, doch es schien ihr wichtiger, dieser verdammten Gabe – oder sollte sie besser „Fluch“ dazu sagen? – auf den Grund zu gehen.

 

Wenig später saßen Damayanti und Silver vor dem riesigen Kamin. Die Dienerin hatte ihn angeschürt und nun brannte das Feuer hell lodernd und spendete tröstliche Wärme, die Silver dringend nötig hatte. Zögerlich nippte sie an der heißen Schokolade, die die Dienerin ihr zubereitet hatte. Sie fühlte sich so schuldig, dass sie das Getränk am liebsten gar nicht angenommen hatte. Zumindest hatte sie darauf bestanden, dass auch Damayanti einen Tee trank. Nun, da sie so zusammen in den Sesseln vor dem offenen Kamin saßen, schienen die Standesunterschiede beider ausgeglichen. Silver mochte es so, der Gedanke eine Dienerin zu befehligen, hatte ihr von Anfang an nicht gefallen.

     „Nun...“ murmelte die Inderin, sichtlich betreten. Es schien fast, als wolle sie etwas Unanständiges sagen. Doch dann brach sie ihr Schweigen. „Es gibt viele Legenden, die sich um die Rasse der Vampire ranken. Vielleicht kennt Ihr ja einige.“

Silver schüttelte langsam den Kopf. „Die Vampire haben meine Familie gejagt, mein Vater erzählte daher kaum davon.“

     „Die Vampire waren nicht immer eine starke, erfolgreiche Rasse. Einst hatten die Menschen sie nahezu ausgerottet. Die Vampire hielten sich immer bedeckter, bis deren Existenz angezweifelt wurde. Zu dieser Zeit wurden natürlich auch die Ressourcen knapp, allgemein sank der Lebensstandart und die ersten Konflikte bahnten sich an.“ Damayanti nippte an ihrem Tee und sah Silver tief in die Augen. Die verstand noch nicht, was all das mit ihr zu tun haben sollte.

     „In den Kriegen der Vampire wurden die Seelenwanderer als Waffen eingesetzt. Es gibt nicht viele von ihnen, eine seltene Gabe. Diese Vampire können fühlen, was andere fühlen. Können alte, verschüttete Emotionen und Erinnerungen wieder erwecken. Und diese Emotionen so verstärken, dass der Gegenüber leicht wahnsinnig wird.“

     Erschrocken hielt sich Silver die Hand vor den Mund, ein leises Stöhnen drang daraus hervor. Hatte sie das etwa Damayanti angetan? Hatte sie die verschüttete Erinnerung der Alten wiederaufleben lassen und sie das Leid um ein vielfaches spüren lassen?!

     „Du weißt, das hätte ich niemals mit Absicht getan. Damayanti, glaub mir. Ich hätte dir niemals ein Leid zufügen wollen.“ Erneut brach sie in Tränen aus, was die Situation nicht besser machte. Silver fühlte sich, als würde die Welt auf sie nieder stürzen. Wie sollte sie mit einem solchen Fluch umgehen?   

     „Herrin, bitte. Ihr konntet es nicht wissen und Eure Gabe hat auch sein Gutes. Hat Nathan nicht gerade Euretwegen das Mädchen gefunden? Weil ihr eure Seele habt zu ihr schweifen lassen? Ohne Eure Hilfe, wäre das Mädchen gestorben.“ Von dieser Seite aus hatte Silver all das noch nicht betrachtet. Doch es fiel ihr schwer, die Schuldgefühle abzustreifen und sie gegen den Stolz einzutauschen, den zu empfinden vielleicht ebenso angebracht gewesen wäre.

     „Was kann ich tun, damit das nicht wider passiert?“

     „Ich kann es Euch nicht sagen. Ich selbst habe auch nur wenig darüber gehört, die Vampire fürchten jene, die wir Ihr seid. Seelenwanderer können großen Schaden anrichten. Vielleicht findet Ihr in alten Büchern etwas darüber, wenn ihr wollt, helfe ich Euch.“ Dankbar wollte Silver ihre Hände ausstrecken, doch erneut zog sie sich augenblicklich zurück und starrte betreten auf ihre Hände. Es war nun Damayanti, die ihrerseits nach ihr griff und beruhigend über Silvers Hände tätschelte.

     „Alles wird gut.“ Das warmherzige Lächeln der Alten spendete ihr zumindest ein bisschen Trost.
 

Kapitel 6



Jedes Mal, wenn ich sie ansah, konnte ich es in mir brodeln spüren. Wie Elektrizität, die durch jede Faser meines Körpers zuckte. Wie Feuer, das in mir loderte. Ich sah Silver und verlor den Verstand. Ihre grauen Augen, die trotz des leblosen Farbtons warm und lebendig schienen. Ihre seidiglangen Haare, die in dieser unnatürlichen Farbe auf ihre Schultern, ihren Rücken herabfielen. Ich sah, wie sie leise lächelte, wenn sie in Gedanken versunken saß. Doch ich sah auch die Schmerzen, die ich ihr jeden Tag aufs Neue zufügte. Und ich spürte Hass und Liebe zugleich.

     Mein Vater hatte eine kluge Entscheidung getroffen. Eine bessere Partie hätte mir ohnehin nicht zufallen können. Ich war ein Aussätziger, keine Dame von Wert hätte mich genommen. Und die meisten Vampirinnen waren durchaus in er Position, sich ihre Partner frei zu wählen. Lieblose Ehen wie die unsere waren selten und veraltet.

 

Als ich nun Silver ansah, wie sie in ein Buch versunken auf dem Bett saß als ich ins Zimmer eintrag, fragte ich mich: ist diese Ehe so lieblos, wie ich es mir einzureden versuche? Sie blickt auf und für eine Sekunde steht ihr die Angst in den Augen, doch im nächsten Augenblick scheint sie sich an unsere Begegnung heute morgen zu erinnern. Sofort habe ich wieder den steten Herzschlag im Ohr, der vor Aufregung stolpernd in ihrem Herz schlägt. Ich habe den Duft in der Nase, den sie betörend verströmt. Und ich habe dieses merkwürdige Gefühl im Magen. Warm und flau. Als würde sich der Boden drehen, bewegen, wanken und schwanken. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen, hätte ihr die loe Strähne ihres Haares hinters Ohr gestrichen und sie im Arm gehalten. Ich wusste, wie schlecht es ihr ging. Zuerst die Ehe mit mir und nun diese Bürde, die das Schicksal ihr auferlegt hat. Ob sie auch etwas empfindet, wenn sie mich berührt? Als Ermittler habe ich mich natürlich kundig gemacht, was genau Silvers Gabe mit sich bringt. Wenn sie das Leid anderer heraufbeschwören, verstärken, beleben konnte – war sie dann nicht meine größte Feindin, ohne es zu wissen? Was, wenn sie all die Mauern, die ich aufgebaut habe, niederreißt? Ich bliebe zurück als ein Häufchen Elend. Und in diesem Moment, als mir das klar wurde, flammte der Hass wieder auf und verdeckte all das, was ich wohl als Liebe bezeichnen musste.

Ich durchquerte den Raum, ohne die Tür zu schließen. Jeder Diener, jede Dienerin hätte nun von außen beobachten können, was ich tat. Ich trat ans Bett und forderte sie grob auf, aufzustehen. Ich sah das Zögern in ihren Augen. Vielleicht hatte sie nach dieser kurzen Episode geglaubt, dass ich mich verändert hätte. Doch stattdessen zwang ich sie, sich zu entkleiden. Nur um kurze Zeit später ihre Beine gewaltsam außeinander zu drücken. Ich spürte mein Geschlecht pochend in meiner Hose, als sie wehrlos vor mir auf dem Bett lag. Als ich in sie Eindrang, vernahm ich das leise Wimmern und Schluchzen. Konnte ich ihre Furcht und Enttäuschung beinahe wittern, spüren. Ich drang in sie, ohne auf die Schmerzen zu achten, die ich ihr dabei zufügte. In einem schnellen Rhythmus erledigte ich, was mein Körper wohlwollend aufnahm.

Langsam ließ ich von ihr ab, glitt in meine Hälfte des Bettes und schloss die Augen. Ich tat, als schliefe ich. Ich lauschte. Ihr leises Wimmern, die verschluckten Schluchzer. Ich konnte das Rascheln ihrer Decke hören, als sie sich enger hinein kuschelte, als suche sie Schutz. Als ihr Atem ruhiger wurde und sie schlief, öffnete ich die Augen. Der Mond schien sanft durch die Vorhänge hinein und auf ihr Gesicht. Selbst im Schlaf konnte ich ihr ansehen, wie sehr sie litt. Und ich verstand mich selbst nicht. Wieso hatte ich ein solches Gefallen daran, ihr weh zu tun? Dem Menschen weh zu tun, der mir – so ungern ich es zugab – etwas bedeutete. Bedeutete sie mir etwas? Ich beobachtete sie lange und spürte, wie ein Kloß in meinem Hals wuchs. Ich war ein Monster, eine Bestie.

 

Als ich am Morgen erwachte, spürte ich etwas Warmes. Ein geliebter Duft traf in meine Nase. Ich öffnete die Augen nicht, ertastete jedoch einen warmen Körper an meinem. Ungläubig öffnete ich die Augen und bemerkte, wie auch sie verwirrt aus dem Dämmer des Schlafes auftauchte. Wie lagen eng umschlungen, ihr Kopf an meiner Brust. Und es fühlte sich so verdammt gut an, dass ich sie nicht gehen ließ, als sie erschrocken die Flucht anzutreten versuchte.


Wörter: 2458

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24.10.2016, 17:51
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Kapitel 7 


 

Sie konnte es nicht fassen. Seine starken Arme hielten sie fest, boten ihr Schutz und Halt in einem Moment, da sie zu fallen drohte in ein tiefes Loch, das er ihr erst gegraben hatte. Ihr fehlte jegliches Verständnis für sein Verhalten. Womöglich hätte sie sich damit abfinden können, dass er ein gewalttätiges Arschloch war. Dass er sie jedoch vergewaltigte und am Morgen danach den großen, liebenden Ehemann herauskehrte, machte sie wahnsinnig und spielte mit ihren Gefühlen. Wenn er so war, konnte sie sich nicht mehr von ihm abschotten. Konnte sie ihn nicht als die Bestie hassen, die er war. Denn ganz offensichtlich war dies nur eine Seite der Medaille.

Ihre Versuche, sich aus seiner Umarmung zu befreien, scheiterten kläglich. Er war zu stark und scheinbar auch nicht willens, sie gehen zu lassen. Er brummte leise und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Sein warmer Atem strich ihr über den Nacken und verursachte eine Gänsehaut. Ihr Herz begann zu rasen, in ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Was tust du nur mit mir? , fragte sie sich verzweifelt, während sie den Widerstand fallen ließ und sich seiner Umarmung ergab. Er schien es bemerkt zu haben, denn sein Griff lockerte sich und er strich ihr behutsam über den Rücken, den Nacken, seine Hand fuhr entlang ihres Halses und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Momente vergingen, da er ihr in die Augen sah. Seine Iris leuchtete blau, ein lebendiges Blau, wie Türkis. In seinem Gesicht war all die Härte verschwunden, die sonst darauf ihren Platz einnahm. Hätte es Silver nicht besser gewusst, sie hätte ihn als warm lächelnd beschrieben. Doch das war unmöglich. Womöglich schmiedete Nathan bloß einen neuen Plan, sie zu erniedrigen.

Sie schloss die Augen, verschloss sie vor der widersprüchlichen Realität. Ein wenig zitternd, konnte sie seinen betörenden Duft einatmen. Sie wusste, er war ihr ganz nah. Nicht nur körperlich. Er hielt ihr Schicksal ins einen Händen und Nathan würde nicht zögern, sie mit nur einem Wimpernzucken zu vernichten. Hätte er ihr gesagt, welche Angst er vor ihr hatte, sie hätte es ihm nicht geglaubt.

Warme, raue Lippen fanden den Weg auf ihre Stirn. Für einen Moment vergaß Silver alles, was sie über Nathan wusste. Sie ertrank beinahe in der Sanftheit seiner liebevollen Geste.

     „Nathan...“ Es war vielmehr ein Hauchen, ein Flüstern nur. Beruhigend streichelte er sie, umschloss sie, schirmte sie mit seinen Armen von der kalten, rauen Welt ab. „Das geht so nicht, Nathan.“

     „Warum nicht?“ murmelte er geistesabwesend eine Antwort, auch er hatte die Augen geschlossen und schien den Moment zu genießen. Silver ihrerseits öffnete vorsichtig die Lider um einen Blick auf ihn zu erhaschen. So friedlich hatte sie ihn noch nie gesehen. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz, warum nur konnte er nicht immer so sein? Sie hätte ihn geliebt. Lieben können. Lieben dürfen. Aber so? Energisch kämpfte sie gegen die Schmetterlinge im Bauch an, die sich so falsch anfühlten. Bei all dem, was er ihr antat, war es unmöglich ihn zu lieben, oder?

     Die Laken knisterten, als Nathan sich auf den Rücken wälzte und die Augen öffnete. Er sah sie nicht an, seine Miene wurde härter und es schien, als legten sich Schatten auf sein Gesicht. Er war so schön, dass es sie schmerzte. So schön und so verletzlich. So verbittert. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Brach er das Schweigen nach langen Momenten. Silver hätte zufrieden sein sollen, doch es bereitete ihr Kummer. Sie wusste ja selbst nicht einmal mehr, was sie wollte. Wie sie damit umgehen sollte.

     Seine muskulöse Gestalt schälte sich aus der Decke, nackt lief er durchs Zimmer zum Schrank. Sie konnte seine Rückseite sehen und spürte ein Ziehen zwischen den Schenkeln. Sofort erstarrte er, sein gesamter Körper schien angespannt. Er wandte sich und verwundert sah er ihr direkt in die Augen. Sein Gesicht drückte nichts als Verblüffung aus.

     „Du begehrst mich?“ Seine kehlige Stimme schmiegte sich in ihre Ohren, ehe sie den Kopf verlegen schüttelte. Was redete er da?

     „Ich kann es wittern, du begehrst mich.“ Stellte er unnötigerweise ein zweites Mal fest, ehe sie sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Natürlich. Nathan war nicht nur reinblütig, er gehörte zudem einem sehr mächtigen, alten Adelsgeschlecht an. Seine Sinne waren viel schärfer als die ihren und somit auch sein Geruchssinn.  Sie erwartete beinahe, dass er sie sofort nahm. Sich nahm, was sie offensichtlich provozierte. Doch stattdessen ließ er sich auf der Kante des Bettes nieder und sah Silver aus seinen unergründlich schönen Augen an. „Nach all dem, was ich dir antue... Wie kannst du mich begehren?“

     Er wirkte so verloren in diesem Moment, dass Silver Mut fasste und sich neben ihn setzte. Mit einer Hand verdeckte sie ihre Brüste dürftig mit dem Laken. Mit der anderen Hand strich sie ihm über das vom 3-Tage-Bart stoppelige Gesicht. Sie glaubte bereits, zu weit gegangen zu sein, doch da senkte er den Blick und schmiegte seine Wange in ihre Handfläche. „Ich bin ein Monster.“

     „Du bist so viel mehr als das, Nathan.“ Was sagte sie da? Sie war doch das Opfer, es war nicht an ihr  ihn zu trösten. Er war es, der auf die Knie hätte fallen sollen. Sie um Vergebung hätte anflehen sollen. Und es wäre an Silver gewesen, ihn abzuweisen. Denn was er getan hatte, war nicht zu entschuldigen. Sie wollte sich soeben zurückziehen, als es sie wie ein Blitz traf.

     Doch diesmal empfand sie keine Dunkelheit, keine Trauer, keine Ohnmacht. In ihr breitete sich ein warmes Gefühl aus und sie sah sich selbst, durch seine Augen. Und sie empfand Zuneigung. Nein, ein Gefühl weit stärker als Zuneigung. Und Schuld. Doch so schnell die Empfindungen gekommen waren, so schnell ebbten sie ab. Nathan baute eine Mauer um sich.

     „Raus aus.. meinem Kopf.“ Ächzte er, in seinem Blick wieder nur kalte Abweisung.

     „Du...“

     „Ich muss jetzt auf Arbeit.“

     „Du empfindest etwas...“

     „Pass auf, was du heute tust. Lass Damayanti...“

     „Gib es zu!“

     „Bis heute Abend.“

Als er aus dem Zimmer stürmte, wäre sie ihm am liebsten nachgelaufen. Doch sie wusste, er würde sich ihr kein zweites Mal so öffnen, wie in diesem Moment. Ihre Erregung war längst abgeflaut. Ernüchtert ließ sie sich zurück ins Bett fallen.
 

 




Wörter: 1296

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26.10.2016, 15:56
» Löwe
Vorsicht Raubkatze :D


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Wie lange tut es noch weh?
Und wann geht es vorbei?


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Ich werd mich die Tage aufjendenfall mal reinlesen und sag dann weiteres (:


Wörter: 12

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L�we: "Nein er ist doch ein Weib, du bist lesbisch!"
Lucia: "H�h�h�h�h ... Moment, das ist nicht lustig, wieso lach ich �berhaupt? +kopf aufn tisch knall+ "


BLACK DAGGER <3

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Kapitel 8


 

Sie hasste es, den ganzen Tag zuhause herum zu sitzen und nichts zu tun. In ihrem Magen herrschte ein eigenartiges Gefühl, das sie beinahe als Sehnsucht bezeichnet hätte. Nathan hatte sich, wenn auch nur für Augenblicke, geöffnet und ihr eine Seite von sich gezeigt, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Der Mann, der ihr so viel Leid zugefügt hatte, trug in sich auch eine warme Zuneigung für Silver. Wie konnte das sein?

Mit den Fingern trommelte sie unruhig auf dem kleinen Beistelltisch, der Kaffee darauf war längst kalt geworden weil sie ihn vergessen hatte. Nun, da ihr Blick darauf fiel, nippte sie kurz daran, nur um die Tasse mit vor Ekel verzerrtem Gesicht wieder weg zu stellen. Damayanti hatte es wohl mitbekommen. „Ich hole Euch eine neue Tasse.“ Die Stimme der Alten war sanft und liebevoll. Die Furcht, die sie vor Silver empfunden hatte, war längst wieder erloschen. Silver hütete sich, sie nicht anzufassen. Ein stilles Abkommen, das beiden gut gefiel. 

Doch sie musste auch daran denken, dass sie nicht nur die negativen Gefühle empfand, sah und verstärken konnte. Bei Nathan war es seine Liebe und Zuneigung gewesen, die sie hatte spüren können. Silver hatte ihre „Gabe“ als Bürde akzeptiert. Niemals würde sie mit den Emotionen anderer spielen, um sie zu manipulieren. Das schmerzverzerrte Gesicht Damayantis hatte ihr das Herz gebrochen. Und auch sie selbst war nicht erpischt darauf, noch einmal das Leid eines anderen auf die eigenen Schultern zu bürden. Denn nicht nur der Betroffene empfand, auch sie selbst spürte jene Verzweiflung, Trauer, Hass oder eben die Liebe, die Nathan niemals würde zugeben können.

     Damayanti stand plötzlich neben ihr, ein Kännchen und eine Tasse abstellend. Silver, in ihren Gedanken versunken, schreckte auf. „Entschuldigt Herrin.“

     „Schon gut, ich war einfach nicht bei der Sache. Damayanti, nenn mich doch einfach Silver. Bitte.“

     „Herrin, das steht mir nicht zu.“ Silvers Blicke glühten auf der Dienerin, die sie als solche nicht mehr länger wahrnehmen wollte.

     „Ich bin ein Mädchen aus einfachem Haus. Ich möchte keinen Diener, Damayanti. Eine Freundin schon eher.“

     „Aber Herrin...“

     Ein vernichtender Blick gebot ihr Einhalt. „In Ordnung,... Silver.“ Ein zaghaftes Lächeln trat auf die runzligen Lippen der Inderin, die in ihrem heutigen orangen Sari so fröhlich aussah, wie die Sonne selbst. Hätte Damayanti nicht mit eigenen Augen das Leid gesehen, sie hätte es nicht geglaubt.

     „Erzähl mir von Nathan.“ Murmelte Silver, als sie an ihrem Kaffee nippte. Das Porzellan klirrte leise, als sie die Tasse wieder abstellte. Damayanti setzte sich auf einen der freien Sessel und strich den Sari glatt. In ihrem Gesicht konnte Silver Unsicherheit lesen. Mit ihren blassgrünen Augen musterte sie die alte Frau, wartete. Glaubte schon nicht mehr, dass sie reden würde.

     „Ich kenne den Herren schon seit er geboren wurde, da war ich vielleicht dreißig. Etwas älter womöglich. Ich hatte seine Mutter versorgt in ihrer Schwangerschaft und half, das Kind zu entbinden. Das war die Zeit, nach...“

Ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht. „Schon gut, ich verstehe.“ Murmelte Silver und wieder war der Drang in ihr immens, tröstend eine Hand auf die ihre zu legen. Doch sie widerstand dem Wunsch.

     „Ich habe mich um den Kleinen gekümmert, auch als seine Mutter nicht mehr da war. Als er klein war, war er so ein Sonnenschein. Doch seine Verbitterung wurde von Tag zu Tag schlimmer und je mehr er die Welt begriff, umso mehr hasste er sie. Und der Zorn seines Vaters... Aber ich darf Euch... dir all das gar nicht erzählen, verzeih.“

     „Was ist mit seiner Mutter geschehen?“

     „Silver, das wird er dir selbst sagen müssen. Es steht mir nicht zu, seine Geschichte zu erzählen. Ich darf nur für mich selbst sprechen, nicht für ihn. Aber eines musst du wissen, er ist nicht durch und durch böse.“

     „Ich weiß.“

     „Du weißt?“ Auf ihr Gesicht trat ein fragender Ausdruck. Wahrscheinlich wusste sie, wie grausam Nathan sein konnte und hätte nicht gedacht, dass Silver auch seine andere Seite hatte sehen können.

     „Du hast ihn berührt.“ Murmelte sie dann, ohne den Blick von ihr zu wenden.

     „Ja.“ Silver senkte den Blick, um ihren stechenden Augen auszuweichen. Plötzlich fühlte sie, die eigentlich all die Fragen hatte, wie im Kreuzverhör.

     „Was hast du gesehen? Seine Mutter?“

     „Nein, ähm.. mich. Ich habe mich gesehen.“

     Nun wurden ihre Augen groß, riesig beinahe. Damayanti schüttelte fassungslos den Kopf.

     „Ich hatte die Hoffnung aufgegeben.“ Murmelte sie leise und Tränen kullerten ihre Wangen herab.

     „Damayanti, was..?“ Silver rückte näher an die Alte heran, unfähig zu begreifen, wovon sie sprach.

     „Ich dachte, sein Herz sei zu Stein geworden. Ganz offensichtlich ist dem nicht so.“ Sie zwinkerte die Tränen fort und lächelte. Ein so warmes, liebevolles Lächeln. Nun erst wurde mir klar, dass sie Nathan groß gezogen hatte wie das eigene Kind, dass ihr verwehrt geblieben war. Sie liebte ihn auf diese mütterliche Art, die Silver so sehr von ihrer eigenen Mutter vermisste. Die Bande zwischen Nathan und Damayanti mussten stärker sein, als Silver es für möglich gehalten hätte.

 

Damayanti hatte sich in die Küche verzogen, um das Abendessen zu zaubern. Sie war ihrer Kochkünste wegen bescheiden, doch Silver kannte keine bessere Köchin als die Inderin. Sowohl exotische, als auch heimische Speisen bereitete sie vortrefflich zu. Die große Holztür des Wohnzimmers knarrte, als sie geöffnet wurde.

     „Soll ich dir jetzt doch beim Kochen helfen?“ kicherte Silver, doch ihr blick das Lachen im Halse stecken, als sie Nathan sah. Schwere Schatten lagen auf seinem Gesicht, die schwarzen Haare ragten ihm unordentlich ins Gesicht und – sie zwinkerte kurz, doch es war wirklich so – er zitterte.

     „Hey.“ Seine Stimme war so sanft, so brüchig, als stünde er kurz davor zu weinen. Silver stand auf und trat auf ihn zu. Ihre Hände fanden sein Gesicht und er schmiegte es Schutz suchend in ihre warmen Handflächen.

     „Was ist los?“ fragte sie heiser und versuchte, ihm in die Augen zu sehen. Doch er schloss sie und schüttelte den Kopf.

     „Es ist schon wieder ein Mädchen verschwunden.“ Brach er nach einer Weile das Schweigen. Ein Schauder rann ihr über den Rücken. Allmählich war die Annahme, es handle sich um einen Einzeltäter, absurd. Irgendjemand kidnappte ganz systematisch junge Vampirinnen. Und Nathan nahm das sichtlich mit.

     „Kann ich dir irgendwie helfen? Nate?“ Verwundert sah er auf, ihre warme Art überraschte ihn sichtlich und er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Wie um alles in der Welt konnte sie noch immer so freundlich zu ihm sein? War es Mitleid?

     Silver konnte es unter seiner Haut pulsieren spüren, doch sie unterdrückte, was auch immer es war. Es war schwer und erforderte Konzentration, doch sie wollte ihn nicht loslasen. Er brauchte Halt, so wie auch sie Halt brauchte. Und sie hatten nur einander, auch wenn ihre Ehe ein Konstrukt der Lügen war. Nichts Echtes. Ein Glashaus. Doch es wohnte sich erstaunlich gut darin, wenn man von den Brocken absah, die Nathan regelmäßig um sich warf.

     „Nein, was willst du denn tun?“ Fragte er wütend. Doch sie wusste, seine Wut richtete sich dieses eine Mal nicht gegen sie. Zärtlich strich sie mit ihrem Daumen über sein Gesicht und lehnte sich gegen ihn. Er wich kurz zurück, legte dann jedoch unbeholfen seine Arme um sie. Er hatte wohl selbst nicht damit gerechnet, wie gut es sich anfühlen konnte, jemanden zu haben.

     Lange verharrten sie in dieser Regungslosigkeit. Sie spürten einander und hielten einander fest. Doch dann kam Leben in Silver, sie trat zurück und sah ihm in die Augen. Die ihren schillerten lebhaft in grün und grau und türkis. Fasziniert sah Nathan sie an, ihre Augenfarbe veränderte sich stets. Konnte das sein? Aber was war schon unmöglich, seine Gattin konnte sich in die Köpfe anderer versetzen. Da war ein bisschen Farbenspielerei doch das geringste.

     Sie redete. Er sah es, als sein Blick auf ihre Lippen wanderte.

     „Hörst du mir zu?“

     „Nein, ich..ähm.. Ja doch, entschuldige.“ Weiterhin fasziniert sah er sie an. Sie war schön, auch wenn er diesen Gedanken so selten zuließ. Warum eigentlich? Fürchtete er sich davor, sie schön zu finden? Sie zu einer realen Person werden zu lassen, deren Gefühle geachtet werden mussten? War es für ihn nicht einfacher, sich emotional von ihr abzuschotten.

     „... ich fühlen, wo sie ist.“ Endete Silver, als Nathan soeben den Kopf schüttelte um endlich all die Gedanken aus ihm heraus zu bekommen und um ihr zuzuhören. Doch es brauchte gar nicht viel, um Eins und Eins zusammen zu zählen.

     „Du willst was?“

     „In  ihre Wohnung. Wenn ich die Sachen berühre, kann ich mich vielleicht in sie hinein versetzen. Und dann wissen wir, wo sie ist. Ob es ihr gut geht. Sowas eben. Vielleicht finden wir sie so.“

     „Nein.“

     „Nein?“

     „Kommt gar nicht in Frage.“ Seine Hände legten sich auf ihre Schultern, um sie beiseite zu schieben.

     „Warum?“ Nun wurde sie beinahe mutig. Noch vor einigen Tagen hätte sie nicht gewagt, ihm zu widersprechen. Nun aber kam der Protest laut und deutlich über ihre Lippen. Sie durfte nicht übermütig werden, das wusste sie.

     „Weil du... Weil das.. gefährlich ist.“

     „Aha.“ Ihr Blick strahlte nun bloßen Trotz aus, als sie ihn ansah. Dann aber wich ihr Ausdruck einer tiefen Verwunderung.

     „Du machst dir Sorgen?“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe, als sie das sagte. Nathan fuhr sich mit der Hand durchs dichte Haar, er kniff die Augen zusammen.

     „Ich hab nachgelesen, Silver. Solche wie du, solche Seelen... Na du weißt schon. Wenns dumm läufst, fühlst du das nicht nur. Sondern erlebst es auch. Wie soll ich das sagen?“

     „Wenn ich mich in jemanden versetze, könnte ich ernsthaft verletzt werden?“

     Schweigen entstand und Nathan sah sie aus unergründlichen Augen an. Langsam sagte er: „Ja.“

     „Und das stört dich?“

     Ein heißer Schmerz überkam ihr Gesicht. Sie sah seine erhobene Hand, realisierte jedoch kaum, was soeben geschehen war. Langsam taumelte er rückwärts, sah abwechselnd auf seine Hand, dann in ihr Gesicht. Silver spürte etwas Nasses auf ihren Wangen. Weinte sie etwa?

     „Es tut mir...“ Seine Stimme brach sich, als er sich abwandte und aus dem Zimmer stürmte. Silver hielt sich ihre Wange, die wie Feuer brannte. Sie hatte bereits zuviel Schmerz von ihm empfangen, um sich daran zu stören, dass er sie nun also auch noch schlug. Verwirrender war für sie, warum er sie schlug. Was hatte ihn so aufgebracht? Sie rekonstruierte das Gesagte, kam jedoch zu keinem logischen Schluss.

 

„Silver, das Essen ist... du meine Güte, war er das?“

Damayanti eilte ins Zimmer und legte ihre Händer auf Silvers Gesicht, strich ihr die Tränen aus den Augen und das Haar aus der Stirn. „Komm mit, wir versorgen das.“ Seufzte sie leise und führte Silver aus dem Raum ins Bad. Ihr Körper schien wie auf Wolken zu schweben, die Realität weit entrückt. Auch als Damayanti ihr etwas Kühlendes auf die Wange legte, fand sie nicht zurück in die Realität. Ihre Gedanken kreisten um das Gespräch, das sich ihr nicht erschloss. Warum hatte er sie geschlagen?

     „Das dürfte helfen.“ Murmelte die Greisin, als sie fertig war. „Wollen wir etwas essen oder möchtest du gleich ins Bett?“

     „Mir ist der Hunger vergangen.“ Silver spürte ihr schlechtes Gewissen, wie es sich ob der Mühe Damayantis meldete. Die Frau hatte extra gekocht und nun verschähte sie das Mahl. Doch ihr war einfach nicht mehr nach Essen zumute. Doch eigentlich wollte sie auch nicht ins Bett. Dort würde Nathan sein. Oder? Er hatte die letzten Tage nur unregelmäßig das gemeinsame Ehebett genutzt.

     „Nathan ist fort. Er ist aus dem Haus gestürmt. Ich dachte, ein Einsatz... Aber...“

     „Schon gut.“ Silver lächelte leise. Die fürsorgliche Art der Dienerin, nein: Freundin, tat gut. „Dann geh ich ins Bett.“

 

An diesem Abend rührte sich die Inderin noch rührender als sonst um Silver. Sie musste sie nahezu gewaltsam aus ihrem Zimmer befördern, nachdem Damayanti ihr alle Kissen aufgeschüttelt, einen Kakao gebracht, vorgesungen, sie in den Arm genommen hatte. All das erinnerte Silver schmerzlich daran, dass sie ihre eigene Mutter verloren hatte.

Als Damayanti endlich gegangen war, setzte sich Silver an den kleinen Kosmetiktisch in der Ecke. Das sanfte Licht der Wandlampen fiel auf den Spiegel und sie sah sich erstmals seit dem Nachmittag selbst. Ihr Auge war blau und geschwollen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er ihr weh getan, nie aber hatte sie Spuren seiner Gewalt getragen. Warum nur war da, wenn sie in sich selbst forschte, kein Hass? Warum war da nur diese leere Traurigkeit, die von ihr Besitz ergriffen hatte?  War sie wirklich so dumm und stand zu ihm, nach allem was er ihr antat?

     Wieder fielen ihre Gedanken darauf, was sie gesagt hatte, ehe sie den stechenden Schmerz gespürt hatte. Ein Seufzen verließ ihren Mund, als sie sich abwandte und alle Lichter löschte. Im Dunkel fand sie ins Bett, welches sich weich an ihren Leib schmiegte.

Die Kissen dufteten nach ihm und sie vergrub die Nase darin. Für einen Moment stellte sie sich vor, er liebte sie und behandelte sie entsprechend. Doch mehr als ein zynisches Lachen hatte sie für ihre eigenen Traumwelten nicht übrig. Er würde sie nie mögen, geschweige denn lieben oder gut behandeln. Aber was hatte sie dann gefühlt?

Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere, von der anderen auf die eine. Sie versuchte zu schlafen, doch es mochte ihr nicht gelingen.

     Ein leises Klopfen und das Knarren der sich öffnenden Tür, ließen sie aufmerken. Halb sitzend blinzelte sie.

     „Damayanti, es ist alles gut. Ich versuch jetzt, zu schlafen.“

     „Ich bins.“ Seine Stimme bescherte ihr eine Gänsehaut.

     „Darf ich eintreten?“

     „Es ist unser Zimmer.“ Erinnerte sie ihn und schob sich auf ihre eigene Seite. „Komm schlafen.“ Murmelte sie, als sie seinen müden Ausdruck im Schein des hereinfallenden Mondes sah.

     „Wirklich?“

     „Wirklich.“
     Momente der Stille entstanden. Sie konnte allein das Rascheln seiner Kleidung hören und sah, wie er sich in Unterwäsche zu seiner Seite des Bettes begab. Er lief, als trüge er eine schwere Last auf den Schultern. Als er sich ins Bett gelegt hatte, starrte er lange ins Leere und Silver beobachtete ihn eine Weile. Vorsichtig bewegte sie sich, als könne sie ihn aufschrecken. Nach gefühlten Ewigkeiten kam sie neben ihm zum Liegen und schob ihren Kopf auf seine Brust. Sie hielt die Luft an als fürchte sie, wie er reagierte. Dann, als er seinen Arm um sie legte, atmete sie aus. Ihr Herzschlag beruhigte sich und nur Momente später schliefen sie friedlich ein.


Wörter: 3097

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27.10.2016, 19:14
» Hiraeth
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Aaaahhh! ♥ ♥
Bitte sag mir, dass Du diese Geschichte weitergeschrieben hast oder weiterschreiben wirst! :3
Ich bin so in love mit Nathan & Silver...! 


Wörter: 25

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25.11.2016, 19:38
» Lisa
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Danke C: <3

Kapitel 9 



Im Mondlicht sah sie wunderschön aus. Das milchige Licht, das durch die Fenster fiel, verflocht sich mit ihren silbrigen, langen Haaren. Ihr Gesicht schien so friedlich, doch mein Blick glitt unweigerlich zurück auf die Verletzungen, die ich ihr zugefügt hatte. Ich ertrug es kaum, sie so zu sehen. Dass sie trotz der Schmerzen, die ich ihr angetan hatte, nun freiwillig auf meiner Brust lag, meinem Herzschlag lauschend schlief, war für mich unbegreiflich. Diese Frau trug eine Stärke in sich, um die ich sie beneidete und für die ich sie bewunderte.

Ich streichelte sanft ihren Arm, den sie um mich geschlungen hatte. Zuerst hatte sie mich nur ganz zögerlich berührt, doch als sie einschlief hatte ihr Griff sich gefestigt und nun klammerte sie sich regelrecht an mich. Und ich hätte gelogen, behauptete ich, dass es mir nicht gefiel. Sie hatte in meinen Kopf gesehen und ich hätte ihr böse sein sollen, was hatte sie gesehen? Man sagte sich, dass die Berührung einer Seelenwanderin schmerzte. Doch ihre Berührung hatte mir nicht weh getan. Stattdessen war es eine Woge der Wärme gewesen, die mich flutete. Vielleicht funktionierte ihr kleines Spielchen bei mir nicht? Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Ich fürchtete den Tag, an dem sie meine Geschichte erfuhr und wie ich zu dem wurde, was  ich nun bin: ein Monster. Emotionslos. Ein Arschloch. Ich fürchtete ihre Reaktion, nie wieder würde sie mich respektieren. Mitleid würde jeden ihrer Blicke regieren, wenn sie wüsste. Aber nun... war es nicht Angst, die sie nun beherrschte in meiner Gegenwart? Konnte ich damit besser umgehen, als mit Mitleid?

 

Sie regte sich langsam, seufzte. Nathan. Hatte sie das gerade wirklich gesagt, oder träumte ich schon? Doch sie wiederholte meinen Namen und schmiegte sich dabei noch enger an mich. Ich konnte die Hitze ihres Körpers spüren, ihre Brüste drängten sich an meinen Brustkorb und da, wo ihre Hände meine Haut berührten, drohte ich zu verglühen. Ich konnte spüren, wie sich etwas in meiner Unterhose regte. Verdammt, zischte ich leise.

„Was?“ Verschlafen blinzelte sie, hob ihren Kopf und sah mich aus diesen wunderschönen Augen an, die nun in einem hellen Grau schimmerten und die Träume noch nicht gegen die Realität getauscht hatten.

Und dann ging alles so schnell. Ich konnte selbst kaum begreifen, was mit mir geschah. Nur Augenblicke später thronte ich über ihr, meine Unterhose in die Kniekehlen gezogen und ihren Pyjama zerreißend. Sie wehrte sich nicht, es hätte ihr auch nichts gebracht. Ich spürte, dass das, was ich tat, falsch war. Doch ich konnte mich nicht zurückhalten und als ich sie so verletzlich und schön vor mir liegen sah, konnte ich an nichts denken, als in sie einzudringen und sie zu erobern.

 

Ihre Hände fanden den Weg auf meine Arme. Sie hielt sich wie eine Etrinkende an mir fest, während ich mich in ihr rieb. Ihre Augen waren zusammengekniffen, doch sie stöhnte leise. Mein Körper nahm dies nur all zu gern als Einladung an, mein Rhythmus wurde schneller und in dem Glauben, dass sie Gefallen daran fand, konnte auch ich spüren, wie nicht nur mein Körper positiv auf sie reagierte, auch mein Geist schien Ruhe und Frieden zu finden. Begierig küsste ich ihren Hals, ihr Schlüsselbein, ihre vollkommenen Brüste. Ich drang tief in sie ein und spürte den nahenden Höhepunkt heranrollen, als sie die Augen aufschlug und mich aus vollkommen leeren, ausdruckslosen Augen ansah. Als wäre sie tot. Im selben Augenblick ergoss ich mich in ihr und zog mich nur Augenblicke später erschrocken zurück.

 

„Schon gut.“ Wisperte sie leise, doch der leere Blick aus ihren verquollenen, blau geschlagenen Augen würde mich verfolgen – soviel stand fest. Ich sah an mir herunter, erschrocken und voller Selbsthass. Hektisch zog ich meine Unterhose wieder an und stürmte halb stolpernd, halb rennend aus dem Zimmer. Ich konnte das Knarren des Bettes hören, als sie mir nachkam. Doch ich war viel schneller und verschwand in der Nacht. Am liebsten hätte ich mich in dem See versenkt, der nur wenige Meter vom Haus entfernt in vollkommener Stille lag. Doch ich hatte das verschwundene Mädchen zu retten. Sobald ich jedoch das Schwein gefasst hatte, würde ich ein weiteres Monster aus dieser Welt tilgen. Mich.
 

 




Wörter: 820

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28.11.2016, 18:16
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Kapitel 10 



Einem galoppierenden Pferd ähnlich raste ihr Herz in ihrem Brustkorb. Sie konnte Nathans Gewicht noch auf ihrem Körper spüren. Sie hatte sich so sehr seine Nähe gewünscht – doch nicht so. Der Zwiespalt in ihr wuchs und klaffte mittlerweile weit auseinander. Sie konnte spüren, dass sie Gefühle für ihn hatte. Ebenso fürchtete sie ihn und seine Gewalt. Ihre Finger gruben sich in das Laken, schützend zog sie die Decke um sich, hüllte sich ein in das kühle Satin. Zwischen ihren Beinen konnte sie die Feuchtigkeit spüren, die Nathan hinterlassen hatte. Der Drang, sich zu duschen, stieg in ihr auf. Vorsichtig schob sie die Decke zur Seite und tastete sich im Dunkeln ins Badezimmer.

Als der Wasserstrahl heiß auf ihren Leib traf, wunsch sie sich lang und ausgiebig. Sie benutzte das Duschbad, dass sie so gern mochte. Es roch nach Vanille und allerlei pflegenden Ölen und gab ihr stets ein bisschen das Gefühl von Zuhause. Ihre Mutter hatte diesen Duft stets genutzt. Tränen rollten riesengroß über ihre Wangen und brannten an der Stelle, wo Nathans Hand die zarte Haut unter dem Auge zum Platzen gebracht hatte. Als sie darüber fuhr, hatte sie Blut an ihren Händen. Mit dem Rücken zur Wand, sank sie in sich zusammen und lies das heiße Wasser auf sich niederprasseln. Weinend saß sie stundenlang so da, bis ihre Haut vollkommen aufgeweicht schien. Es war mittlerweile am frühen Morgen, die Sonne schimmerte bereits durch die Vorhänge. Nur langsam quälte sie sich aus der Dusche, trocknete sich lieblos ab und rollte sich auf der Couch am Fenster zusammen, denn in ihr beflecktes Ehebett wollte sie nicht zurückkehren. Nicht jetzt.

 

Und so fand Damayanti sie vor, als sie mit einem reichhaltig gedeckten Frühstückstablett den Raum betrat. Es dauerte nur kurz, da hatte die Inderin bereits alles begriffen. Sie stellte die Mahlzeit ab, ehe sie zu Silver aufs Sofa kroch und das Mädchen in den Arm nahm. Silvers langes Haar ergoss sich über Damayantis dunkler Haut, als diese ihr fest den Arm um den Leib schlang und so zusammenhielt, was zu zerbrechen drohte. Damayanti hätte ihrem Schützling so gern geholfen, doch für Nathans Taten gab es keine Trostworte, keine Entschuldigungen. Für einen kurzen Augenblick flackerte die Idee in ihrem Kopf auf, das Mädchen außer Haus zu bringen und zu verstecken. Doch das würde ihren Tod bedeuten. Silver hatte eine enorm fragile Rolle im Gefüge der vampirischen Aristokratie inne. Nathan war ihr einziger Schutz.

Behutsam streichelte die Alte sie, wiegte sie in ihren Armen und irgendwann war es Silver, die sich aufrichtete und mit vor Tränen geröteten Augen in das Gesicht der Inderin blickte. „Danke.“ Murmelte sie leise und ließ sich nach hinten fallen. „Wollen wir zusammen frühstücken? Ich schaffe sicher nicht alles allein.“ Silver rang sich ein Lächeln ab, strich mit den zarten Fingern über ihre Wangen und wusste, dass sie sich aufrichten und weiter machen musste.

 

Es hatte viele überzeugende Worte gebraucht, ehe Damayanti sich ihrem Tagesgeschäft zuwandte und Silver allein ließ.  Diese wollte sich ablenken und hatte bereits einen Plan gefasst, der Nathan wahrscheinlich um den Verstand bringen würde. Nachdem sie sich versichert hatte, dass Damayanti in der Küche und Nathan außer Haus war, schlich sie sich in dessen Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch fand sie, wie erhofft, die Akte zu seinem aktuellen Fall. Gott sei Dank, er hatte sie nicht mitgenommen, wo auch immer er sich befand. Hektisch durchblätterte sie das Papier, das raschelnd durch ihre Finger glitt. Fotos, Beschreibungen, Zeugenaussagen, nichts von Wert. Doch dann das, was sie suchte: die Adresse des entführten Mädchens. Mit ihrem Telefon fotografierte sie das Papier ab und schob alles zurück an seinen Platz, ehe sie auf leisen Sohlen das Zimmer verließ.

 

Damayanti hatte sie gesagt, sie wolle ein wenig in der Stadt shoppen. Kleidung kaufen. Sich ablenken. Die Dienerin hatte es ihr abgenommen, wofür Silver mehr als dankbar war. Tatsächlich aber fuhr das Taxi in die Nähe der Maple Leaf Church. Dort wohnte das Mädchen, Amy Warner. Dort gab es nicht viel zu sehen. Gepflegte Häuser der Mittelschicht, vereinzelt Autos auf der Straße parkend, eine ruhige Gegend, viel Grün. Hier lebte die vampirische Mittelschicht und genoss das Leben in Bescheidenheit. Sie waren glücklich, wenn auch nicht reich. Schnell fand sie das entsprechende Haus, kein Wagen stand in der Einfahrt, Amy hatte allein gewohnt. Ihr Freund hatte sich erst vor kurzem von ihr getrennt. Aufgegriffen wurde das Mädchen in der Nähe der nahegelegenen Schule, wo sie aushalf.  Das gelbe Absperrband der Ermittler versiegelte die Tür, doch Silver war fest entschlossen, in das Haus einzudringen.

Wie so oft vergaß man die Garage. Wie auch bei anderen Häusern, führte eine Tür direkt von der Garage ins Haus. Silver schob vorsichtig die Garagentür auf und zwängte sich durch den kleinen, entstandenen Spalt. Im Nu befand sie sich in Amys Wohnzimmer. Der Raum war schlicht eingerichtet. Helles Holz, cremefarbene Wände und passende Möbel. Die Vampirin mochte es eindeutig schlicht. Ein einzelnes, feurigrotes Gemälde verlieh dem Raum ein wenig Lebendigkeit. Silver mochte den kargen Stil nicht sonderlich, doch deswegen war sie nicht hier. Sie schlich sich an den Fenstern vorüber, um von außen nicht gesehen zu werden, und suchte die Räume ab nach persönlichen Gegenständen, die ihr womöglich eine Brücke zu Amy und ihrem aktuellen Aufenthaltsort schlagen würden. Doch Amy war ebenso sparsam was ihre privaten Habseligkeiten anging. Im Wohnzimmer fand sie nur einige Magazine, eine leichte Sommerjacke hing über einem der Stühle, etwas Staub hatte sich auf den Möbeln gesammelt. In der Küche standen allerlei Utensilien zum Kochen, doch auch hier keine persönlichen Gegenstände.

Erst im Schlafzimmer wurde sie fündig. Auf einer Anrichte befanden sich drei Bilder. Auf einem sah man Amy mit einem Hund. Da Silver keinen Hinweis auf ein Tier im Haus gefunden hatte, ging sie davon aus, dass der Schäferhund tot war oder zumindest nicht hier lebte. Auf einem anderen Bild sah man zwei ältere Herrschaften, Mann und Frau. Sicherlich die Eltern des Opfers. Silver strich zaghaft darüber, doch es geschah nichts. Das letzte Bild war umgekippt. Als Silver es anhob, erkannte sie einen langen Riss quer über das Glas des Fotorahmens. Darunter lächelte ein junges Paar: Amy und ihr Exfreund. Das geborstene Glas wies darauf hin, dass Amy es zu Boden geschmissen und dann doch wieder an seinen Platz gestellt hatte. Offensichtlich hatte sie die Trennung noch nicht verarbeitet. Als Silver mit ihren Fingerspitzen das spinnennetzartige Muster des Glases entlangfuhr, wurde ihr abwechselnd heiß und kalt. Und dann hatte sie das Gefühl, durch Raum und Zeit geschleudert zu werden.

 

Es war kalt. Aber nicht so kalt wie in den Bergen. Mühsam öffnete Silver die Augen, sah an sich herab. Sie spürte Schmerzen, ihr Bein stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Blut befleckte das helle Kostüm, das sie trug. Das Amy trug, als sie verschwand. Rasch hob sie den Kopf, in der Hoffnung Hinweise darauf zu finden, wo das Mädchen sich befand. Doch sie konnte nichts erkennen. Eine nackte Glühbirne beleuchtete nur spärlich den kargen Raum, der nach Moos und abgestandener Luft roch. Muffig, so wie man es in Kellern roch. Sie musste sich im Keller eines Hauses befinden. Hier und da standen leere Kartons herum, unter ihr befand sich eine dreckige Decke. Es roch nach Fäkalien und als ihr Blick auf einen Eimer fiel, wusste sie auch, wieso. Sie konnte das Rumpeln von Schritten hören. Jemand kam die Treppe herunter und öffnete mit einem Ruck die Tür. Silver konnte sich nicht bewegen. Sie war zwar nicht gefesselt, doch ihre Kraft war am Ende. Die Kraft von Amy war es. Knarrend und quietschend gba die Tür nach, nach dem das Schloss aufschnappte. Eine Gestalt betrat den Raum, ein dunkles Tuch verhüllte das Gesicht. Der Statur nach zu urteilen ein gut trainierter Mann, groß und schlank, jedoch muskulös. Silvers Atem wurde schneller, sie konnte Amys Furcht spüren und die Panik schwappte auch auf Silver über.

Der Entführer kam näher und legte seine Hand auf Amys Gesicht. Silver konnte den Schauder spüren, der Besitz vom gesamten Leib ergriff. Weg. Nur weg von hier. Das zumindest waren Amys Gedanken. Silver hingegen musste wissen, wo sie sich befand. Angestrengt musterte sie den Mann, etwas an ihm kam ihr vertraut vor. Diese Augen. Ein leuchtendes Blau, wunderschön, dem von Nathan nicht unähnlich. Und da traf es sie wie ein Blitz. Mit aller Kraft die sie besaß, steuerte sie Amys Arm und riss dem Mann das Tuch vom Gesicht, der sofort fluchend nach Amy schlug. Doch Silver konnte einen Blick erhaschen und ihr gefror das Blut in den Adern. Dann trat der Mann auf sie ein und sie verlor das Bewusstsein. Langsam glitt sie durch Raum und Zeit, etwas zog an ihr. Nein, jemand. Jemand zog an...

 

„Wach verdammt noch mal auf. Silver. Komm zurück!“ Er schüttelte sie und strich immer wieder das lange Haar aus ihrem Gesicht, welches verschwitzt an ihrer Haut klebte. Langsam öffnete sie ihre Augen und fasste in den Blick, wer vor ihr saß und sie in Armen hielt: Nathan.

„Dein Vater...“ murmelte sie mit gebrochener Stimme. Ihre Hände tasteten instinktiv nach ihrer Seite. Nathan erfasste es und schob das Shirt hoch. Auf Silvers Haut prangte ein riesiger blauer Erguss, der Tritt aus der Zelle war real gewesen. Ganz wie Nathan prophezeit hatte.

„Du verdammte... Du solltest nicht... Ich hatte es dir verboten.“ Tränen verschleierten seinen Blick. „Einen Krankenwagen, ruft sofort einen Krankenwagen, verdammt.“ Brüllte er seine Männer an, die mit ihm im Haus waren.

„Dein Vater hält sie gefangen, Nathan. Dein Vater....“

Sie strich ihm vorsichtig mit der Hand übers Gesicht, ehe sie das Bewusstsein wieder verlor und alles um sie herum schwarz wurde.

 

Es schien Stunden zu dauern, bis der Krankenwagen die Straße entlang donnerte und vor dem Haus zum Stehen kamen.

„Chef, der Krankenwagen...“

„...ist da, ja ich weiß. Ich bin nicht taub.“ Knurrte Nathan und trug Silver so sanft er konnte nach draußen. Die Sanitäter wollten ihm die junge Frau abnehmen, doch er weigerte sich und trug sie selbst in den Wagen und bettete sie auf die Trage. Vorsichtig legte er ihr die Gurte an und kauerte sich neben sie.

„Fahren Sie verdammt noch mal los.“

„Sir, Sie können nicht einfach...

„Ich bin Ihr Mann, Sie Arschloch. Und jetzt fahren Sie los, ehe ich Ihnen ihre Eier abreiße. LOS!“

 

Wortlos trat der Sanitäter zurück und gab seinem Kollegen, dem Fahrer, ein Zeichen. Er selbst stieg deutlich unangenehm berührt zu Silver und Nathan und untersuchte sie, während der Wagen anrollte und um die Ecke verschwand. In Nathans Kopf ratterte es. Er hatte Angst, sie zu verlieren. Er konnte diese Furcht kaum in Worte fassen. Doch ihre Worte verwirrten ihn. Sein Vater? Sein Vater sollte das Mädchen haben? Das war völliger Unsinn und das wusste er auch. Nein, sie musste ihn verwechselt oder phantasiert haben. Wer wusste schon, was diese Irre in ihren Tagträumen sah. Dann aber erinnerte er sich an Damayantis Furcht und die Woge an Wärme, die ihn durchfuhr, als sie ihn berührte. Was ging hier vor sich? Er nahm sein Telefon zur Hand und klingelte rasch zu seinem Vater durch.

 

„Vater?“ Das Knurren am anderen Ende war das herzlichste, was sein Vater für ihn aufbringen konnte.

„Was willst du?“ Kleffte es durch die Leitung, als Nathan nicht reagierte

„Schon gut. Alles okay bei dir?“

„Was fragst du so dumm?“ herrschte sein Vater ihn an.

„Ich wollte nur.. wissen... Ist schon gut. Schönen Tag noch.“ Frustiert ließ er das Telefon zurück in die Jackentasche sacken, während seine andere Hand die Silvers fest umklammerte. „Alles wird gut.“ Murmelte er und streichelte zögerlich die eiskalten Finger seiner Frau. „Du schaffst das.“ Sorgenvoll betrachtete er den Sanitäter, der ihr diverse Spritzen und Medikamente gab.

Vampire hatten eine erhöhte Heilungsfähigkeit, doch Silver war nur eine halbe Vampirin. Was, wenn bei ihr der schnelle Heiungsprozess nicht eintrat? Was, wenn sie innere Verletzungen hatte und daran starb? Vor einigen Wochen hatte er sich um jeden Preis gewünscht, sie los zu werden. Nun aber war genau das es, was ihm das Fürchten lehrte und sein Herz zum Rasen brachte, den kaltschen Schweiß auf seine Haut trieb und ihm das blanke Entsetzen in den Kopf trieb.

„Machen Sie sie gesund, verdammt. Helfen Sie ihr!“ schrie er auf, als Silver zu zittern begann und sichtlich immer schwächer wurde. Sein Herz drohte zu brechen.


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28.11.2016, 19:01
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