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Lijuan » 23.10.2014, 06:48 » Wie sprecht ihr den Namen aus?
Mäg-Linn
Lijuan » 17.07.2014, 07:52 » Traumpartner #3
Mh... vielleicht.
Lijuan » 08.04.2014, 12:17 » Der Friedhof #2

Krabat


Wie alt er wohl sein mochte? Fünfzehn, ja gar zwanzig Jahre? Das Leben eines Sterblichen fast verlebt. Und für Lijuan waren dies doch nur Sekunden, ein Atemhauch, nichts weiter. Sie hatte zuviele Sterbliche kommen und gehen sehen, als dass sie jene hätte zählen können. Allein ihre Zeit als Fohlen, als Säugling!, umspannte mehrere hundert Leben. Und nie zuvor hatte es sie gekümmert. Warum denn auch; Engel blieben meist unter sich und nutzten die Ungeflügelten eher als Sklaven, Boten oder Diener. Trotzdem durchfuhr es sie eiskalt, als sie an das Ableben Krabats dachte, dass in ihrem Sinne schon morgen bevorstand. Natürlich verfügte sie über die Kraft, die Toten zurückzuholen. Jedoch in einem so unwürdigen Zustand, dass sie IHN nicht würde wiederholen, verdient hatte er das nämlich nicht.

Seine Blicke trübten sich, verklärt und doch wunderschön. Wer oder was war er, dass er den Erzengel von China in seinen Bann zog? Eigentlich ein lachhafter Gedanke, bedachte man Lijuans Stellung im Machtgefüge der Welt. Sie wurde nicht nur wie eine Göttin verehrt, in gewissem Maße war sie das auch. Und er? Ein Unbedeutender. Wohl kaum hundert Pferden dieser Welt überhaupt bekannt. Lijuan wurde von Tausenden und Abertausenden angebetet!

Seine Geschichte gefiel ihr, vertrieb die Kurzweil und stahl sich in ihr Herz, auch wenn die meisten dieses längst für tot erklärten. Doch, sie hatte ein Herz. Sie empfand. Sie war sogar fähig, zu lieben. Man durfte Grausamkeit nicht immer mit Herzlosigkeit gleichsetzen. Alles hatte seine Vorder- und Kehrseite. Lijuan bildetete da keine Ausnahme. Allein die Tatsache, dass keiner von ihrer warmen Seite wusste, bildete den Unterchied. "Raven. Auch dieser Name steht Euch wohl. Und Euer Begleiter ist mir wohl aufgefallen." Sie lächelte. "Aber verflucht? Der Rabe ist schwarz und von vielen verschrien. Und doch, frage ich Euch, ist alles schwarz böse? Ist denn alles immer nur schwarz, nur weiß? Nehmt es mir nicht übel, aber ich glaube dass auch in Euch sowohl das eine, als auch das andere wohnt. Was zu Tage tritt ist allein eine Frage des Schicksals." Die Erzengelin zwinkerte ihrem Gesprächspartner zu, wobei ihr die Ponysträhnen erneut aus dem Gesicht peitschten und doch wiederkehrten; ihre ohnehin milchigen Augen zu verschleiern. Ein zartes Glimmen ihrer Macht umwob die zierliche Gestalt des Wesens, dass nun unter Sterblichen wandelte. Was wohl Raphael davon hielt? Sie wusste, dass der andere ihr diese Sterblichkeit und Erdigkeit bei weitem nicht mehr zutraute. Und, um ehrlich zu sein, auch sie hatte geglaubt, mit dem Irdischen abgeschlossen zu haben. Allein einen Ausflug hatte sie unternehmen wollen und dann war ihr Krabat begegnet, und womöglich hielt er sie nun am Boden der Tatsachen fest.

Ein wenig ertappt fühlte sie sich schon, als er sie danach fragte, wie sie den weiten Weg geschafft habe. Nun. Sie hatte ihre Flügel ausgebreitet und die Jahrtausende hatten ihr Übriges getan, dass eine solche Distanz für sie nur ein kurzer, unermüdender Sprint war. DAS aber würde sie ihm nicht sagen können. Er fiele aus allen Wolken, rauschte womöglich kreischend davon. Oder aber, und in ihr schimmerte die Hoffnung das es so war, er besaß die innere, Sterblichen selden verliehene Kraft, dieser Widernatürlichkeit zu trotzen. "Nun. Es war ein langer Weg, doch mit der nötigen Ausdauer und keinem Ziel vor Augen landete ich einfach irgendwann hier. Ein Bekannter lebt in diesen Gefilden." Sie versuchte zu lächeln und biss sich doch auf die Zunge. Verraten hatte sie sich! Wahrscheinlich würde er fragen, wen sie besuchen wollte. Und dann hätte sie ihn anlügen müssen. Oder sie gestand die Wahrheit und warf damit die Frage auf, was Lijuan vom Erzengel höchstpersönlich wollte. Dass sie selbst viel stärker war als der hier lebende Erzengel Raphael... Nein, es wäre zuviel. Sie geizte sonst wohl kaum mit ihrer Macht, liebte es angebetet zu werden. Und auch bei Krabat hätte sie keine Probleme damit. Und doch wollte sie nicht, dass er sie ihrer Macht wegen anbetete. Es sollte ihr Charakter, ihr Wesen sein, der das verursachte. Da aber überkamen sie Zweifel. Denn Lijuan hatte seit Jahren vergessen was es bedeutete, mit seinen inneren Werten zu punkten. Charmant mochte sie sein. Doch charmant konnte jeder sein. Sie hingegen war das tödlichste Wesen der Welt. Ein Gedanke und aus Krabats Mund, Ohren, Nase würde Blut tropfen. Ein anderer Gedanke und seine inneren Organe verkümmerten so schnell sie es wollte. Doch kein Gedanke dieser Welt genügte, um seine Sympathie ehrlich zu gewinnen. Das musste sie sich erarbeiten. Arbeit. Dieses Wort war ihr so unbekannt, dass sie im ersten Moment fürchtete und letztlich doch, angetrieben von der seltenen Herausforderung, am liebsten sofort damit begonnen hätte, sich ihm bestmöglich zu präsentieren.
Lijuan » 07.04.2014, 17:23 » Der Friedhof #2

Krabat


Es war nicht unbedingt die Tatsache, dass eine Krähe um sie herum schwirrte. Etwas gab ihr Anlass zur Annahme, dass dieser Junge nicht unbedingt so sterblich war, nicht ganz so normal, wie man es hätte vermuten können. Und der Aspekt, dass die Krähe nun um Krabat herum schlich als sei dieser ein Magnet, machte es nicht einfacher. Eine Erzengelin wie Lijuan eine war, erkannte Dinge wie diese mit der Auffassungsgabe eines Adlers. Doch sie verschloss und versiegelte die Lippen. Würde dieses Thema nicht fallen lassen, solang der Helle es nicht tat. Stattdessen entsann sie sich darauf, ihn zu betrachten. Ihn eingehend zu mustern, denn so schön war er, dass es sich lohnte. Etwas an ihm -womöglich der Charme- ließ Lijuan vor Entzücken erschaudern. Sie hatte nicht daran geglaubt, dass je ein Sterblicher sie wieder würde faszinieren können. Dann aber beschlich sie jener üble Nachgeschmack eines Gedanken, der besser ungedacht geblieben wäre. Der letzte Sterbliche, der sie so fasziniert hatte, hatte sterben müssen. Denn jene Fasziniertheit war eine Schwäche für Unsterbliche. Ihr Sterblicher hatte sie "angesteckt" und das galt es zu vermeiden. Und doch... Auch bei Raphael hatte sie prophezeit, dass seine Sterbliche ihn würde verletzbar machen. Dass sie sein Untergang sein würde. Und tatsächlich hatte es ihn anfänglich geschwächt, doch im Nachspiel hatte sich ganz deutlich gezeigt, dass der Sohn Calianes aus diesem Einbruch gestärkt und mit neuen Fähigkeiten heraus ging. Vielleicht... Aber nein, auf wilde Spekulationen wollte und konnte sich Lijuan nicht einlassen. Sie war hier, um ein ganz anderes Ziel zu verfolgen. Der Junge hier war ihr lediglich eine willkommene Zerstreuung, wie so vieles auf dieser Welt.

"Mh.... Krabat." schnurrte sie , unverhohlene Neugierde in ihrer Stimme. "Und doch war dies nur ein Name von vielen? Erzählt Ihr mir, wie es dazu kam, dass andere euch nicht ebenfalls "Krabat" nannten?" Sie lächelte zuckersüß. "Im Gegenzug biete ich Euch meinen Namen: Er lautet Lijuan und - vielleicht könnt Ihr es ja am Klang meines Namen schon erahnen - ich stamme aus einer Gegend, weit fort von hier: China." Und wieder jenes mädchenhafte Lachen, klirrende Glocken und kein bisschen gespielt. Lijuan mochte ein Scheusal sein, mochte blutrünstige Dinge tun. Und doch legte sie Wert auf Ehrlichkeit. Sie handelte nach einem (angesichts ihres Verhaltens sehr groteskem) Ehrenkodex, den sie genau nahm und Vergehen konnten hart bestraft werden. Sie war ja kein Monster, auch wenn das wohl neunundneunzig Prozent der Weltbevölkerung genau so behaupten würde. Und zugegeben... Sie hatte bereits harmlose Tiere vor den Augen unschuldiger Kinder zerplatzen lassen, das Blut spritzte. Doch diese Göre hatte es nicht anders verdient, hatte Lijuan als alte Dame verhöhnt und somit brutal an der Ehre und dem Stolz des Engels gekratzt. Lijuan war gerecht, auch wenn Gerechtigkeit manchmal auch Brutalität verhieß. Denn wie sonst konnte man jemanden strafen, der Böses tat? Ein Hengst, der Stuten schändete? Nun. Lijuan war kreativ in ihrer Urteilsfindung. Die verschiedenen Spielarten des Todes genau ihr Metier. Ja. Sie war grausam. Doch wenn man so lange lebte, wie sie, verloren die Nuancen allmählich an Bedeutung und letztlich blieb nur eines: schuldig oder nicht.

Umso schöner, wenn ein Sterblicher es schaffte, sie erneut an das Ufer der Lebenden zu ziehen. Sie aus den Wogen der Unendlichkeit zu zerren. Sie war eigentlich eine Verlorene, mit dem alleinigen Unterschied, dass ihr soviel Macht innewohnte, dass sie als Gewinnerin gesehen wurde. Und sie selbst würde sich ihre Schwäche, in trister Starre zu verharren, niemals eingestehen. Und er faszinierte sie, jawohl. Und hätte sie es sonst doch als Schwäche gesehen, so sah sie nun auch Hoffnung darin. Raphael war gewachsen daran. Warum nicht auch sie?

Sanft streichelte der unsichtbare Wind ihre Mähne, zerwühlte sie ein wenig. Lijuan würde wohl stets wie ein kleines, unbedarftes Mädchen wirken und konnte andere doch mit einem Wimpernschlag töten. Sie lächelte. Und es war ein so fragiles Lächeln, dass jeder ehrbare Hengst sie hätte zu schützen versucht. Wie wohl dieser Hengst hier, Krabat, ihre Mächte und ihr Wesen einschätzte? Ob auch er das kleine Mädchen sah? Oder ahnte er bereits, einem der mächtigsten Wesen dieser Welt gegenüber zu stehen? Es war der Grund warum sie lächelte, doch nicht nur. Denn ihre Lippen kräuselten sich auch genau deswegen: wegen ihm. Süßer kleiner Junge, mein. murmelte sie, als sie gedanklich ihre Klauen in ihn schlug und dabei doch die Gefahr nicht eingehen wollte, ihn zu verletzen.
Lijuan » 07.04.2014, 16:14 » Der Friedhof #2

Krabat


Lijuans milchig getrübte und doch nicht blinde Augen betrachteten den Jungen - und das war er gemessen an ihrem Alter - aus dem Augenwinkel und so nahm sie die klassische Verbeugung wohl wahr, die ihm bereits die Gunst der Erzengelin bescherte. Lijuan mochte es, wenn Hengste Anstand besaßen. Wenn sie in der hohen Kunst des Höfischen unterrichtet waren. Die Taubengraue hatte so viele Dynastien und Höfe erlebt - überlebt - , dass sie genau wusste, wie sich gutes Benehmen abzeichnete. Seine Stimme schlich sich ihr ins Gehör und sie konnte ein mädchenhaftes Kichern nicht bezähmen, dass sich gluckernd ihre Kehle herauf bahnte. Dass er sie, eine zehntausend Jahre alte Engelin, als junge Lady bezeichnete, war ihr das schönste Kompliment. So sehr sie dieser Welt auch entrückte, der Sinn für schöne Komplimente war ihr nie abhanden gekommen.

Ein nicht vorhandener Windhauch strich ihr das helle Langhaar aus dem Gesicht, als sie sich ihm nun vollends zuwandte und ihn mit ihren unnatürlichen Augen betrachtete. "Jung... nun. Wenn Ihr es so nennen wollt." klangen die Worte vom zweitältesten Wesen dieser Welt und sie waren so sanft, dass man Lijuans Wesen kaum erkannte. Fürwahr, sie hatte nicht verlernt, sich unter Sterblichen zu bewegen. Auch wenn sie alles andere als von dieser Welt war. Sie war etwas so Besonderes, weder tot noch lebendig. Und ihren Rücken zierten taubengraue, perfekt auf ihr Fell abgestimmte Flügel, die so rein und anmutig waren, dass von ihrem teils verderbten Geist kaum etwas zu erkennen war. Früher oder später, wenn Lijuan es so wollte, würde der Fremde auch diese Flügel zu Gesicht bekommen. Nun aber faltete sie sie säuberlich auf ihrem Rücken, sodass sie einem Sterblichen nicht sichtbar waren. "Ich besuche diesen Ort seiner Schönheit wegen. Findet Ihr nicht, dass ein Friedhof etwas gar Magisches an sich hat? Etwas, was einen der Toten gedenken lässt - selbst der einem Unbekannten?"

Wieder flohen ihre Blicke über ihn, so schön war er. Er hätte einen gar vortrefflichen Lustknaben abgegeben. Doch Lijuan hatte auch diesem weltlichen Belangen abgesagt. Wobei... Es gab stets den ein oder anderen guten Grund, seine Ansichten zu verändern und zu widerlegen. Aber so schwach, als dass sie angesichts eines recht hübschen Sterblichen wacklige Knie bekommen hätte, war sie nicht. Bei weitem nicht. So schwach war sie wohl noch nie gewesen. Sie versuchte, sich an ihre Kindheit zu erinnern. Ein taubengraues Kind. Schon damals etwas besonderes, denn die Sterblichen hatten ihre Andersartigkeit sofort erkannt. Welches Fohlen war, bitteschön, schon nach der Geburt so hell? Kamen doch die meisten, selbst Engel-, Kinder als Dunkle zur Welt und erfreuten sich Jahr um Jahr einer optischen Wandlung.

Lijuan spürte, dass der Tod auch an ihm haftete. Nicht stark genug und doch wahrnehmbar. Ob er jemanden verloren hatte? Vor Kürze? Die Erzengelin verzog fasziniert die Stirnpartie, als sie an ein Gespräch mit dem Fremden dachte. Gern hätte sie ihm ihren Namen genannt, der Höflichkeit und Etiquette halber wartete sie jedoch. War es doch an dem Hengst, sich ihr vorzustellen. Wie erfrischend, dass jemand sich ihr nicht vor die Hufe warf! Sie nicht wie eine Göttin anbetete! Sie war in diesen Teil der Welt gereist, um ihrem eigenen Gebiet zu entfliehen. Nicht, dass es nicht schön war geliebt und gefürchtet zu werden. Sie wollte jedoch endlich einmal wieder die Wurzeln in diese Welt schlagen, wenigstens ein bisschen mitbekommen. Und dieser Bursche hier schien absolut nicht zu wissen, wen er vor sich hatte - hervorragend!
Lijuan » 24.02.2014, 20:02 » Der Friedhof #2

Krabat


Taubengrau schimmerte ihr Fell in der Wintersonne, die hier und da durch das dichte Treiben blitzte. Es war ein herrliches Wetter, eine sonderbare Kombination. Während durch die lückenhaften Wolken immer wieder die Sonnenstrahlen tanzten, flohen die Flocken aus dem Himmel und breiteten sich auf der eisbedeckten Welt aus. Lijuan fügte sich in dieses Bild, als wäre sie für Winter und Kälte geboren. Vielleicht war dem auch so. Ihre Geburt lag so viele tausende Jahre zurück, dass sie es schon nicht mehr ermessen konnte. Wer waren eigentlich ihre Eltern und warum wurde sie überhaupt geboren? Als einer der stärksten Engel der Welt war sie derselben mittlerweile so entrückt, das nichts ihre Aufmerksamkeit fesseln konnte und nichts ihr mehr Freude bereitete.

Sie spürte es sofort, als ein Jüngling den Garten betrat. Auch wenn sie selbst ihn weder sehen, noch wittern konnte. Man war keine viertausend Jahre alt und wusste dann nicht, wann ein Jungblut den Ring betrat. Amüsiert kicherte sie. Es war das Lachen eines jungen Mädchens und keinen Deut älter sah Lijuan aus. Bis auf ihre Augen war sie eine ganz normale Stute. Nur die Pupillen, die schwarz hätten sein müssen, waren bei ihr von eben demselben grau, wie ihr Fell. Hätte sie ihre Schwingen in der Gestalt des Pferdes nicht eingebüßt, so wären auch diese von reinem grauweiß gewesen. Sie trauerte ihnen ein wenig nach, doch sie verschmerzte den Verlust. Nun, an diesen Körper gebunden , konnte sie zumindest wieder unter den Lebenden wandeln und sich ihren Lüsten hingeben, auch wenn diese mittlerweile ebenfalls zu langweilen begann. Es war an der Zeit, dass Lijuan ein wenig Freude empfand. Dass sie ein Spielzeug fand, das ihr Interesse länger als nur ein paar Momente - in Lijuans Rechnung waren Momente im übrigen Jahre - andauerte.

"Sei gegrüßt." säuselte ihre kratzige, eher furchterregende Stimme. Eine Stimme, die eigentlich glockenhell erklang und doch so tot war, dass man die Kälte förmlich auf der Haut spüren konnte. Sie wandte sich um und ging auf den Hellen zu, der von einer makellosen Schönheit war. Ein wenig erinnerte sie ihn an ihren einstmals Geliebten. Was aus ihm geworden war? Er war tot. Lijuan hatte ihn getötet. Sie hatte ihn geliebt und deshalb hatte er sterben müssen, sonst wäre er ihr Tod gewesen. Hätte sie schwach gemacht. Liebe machte schwach. Das hatte sie begreifen müssen, ehe er sie ein klein wenig sterblich machte. Ihre Gedanken galten nun Raphael. Einem Hengst so schön wie Tag und Nacht zugleich. Sie hatte ihn immer bewundert und nun bewunderte sie ihn umso mehr. In dieselbe Situation wie sie einst geraten, hatte er sich doch für einen anderen Weg entschieden: er hatte seine Sterblichen leben lassen und sich ihr verschrieben. 'Wenn das mal nicht dein Tod sein wird, lieber Raphael.', murmelte sie lautlos vor sich hin und widmete sich dann wieder dem Fremden, der keine Ahnung hatte,vor welch mächtigem Wesen er stand.
Lijuan » 11.02.2014, 15:27 » Der Friedhof #2

Krabat


Der Schnee fiel und wollte nicht aufhören damit. Die Welt schien weiß gepudert, als Lijuan ihre Hufe in das Kalt trieb - weiter, immer weiter. Sie galoppierte über eine weitläufige Wiese, die allmählich von Bäumen gesäumt immer dunkler schien. Sie war so schnell, dass kein Vernünftiger an ihrer Unsterblichkeit hätte zweifeln können. Es schien beinahe, als wuchsen ihr ein Paar Flügel aus dem Rücken. Taubenweiße Schwingen, die so rein waren und kräftig schlugen... Doch womöglich war all das auch bloße Illusion. Wer wusste das schon?

Nun gut, in diesem Teil der Erde gab es genug widernatürliche Wesen. Und sie war nur eine weitere Ausgeburt der kranken Fantasie dieses Gottes, der angeblich vor einiger Zeit die Erde schuf. Ob da was dran war? Schließlich war Lijuan selbst schon fast so alt wie diese Welt. Womöglich war sie ja die Göttin? Zugegeben, in ihrem Heimatland verehrte man die Erzengelin gottgleich. Aber die Langeweile trieb sie aus den ihr bekannten Gefilden Chinas. Sie wollte etwas erleben, ihrem monotonen Dasein ein bisschen Zerstreuung bieten. Und welche Region eignete sich besser, denn jene, die von Raphael und seiner Mutter höchstpersönlich regiert wurde?! Caliane. Dieses Wort. Dieser Name. Seit Jahrhunderten war Lijuan das älteste Geschöpf der Welt. Und nun machte ihr dieses Geschöpf Konkurrenz - pah. Aber während Caliane noch immer auf dieser Sphäre verweilte, noch immer nur eine Ebene des Daseins bewohnte, war Lijuan dieser Welt schon lange entrückt. Schon lange...

Ihr Weg führte sie nicht einfach irgendwohin, nein. Der mächtige Engel steuerte direkt gen Friedhof. Lijuan stand mit einem Bein im Grab, jedoch freiwillig. Die Engelin schaffte den Spagat zwischen der Welt der Lebenden und der, der Toten. Sie hatte die Fähigkeit an sich entdeckt, Tote auferstehen zu lassen. Noch war dies nur ein unfertiges Merkmal ihres Charakters, nur eine Spielerei. Doch so wie man jede Fähigkeit trainieren konnte, so konnte auch diese wachsen und gedeihen wenn sie auf fruchtbarem Boden wuchs.

Lijuan betrat den Friedhof wie ein gesittetes Pferd: durch das Tor. Was nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Überall lagen die Mauern in Bruchstücken, man konnte fast überall in den kleinen Todesgarten eintreten. Aber Anstand, den besaß sie. Wenn auch einen eher merkwürdigen. Es machte ihr nichts aus, einen anderen kaltherzig zu töten, dessen Herz heraus zu reißen und womöglich zu verspeisen. Es störte sie jedoch, wenn die kleinen Freuden der Gastfreundschaft nicht gewahrt wurden. Wie dem auch sei, sie befand sich nun auf dem Friedhof und ein tiefer Atemzug verriet ihr, dass dies der Ort war, an den sie gehörte. Es roch nach Verderbtheit, Tod und Vergangenheit. Sie stand ganz still. Kein Lüftchen wehte. Und doch wehten ihr Mähne und Schweif wie von Geisterhand. Lijuan gehörte nicht mehr zu dieser Welt, sie hatte also auch nicht deren physikalischen Normen zu gehorchen.
Lijuan » 27.01.2014, 21:25 » Wie sprecht ihr den Namen aus?
[AL-TA-IR]
Lijuan » 28.02.2013, 21:23 » Nebelfelder#1

Lucia



Was dachte sich dieses Mädchen eigentlich, wer sie war? Kopfschüttelnd nahm sie die gelogene Antwort hin. Hätte Lucia ihre Gefühle besser im Griff, wäre sie wohl sogar getäuscht wurden. Doch die Lüge hätte gar ein Sterblicher entlarvt. "Mein liebes Mädchen, kleines süßes Ding, Lügen bringen dich nicht weiter. Es ist mir ganz gleich, ob du Raphael kennst. Es wäre bloß ein erster Anhaltspunkt gewesen." Lijuan wäre wohl wütend auf sie gewesen, hätte sie nicht ihren Nutzen in Lucia selbst gesehen. Hätte sie nicht erkannt, dass ihr die blutjunge sterbliche Stute noch von Nutzen würde sein können. "Ja. Er ist auch ein Erzengel, Liebes. Aber ich bin bei weitem mächtiger, weil älter. Du glaubst gar nicht, wieviele Generationen ich schon vor dir hab zur Welt kommen sehen...."Es klang eher nachdenklich, denn giftig. Sie war in Gedanken versunken, musste herausfinden, wie sie am besten an Informationen über Raphael gelangte, ohne dass dieser sofort bemerkte, woher der Wind wehte. Sie lagen nicht im Streit, sie war ihm mehr zugetan als er ihr. Doch das tat ja nichts zur Sache. Sie wollte nicht auffallen. Noch nicht.

Lijuan horchte auf, als Lucia von Neuem sprach und konnte sich ein zärtliches, bitteres Lächeln nicht verkneifen. "Ich glaube nicht, dass es nur so heißt." Lijuan zwinkerte und setzte dabei ein wenig ihrer Kraft ein, sodass die Steine unter Lucias Hufen zu Kiesel zerstoben. "Bedenke, wen du vor dir hast, Mädchen." Lijuan kicherte, sie fand es amüsant, wie sich das Mädchen innerhalb der wenigen Minuten so gedreht und gewunden hatte. Nun hatte sie Angst vor Lijuan, berechtigterweise, und wagte es nicht, sich ihr in den Weg zu stellen. Dabei wusste das Mädchen wiederum nicht, wie wichtig sie eigentlich für Lijuans soeben ersponnenen Plan war. Doch das musste Lucia ja auch nicht wissen, womöglich würde sie dann ein wenig nachlässiger. "Ich verfolge Ziele, meine liebe süße Lucia. Und du wirst mir behilflich sein. Glaube mir, wenn du mir zu Diensten bist, wirst du es nicht bereuen. Ein Erzengel kann mit Grausamkeit richten, doch er kann mit ebensolcher Macht auch belohnen." Ihre Stimme klang süß, ihre Augen blinzelten freudig. Der weiße Schleier ihrer Augen begann sich im Wirbel zu drehen, einem Orkan gleich. Wieder kam ein sanfter Hauch von Wind auf, der allein Lijuan berührte. "Ich habe Großes vor. Und du kannst es zu Großem bringen." Sofern das Püppchen sich als würdig erwies, verstand sich.
Lijuan » 23.02.2013, 12:28 » Nebelfelder#1

Lucia



Sie spürte die Angst, die das Mädchen gepackt hatte. Sie hätte danach greifen können und es sofort zu fassen bekommen. Lijuan wusste um ihre Stärke und vor allem um die furchteinflößende Präsenz, die den anderen einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Doch sie war alt, sehr alt. Bei Engeln, wie ihr ihr, hieß das jedoch nicht Gebrechen oder gar Tod. Es hieß vor allem eines: Macht und Kraft. Und dieser bediente sie sich gern und reichlich, trieb ihre Spielchen mit dem Tod und war bereit, andere dafür bluten zu lassen. Sie wusste, dass in diesem Tal interessante Dinge vor sich gingen, vielleicht war Lucia ja ein Teil dieses interessanten Spiels? "Kennst du Raphael?" Sie wusste, dass der helle Erzengel sich in diesem Gebiet aufhielt und sie wusste ebenso, dass ein besonderes Band die beiden miteinander verband, auch wenn der Jüngere das wohl so nicht sehen würde, wenn man ihn damit konfrontierte. Lijuan hingegen war sich immer seines Aufenthaltes bewusst, nicht aber seiner Pläne. Sie wüsste zugern, was den Schönen in dieses karge Land getrieben hatte. Von Faithless hatte sie gehört, natürlich. Allerdings nahm sie den Fahlen, der sich als ein Geist ausgab, nicht recht ernst. Machtvoller als Lijuan selbst würde er ja wohl kaum sein, ganz gleich welche Eisen er im Feuer hielt.
"Oder Faithless? Sagt dir der was? Was weißt du über dieses Tal, verrate mir alles. Ich muss es wissen." Lijuan wusste, dass sie aus diesem Mädchen all die Informationen heraus kitzeln konnte, die sie wünschte. Lucia hatte Angst, gleichsam war sie aber so mutig und stark die Fassade aufrecht zu erhalten, die einen Sterblichen wohl getäuscht hätten. Sie hatte den Schneid, sich Lijuan gegenüber zu stellen. Hätte fliehen können, tat es jedoch nicht. Die graue Alte schien amüsiert über das Mädchen und glaubte in ihr eine interessante Gespielin gefunden zu haben. Wenn diese weiterhin mit so viel Mut und Sturheit heran ging, so konnte sie durchaus nützlich sein. Lijuan fiel als Unsterbliche, als Erzengelin sofort auf. Sie hingegen würde lautlos spionieren und so Informationen erhalten können.
Lijuan » 17.01.2013, 20:38 » Nebelfelder#1

Lucia



An Lijuans Hof hätte niemand auch nur gewagt, die Macht der Erzengelin anzuzweifeln. Lijuan war eine höhere Instanz, die mächtigste Kraft auf Erden. Es mochte Ältere geben, es mochte bei weitem Jüngere geben - aber sie hatte sich weiter entwickelt. Sie hatte diesen verdammten materiellen Körper nicht einmal mehr nötig, um am Leben zu bleiben und behielt ihn doch; der Kurzweil wegen. Sie lächelte Lucia an und entblößte dabei eine Reihe makelloser Zähne. Die taubenweiße Stute musterte ihr Gegenüber intensiv. Ihre Mähne wehte nach wie vor, obwohl nun Windstille herrschte. "Scheint, als hättest du begriffen, Mädchen." Natürlich war es schwer fassbar für eine Sterbliche, dass ein Jahrhunderte und Jahrtausende altes Wesen vor einem stand. Lijuan hingegen erfreute es, die nun vor Angst zuckenden Glieder der Stute auszumachen, die aus einem ungestümen Mut heraus nicht dem Drang der Flucht nachgaben. Eine leise Bewunderung stellte sich ein, als Lijuan diesen Mut erkannte und ihr hoch anrechnete. "Entweder steckt viel Mut in dir, oder du bist eine Närrin. Vielleicht auch beides." Sie trat wieder näher an Lucia heran, wobei ihr kalter Atem dem Mädchen ins Gesicht schlug und sie selbst die Wärme der schönen Roten am Körper spürte. Lijuan war eine Anhängerin der Höflichkeit; befolgte man die Regeln dieser so konnte sie selbst zuckersüß wie eine Puppe sein. Verärgern jedoch sollte man sie nicht, war einem das eigene Lieben auch nur einen müden Atemzug wert. "Möchtest du immer noch eine Probe meiner Kräfte, oder können wir nun über das "närrische alte Frau"-Gerede hinweg sehen und uns wichtigeren Dingen zuwenden?" Sie lächelte, eiskalt. Sie hatte vieles mit dieser zierlichen Person vor. Schließlich erwies sie den Mut, Lijuan die Stirn zu bieten. Das schaffte nicht jeder, manch Engel selbst war zu feige dazu.
Lijuan » 03.01.2013, 12:05 » Nebelfelder#1

Lucia



Der Erzengel Chinas sah das rote Mädchen, das ihr Leben zu verwirken schien, amüsiert an. Etwas an ihr beeindruckte Lijuan. Das rote Geschöpf hatte wahrlich den Schneid, einer Unsterblichen die Stirn zu bieten. Und selbst wenn diese keine Ahnung hatte, wen sie vor sich hatte, so würde sie doch nicht umhin kommen, die von Lijuan ausgehende Macht zu erkennen. "Ach Mädchen..." Säuselte die taubenweiße Stute, die ihre milchigen Augen nun ganz schwarz hatte werden lassen. Ein dämonisches Leuchten ging von ihrem Körper aus, als sie ihre Macht, wenn auch nur einen Funken dessen, in sich sammelte und sich vorbereitete, der kleinen Stute den Garaus zu machen. In diesem Moment jedoch erblickte Lijuan direkt im Gebüsch ein Reh, das sich vorsichtig den beiden angenähert hatte. Es stand ganz still.Lijuans verschwommene Blicke glitten auf das wehrlose Tier und im nächsten Moment sackte das Reh tot in sich zusammen, aus allen Körperöffnungen stark blutend. "Möchtest du die nächste sein?" Wieder jenes mädchenhafte, kindliche Lachen dass der Jahrtausende alten Stute so gut stand und sie noch weiter dieser Welt entrückte, als eh schon. Sie, die nicht einmal mehr zu den Lebenden gezählt werden konnte. Dem Tod so nahe, weil er ihr Freund war. Ganze Tote hatte sie in einem jämmerlichen Zustand der Stille wieder auferstehen lassen. Und nun erdreistete sich dieses Mädchen, sich ihr in den Weg zu stellen? Beachtlich, wenn man der Gefahren bedenkt. Jämmerlich, wenn es Lijuan von ihrem eigenen Standpunkt aus betrachtete. Es wäre für sie schließlich keine große Tat, der Zierlichen mit einem Atemzug das Herz aus der Brust zu reißen und sie dann traurig verbluten zu lassen.
Lijuan » 29.12.2012, 19:30 » Nebelfelder#1

Lucia



Das puppenhafte Grinsen manifestierte sich auf den Lippen des Erzengels, der nun ein kaltes Glühen angenommen hatte; dessen Gestalt in kaltweißen Flammen zu stehen schien. Durch die anbrechende Dunkelheit umgeben sah sie noch machtvoller aus, als ohnehin schon. Die pure Macht schien in Lijuan ihre Verkörperung gefunden zu haben, sie strahlte eine unglaubliche Kälte und Kraft aus, die die eines Sterblichen - ja sogar die eines normalen Engels - deutlich überstieg. Erzengelin. Das wurde nicht jede. Und selbst unter jenen war sie schon weit entrückt, eine Alte. Nicht mehr von dieser Welt. Alt und doch noch so unglaublich jung und schön, so mädchenhaft. Lucia schien sich gern in's Schlamassel zu reiten, ihre Fragen kamen unverschämt und unverblümt. Lijuan entsandte eine leise Woge der Energie, die Lucia mit Sicherheit spüren würde. "Mädchen, Mädchen..." Glockenhell schepperte ihre Stimme. In China, ihrem Heimatland, hätte wohl kein einziger zu fragen gewagt, wer Lijuan war. Der als Göttin verehrten Stute wäre dort vollkommene Unterwerfung begegnet. Scheinbar aber wusste die dümmliche Rote nicht einmal um die Existenz der Erzengel. "Neha? Raphael? Caliane? All jene sagen dir nichts, nehme ich an. Hüte dich, Mädchen. Sonst wirst du gleich bitteres Blut weinen. Allein ein Gedanke meinerseits dürfte genügen, dich zu töten. Soll ich?" Auffordernd blitzte sie ihr direkt in die Augen, kaum zögernd. Während sie sprach schimmerte ihr Körper heller und heller, während die Augen schwarz wie Kohle wurden, nur um dann wieder in einen gräulichen Strudel überzugehen.
Lijuan » 26.12.2012, 20:40 » Nebelfelder#1

Lucia



Verwundert blickten die milchigen Augen auf was Mädchen, das sich herausnahm so vorlaut mit ihr - der Ältesten der Wachenden - zu reden. Lijuan war es gewohnt, als Göttin verehrt zu werden. Umso erstaunter war sie, wenn ein sterbliches Wesen die Worte an sie richtete, als sei sie nichts als eine dusslige Oma. Doch als Lijuan die ersten Schrecken hinter sich gebracht hatte, lachte sie glockenhell auf. Ein verstörendes Lachen, dass das verstörende Antlitz umso mehr zu unterstreichen wusste. Ihr Lachen wurde umso lauter, als die Junge eine solch amüsante Frage zu stellen wagte. Lijuan wandte den Kopf und kam der Roten ganz nahe, sah ihr direkt in die Augen. Ihr eiskalter Atem umschmeichelte die Nüstern der Lebendigen. "Warum denn nicht, Püppchen?" Das schleierhafte Grau ihrer Augen schien in Wallungen zu geraten, als tobe ein Sturm darin. Ihre gesamte Gestalt begann zu flimmern, zu leichten. Ein eisiger Hauch von Licht umgab die zierliche Gestalt der Erzengelin. "Es freut mich, Lucia. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen." Ein eiskalter Hauch umgab Lijuan, als sie nun einen Schritt zurück trat. Die Kälte und Stille in ihr schien die Oberhand zu gewinnen; die Welt war ihr fremder denn je. Doch dieses rote, kleine Mädchen - es war echt. In ihr pulsierte das Blut, dass die Untoten nährte. Armes kleines Mädchen, dachte sie bei sich. Denn die Schönheit der Roten würde bald schon vergehen. Für Lijuan bloß ein Atemzug. Lijuan hingegen, mehrere tausend Jahre alt, war schön wie eh und je, einer Kirschblüte gleich. Und diese Augen; diese wundervoll grässlichen Augen, deren grauer Schleier nun einem Tornado glich, der wild wirbelnd das Innere der Unsterblichen zum Ausdruck brachte; wenngleich sie doch ganz ruhig blieb. Zu ruhig. "Mein name ist Lijuan. Ein Wunder, dass ich dir nicht bekannt bin." Ihr Lächeln wurde eisig und bitterkalt, die Luft um sie herum schien zu gefrieren. Es kam einer Beleidigung gleich, dass dieses ungehobelte Mädchen wohl nicht wusste, wer die Erzengelin war.
Lijuan » 23.12.2012, 16:16 » Nebelfelder#1

Lucia



Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie die Fremde lange zuvor schon bemerkt hatte. Lijuan brauchte ihre Ohren nicht, ihre Augen nicht, ihre Nüstern nicht um Artgenossen schon von weitem zu erkennen. Ihre Sinne waren über die Jahrhunderte hinweg zu scharf geworden, dass sie all die anderen Erzengel, deren Älteste sie nun war, übertraf. An Gefährlichkeit, Macht und Wahnsinn. Lijuan war es, die sich einen besonderen Spielgefährten auserkoren hatte: den Tod. Damit überstieg sie Grenzen, die selbst Erzengel strikt einzuhalten versuchten. Lijuan hingegen hatte sich über all die Regeln hinweg gesetzt, war wohl schlicht zu alt um sich mit Machtspielchen und anderen Intrigen zu beschäftigen. Wie langweilig einem doch wurde, wenn man die Jahre nur so dahinfliegen sah!

Lijuan lächelte ein eiskaltes Lächeln. Ihre Mähne spielte sanft im Wind. Wäre dies kein so stürmischer Tag gewesen, hätte man wohl nun schon ihre Macht erkannt - Lijuans Mähne bewegte sich immer, als spiele der Wind mit ihr. Dabei galt dieses Schauspiel gar bei absoluter Windstille. Langsam wandte Lijuan sich um und betrachtete dieses kleine, fuchsfarbene Würmchen belustigt. Dass sie nicht davon lief? Spürte sie denn nicht, dass eine Unsterbliche - DIE Unsterbliche - vor ihr stand? Lijuan war es nicht gewohnt, als erste den Mund zu öffnen. Die Grußformeln mussten vom Rangniedrigeren dargebracht werden; sie war die Höchste aller Lande. Argwöhnisch nun betrachtete sie das Mädchen, das wohl keine drei Jahre alt war. Wie vergänglich sie doch waren, diese kleinen, süßen Sterblichen. Sie verblichen, sie starben. Schneller noch, als Lijuan überhaupt für einen Atemzug benötigte. Denn selbst dem Atmen und Essen entsagte sie allmählich; sie hatte es schlichtweg nicht mehr nötig. Ihre Macht war so immens, dass ein stetig eisiger Hauch ihrer Macht sie umgab. In diesen kalten Gefilden würde das aber wohl niemandem auffallen.
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