Unbenanntes Dokument

Alle Posts von Elanor

Alle - Nur Rollenspiel



Elanor » 21.01.2019, 13:51 » NP Kreis der Ignis #1

Azrael



Sie war ein Teil von einem Ganzen. Seit einigen Monden lebte Elanor bereits hier, in der Nähe der Adoyan Enay bei einem kleinen Steinkreis. Sie versorgte die Verletzten und Kranken und jene, die das Grauen der Welt gezeichnet hatte. Zu ihrer Ãœberraschung hing man an ihren Lippen, als würden allein ihre Worte Erleichterung verschaffen und lauschte, sobald sie nur ein wenig die Stimme erhob. Es kam Elanor so vor, als würde man ihr eine Art von Respekt zollen, den sie sich nie verdient hatte, aber sie beklagte sich nicht. Es war wichtig, dass sie ihre Aufgaben erledigte und beizeiten war sie abhängig von anderen. Jene, die ehrfürchtig den Kopf senkten, sobald sie zu ihnen trat, befolgten ihre Anweisungen ohne mehrfach darum gebeten zu werden, was ihre Arbeit erheblich erleichterte. Doch in den letzten Tagen hatte es wenig zu tun gegeben. Ein älterer Hengst lag in der Nähe und beklagte sich stets über seine verkrampfende Muskeln, aber das Gejammer der alten Herrschaften hatte Elanor schon immer kalt gelassen. Mit vielsagendem Blick gab sie ihm Kräuter, die sie eigentlich den jungen Fohlen zur Beruhigung gab und erfreute sich kurze Zeit später bereits der Ruhe, die das Land erfüllte.


Beinahe liebevoll fuhr der Blick der Palominostute über die Landschaft. Den See, dessen glatte Oberfläche den Himmel spiegelte und das sich sanft im Wind wiegende Gras. Sie gehörte hier her. Elanor konnte Azrael nicht genug dafür danken sie hergebracht zu haben. Die Schmerzen in ihrem Kopf hatten nicht gänzlich aufgehört und auch die unbeantworteten Fragen häuften sich mit jedem Tag, doch sie war von einer inneren Ruhe erfüllt, die sie lange nicht mehr verspürt hatte. Innere Zufriedenheit und Zugehörigkeit. Diese Gefühle und das Wissen darum, dass sie hier gebraucht wurde, machten sie ruhiger und ließen sie häufiger lächeln als früher. Dennoch, sie hatte Azrael lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Der stattliche Hengst war der Erste gewesen, den sie im Stillreich kennengelernt hatte und gleichzeitig der Einzige, in dessen Nähe sich die nicht zuzuordnenden Erinnerungen häuften. Obwohl die Schmerzen an seiner Seite größer wurden, wurde ihr in seiner Nähe auch vieles klar. Kopfschüttelnd trat Elanor an einen der Steine heran, der zahlreiche aufgereihte, mit Kräutern gefüllte, Erdlöcher schützte. Sie wollte sich ablenken und ihre Vorräte durchgehen, doch sie konnte nicht ändern, was sie fühlte und nicht leugnen, dass ihre Gedanken sie immer und immer wieder zu demselben Freund aus alten Zeiten zurückbrachten. Sie vermisste ihn.


Ruckartig wandte Elanor sich von ihrem Kräutervorrat ab und trat auf den Hengst zu, der noch immer mit geschlossenen Augen auf dem Boden lag. ”Fühlen Sie sich besser?” Das Lächeln auf ihrem Gesicht fühlte sich an wie angeklebt, doch sie versuchte so authentisch wie nur möglich herüberzukommen. Blinzelnd sah der Hengst sich um und nickte dann unsicher, bevor er sich aufrichtete und dankend davon trottete. Elanor musste sich stark zusammenreißen, um das freundliche Lächeln auf ihrem Antlitz so lang beizubehalten, wie der Hengst sie sehen konnte. Als seine Silhouette langsam über den Horizont hinweg verschwand, atmete die hübsche Stute erleichtert aus. Sie hatte Kräuter zu begutachten und Schüler zu unterrichten, aber die Sonne stand hoch am Himmel und keine dieser beiden Aktivitäten waren momentan vonnöten. Zum ersten Mal nach einer unendlich langen Zeit konnte Elanor behaupten, dass sie wirklich und wahrhaftig nichts zutun hatte. Seufzend lehnte sie sich an einen der Steine und sah den Wolken dabei zu, wie sie ihre Form änderten.
Elanor » 28.11.2015, 20:40 » Nebelfelder#1

Azrael smilie



Die kleine Stute schenkte dem Hengst vor sich nur ein besänftigendes Lächeln. Versuchte er sich zu rechtfertigen? Elanor war sich trotz ihrer unbekannten Lebensgeschichte darüber im Klaren, dass man sich nicht aussuchen konnte, als was man geboren wurde. Azrael war ein Todesengel und so traurig die Vorstellung auch war, Jemand geliebten aus dieser Welt entlassen zu müssen, so beruhigend war sie auch. Elanor verstand das Verhältnis zwischen Leben und Tod so gut wie kein anderer. Ohne das eine, konnte das andere nicht existieren. Es gab Randexistenzen, oder Ausnahmen, aber das große Ganze wäre ohne diesen Ausgleich nicht stabil und schlichtweg unmöglich. Elanor war die Letzte, vor der man sich rechtfertigen musste, doch die kleine Palominostute war sich nicht sicher, was der Hengst sich alles schon hatte anhören müssen. Verachtung, Misshandlung oder Furcht hatte man ihm wohl sein gesamtes Leben entgegen gebracht. Zwar waren Verachtung und Misshandlung furchtbare Dinge, doch je länger Eleanor darüber nachdachte, desto schlimmer erschien ihr die Furcht. Sie hielt alle auf Abstand. Die einzige Emotion, die jemals über die Gesichter anderer glitt war die schleichende Panik und das gewaltige Entsetzen. Wie konnte Jemand, dem nur Angst entgegengebracht wurde, sich jemals akzeptiert fühlen? Elanor fühlte sich auf einmal so weit von dieser Welt entfernt, als sei sie kein Teil von ihr, als würde sie einen wesentlichen Teil des Ganzen verstehen, der ihr eigentlich verborgen sein müsste.
“Die Welt ist nicht dazu gemacht, ewig von uns genossen zu werden. Ohne die tickende Uhr die uns alle verfolgt, würden wir immer die falschen Entscheidungen treffen. Wenn uns klar wird, dass ein gewisser Moment nie wieder kommt, werden wir zu dem was wir wirklich sind. Es wäre furchtbar diese Erkenntnis zu nehmen und alle ewig durch das endlose Nichts taumeln zu lassen. Was unsere Existenz und diese Welt so schön macht ist nicht nur die die Einzigartigkeit die in allem schlummert, sondern auch die Vergänglichkeit.“ Elanor bewunderte den Hengst vor sich. Es konnte keine schöne Aufgabe sein, andere dieser Welt und ihren Geliebten zu entziehen, aber es war eine Aufgabe, die nicht notwendiger sein könnte. Sie durchzuziehen und damit zum Selbstwachstum anzuregen, war etwas was Elanor nur befürworten konnte. Wer würde schon an sich selbst arbeiten wollen, wenn man die triste Ewigkeit vor sich hatte. Unsterblichkeit aller war in ihren Augen nichts beruhigendes. Vielleicht hätte sie anders darüber gedacht, wenn sie sich selbst, oder Freunde und Familie gekannt hätte, aber in ihrem momentanen Zustand dachte sie genau so. Und irgendetwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie auch ohne den klammernden Schmerz hinter ihren Schläfen so gedacht hätte. 

Doch was der Braune als nächstes zu sagen hatte, nahm der Stute das Lächeln. Er sagte ihr nicht alles, verheimlichte vielleicht sogar etwas vor ihr. Und an dem Schmerz, der in den Augen des Hengstes lag, erkannte die Stute auch, dass es eventuell besser war nicht weiter nachzubohren. Er versuchte es zu verbergen, aber irgendetwas hatte ihn zutiefst verletzt und Elanor wäre eine sehr ignorante Persönlichkeit, hätte sie dies nicht mittlerweile bemerkt. Es war etwas vorgefallen. Irgendetwas was sie beide verband. Elanor hatte das Gefühl der Zugehörigkeit ignoriert, aber einerseits auch erfreut empfangen. Denn es war der erste und einzige Anhaltspunkt, den sie je über ihre Vergangenheit gehabt hatte. Die Palominostute legte den Kopf schief und kniff die Augen leicht zusammen, musterte das Tier vor sich. Er war kein Pferd. Sein Rücken blieb ihr nach wie vor verborgen, jagte ihr Schmerzen durch den Körper, von denen Eleanor nicht geglaubt hatte, ihnen Stand halten zu können. Doch sie waren gedämpft, als würde sie träumen. Die Schmerzen waren da, aber sie waren wie eine Erinnerung. Es fühlte sich echt an, aber auch erträglich. 
“Wenn du deine Flügel aus Liebe aufgibst, dann tust du es aus dem einzig richtigen Grund.“
Elanor zuckte zusammen und versuchte den Schmerz, der all ihre Muskeln verkrampfen ließ zu ignorieren, doch die Bilder die vor ihrem inneren Auge aufblitzten ließen sie die Schmerzen zulassen. Zumindest für einen kurzen Augenblick, bis sie glaubte es nicht mehr zu schaffen. 

Braune freundliche Augen musterten sie besorgt, schienen ohne weitere Probleme bis in ihr innerstes einzudringen. Seit Tagen fühlte sie sich schrecklich. Ihre Brust zog sich zusammen, es fiel ihr schwer am Morgen aufzustehen und den Tag mit der Freude anzugehen, die sie früher empfunden hatte und in der Nacht empfing sie den Schlaf wie einen lang verloren gegangenen Freund. Der Schlaf war mittlerweile ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Früher hatte sie Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate ohne ihn ausgehalten, zu schön hatte sie diese Welt in der sie lebte gefunden. Aber nun rief die Traumwelt mit dem Bild einer vergangenen Liebe.
„Ich wüsste nicht, wie es möglich ist, Ariel, aber ich fürchte du hast ein gebrochenes Herz. Hat einer deiner Freunde dich betrogen? Ist Jemand verstorben? Ist dort unten eine Katastrophe geschehen, die sich nicht beheben lässt?“ Sie blieb still, sah stur geradeaus und schüttelte schließlich den Kopf. „Ich hätte ihn retten können.“


Unter großen Anstrengungen schirmte sie sich vor der Flut des Unbekannten ab und richtete sich langsam wieder auf. Irgendetwas zog sie in eine unbekannte Richtung. Mit einem ausdruckslosen Blick wand sie sich dorthin, starrte einen Augenblick in Richtung Horizont. Sie würde auf seine informationslosen Aussagen nichts erwidern. Aber ihr blieb nach wie vor die Hoffnung auf andere ihrer Art. Sie konnte mit den bruchstückhaften Erinnerungen nichts anfangen. Es waren nur Fetzen aus einer vergangenen Zeit. Sie fühlte sich weit entfernt an und ungeheuer fremd. Die gesamte Umgebung, ihr Sein und ihr Wesen, passte nicht zu den Dingen, an die sie sich zu erinnern schien. 
“Was befindet sich in dieser Richtung?“ Das Ziehen in ihrer Brust, welches sie in genau diese Richtung trieb, konnte kein Zufall sein. Irgendetwas rief sie. Oder war es ein neuer Anhaltspunkt? Elanor würde sich dieses Angebot, mehr über sich selbst zu erfahren, nicht entgehen lassen und trat ein paar unsichere Schritte nach vorn.
Elanor » 18.07.2015, 21:10 » Nebelfelder#1

Azrael smilie



Die Züge der hellen Stute entspannten sich ein wenig. Das Gespräch war zwar angespannt, aber keineswegs besorgniserregend, also gab sie es auf sich unnötig zu verspannen. Viel zu sehr war sie auf die Anhaltspunkte konzentriert, die ihr der Fremde gab, die etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun schienen. Je länger sie bei ihm stand und sich diese immer wiederkehrende Frage nach ihrer Existenz stellte, desto klarer wurde ihr, wie wenig sie eigentlich kannte. Von der Welt aus der diese Ariel kam. Von der Welt, in welcher sie sich befand. Es hatte sie mit gewaltigem Staunen erfüllt, als der Schnee geschmolzen und feinen Grashalmen Platz gemacht hatten, die sich gierig der Sonne entgegenstreckten. Sie wusste, dass Gras Nahrung war, wusste, dass es sich der Sonne entgegen streckte und erst nach dem langen Winter wieder sichtbar wurde, doch trotz allem erschien es ihr, als habe sie die Verwandlung der Welt, die zwischen Winter und Frühling einkehrte, nie mit eigenem Auge betrachten können. Alles erschien ihr so zauberhaft und magisch und dennoch fehlte etwas. Sie konnte nicht beschreiben was es war, doch es hinterließ ein Loch in ihrer Brust. Es war nur ein dumpfer Schmerz, leicht auszublenden und doch immer da.

Azrael glaubte ihr nicht. Elanor verwunderte dieser Umstand keineswegs. Natürlich glaubte er ihr nicht, weshalb sollte er auch? Sie glaubte sich ja nicht einmal selbst. Wie konnte sie der Aussage, sie sei eine Sterbliche, auch Glauben schenken, wenn sie sich an nichts erinnerte? Nicht einmal an das Gefühl von Wasser, wie es ihre Kehle hinab ran und den Geschmack von trockenem Kraut, mit welchem sie sich in den kalten Tagen am Leben erhalten hatte. Sie erinnerte sich grob daran, dass man diese grundlegenden Dinge einfach nicht vergessen konnte. Selbst wenn man unter starker Amnesie litt und dennoch war Elanor wie eine Fremde in einer unbekannten Welt, unerfahren wie ein Fohlen. Das einzige was sie wusste, war wie man überlebte. Sie kannte die Natur besser, als ihren eigenen Körper, wusste, zu welcher Tages- und Nachtzeit, welche Kräuter und Pflanzen ihre Köpfe erhoben und welche in welcher Weise hilfreich, beziehungsweise tödlich sein konnten. Es war eine Art Wissen, welches tief mit ihr verwurzelt zu sein schien, doch Elanor konnte das unheimliche Gefühl nicht abschütteln, dass da noch mehr war.
"Ein Todesengel..." hauchte sie schließlich. Sie war nach wie vor skeptisch. Das rationale Denken, welches sie sich während der Zeit die sie hier gewesen war angeeignet hatte, ließ nicht einmal ansatzweise zu, dass sie an diese gottgleichen Kreaturen glaubte. Und dennoch... Elanor sah zu Azrael und wusste, dass er die Wahrheit sagte. Es war nicht einfach nur blindes Vertrauen, nein, sie wusste zu hundert Prozent, dass der Hengst vor ihr ein Engel war. Ein Todesengel. Elanor erinnerte sich an ihre vorherigen Worte, dass sie den Fremden tatsächlich kannte und er in ihr ein Gefühl der Heimat auslöste. Aber wie konnte es sein, dass sich Azrael dann nicht an sie erinnern konnte? War sie wirklich diese Ariel? Ein Erzengel, der sich plötzlich in einem fremden Körper auf der Erde wiederfand?

"Todesengel bringen den Tod?" vermutete Elanor laut, dachte weiter über die Worte von Azrael nach. Irgendwie war auch das etwas, was ihr Unbehagen bereitete. Nicht, weil der stattliche Hengst vielleicht Leben nahm, oder andere in das ewige Licht führte, nein, vielmehr schien es, das sie selbst absolut nicht mit diesem Abschnitt des Lebens vertraut war. Was war der Tod überhaupt? Wie kam er zustande? Was kam danach? Es schien, als hätte sie den Tod nie kennengelernt, aber das war unmöglich. Alles musste sterben. Jeder fand irgendwann das Ende, welches er verdiente. Doch Elanor glaubte nicht länger an ihre eigenen Worte. Sie wollte weiter reden, mehr hinterfragen und mehr erfahren, doch die Worte die Azrael aussprach überraschten sie zu sehr, als das sie noch etwas anderes hätte heraus bringen können. Und sie überraschten sie nicht nur, sie schmerzten.
"Ich weiß es nicht. Ich kenne sie nicht wirklich..." Aus irgendeinem Grund empfand sie diese Worte als furchtbar verletzend. Kurz glaubte sie, dass sie sich vielleicht Hoffnungen gemacht hatte, dass Azrael ihr helfen konnte, etwas über sich selbst heraus zu finden, aber das allein war es nicht. Wie immer schien mehr dahinter zu stecken doch Elanor war es kaum möglich, normal zu atmen. Was für eine Macht hatte diese Kreatur vor ihr über sie? Elanor kniff die Augen zusammen, tat einfach so, als würde es sich erneut um Kopfschmerzen handeln, aber in Wahrheit versuchte sie die schillernden Tränen zurück zu halten. Es war keine Reaktion von ihr selbst, sondern von ihrem Unterbewusstsein herbeigeführt. Es war schlicht und ergreifend unheimlich. Schluckend öffnete sie ihre leicht schimmernden Augen wieder und sah sich unbehaglich um. Mittlerweile erfüllten frische Düfte und Wärme die Luft.

"Ich muss mehr über diese Engel erfahren." sagte sie schließlich, mit einer Bestimmtheit in der Stimme, die sie selbst überraschte. Nicht nur das, sie musste sie treffen, musste ihnen Fragen stellen. Wenn es sie wirklich gab, dann...
Aber war Azrael nicht ein gutes Beispiel? Sein Rücken blieb Elanor verborgen, sie konnte weder Flügel erkennen, noch das prächtige Fellkleid, was sich dort hätte erstrecken müssen. Etwas wurde vor ihr verborgen gehalten und wann immer sie sich diese Stelle von Azraels Rücken näher ansah, fing es oberhalb ihrer Schulterblätter an zu schmerzen. Es war nicht wie der dumpfe Schmerz in ihrem Inneren, der ihr zeigte, dass sie psychisch etwas quälte, es war ein Stich, der ihr durch Mark und Bein ging, als würde genau in diesem Augenblick etwas aus ihr heraus geschnitten werden.
"Gibt es noch mehr wie du? Engel die... Engel die noch Kontakt nach dort oben hin haben? Kann man mit ihnen sprechen?" Und würdest du mir helfen sie zu suchen? Die Frage konnte sie nicht aussprechen. Zu groß war die Angst davor, dass er ablehnen würde, sie mit nichts, als ein paar Anhaltspunkten zurück lassen würde. Und dann war da noch die Tatsache, dass sie ihn in ihrer Nähe behalten wollte. Weshalb wusste Elanor selbst nicht so genau.

Elanor » 29.01.2015, 00:39 » Nebelfelder#1

Azrael



Der Blick der kleinen Palominostute ruhte weiterhin auf dem dunklen Hengst. Kurz glaubte sie, Flügel auf seinem Rücken pragen zu sehen, doch diese Illusion verschwand binnen kürzester Zeit. Sie machte sich etwas vor. Und zwar gewaltig. Irritiert schüttelte sie den Kopf, ehe sie diesen anhob und den Hengst kampflustig ansah, aber auch mit einer gewissen Furcht, in den dunklen Augen. Dieses Tier dort vor ihr, sie kannte es. Aber er kannte sie nicht. Konnte es sein, dass sie nicht die Einzige war die unter Amnesie litt? Das sie ein Band teilten, welches ihnen beiden verborgen blieb, aufgrund einer verschleierten Vergangenheit? Langsam sank die Schutzmauer, die die kleine Stute um sich errichtet hatte. Azrael wirkte auf einmal viel offener und freundlicher, nicht länger wie der bedrohliche Schatten, der sie zunächst heimgesucht hatte. Vielleicht, weil sie beide verwirrt von dieser plötzlichen Begegnung waren. Aber allem Anschein nach,ging es ihm viel mehr um die Tatsache, dass er erkannt hatte, dass er kein gewöhnliches Pferd war. Was an ihm anders war, als an gewöhnlichen Vierbeinern, konnte Elanor selbst nicht feststellen. Sie war Niemand, der sich mit solchen Dingen allzu lange befasste, denn ja, die Welt drehte sich weiter, auch wenn Jemand ein wenig sonderbar war. Oder anders. Es war nichts, für das man Jemandem unnötig Aufmerksamkeit schenken musste. Aber dennoch musste sie hier bleiben. Wie angewurzelt stand sie vor dem stattlichen Hengst, sich nicht ganz bewusst, warum sie sich nicht bewegen konnte. Zusätzlich schlug ihr Herz bis zum Hals. Was war nur in sie gefahren? Würde sie ihn nicht kennen, hätte sie längst die Flucht ergriffen, wäre durch den Schnee gehechtet, wie ein gejagter Hase.
Elanor rümpfte leicht die Nase, als Azrael ihr eine Frage stellte. Bitte? Was sie war? Konnte er nicht sehen, was sie war? Eine Stute, goldgelbe Färbung, weißes Langhaar und auch noch nicht allzu alt. Von der Statur eher Pony als Pferd, nicht die hübscheste, aber mit Sicherheit auch nicht hässlich. Ein Pferd? fragte sie daher, eher verwirrt als sarkastisch nach. Er war wohl kaum dumm und dennoch stellte er diese Frage? Hatte er denn einen Anlass dazu, zu glauben, sie sei kein gewöhnliches Wesen? Ich bin nur eine ganz gewöhnliche Stute. Da gibt es nicht äußerst viel zu erzählen, aber irgendetwas sagt mir, dass es bei dir anders ist? Vor allem, wenn man an die Schatten auf dem Rücken des Hengstes dachte. Vielleicht waren es aber auch Schwingen, die der hübsche Braune stolz in die Luft reckte. Was sie sich schon wieder zusammenreimte und vorstellte war unglaublich. Sie konnte kaum fassen, dass gerade sie sich solch idiotischen Gedanken hingab. Vielleicht hatte ihre Verzweiflung, einen Platz wo sie hingehörte zu finden, schon solche Ausmaßen angenommen, dass sie jetzt mit 'Engeln' sprach.

Die nächsten Worte des Braunen versetzten Elanor einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend. Weshalb konnte sie sich genauso wenig erklären, wie die Tatsache, dass sie diesen Hengst kannte. Es tut mir Leid, wenn dir das unangenehm ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich irgendwoher kenne. Aber natürlich… Kann ich mir das nur einbilden. Vielleicht bin ich schon so verzweifelt auf der Suche nach meiner Vergangenheit, dass ich wildfremde Tiere als Familie ansehe. Elanor lachte freudlos auf und wand verletzt den Blick ab. Sie war eine Idiotin. Nicht nur, weil sie einem Fremden das erzählte, sondern auch, weil es tatsächlich der Wahrheit entsprach. Was erhoffte sie sich hier zu finden? In Azrael zu finden? Bei seinem Namen klingelten all die Glöckchen, die sich in ihrem Kopf befanden und Adrenalin strömte durch ihre Adern, doch helfen tat das alles nicht. Gähnende Leere war nach wie vor das Einzige, was sich in ihrem Kopf befand. Und diese fetzenhaften Momente, an die sie sich glaubte zu erinnern. Einmal ein Name, Ariel. Und dann ihr Mitleid, ihre Trauer, Sehnsucht. Ein fallender Engel. Und Schluss. Das half ihr im Grunde aber auch nicht wirklich weiter.
Das Gespräch fiel auf Ariel. Und es geschah wieder. Ein stechender Schmerz breitete sich in ihrem Kopf aus, zwang sie augenblicklich in die Knie. Eine Szene, wie aus einem Film, spielte sich vor ihrem inneren Auge ab. E-Es gibt keine… Engel. zischte sie, doch eine neue Schmerzenswelle packte sie, zeigte ihr einen kleinen Teich mit Jungtieren. Und sie… Sie stand daneben? Doch sie wirkte nicht wie das Pony, welches ihr traurig in der Spiegelung des Flusses entgegen blickte. Sie wirkte stark, mächtig, wunderschön und unerreichbar. Und einfach nur glücklich. Und wieder fiel der Name Ariel. Konnte es möglich sein, dass sie tatsächlich…? Der Schmerz ebbte langsam ab und Elanor sah schwer atmend auf, begutachtete Azrael und blinzelte einige Male. Sie konnte immer noch nicht wirklich erkennen, was sie so irritierte. Engel gab es nicht. Konnte es nicht geben. Sie wollte vergessen, was sie so eben gesehen hatte, vergessen, was wohl eine Erinnerung dargestellt hatte, doch sie konnte nicht. Wie auch? Ein Engel, sagst du… murmelte sie schließlich, richtete sich mit zitternden Beinen wieder auf. Es war als hätte man ihr eine Blockade in den Kopf gesetzt und um jede Erinnerung musste sie kämpfen. Jede Erinnerung kam nur mit ungeheuren Schmerzen einher. Und war der Hengst vor ihr der Einzige, der ihr beim Erlangen des verlorenen Wissens helfen konnte? Schaudernd schüttelte sie sich und richtete sich wieder vollständig auf. Ist es möglich, dass ich Ariel bin? Nein, ist es nicht. Unmöglich. Es gibt keine Engel, aber wieso sollte ich… Perplex sah sie von dem Braunen weg über die verschneite Landschaft. Plötzlich schien sie alles viel klarer zu sehen und einen Augenblick machte ihr Herz einen Satz. Eben noch hatte sie sich nicht ein Stück für ihre Umgebung interessiert und plötzlich wirkte die Natur wie ein Segen auf sie. Ich erinnere mich an einen Teich, Jungtiere und wie ich bei ihnen stehe. Und Jemand ruft mich mit dem Namen Ariel. Mehr weiß ich nicht. Und sie wusste nicht, ob sie angesichts der Schmerzen noch mehr wissen wollte.
Elanor » 19.01.2015, 16:51 » Nebelfelder#1

Azrael



Elanor kniff die Augen zusammen, ein nichtiger Versuch ihre Unsicherheit zu überspielen. Der Hengst vor ihr kam ihr nicht vom Äußeren bekannt vor, weckte mit seiner Stimme eine tief verwurzelte Erinnerung oder ließ sie aufgrund seiner Augen erkennend erschaudern. Nein, es hatte nichts mit dem hier und jetzt zu tun, davon war die Palominostute überzeugt. Der Name der kurz in ihrem Kopf herum gehuscht war, ließ sie erneut stocken. War es möglich, dass sie sich tatsächlich kannten? Sie selbst hatte keine Erinnerungen an diese Welt. Alles war ihr fremd. Man würde meinen, sie hätte zumindest ein wenig Erfahrung, würde aus einem reinen Instinkt heraus wissen, welche Pflanzen sie fressen durfte, wie steil eine Klippe sein konnte, so dass sie diese erklimmen konnte, doch all dieses Wissen schien ihr vollkommen abhanden gekommen zu sein. Elanor wusste weder mit sich und ihrem Körper, noch mit anderen umzugehen. Es war als hätte sie die Körpersprache verlernt, ebenso wie all das wichtige und überlebenshelfende Wissen, welches man ab seiner Geburt von seiner Mutter und seinem Vater mitbekam. Hatte sie je eine Familie gehabt? Eltern? Oder war sie als ein Waise aufgewachsen, hatte sich so durch die Welt gequält, immer nur mit dem nötigen Wissen, welches sie am Existenzminimum hielt?

Elanor schnaubte, begutachtete erneut das Pferd vor sich und eine Erinnerung blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Es war wie ein Film. Sie selbst und er, der dunkle Hengst der sich bedrohlich vor ihr aufbaute, ihr aber dennoch keine Angst machen konnte, denn die plötzliche Erkenntnis, dass sie ihn kannte, beruhigte sie. Sie wusste es einfach, tief in ihrem Inneren, auch wenn es sie angesichts der Dinge, nicht beruhigen sollte.
Sie erinnerte sich an einen Verstoß, einen fast schon verzweifelten Blick, die Worte Todesengel und Exil. Und ihr mehr als tiefgehendes Mitleid, vielleicht sogar noch andere Gefühle, die sie selbst nicht einordnen konnte.Wie sollte sie das auch? Der kurze Geistesblitz hielt nur für einige Sekunden an und Elanor war sich nicht sicher, ob es überhaupt so viel wie eine Erinnerung gewesen war.
Azrael schien jedenfalls noch nicht allzu überzeugt zu sein. Aber warum sollte er auch, im Grunde wusste die Palominostute nichts. Und verstehen tat sie mit jeder vergehenden Sekunde weniger. Was hatte das alles zu bedeuten?
Du bist wahrhaftig nicht der erste, der sich das fragt… murmelte sie nachdenklich, wich keinen einzigen Schritt zurück, als sie Azrael aus der Nähe begutachtete. Er war kein Pferd, welches in Vergessenheit geriet. Er war schön und gut gebaut, vermutlich mit Charaktereigenschaften gesegnet, die ihn auf ewig in die eigenen Erinnerungen einbrannten. Vermutlich eher auf eine negative Art und Weise, aber Elanor war Niemand der sich erlauben durfte vorschnell zu urteilen. Trotz allem geschah es ihr oft. Beziehungsweise immer, denn auf so vielen Tieren war sie in der kurzen Spanne, an welche sie sich erinnerte, noch nicht begegnet.

Ich kenne dich. sagte sie schließlich, mit einem solch bestimmten und herrischen Ton in der Stimme, dass man kaum ein Argument dagegen finden konnte. Doch ich weiß nicht woher. Das Einzige was ich weiß ist, dass du mir vertraut bist. Mehr kann ich dir nicht sagen. Eine nicht unbedingt zufrieden gebende Antwort, doch was sollte sie schon tun oder sagen? Ihre Gedanken hingen immer noch an dieser einen Erinnerung fest, krallten sich an jener fest, als sei es ein Rettungsanker, welcher zu ihr - der rettungslos Ertrinkenden - in die stürmende See geworfen worden war.
Auch wenn Elanor den Fremden kannte, so blieb sie dennoch misstrauisch. Wenn Azrael tatsächlich mit dieser Erinnerung in Verbindung gebracht werden konnte, was dann? Exil? Das einzige Wort, welches nach wie vor laut und stark in ihren Ohren nachklang. Wenn es tatsächlich er war, dann waren sie keine Freunde nicht wahr? Aber allem Anschein nach, schien Azrael sich auch nicht an sie zu erinnern, wer auch immer sie war. Eine unbedeutende Stute, die das gesamte Spektakel damals beobachtet hatte? Ws würde sie jetzt darum geben sich zu erinnern. Nicht einmal die Umgebung, die anderen um sie herum wollten ihr einfallen. Geräusche, selbst Gerüche schienen vollkommen aus ihrem Geist gelöscht und je mehr sie versuchte sich zu erinnern, desto stärker wurden die pochenden Kopfschmerzen.

Ich erinnere mich nicht. sagte sie schließlich, machte der ganzen Sache ein Ende. An gar nichts. Kurz fragte sie sich, ob man ihre Erinnerungen blockiert hatte, doch sie schob den Gedanken beiseite. Wer würde davon profitieren? Vermutlich Niemand. Sie erschien eine ganz normale Stute zu sein, die sich besonders idiotisch anstelle, sobald es darum ging, richtig in das Leben einzusteigen.
Mein Name ist Elanor. Oder Ariel. Die Palominostute dachte einen Augenblick nach, legte den Kopf schief und musterte den dunklen Hengst vor sich mit ein wenig Misstrauen in den dunklen Augen. Sollte sie ihm von diesen Erinnerungen und diesem Namen erzählen? Sie entschied sich dagegen. Das Wort Exil warnte sie, auch wenn die Gefühle die sie passend zu diesem Wort empfunden hatte keineswegs etwas mit Hass, Angst oder Abneigung zutun gehabt hatten. Kannte sie denn ihre ganze Geschichte? Nein. Ein Grund mehr den Mund zu halten, die Worte die ihr auf der Zunge lagen für sich zu behalten und abzuwarten, ob sich vielleicht noch etwas ergeben würde. Die Kopfschmerzen ebbten langsam ab und Elanor schloß daraus, das sie in der nächsten Zeit keinesfalls mehr mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden würde. Hoffte sie. Denn allem Anschein nach würde sie - wenn überhaupt - ihrer Vergangenheit nur langsam und mit Schmerzen verbunden, auf die Schliche kommen. Dennoch quälte sie eine Frage, die sie dringend stellen musste.

Sagt dir der Name Ariel etwas? Sie nannte weder den Zusammenhang, noch brachte sie irgendetwas anderes nach diesen Worten zustande. Sie konnte nur hoffen, dass dieser Azrael keine gepflegte Feindschaft mit dieser Stute führte. Und was wenn es wirklich sie war? Diese Ariel? Müsste Azrael sich dann nicht an sie erinnern? Oder hatte man sie verändert? Ihr die Erinnerungen genommen, den Namen verändert, das Aussehen… In eine fremde Gegend geschickt, nur um sie von etwas fern zu halten, oder gar zu beschützen. Wobei Elanor das letzte ausschloß, denn beschützt hatte man sie keinesfalls.
Elanor » 13.12.2014, 15:28 » Nebelfelder#1

Azrael



Je tiefer die helle Stute die Luft einatmete, um eventuell fremde Gerüche zu erkennen, desto kälter wurde ihr Körper. Elanor hatte sowieso nicht damit gerechnet, dass irgendwer auf ihren Ruf hören würde, aber die eisige Stille die ihre Ohren nach ihren fragenden Worten erreichte, enttäuschte sie dennoch zu einem gewissen Grad. Seufzend schüttelte sie den Kopf, ließ ihre Mähne dabei von einer auf die andere Seite fallen. Je länger sie über die Situation in welcher sie sich befand nachdachte, desto lächerlicher erschien sie ihr. Sie machte sich zum Narren, so wie sie hier herum lief, wie ein kleines, naives Püppchen, welches gerade ihre Eltern verloren hatte. Gerade wollte sie sich zielstrebig weiter durch den Schnee kämpfen, da durchzuckte ihren Kopf ein grauenhafter Schmerz. Geschockt blieb sie stehen, blinzelte, als sie bemerkte wie schwarze Punkte vor ihrem inneren Auge aufflackerten und sie daran hinderten, die Umgebung perfekt wahrzunehmen. Sie wusste nicht was auf einmal vor sich ging, aber ein gutes Omen war es ganz gewiss nicht.

Das Knirschen des Schnees und das leise Ein- und Ausatmen eines anderen Pferdes, ließen Elanor in blanker Panik herum fahren. Aber sehen tat sie nichts. Ein unangenehm hohes Piepen mischte sich zu den grausamen Schmerzen in ihrem Kopf und am liebsten hätte sie dem Bedürfnis, die Beine einknicken zu lassen einfach nachgegeben. Aber jeder wusste, wie gefährlich es wirklich war, sich im Winter zu Boden gleiten zu lassen. Vor allem mit dem fremden Tier, welches sich langsam seinen Weg in ihre Richtung bahnte. Wer wusste schon, was für ein Wesen sich dort vor ihr befand? Vielleicht wollte es ihr nichts gutes? Doch die kleine Palominostute war so oder so nicht dazu fähig, zu fliehen. Ihre Beine standen so fest im Schnee, wie die Wurzeln eines gewaltigen Baumes im Boden verankert waren. Schluckend versuchte sie einen Schritt zurück zu treten, aber es wollte ihr nicht gelingen. Tatsächlich fühlte es sich an, als würden ihre Hufe am Boden festkleben, der einzige Weg der ihr blieb, war sich nach unten gleiten zu lassen. Doch Elanor kämpfte mit all ihren Kräften, gegen diesen Instinkt.
Langsam versuchte Elanor wieder tief ein- und auszuatmen, die Kälte für einen Augenblick in ihrem Körper zu behalten, um sich zu beruhigen. Gequält schloss sie die Augen, spürte wie das Pferd, denn ja, es war eindeutig ein Pferd, sich nun direkt neben ihr befand. Die Wärme des Tieres kam immer näher, bis diese sie schließlich komplett ummantelte, ebenso wie der ihr merkwürdig vertraute Geruch dieses Pferdes. Dieses Wesen roch nach einer Vergangenheit, die sie nie gehabt hatte und Heimat. Elanor war kurz davor sich wohl zu fühlen, bis sie den Atem des fremden Tieres an ihrem Ohr spürte, eine tiefe, samtige Stimme ihr einen Namen ins Ohr hauchte, der eine neue Welle des Schmerzes freisetzte. Fast schon winselte sie, als dieses Mal ihre Vorderbeine einknickten und sie zu Boden rissen. Schwer atmend ließ sie ihre Augen zusammengekniffen, weigerte sich, nach oben zu dem Tier zu sehen, was ihr allem Anschein nach diese grausamen Schmerzen eingebrockt hatte.

Azrael? Azrael!?
Dieser Name sagte ihr so viel und doch absolut, rein gar nichts. Es war, als müsste sie sich dringend an dieses Pferd erinnern, an diesen Namen und an den Hintergrund, den der Fremde besaß, aber Elanor erinnerte sich nicht. An keinen einzigen Augenblick.
Wütend stemmte sie ihre Vorderbeide wieder in den Boden, sprang auf und drehte sich ruckartig um, um dem Fremden nicht ihre Rückhand zu präsentieren. Sie war misstrauisch, sobald es darum ging, anderen nicht ins Gesicht blicken zu können. Sie war schon immer so gewesen und aus irgendeinem Grund glaubte Elanor auch, dass sie es auch vor der Amnesie, die sie so kaltherzig heimgesucht hatte, so mit ihren Gegnern gehandhabt hatte. Für einen kurzen Augenblick schmerzten ihre Schulterblätter, als wäre dort etwas, was sie all die Zeit nicht bemerkt hatte und für den Bruchteil einer Sekunde hörte sie, wie ihr Jemand einen Namen zuschrie. Ariel.
Elanor glaubte kurz an eine Erinnerung, einen Anhaltspunkt ihrer Vergangenheit, aber so schnell, wie diese biltzhaften Bilder in ihrem Kopf aufgetaucht waren, so schnell verschwanden sie auch. Schwer atmend und mit zusammengekniffenen Augen, drehte Elanor sich um, betrachtete das Pferd vor sich.

Ein Hengst, durchaus hübsch und schön gebaut, aber das Funkeln in seinen Augen, war der Palominostute nicht geheuer. Trotz allem blieb sie trotzig stehen, verbat es sich selbst auch nur einen Schritt zurück zu weichen. Je länger sie den Fremden anschaute, desto mehr gerieten die pochenden Schmerzen in ihrem Kopf in den Hintergrund. Langsam klärte sich auch ihre Sicht wieder und das unangenehme, schrille Geräusch, welches sie all die Zeit über gehört hatte, verschwand. Langsam entspannte Elanor ihre verkrampften Muskeln und seufzte erleichtert.
Azrael also. Um den Fremden herum waberte so etwas wie ein Schatten. Die helle Stute konnte nicht genau definieren, was es war, aber es irritierte zu sehr darüber nachzudenken. Viel mehr interessierte sie die Tatsache, dass sie den Fremden zu kennen schien. Ihr Körper hatte mehr als merkwürdig auf ihn reagiert und seine gesamte Erscheinung, sein Geruch, seine Stimme, wirkten so vertraut. Ob sie mit ihm gute, oder aber schlechte Erinnerungen verband wusste sie jedoch nicht. Im Endeffekt wusste sie gar nichts, aber vielleicht kannte der Fremde sie.

Azrael? murmelte sie, spürte auch dieses Mal wieder, wie vertraut es ihr schien, diesen Namen in den Mund zu nehmen. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Vermutlich war das alles ein Irrtum. Der Hengst hätte sie längst darauf aufmerksam gemacht, wenn sie sich kennen würden, oder nicht?
Du kommst mir bekannt vor. verlangte sie trotz allem, stellte eine indirekte Frage, auf welche sie sich eine Antwort erhoffte. Elanor war pragmatisch veranlagt, aber sie war sich trotz allem unsicher, ob sie all die Fragen stellen sollte, die ihr durch den Kopf schwirrten. Und dein Rücken irritiert mich. Du bist nicht sterblich, nicht wahr?
Eine neue Frage, auf welche sie ebenfalls eine Antwort erwartete. Sie hatte viel von diesem Tal und seinen Bewohnern gehört, ebenso viel von den unheimlichen Gestalten, die hier herumirrten. Azrael wirkte nicht direkt unheimlich, aber auch nicht, wie ein allzu freundlicher Zeitgenosse. Und die dunklen Schatten, die irgendetwas vor Elanor zu verdeckten, machten die Palominostute nahezu wahnsinnig.
Elanor » 05.12.2014, 06:30 » Nebelfelder#1

Azrael



Verängstigt und gleichermaßen verwirrt sah sich Elanor um. Erneut war sie an einem Ort angelangt, den sie nicht kannte. Gedankenverloren hatten ihre Schritte sie hierher geführt. Fremde Gestalten, fremde Umgebung. Die helle Stute wäre am liebsten sofort wieder umgekehrt, doch aus irgendeinem Grund schienen sich ihre Hufe nicht von dem verschneiten Boden lösen zu wollen. Waren ihre Gliedmaßen aufgrund der Kälte bereits eingefroren? Zitternd legte Elanor eines ihrer Ohren in den Nacken, betrachtete die Umgebung weiterhin unsicher. Nebel verdeckte ihr die Sicht und die Palominostute war sich mehr als sicher, dass sie an einem der Plätze angelangt war, wo man lieber Gesellschaft hatte. Räuspernd sammelte sie sich und stellte sich gerade hin. Wer immer sie auch sehen würde, dieser Jemand sollte nicht denken, dass sie schwach war. Zu Beginn war sie hilflos durch das Tal getaumelt und Niemand hatte sich nur für einen kurzen Augenblick für sie interessiert. Außer, wenn man seine Späßchen mit ihr treiben wollte. Elanor hatte glücklicherweise Niemandem ihr Vertrauen geschenkt, aber sie war dennoch verletzt. Sie wusste nicht einmal weshalb. Hengste, die sie spaßend umkreisten um ihr Angst zu machen, Elanor erschien es fast schon, als sei das hier etwas normales. Aber egal, wie sehr sie darüber nachdachte, sie konnte sich nicht erinnern, je etwas so abstraktes gehört zu haben. Sie mochte ihre Erinnerungen verloren haben, aber sie wusste dennoch, dass das Wesen der Pferde Güte und Liebe aufzuweisen hatte, aber nicht… Soetwas.

Elanor spürte das seltsame Gefühl der Rachsucht in sich aufsteigen und wieder einmal bemerkte sie, wie sie sich immer mehr verschloss. Sie hatte noch Niemanden getroffen, der ihr hätte helfen können, oder der ihr wenigstens ein Lächeln schenkte. Das einzige, was ihr bekannt vorkam, war das reine weiß um sie herum, doch es war doch nicht das nach dem sie suchte.
Zuhause. Ja, genau. Das war es was die hübsche Stute wollte. Ein Heim, eine Gemeinschaft, ein Ort wo sie sich wohl fühlen konnte. Ein Ort, der dieser Kälte und Einsamkeit in keinem Fall glich. Unsicher schritt Elanor los, beobachtete dabei, wie sie mit jedem Schritt tiefer in den pulverigen Schnee einsackte. Der Winter hatte gerade erst begonnen, doch es war bereits eiskalt und die Schneeflocken behinderten ihre Sicht ebenso, wie es der Nebel tat, der schwer über der Ebene hing. Einige blieben in ihren langen Wimpern hängen, schmückten bald auch ihr seidiges Langhaar, sowie ihr helles Fellkleid. Schnaubend schüttelte sie die weiße Schicht ab. Als Schimmel herum laufen, wollte sie dann doch nicht. Die Kälte zog sich an ihren Beinen hinauf, bis hin zu ihren Ohren und die Palominostute wünschte sich nichts sehnlicher als ein wenig Wärme. Oder vielleicht sogar einen Artgenossen, von welchem diese Wärme ausging? Elanor schüttelte den Kopf. Diese Welt in der sie zu leben schien war wie ein Alptraum. Niemand der ihr hier begegnen würde, würde ihr zur Seite stehen, solche Hoffnungen hatte sie bereits nicht mehr. Mit Grauen erinnerte sie sich an die erste Begegnung, die sie mit einem Pferd dieses Tales gemacht hatte. Ein prachtvoller Hengst, gewiss, aber zu diesem Zeitpunkt war Elanor noch viel zu verwirrt gewesen, um das wirklich mitzubekommen. Das selbe galt für sein boshaftes Grinsen. Er war ein Schauspieler gewesen, Jemand der mit List immer zu seinem Ziel kam. Elanor hatte ihn um Hilfe gebeten, nach dem Weg gefragt und sobald sie sich an ihn gewandt hatte, war das Grinsen verschwunden, anstelle dessen war ein freundliches Lächeln getreten. Elanor hatte sich eine kurze Weile mit ihm unterhalten. Eine kurze Weile, die im Endeffekt doch zu lang gewesen war. Erst als der Hengst von ihr Besitz ergriffen hatte, war der Stute aufgefallen wie dumm und töricht sie sich verhalten hatte. Aus dem Klammergriff des Riesen hatte sie sich natürlich nicht befreien können und so wartete sie einfach nur ab. Wartete darauf, dass es entweder vorbei war, oder sie vor Schmerzen zusammenbrach. Danach hatte Elanor sich lange an einem Fluss befunden, hatte sich nicht einen Schritt fortbewegt, bis eine Stute sie in ihrem jämmerlichen Zustand gefunden hatte. Lange Zeit hatten sie sich unterhalten, vielleicht sogar angefreundet, bis die gescheckte Stute versicherte, dass sie eine Heilerin sei und sie eventuell untersuchen könnte. Die Palominostute erinnerte sich noch genau an den traurigen Blick der Fremden, als sie ihr mitteilte, dass sie so gesehen keine Stute war. Sie war unfruchtbar, nicht dazu fähig, dass zu tun, was ihnen als das weibliche Geschlecht auferlegt war. Elanor war geschockt von ihren Worten, nicht nur, weil sie tatsächlich 'sonderbar' war, sondern weil die Stute sie kurz danach verließ mit den Worten, dass sie sich nicht mit Jemandem wie ihr abgeben wollte. Danach hatte sie noch viele andere Pferde getroffen, doch sie hatte bereits in ihren Gesichtern erkannt, dass sie nicht besser waren als all die anderen. Hasserfüllt war sie jedes Mal so schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Diese Welt war grausam und Elanor wusste nicht, ob sie das hier noch lange durchhielt.

Mit einem lauten Schnauben blieb sie stehen. Sie war immer noch allein und die Kälte kroch ihr langsam bis in die Knochen. Wie lange würde sie das hier noch aushalten? Allein und ohne Schutz? Aber wenn sie sich zurückerinnerte, so war das hier so oder so ein sehr gefährlicher Ort. Niemand schien auch nur einen Funken Gutes in seinem Herzen sitzen zu haben und Worte waren getränkt mit Lügen und Heuchelei.
Elanor hätte fast ihre Beine einknicken lassen, um sich in den Schnee zu legen und auf ihren baldigen Tod zu warten. Doch sie riss sich zusammen, sah mit eiserner Miene nach vorne. So tief war sie noch nicht gesunken. Sie würde weiter kämpfen, zumindest für diesen Augenblick. Ein Knirschen erweckte Elanors Aufmerksamkeit und sofort zuckte ihr Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Es war nach wie vor nebelig und der Schnee bildete nicht nur auf dem Boden eine undurchdringbare Schicht. Auch in der Luft konnte Elanor kaum hindurchsehen. Die Palominostute spitzte angestrengt die Ohren und kniff die Augen zusammen. Wer ist da? fragte sie schließlich mit fester Stimme, bereit jeden Augenblick zu flüchten. Sie war sich unsicher, ob sie dem Grauen der Welt erneut den Rücken zukehren sollte, oder vielleicht einfach ein Teil dessen werden sollte.
Seite: 1
Deine Suche ergab 7 Treffer.