[ich mach mal da weiter, wo im Frühling aufgehört wurde...]
KALAHARI
Doch es blieb zunächst wieder ruhig. Auf den ersten Blick konnte er auch nichts erkennen. Unbeirrt machte er also weiter. Schnoberte hier und dort, Schnee schmolz, Pflänzchen wuchsen.
Von Minute zu Minute durchströmte ihn mehr und mehr sein Lebenswille, sein Geist. Aviv fühlte sich lebendiger und wacher. Je mehr Pflanzen er zum Aufwachen bewegte, den Schnee schmolz, den Frühling einhauchte, desto schwächer wurde er. Nur sehr langsam, aber doch war es so, dass er ein Stück weit sich selbst weggab, um seine Umgebung aus dem Winterschlaf zu befreien. Doch das tat seinem Gefühl keinen Abriss wacher zu sein. Mental fühlte er sich stärker, noch fröhlicher als ohnehin schon und ein wohlig warmes Gefühl übermannte ihn. Er konnte es kaum abwarten Nuttys Blick zu sehen, der schlaftrunken gähnend aus seinem Kobel kriechen, sich die Augen reiben und anschließend noch einmal herzhaft gähnen würde. Seither er diesen Schlaf benötigte, war dies die Choreographie des kleinen plüschigen Eichhörnchens. Und jedes Mal war er völlig aus dem Häuschen, was Aviv da „gezaubert“ hatte.
Dann zuckte er erneut zusammen. Da war doch definitiv jemand in seiner Nähe zugange! Das war eindeutig ein Fluch gewesen. Zugegebenermaßen, es war ein sehr leiser Fluch gewesen, aber dennoch vernehmbar. Noch einmal huschte sein Blick hoch zum Kobel. Er kannte da jemand, der unglaublich gut fluchen konnte. Aber dieser Störenfried war momentan von dieser Tat freigesprochen. Erstens hörte Aviv seine tiefen Atemzüge bis unten und zweitens klang dieser Fluch nach einer eher weiblichen Stimme. Und Nutty hatte definitiv alles andere als eine weibliche Stimme…
Avivs Augen verengten sich, als könne er so besser sehen. Und tatsächlich, eigentlich war der Besuch sogar alles andere als unauffällig. Dort stand sie; eine Stute am Rande der Quelle, das Fell spiegelte sich in den sanften Wogen und Wellen der Quelle ab. Offenbar hatte sie kurz zuvor getrunken, denn von ihr ausgehend breiteten sich kleine Wellenberge und -täler aus, die von ihr halbkreisförmig wegtrieben. Außerdem glaubte er aus der Entfernung zu sehen, wie vereinzelt Wassertropfen an ihrem samtenen Maul hingen. Sie stand da, als sei sie eine stolze Statue. Und Aviv war ebenso Statuen gleich – allerdings eher wie eine vor Schreck erstarrte Salzsäule. Wie hatte er die Stute einfach so übersehen können? Wieder wanderte sein Blick hinunter zur Spiegelung auf den Wellen. Diese Farbe wirkte in der Spieglung so unwirklich, fast schon kupferstichig. Allein ihre Farbe machte es für ihn noch unglaubwürdiger, dass sie nicht gerade erst dort erschienen war. Die Dame hätte ihm doch schon längst ins Auge fallen müssen!
Dann besann er sich seiner guten Kinderstube und nickte der Fremden freundlich zu. Dann überlegte er kurz was er machen sollte. Und noch ehe er sich selbst im Klaren darüber war, hatte sein Körper offenbar die Kontrolle übernommen und ging langsamen Schrittes auf die Stute zu. Erst wenige Meter vor ihr kam er zum Stehen und überlegte fieberhaft was er sagen könne.
Dann endlich – für ihn nach einer Ewigkeit, in Wahrheit waren gerade nicht einmal fünf Sekunden verstrichen – sagte er: »Ein wunderschöner Tag an einem ebenso schönen Ort, nicht wahr?«
Und gleich im nächsten Moment wollte sich der fuchsfarbene Hengst dafür treten. Was hatte er denn da für eine Frage vom Stapel gelassen? Lief das jetzt unter rhetorischer Frage, wollte er eine Antwort darauf bekommen? Was hatte sich sein Mundwerk davon versprochen? Und noch viel wichtiger; was war in ihn gefahren? Das konnte nur etwas mit seinen Frühlingsgefühlen auf sich haben. Anders konnte er sich das gar nicht erklären. Eigentlich war er doch der schüchterne, überlegte Typ. Aber offenbar hatte irgendetwas soeben bei ihm ausgesetzt. Oh man!
Wieder war ein Jahr vergangen. Nichts konnte die Zeit aufhalten und auch nicht den Jahreszeitenwechsel. Es hätte ihn jedoch auch stark gewundert, wenn sie nicht alle schön nacheinander angetreten wären. Vermutlich hätte sich jedes Lebewesen auf kurz oder lang ein wenig gewundert, wenn eine Jahreszeit ausgefallen wäre. Doch für Aviv und seine drei Brüder wäre dies, über dieses Wundern hinaus, höchst besorgniserregend gewesen. Denn was bedeutete es wohl, wenn eine Jahreszeit ausfiel? Ich glaube nicht, dass ich dir das noch erklären muss, oder? Ja genau, ich glaube du hast die richtige Antwort erraten. Und es würde wahrlich nichts Positives bedeuten. Aber das wusstest du ja schon, nicht wahr?
Es war dem fuchsfarbenen Aviv ein Deja-vu; das Jahr über hatte er sich hier und dort herumgetrieben, nachdem er noch eine Weile Zeit mit Catori verbracht hatte.
Wer ist Catori, fragst du? Nun, das ist das Fohlen, welches Aviv letztes Jahr zu etwa dieser Zeit getroffen hatte, als Nutty seinen gezwungenen Winterschlaf im Kobel nachkam. Sie hatten sich nett unterhalten und auch ein wenig gespielt, insbesondere als Nutty dazu kam hatte Aviv noch mehr Spaß. So sehr, dass man meinen könnte er wäre selbst noch ein Fohlen.
Als es Sommer wurde, hatte er sich gefragt, wie oft Sol seine Zeit wohl am Meer verbrachte bei seinem Delfin Seth. Aviv war überfragt, ob Seth vielleicht sogar fähig war im Süßwasser zu schwimmen. Allerdings hatte er auch nicht aktiv nach einer Verbindung des Wassers zum See gesucht. Nun ja, um genau zu sein; er hatte angefangen und war am Meer entlanggewandert, hatte sogar schon einen Einschnitt entdeckt: Steile Klippen umgaben den Einschnitt ins Land. Doch noch bevor er es sich genauer betrachten konnte – oder er das Meer respektive den Strand weiter absuchen konnte – stöhnte Nutty theatralisch herum. Die Seeluft mache ihn ganz krank und überhaupt, konnten sie sich denn keinen Tag aussuchen, an dem es weniger sonnig und bullig heiß war?
Aviv schmunzelte über die Beschwerden seines kleinen Freundes und beeilte sich schleunigst in den kühleren Wald zu gelangen. (Kaum dort angekommen begann das Eichhörnchen direkt damit sich mit allerlei Zeugs voll zu stopfen und Aviv überlegte, ob die Hitze nur ein vorgeschobenes Argument war und sich sein Freund einfach nur besinnungslos vollfressen wollte.) Doch irgendwie hatten sie es seither verpasst das Meer noch einmal aufzusuchen.
Auch der Herbst war dann recht bald gekommen, die Blätter begannen sich zu verfärben, die Temperaturen zu sinken. Und rasch darauf folgte der Winter.
Aviv spürte regelrecht, wie langsam seine Zeit gekommen war. Nevis Kräfte schienen schwächer zu werden. Gewiss, die Welt lag noch unter einer Schneedecke, jedoch wurde sie bereits dünner. Nun lag es an ihm die Natur anzustupsen, den Frühling Eintritt zu gewähren, der bereits freundlich anklopfte und bat seine Show aufzuführen.
Langsam näherte er sich der verwunschenen Quelle, hier und dort hörte er Stimmen, die in Unterhaltungen verwickelt waren – er bemerkte gar nicht, dass eine der Stimmen möglicherweise seinem zweitjüngsten Bruder zugehörte – und beschloss sich abseits der Blicke der anderen zu positionieren. Niemand musste Zeuge werden von dem, was er vorhatte. Suchend hob er den Blick nach oben. Ah, da war es ja! Nutty war genau wie letztes Jahr in seinen Winterschlaf gegangen. Wieder einmal widerstrebend. Da wo sie her kamen hatte er nie seinen Winterschlaf benötigt und konnte Aviv rund um die Uhr zur Seite stehen. Da wo sie her kamen war jedoch vieles anders gewesen. Manchmal dachten sie beide sehnsüchtig an diese Zeit zurück. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt gekommen in Erinnerungen zu schwelgen. Eher konnte er etwas dafür tun, dass ein Stück Heimat hier einzog.
Vorsicht schnoberte er mit der Oberlippe den Schnee zur Seite. Hier an der Quelle war es trotz des Schnees wärmer als überall sonst im Tal, also würde es hier wohl am wenigsten auffallen, wenn der Frühling hier entspringen würde. Ein vertrocknetes Pflänzchen kam unter dem Schnee zum Vorschein. Avivs Lippen berührten die Pflanze sanft, wie zu einem Kuss. Für Außenstehende musste dies reichlich seltsam aussehen, es hatte schon etwas sehr intimes, wie er da stand und offensichtlich das Pflänzchen liebkoste. Doch er war allein, niemand konnte ihn sehen. Der Kopf wanderte weiter suchte das nächste lebensmüde Pflanzenkind und während er suchte begann die soeben noch hoffnungslos vertrocknete Pflanze grün zu werden und sich aufzustellen. Als sei die Zeit vorgespult worden, rankte sie sich auf und schlug ihre Blätter auf. Nachdem er bereits drei weitere Pflanzen berührt hatte drehte er sich zurück zur ersten Pflanze. Ah ja, er hatte richtig gelegen, eine Wildtulpe. Noch ein kleiner Stups und schon begann die Knospe zu wachsen. Bald würde sie aufbrechen. Begeistert schaute er sie an, ein jungenhaftes Lächeln lag auf seinen Lippen. Fast hatte er schon vergessen, wie viel Spaß es machte Dingen Leben einzuhauchen. Unwillkürlich zuckte er zusammen und schaute sich um. Er hätte schwören können etwas gehört zu haben. Als hätte sich etwas bewegt… Seine Ohren wackelten unruhig und versuchten die Ursache zu ermitteln. Er schaute hoch zu Nuttys Kobel, als sich in ihm Unsicherheit breit machte.
Wie er so den Schnee zwischen seinen Vorderhufen hin- und herwälzte kam er nicht drum herum an seinen Bruder zu denken. Zumindest einen von ihnen – um nicht zu sagen den jüngsten der Brüder; Nevis. Was er wohl gerade trieb? Ob er Spaß hatte? Sicherlich. Immerhin war das seine Jahreszeit. Wieder seufzte der Fuchs. Das sollte doch eigentlich alles gar nicht so weit kommen …
Ein leises, zögerliches Wiehern ließ ihn aufschrecken. Verwundert hob er seinen Kopf und drehte diesen um zu sehen, von wo es kam. Natürlich! Direkt vor ihm sah er nun ein Fohlen, das unsicher vor sich her stotterte. Sein Herz erwärmte sich. Noch einmal drehte sich Aviv um und dann wieder zurück zum Fohlen. »Meinst…meinst du...mich?«, fragte er leise und unsicher. Dann räusperte er sich und ohne den Kopf erneut umher zu wenden, schielte er nach rechts und links, um zu schauen ob er nicht doch irgendwen übersehen hatte. Ein verhaltenes Lächeln legte sich auf Avivs Lippen. »Nein, nein. Du störst nicht.«, sagte er dann freundlich, die Ohren gespitzt und dem Jungen zugewandt, ehe er schnell hinzufügte; »Wirklich nicht!« - wobei sich seine Ohren für einen Bruchteil der Sekunde einem unsicheren Spiel hingaben. Dann schien er sich an die erste Frage des Jungen zu erinnern und unwillkürlich drehte sich sein Kopf hoch zum Kobel. Dann seufzte er erneut und setzte erneut zum sprechen an: »Ja, es ist alles gut… Also, irgendwie.« Er wollte andere nicht mit seinen Problemen belasten, dazu war er zu schüchtern. Und vermutlich würde das Fohlen ohnehin nicht interessieren, dass Aviv seinen Kumpel vermisste. Wahrscheinlich würde er ihn auch noch für völlig durch geknallt halten, wenn er herausfinden würde, dass sein bester Freund ein Eichhörnchen war. Und manchmal war es nicht nur sein bester Freund, sondern auch sein einziger Kontakt zur Außenwelt. Dabei wünschte er sich durchaus Kontakt zu anderen, aber er stand sich selbst dabei immer am meisten im Weg. Wer weiß was die anderen sagen, was die anderen denken?
Eigentlich kam es ihm gerade recht, dass jemand anderes einen Schritt auf ihn zu machte. Und auch die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Fohlen handelte erleichterte ihm die Situation – das eigene innere Gefängnis ein Stück weit zu verlassen – um einiges. Er lächelte den fremden Jungen warmherzig an. Und der Mantel der Stille legte sich langsam um sie. Wenn er alleine mit Nutty war, dann war meist das Eichhörnchen derjenige der die Initiative zum Gespräch suchte. Doch auch Aviv war dem kleinen Wuscheltier gegenüber sehr offen und spaßte sogar gerne mit ihm herum. Bei Fremden jedoch war da immer diese Hürde, das Unbekannte, das Bedrohliche. Aber Aviv! , scholt er sich bereits, Du hast doch gerade noch gedacht, dass es „nur“ ein Fohlen ist, und dir die Situation leichter fallen würde! »Ich bin übrigens Aviv!«,sagte er mit warmer Stimme und sein Lächeln wurde offener. Dann brach wieder eine Mini-Pause aus. Sollte er es wagen? Und dann ohne noch weiter nach zu denken platzte es ihm – so fühlte es sich jedenfalls für den nachdenklichen Fuchs an – heraus: »Und wer bist du? Wo kommst du her?« Schüchtern wandte er kurz den Blick ab. Es war so ein kleiner Schritt für die anderen, aber für ihn waren solche Fragen anderen zu stellen manches Mal eine wahre Herausforderung, ganz besonders im Winter, wenn seine eigene Zeit kurz bevor stand. Dann schaute er den Jungen wieder an.
Wie er so den Schnee zwischen seinen Vorderhufen hin- und herwälzte kam er nicht drum herum an seinen Bruder zu denken. Zumindest einen von ihnen – um nicht zu sagen den jüngsten der Brüder; Nevis. Was er wohl gerade trieb? Ob er Spaß hatte? Sicherlich. Immerhin war das seine Jahreszeit. Wieder seufzte der Fuchs. Das sollte doch eigentlich alles gar nicht so weit kommen …
Ein leises, zögerliches Wiehern ließ ihn aufschrecken. Verwundert hob er seinen Kopf und drehte diesen um zu sehen, von wo es kam. Natürlich! Direkt vor ihm sah er nun ein Fohlen, das unsicher vor sich her stotterte. Sein Herz erwärmte sich. Noch einmal drehte sich Aviv um und dann wieder zurück zum Fohlen. »Meinst…meinst du...mich?«, fragte er leise und unsicher. Dann räusperte er sich und ohne den Kopf erneut umher zu wenden, schielte er nach rechts und links, um zu schauen ob er nicht doch irgendwen übersehen hatte. Ein verhaltenes Lächeln legte sich auf Avivs Lippen. »Nein, nein. Du störst nicht.«, sagte er dann freundlich, die Ohren gespitzt und dem Jungen zugewandt, ehe er schnell hinzufügte; »Wirklich nicht!« - wobei sich seine Ohren für einen Bruchteil der Sekunde einem unsicheren Spiel hingaben. Dann schien er sich an die erste Frage des Jungen zu erinnern und unwillkürlich drehte sich sein Kopf hoch zum Kobel. Dann seufzte er erneut und setzte erneut zum sprechen an: »Ja, es ist alles gut… Also, irgendwie.« Er wollte andere nicht mit seinen Problemen belasten, dazu war er zu schüchtern. Und vermutlich würde das Fohlen ohnehin nicht interessieren, dass Aviv seinen Kumpel vermisste. Wahrscheinlich würde er ihn auch noch für völlig durch geknallt halten, wenn er herausfinden würde, dass sein bester Freund ein Eichhörnchen war. Und manchmal war es nicht nur sein bester Freund, sondern auch sein einziger Kontakt zur Außenwelt. Dabei wünschte er sich durchaus Kontakt zu anderen, aber er stand sich selbst dabei immer am meisten im Weg. Wer weiß was die anderen sagen, was die anderen denken?
Eigentlich kam es ihm gerade recht, dass jemand anderes einen Schritt auf ihn zu machte. Und auch die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Fohlen handelte erleichterte ihm die Situation – das eigene innere Gefängnis ein Stück weit zu verlassen – um einiges. Er lächelte den fremden Jungen warmherzig an. Und der Mantel der Stille legte sich langsam um sie. Wenn er alleine mit Nutty war, dann war meist das Eichhörnchen derjenige der die Initiative zum Gespräch suchte. Doch auch Aviv war dem kleinen Wuscheltier gegenüber sehr offen und spaßte sogar gerne mit ihm herum. Bei Fremden jedoch war da immer diese Hürde, das Unbekannte, das Bedrohliche. Aber Aviv! , scholt er sich bereits, Du hast doch gerade noch gedacht, dass es „nur“ ein Fohlen ist, und dir die Situation leichter fallen würde! »Ich bin übrigens Aviv!«,sagte er mit warmer Stimme und sein Lächeln wurde offener. Dann brach wieder eine Mini-Pause aus. Sollte er es wagen? Und dann ohne noch weiter nach zu denken platzte es ihm – so fühlte es sich jedenfalls für den nachdenklichen Fuchs an – heraus: »Und wer bist du? Wo kommst du her?« Schüchtern wandte er kurz den Blick ab. Es war so ein kleiner Schritt für die anderen, aber für ihn waren solche Fragen anderen zu stellen manches Mal eine wahre Herausforderung, ganz besonders im Winter, wenn seine eigene Zeit kurz bevor stand. Dann schaute er den Jungen wieder an.
Es war schon wieder einige Zeit vergangen seit er die Dame, Kagiso, bei der Steinbucht kennengelernt hatte und Aviv genoss die Zeit mit seinem Lieblingswesen, seinem besten Freund - Nutty. Die beiden zogen gemeinsam durch das Tal erlebten jeden Tag mit Freude und ihre gegenseitige Gesellschaft war ihnen nicht überdrüssig geworden. Doch er selbst bemerkte, wie Nutty Tag für Tag immer müder, immer schwächer wurde. Und spätestens nach dem kleinen Zwischenfall gestern, wurde es ihnen beiden schmerzlich bewusst, dass Aviv die ganze Zeit über recht hatte und dass Nutty schon längst seinen Winterschlaf halten sollte. Gestern saß das puschelige Eichhörnchen aufgekratzt plappernd auf Avivs Rücken, nur um dann urplötzlich zu verstummen und in Folge dessen wie in Zeitlupe seitlich herunterrutschte. Aviv drehte sich in diesem Moment um, als sein Kumpel verstummte und sah voller Entsetzen mit weit aufgerissen Augen, dass eben dieser schlafend von seinem Rücken rutschte. Aviv wollte Nutty aufwecken, wollte ihn beim Namen rufen um ihn zu wecken. Doch es kam ihm einfach nichts über die Lippen. Erst im allerletzten Moment schlug Nutty wieder seine Augen auf, krallte seine kleinen Pfötchen in Avivs Mähne fest und rettete sich somit vor dem sicherlich nicht gerade sanften Auftreffen auf dem verschneiten, gar von Eis verkrustetem Boden.
Wäre es gleich nach Aviv gegangen, dann wäre Nutty schon längst in seinem Kobel. Doch das ach so niedliche, plüschige Nagetier war schon immer sehr sehr hartnäckig und dickköpfig. Ganz so, wie es Aviv selbst sein konnte - Zumindest immer dann wenn das kleine Kind wieder in ihm durch kam - darum verstanden sie sich vermutlich auch so gut. Aviv sah, wie es seinen Freund schmerzte, ihn nun doch zu verlassen - den Kampf verloren zu haben. Dieser Fall von Avivs Rücken entbrannte letztlich doch in einem weiteren Streit, einer weiteren Kabbelei zwischen den beiden Freunden, die sich gleich darauf wieder herzten. Aber Aviv hatte ihn dann streng und bestimmemd in seinen Kobel geschickt. Jetzt schaute das Eichhörnchen traurig zu seinem pferdigen Kumpel herunter und hob seine Pfote wie zum Abschiedsgruß. »Nun mach es nicht noch schwerer, Nutty! Ich bleibe doch hier, bis du wieder hungrig wirst und deine Nüsse suchst.«, rief er seinem Freund ermutigend zu und versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln. Das fluffige Nagetier nickte müde, gähnte herzhaft und verschwand dann endlich in seinem Kobel. »Gute Nacht«, murmelte das Frühlingskind dann noch - den Kopf zum Kobel gehoben, gespannt ob sich sein Kumpel nicht doch noch einmal zeigen würde. Doch stattdessen glaubte er ein sanftes Schnarchen zu hören, das aus dem Kobel drang.
Jetzt war es an Aviv traurig drein zu schauen und herzzerreißend zu seufzen. Er hatte die Zeit mit dem kleinen Wesen so sehr genossen, dass er gar nicht bemerkt hatte wie diese vergangen war. Er wusste nicht einmal mehr etwas mit sich selbst anzufangen. Langsam begann der Hengst stumm den Schnee der unter ihm lag mit den Hufen von links nach rechts zu schieben und betrübt auf den Schnee zu schauen.
Die Stute schien immer noch nicht wirklich zufrieden über die Gesellschaft zu sein, doch er würde weiter abwarten und dann gehen, wenn er es dann für richtig hielt, oder sie ihn noch mehr zeigte das sie vielleicht alleine sein wollte. Vielleicht waren es auch seine Blicke die sie störten, doch es war einfach fazinierend endlich mal andere Artgenossen zu treffen das er es nicht einmal wirklich wagte seinen Blick abzuwenden. Und da war er jetzt einfach so egoistisch das es ihm egal war, ob es der Stute dabei gut ging oder nicht. Oder ob sie sich unwohl fühlte. Er tat ihr nichts und das würde sie auch noch mitbekommen. "Ja ich bin noch neu hier. Ich suche hier eigentlich auch meine Geschwister. Wobei das erstmal warten muss." Meinte er lächelnd. Musterte sie noch einmal kurz. "Freut mich ebenfalls. Jedoch scheints auch du noch nicht allzulange in diesem Tal zu sein. Oder irre ich mich da?" Er versuchte nicht zu tief nachzuharken. Jedoch wollte er nicht das das Gespräch endete. Er hatte mittlerweile fast schon Angst vor dieser Stille. Er hatte sie einfach viel zu lange um sich herum gehabt. Das musste sich jetzt einfach ändern.
Er wartete immer noch ruhig ab wie die fremde Stute regieren würde. Denn bis jetzt hatte sie ihn noch nicht wirklich Beachtung geschenkt. Er fand es jedoch ok, wenn er merkte, sie wollte ihn gar nicht bei sich haben würde er wieder gehen und sich weiter in diesem Tal umsehen. Schließlich gab es hier sicherlich noch genug zu entdecken. Und diese Stute war ja auch mit Sicherheit nicht die letzte potenzielle Begegnung.
Endlich schenkte die Fuchsstute ihn Beachtung. Sie nickte ihn höflich zu, was ihm ein kurzes Lächeln auf den Lippen zauberte. Er war doch so aufgeregt, und doch wusste er nicht was er sagen sollte. Also starrte er sie weiterhin stumm an, und wartete einfach ab. Er hoffte das die Stute das nicht irgendwie falsch aufnahm.
Ihre Stimme drang freundlich in seinen Ohren, was ihn erst einmal einen Stein von vielen vom Herzen nahm. Kurz darauf stellte sie sich als Kagiso vor. "Freut mich Kagiso. Mich nennt man Aviv", seine Stimme war ebenfalls ruhig, mit einem rauen Unterton. Wieder legte sich ein kurzes Lächeln auf seinen Lippen. Er hoffte das sie nicht merkte, wie nervös er doch eigentlich war. Es war einfach alles so neu. Das durfte sich auch ruhig schnell legen, wobei er es bis jetzt noch bezweifelte. Er wollte einfach nicht verstehen, wieso man ihnen immer die Welt verboten hatte, die Begegnung zu anderen Artgenossen. Am besten kannte er immer nur seine Brüder. Wenn er diese mittlerweile auch schon länger nicht mehr gesehen hatte. Doch vielleicht würde er ihnen auch schon bald wieder über den Weg laufen. Er hoffte es zumindest. Schließlich war er ein sehr geselliger Hengst... er hasste es allein zu sein. Und jetzt merkte er es nur noch mehr... da er sonst immer "Allein" gewesen war. Doch jetzt wurde einfach alles besser. Da war er sich mehr als sicher. Es MUSSTE besser werden...
Endlich hatte man ihnen erlaubt unters Volk zu treten. Endlich durfte er mal andere Artgenossen Kennenlernen. Ihn hatte das ganze innerlich am Ende nur noch fertig gemacht. Er sah immer das selbe, konnte sich nicht mehr wirklich beschäftigen. Doch jetzt würde hoffentlich alles anders werden. Vielleicht würde er ja jetzt endlich mal Freunde finden. Wobei, damit tat er sich sicherlich sehr schwer mit. Er war nicht der beste darin, auf andere zu zugehen, und jetzt erst recht nicht. Er war in einem fremden Tal angekommen, wusste nicht genau was hier abging, was hier für Gestalten lauerten... und da sollte er dann noch auf andere zugehen? Das würde in die Hose gehen, da war sich der Fuchshengst mehr als sicher. Trotzdem wirkte sein Erscheinungsbild mehr als stolz, sein Kopf war in die Höhe gerichtete, seine Muskeln stachen unter seinem Fell hervor, nein hässlich war er keineswegs. Doch allein durch Aussehen bekam man keine Freunde... keine richtigen. Er hatte ja nur das Eichhörnchen Nutty. Und der hüpfte zurzeit von Baum zu Baum, oder suchte auf den Boden ein paar Nüsse für den Winter. Sein einziger Freund den er hatte, und dieser würde ihn sicherlich nicht im Stich lassen, da war er sich sicher. Er hatte ihn schon immer geholfen, sie haben viel gelacht, vielleicht auch mal geweint, wenn einer von beiden schlechte Laune hatte, haben sie sich gegenseitig wieder aufgemuntert. Sie waren eigentlich das beste Beispiel für eine perfekte Freundschaft.
Unter seinen Hufen wurde es sehr schnell steinig, und als er seine Umgebung näher betrachtete waren überall kleine spitze Seine die sich in seinen Hufen bohrten. Bis jetzt war es nicht wirklich unangenehm, doch er wusste schon wie lange das anhielt. Und doch siegte im Moment die neugier. Er wollte nichts verpassen, jede Ecke dieses Tales kennenlernen. Und dann konnte er sich immer noch entscheiden ob er hier bleiben würde oder nicht. Er lief immer weiter, bis sich vor ihn irgendwann ein Umriss eines anderen Pferdes bildete. Sollte er sich diesen nähern oder eher nicht? Nach wenigen Minuten des grübelns entschied er sich, dieses Pferd mal näher anzugucken. Also lief er weiter, geradewegs auf dieses Fremde Pferd zu. Beim näherkommen stellte er fest das es sich um eine Stute handelte, zumindest roch sie so. Mit gespitzten Ohren schaute er sie an. "Guten Abend", kam es mit leiser, aber dennoch rauer Stimme aus seinem Mund. Er war jetzt erst einmal gespannt, würde sie seine Anwesenheit dulden oder eher nicht?