Die schmächtige schwarze Stute, welche den Tag am Fluss abwärts am See verbracht hatte, war der Neugierde wegen dem funkelnden Geplätscher gefolgt. Vielleicht war es das Fohlen in ihr das vom Glitzern gefangen Fluss aufwärts gegangen war. Vielleicht war es aber auch die Faszination aus dem Zusammenspiel des leuchtenden Mondes und dem lebendig sprudelnden Wasser, sodass kleine Lichter über die Oberfläche tanzten und teilweise auch das Grün vereinnahmten. Elegant und fast erhaben trat sie ins Licht des Mondes und betrachtete einen langen Moment den Wasserfall der sich vor ihr aufgetan hatte. Sie hatte ihn mit ihrem feinen Gehör schon weit vorher gehört. Jetzt waren ihre kleinen, spitzen Ohren zwar auf das Wasserspiel gerichtet, aber sie würde auch jedes andere Geräusch neben dem Rauschen des Wassers vernehmen. Ihre eisblauen Augen funkelten gar mit dem Lichtspiel im Wasser um die Wette. Es war als zeichnete sich ein Lächeln darin. Von außen betrachtet musste es aussehen als wäre sie fasziniert von diesem Naturschauspiel. Sicherlich war sie das auch, denn sonst hätten sie ihre zarten Beine nicht hier herauf getragen.
Eines ihrer Ohren schnellte als erstes in jene Richtung aus der sie meinte ein leises Geräusch wahrgenommen zu haben. Auch in den Augenwinkeln suchte sie die kleine Lichtung um den Wasserfall und die Grenze ins Dunkel des Waldes ab. Die hell erleuchtete Nacht ließ den Wald wie ein finsteres schwarzes Loch wirken, welches entweder verschlingen oder ausspucken würde ohne Gnade. Ein paar wenige Haare aus ihrem Schweif ließen sich im sanften Wind tragen, so wie auch die Spitzen ihrer Mähne. Versteinert verweilte sie und versuchte reglos auszumachen ob sie ihre Sinne trügen oder die Schwärze womöglich eine Gestalt ausspucken wollte.
Entspannt trabte Naasir durch das Tal. Seinem Zuhause. Inwzischen kannte er jede Stelle in und auswendig, so oft war er bereits durch das Tal gewandert. Doch am Liebsten war er bei seiner Familie. All jenen, die zu Raphael gehalten hatten, als dieser noch gelebt hatte. Wie er diese Zeit vermisste. Ein Seufzen entrang sich seinem Maul. Wie sehr er diese alte Zeit zurück ersehnte. Doch am Ende konnten selbst Vampire und Engel nichts an einem Tod ändern. Er war endgütltig.
Heute genoss er einfach seine freie Zeit und ließ sich von seinen Beinen treiben. WOhin auch immer sie ihn führten, heute ließ er es zu.
Belustigt tänzelte er durch die Gegend, rannte los, nur um übermütig zu stoppen und den Kopf in die Luft zu werfen. Dazwischen schlich er sich an Füchse an und erschreckte sie. Einfach weil er es konnte. Wie sehr er doch sein Leben genoss. Zufrieden schnaubend trabte er den Weg Richtung Wasserfall. Sein heutiges Ziel. Seine Beine hatten entschieden.
Zufrieden mit der heutigen Auswahl schnaubte er, als er die Bäume hinter sich ließ und auf den freien Bereich zutrat.
Ein pferd stand bereits dort. Eine Stute um genau zu sein, wie ihm seine Nase verriet. Jung schien sie zu sein. Unschuldig. Sofort erwachte Begehren in Naasir. Hallo, ich bin Naasir. Willst du spielen? fragte er sofort. Er wollte sich nicht länger mit smalltalk aufhalten als nötig. Einzig sein Ziel stand ihm vor Augen, immerhin genoss er seine seltene Freie Zeit viel wenig oft.
Die junge Rappstute war ihrer Neugierde gefolgt und hatte sich tragen lassen von ihrem kindlichen Übermut. Jetzt stand sie an diesem wunderschönen Ort und fragte sich nur kurz, ob ihr ihre Sinne womöglich einen Streich spielten. Schnell stellte sich heraus, dass ihre Ohren hervorragend funktionierten und ihr Kopf nicht ganz abgeschaltet hatte. Eine dunkle Silhouette löste sich aus dem Wald. Jawarias Ohr schnellte als erstes in seine Richtung, kurz darauf ihr Kopf.
Die eisblauen Augen fixierten den kräftigen Braunen, während sie sich angespannt etwas aufrichtete und wachsam seinen Bewegungen folgte. Etwas irritiert nahm sie seine Worte wahr und neigte ihren Kopf amüsiert leicht zur Seite. Hatte der Braune eben gefragt, ob sie mit ihm spielen wollte? War sie verrückt oder gar er?
“Naasir”, wiederholte sie seinen Namen flüsternd. “Erfreut, ich bin Jawaria und Spielen ist eigentlich immer toll. Nach was steht dir denn der Sinn?” Misstrauen schwang unterschwellig in ihrer Stimme mit. Wer war dieser Hengst und was hatte er vor?
Zwischenzeitlich hatte sie sich ihm gänzlich zugewandt und musterte seine Erscheinung im fahlen Mondlicht genauer.
Naasir trat langsam aus den Bäumen hervor. Sein Schritt berechnend, genau wie sein Verstand. Niemals unterschätzte er einen Gegner, ok ab und zu vielleicht doch, doch diese Stute strahlte viel aus, aber keine Kampferfahrung. Unschuld, etwas kindliches vielleicht? Naasir konnte es nicht genau zuordnen. Am Ende war es ihm auch egal. Seine Ohren spielten munter, doch er konnte niemanden sonst hören. Sie waren allein. Zufrieden schnaubte er, genau so hatte er sich das vorgestellt.
Er beobachtete die faszinierenden Augen der Stute, Eisblau und absolut einzigartig. Sie wollte er unbedingt besitzen. Langsam ging er auf die Stute zu, genoss die Dunkelheit der Nacht. Nur der Mond erhellte die Umgebung, doch Naasir konnte genug sehen. Jawaria, ich freue mich, hauchte er und trat weiter an sie heran. Welche Art von Spiel? nun, am Ende konnte er sich mehrere Arten vorstellen, doch zu allerst wollte seine Lust befriedigt werden. Ich dachte wir amüsieren uns ein wenig. Und später bin ich offen für deine Arten der Spiele, bot er großzügig an und trat auffällig hinter sie. Gierig sog er die Luft ein, sie roch sogar gut. Er wollte sie unbedingt haben.
Ein erhabener, selbstsicherer Auftritt. Die junge Stute war sich nicht sicher, wie sie den Hengst einzuordnen hatte. Dafür fehlte ihr einfach die Lebenserfahrung. Da konnte sie selbst so souverän auftreten wie sie wollte, ihr Gegenüber blieb einen Moment zu lange ein Rätsel.
Als er langsamen Schrittes auf sie zukam, verengte sie bereits ihre Augen und schnaubte erst skeptisch, gefolgt von einem warnenden Schweifschlagen.
Ihenr Namen gehaucht, klappten ihre Ohren sofort an den Hinterkopf und sie schnaubte abfällig, während ihre blauen Augen den Hengst fixierten. Sie mochte jung sein, aber ihr war sofort klar auf welches “Spiel” er aus war. “Ich verzichte auf diese Art von Spiel!”, dabei schnellte sie zu ihm herum und entzog ihm so rasch ihre Hinterhand. Mit einem Biss in seine Richtung, in Verbindung mit einm Schweifschlagen, deutete sie unmissverständlich an was sie von seinem Vorschlag hielt. “Such dir jemanden anderen für deine Gelüste! Sicherlich kennst du jemanden der dieses Spielchen mit der spielen möchte.” Dabei wich sie nun langsamen Schrittes rückwärts um wieder etwas Distanz zwischen ihn und ihr zu bekommen. Allerdings ging sie nicht auch noch törichterweise davon aus er würde einfach von ihr ablassen. Ehrlicherweise überlegte sie, ob sie auf der Hinterhand kehrt machen konnte und ihm ins Dunkel des Waldes entkommen. Keinesfalls würde sie in einer direkten Auseinandersetzung gegen ihn standhalten können. Er war ein stattlicher, großer Hengst und sie die schmächtige, junge Stute die sie nunmal war. Ihr wurde eisig kalt bei all den Gedanken und Gefühlen die sie übermannten und vielleicht konnte man in ihren ebenso eisigen Augen einen Hauch von Panik glitzern sehen.
Naasir betrachtete seine Beute genau. Jedes zucken, jede Regung war abgespeichert und wurde erkannt. Das war sein täglich Brot. Anders kannte er es nicht. All die Jahrhunderte war er aufmerksam gewesen. So war auch jetzt nur ein Teil seiner Aufmerksamkeit bei der Stute. Der Rest checkte dauerhaft die Umgebung ab. Er musste immer vorbereitet sein. Auf Gefahren, aber auch auf angriffen.
Belustigt nahm er die ängstliche Haltung ihm gegenüber war. Egal was sie versuchte auszustrahlen, sie war nur ein junges Kaninchen, dass sich einem Wolf gegenüber sah. Einem sehr hungrigen Wolf. Doch Naasir hatte sich unter Kontrolle, wie immer. Deswegen wollte er nur die Schultern zucken auf ihre bissige Antwort. Doch genau in dem Moment wo sie angriff, war es auch mit seiner Freundlichkeit vorbei.
Wie der wilde Tiger der er war sprang er auf sie zu und verbiss sich in ihrem Mähnenkamm. Mit schierer Gewalt drängte er die zarte Stute zu Boden. Erst als sie aufgab, ließ er von ihr ab. Ich kann akzeptieren das du nicht spielen willst, aber greif mich nie wieder an, wenn du dich nicht zu wehren weißt, riet er ihr mit kalter Stimme. Hoch erhoben stand er da, die Ohren angelegt. Dabei blieb seine Aufmerksamkeit stehts geteilt. Soltle sie nochmals versuchen ihn anzugreifen würde er sie nicht so glimpflich davonkommen lassen wie diesmal. Widerspenstiges Weib. Schade das sie nicht spielen wollte, Naasir wäre sofort bereit für diese Art von spiel. Aber er hatte es nicht nötig eine Stute gegen ihren Willen zu nehmen.
Wer oder was ihr gegenüber stand, konnte sie nicht im Geringsten vorstellen. Der Jungen Stute war nicht einmal bewusst was in ihr prodelte und wer sie war. Also verhielt sie sich entsprechend, wie sich eine junge Stute in einer solchen Situation eben verhielt. Dass sie dem Hengst mit einer wahrlich kleinen aber deutlichen Geste signalisierte was sie von seinem Auftritt hielt, das war vermutlich doch ihrem Charakter geschuldet. Schließlich war sie kein Kind der Traurigkeit.
Von seiner heftigen Reaktion war sie überrascht. Ein eben solcher Laut trat aus ihrer Kehle als er sie zu Boden zwang und sie schnaubte nicht nur überrascht, sondern gereizt. Als er von ihr ab ließ, blickte kurz irritiert auf die ihr deutlich auffallenden, hellen Atemwolke. So schnell wie sie da gewesen war, so schnell schien alles wieder normal. Die Worte des Hengstes prallten teils an ihr ab. Ja, sie war jung und wusste sich noch nicht wirklich gut zu wehren, aber das sollte kein Freifahrtschein sein. Also funkelte sie ihn nun, da sie sich wieder aufgerappelt hatte, von unten herauf an. “Vielleicht komme ich irgendwann darauf zurück, wenn ich mich wehren kann! Denn angegriffen habe ich ganz sicher nicht!”, schnaubte sie erzürnt, aber mit gesenktem Haupt. So signalisierte sie ihm lediglich, dass sie in keinster Weise körperlich auf Konfrontationskurs war. Was man von ihrem Mundwerk nicht unbedingt behaupten konnte.
Wörter: 242
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17.07.2024, 22:07
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Stillreich
» Das Tal » Wasserfall
» Viel zu schön für den Tag