Stillreich » Das Tal » Guter Junge. Böser Junge.
Ort: Märchenwald - Teilnehmer:
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>>> Co-Sencillo an der Front

Fast schon missmutig gruben sich die Hufe des Buckskin in den vom Tauwetter aufgeweichten Boden, während er dem Lauf des Flusses folgte. Dieses gottverdammte Tal war so grundlegend langweilig, das es einem vorkommen konnte wie die Hölle. Es gab zwar einige Herden mit einigen Mitgliedern und auch ein paar Einzelgänger, wie man die ohne Zugehörigkeit wohl nannte, aber nichts, was von Großartigkeit oder Bedeutung war. Was die Faszination des Hengstes fesseln konnte. Bis auf Nami, die war ganz in Ordnung, aber ihre Treffen waren irgendwie rar. Wie lange war es her, das er die helle Stute das letzte Mal gesehen hatte? Als er, der er war. Nicht der richtige Sencillo, sondern seine abgespaltene Persönlichkeit. Sie beide gehörten zwar der selben, langweiligen Herde an, welche vor Normalität nur so strotze, aber hier hatte das scheinbar nicht viel zu bedeuten. Jeder war mal hier, mal da, ein richtiger Zusammenhalt? Der war vermutlich nur in Ausnahmefällen möglich. Angewidert kräuselte der Buckskin die Nüstern, ehe er ungehalten den Kopf in den Nacken warf, dass das dunkle Langhaar nur so flog. Warum war er überhaupt vorne? Was wollte er hier? Hier, wo niemand war, der ihn sah. Ihm die Zeit erträglich machen konnte. Auf welche Art auch immer.

Langsam veränderte sich die Umgebung. Den Fluss zur Linken wurde der Wald zu seiner Rechten etwas lichter, heller, freundlicher. Sencillo hielt inne, ließ den Blick wandern. Wie weit er schon gelaufen war, genervt von Allem und irgendwie einsam? Nicht das es ihm wirklich etwas ausmachte. Oder vielleicht doch? Immerhin stand der Buckskin gerne im Mittelpunkt des Geschehens. Nur hier gab es einfach keins. Die Tage hier waren öde und erdrückten manchmal jeglichen Tatendrang im Keim. Wo waren die Unstimmigkeiten zwischen den Herden, von denen er gehört hatte? Die Verrückten? Die Magischen? Tot und Verwüstung? Es war ihm beinahe, als wären das alles Lügen gewesen. Von alledem hatte der Hengst bisher nämlich so gut wie gar nichts mitbekommen, wenn man von den hohlen Worten und das mitunter angsterfüllte Geschwätz von Anderen absah. Irgendwie war alles hier einfach sterbenslangweilig. Normal. Da war Nichts, was ihm in irgendeiner Weise reizen konnte. Für den Haupt-Sencillo war das hier alles natürlich so was von perfekt. Der wollte ja einfach nur in der Masse untergehen, normal sein, nicht auffallen und sein Leben ungeachtet ihrer Möglichkeiten leben. Nun, er wusste ja auch gar nicht was sie Beide, zusammen, als Eins, im Stande wären zu tun. Er wusste ja nicht mal genau, das er nicht nur er war, sondern viel mehr als das. Mehr als die meisten Lebewesen waren. Vielleicht sollte er seinem Körpergeber endlich mal einen Wink mit dem Zaunpfahl geben? Oder am Besten mit dem ganzen Zaun, so begriffsstutzig wie der manchmal war?

Ein Knacken von Geäst ließ Sencillo aufhorchen. Gesellschaft? Kurz spielten die immer noch im Genick vergrabenen Ohren, während die geblähten Nüstern versuchten einen Geruch zu erhaschen. Das laue Lüftchen, welches über das Wasser herüber im Märchenwald verschwand, kam aus dem Rücken des Hengstes und war somit keine große Hilfe. Sekunden - oder waren es gar Minuten - verstrichen ohne das Etwas geschah. Vermutlich war es nur irgendein dummes Kleintier gewesen. Nichts von Bedeutung. Mit einem genervten Schnauben wand der Hengst den Kopf aus Richtung des Geräusches zum Flussbett hinüber. Vielleicht sollte er einfach gehen. Hinfort. Irgendwo fernab dieses Tals nach Abenteuern suchen. Nach Etwas, das sich lohnte, das eine Herausforderung war, ihn reizte. Auch wenn Sencillo nicht genau wusste, ob es überhaupt irgendetwas gab, was ihn auf lange Sicht beschäftigen und fesseln konnte. Der Kampf, damals, in jungen Jahren, der war was gewesen. Da konnte er sein und zeigen wer er war. Wie viele Jahre mochte das her sein? Und nicht einmal da hatte der Haupt-Sencillo verstanden. Wie dumm konnte man sein?



Wörter: 715

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völlig normal sein
Wenn du abweichst, wirst du anders. Du spürst alle Blicke auf dir. Du kannst aus einer Meile Entfernung hören, wie über dich getuschelt wird. Du kannst schreien, und niemand hört einen Laut. Du wirst der Mutant, dem alle Gliedmaßen fehlen, aber nicht das verdammt Herz. Du wirst das Wesen, das irgendwann mal normal war, aber das ist dann so lange her, dass du nicht mal mehr weißt, wie das war.
04.01.2022, 07:36
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Einige Tage waren seit der skurrilen Begegnung mit Mercy vergangen und ließen Viper mit gemischten Gefühlen zurück. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass sie ihren verhassten Lehrmeister in der verlassensten Einöde dieses Planeten getroffen hatte und so war sie kurz davor, es dem Schicksal in die Schuhe zu schieben. Auf der anderen Seite: Glaubte sie überhaupt an so etwas wie Schicksal? Doch die junge Fuchsstute war nicht in der Stimmung, sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen. Damit hatte sie sich die letzten quälenden Jahre genug befasst. Obwohl es so paradox schien, war sie nach dem Zusammentreffen ungewohnt erfrischt. Als wären ihre Lebensgeister durch etwas Reibung erwacht. Das Gespräch mit dem schwarzen Teufel hatte ihr nämlich eines klar gemacht, was sie in all der Abgeschiedenheit der letzten Zeit nicht hatte wahrhaben wollen. Sie würde kein Sklave ihrer Gedanken und Vergangenheit mehr sein. Sie würde die Schuld nicht länger mit sich herumtragen, und noch mehr – sie würde sie gar nicht annehmen. Ja, sie hatte Schreckliches vollbracht und sie würde die Untaten nie mit Stolz tragen. Aber sie würde auch nicht an ihnen zerbrechen. Es war ein fester Entschluss, den sie in den letzten Tagen gefasst hatte und das war es, was ihr neue Kraft gab. Ihre Augen hatten wieder an Glanz gewonnen, schauten fast schon herausfordernd in die Welt. Sie war noch immer eine andere als damals, nicht mehr so unbeschwert, nicht so herzensgut verspielt und naiv, aber auch die Schwere der letzten Monate hatte sie nun verlassen. War es vielleicht sogar ein wenig Trotz, der in jedem ihrer Schritte spielte? Gegen wen oder was wusste sie nicht, aber dennoch wirkte Viper wie unter Strom. Es juckte ihr im ganzen Körper, etwas zu erleben – auch wenn sie nicht den Finger darauf halten konnte, was genau das war.

So vergaß sie auch alle Vorsicht, denn was gab es schon zu fürchten? In ihren Augen hatte sie den Teufel bezwungen, denn er hatte keine Macht mehr über sie. Es war ihr egal, wie viel Lärm sie bei jedem Schritt machte und so ließ sie das lichter werdende Unterholz achtlos unter ihren Hufen knacken. Schwungvoll legte sie einen Gang zu, trabte federleicht über das tote Meer aus Ästen, ließ die Muskeln spielen. Wie lange hatte sie das schon nicht mehr gemacht? Wie lange war es her, dass sie in jeder Bewegung wirkliche Lebendigkeit gespürt und diese zugelassen hatte? Es versetzte sie in eine lange vergessene Ekstase und schnell verfiel sie in einen gestreckten Galopp, halsbrecherisch in diesem Gelände, doch wie schon in ihrer Jugend hatte sich die Fuchsrote ihre Trittsicherheit stets bewahrt.

 

Doch unweit von ihr erwachte der Wald zu neuem Leben, welches sie trotz der Schönheit des Tales nicht für möglich gehalten hätte. Es war ein Fremder, der seinen eigenen Launen zu unterliegen schien und Viper verlangsamte nur mäßig ihr Tempo. Sie hatte keine Angst vor ihm oder vor einer Konfrontation, irgendwie reizte sie dieser Gedanke sogar. Wenige Meter von dem Buckskin entfernt kam sie tänzelnd zum Stehen, schlug leicht mit dem Kopf, um ihrer Energie Luft zu machen. Der Hengst konnte sie unmöglich übersehen haben und sie überließ es ihm mit neugierig spielenden Ohren, aus einem zufälligen ‚über-den-Weg-laufen‘ eine richtige Begegnung zu machen. Bot er vielleicht die Möglichkeit, in diesem bisher so seelenlosen Tal einen wirklichen Neustart zu beginnen?



Wörter: 623

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04.01.2022, 20:03
» Sencillo
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Die Geräusche des Waldes änderten sich. Äste brachen unter schnellen Schritten. Sencillo verriet mit beinahe keiner Regung das er hörte, das da Jemand wie ein Irrer durch das Geäst semmelte und scheinbar direkt auf ihn zukam. Lediglich ein kurzes Ohrenzucken war bei genauem Hinsehen zu erkennen. Er sprang nicht herum, wand sich nicht dem oder der Unbekannten zu. Warum auch? Wäre es ein Angriff, würde derjenige schon sehen was er davon hatte. Und war es keiner, nun dann könnte das vielleicht eine willkommen Abwechslung vom tristen Alltagstrott sein. „Man könnte meinen eine ganze Elefantenherde wühlt sich durch den Wald.“ ließ der Buckskin mit dunkler, unbeeindruckter Stimme hören, als das Geräusch der Schritte direkt hinter ihm erstarb. Der Wind trug ihm den Geruch einer Stute zu. Unbekannt. Fremd. Nicht das der Hengst grundsätzlich etwas gegen neue Bekanntschaften hatte. Im Gegenteil. Gerade wo ihn doch eben noch die Langeweile beinahe den Verstand geraubt hätte. Sofern er einen solchen überhaupt besaß.

Der Buckskin ließ sich Zeit. Niemand hetzte ihn. Und wenn die Fremde es eilig hatte, er würde sie nicht aufhalten. Warum auch. Letztlich ließ er sich doch dazu hin, sich der Stute zuzuwenden. Die dunklen Seelenspiegel musterten ihre Gestalt. Sie war von kompakter Statur. Nicht wirklich fett, aber doch muskulös und eine Erscheinung, wie man sie in Stutengestalt wohl seltener sah. In ihren Augen blitze es beinahe herausfordernd, während ihre Ohren wie wild spielten. Sie überließ es scheinbar ihm, das Ganze ins Rollen zu bringen. „Warum diese Hektik? Wo geht’s hin?“ Nicht das es Sencillo wirklich interessierte, aber vielleicht bestand in dieser Begegnung eine Chance mal etwas anderes zu erleben als denn immer gleichen Trott. Die bis vor wenigen Sekunden noch in den Nacken gepressten Ohren rutschten wie von selbst in eine neutral-aufmerksame Position. Er hatte keinen wirklich schlechten Tag, war nur etwas genervt von Allem. Wie das Ganze hier laufen würde, das würde sich wohl noch ergeben. Mit den richtigen Worten und der richtigen Art konnte der Buckskin, besser gesagt seine abgespaltene Persönlichkeit, die er nun mal gerade war, ein recht angenehmer Zeitgenosse sein. Manchmal. Wenn man wusste mit ihm umzugehen.

Der Wind frischte auf, trieb die Wolkenansammlung am Himmel vor sich her, wie ein Schäfer seine Schäfchen. Sencillo ließ den Blick wandern, schmeckte die Frische der Luft, die Frost und Kälte ankündigte. Vermutlich würde es am heutigen Abend ziemlich winterlich hereinbrechen, auch wenn die Sonne, die man durch die Wipfel der Bäume erahnen konnte, jetzt noch nichts davon erzählte. Es war beinahe zu warm für diese Jahreszeit. Frühlingshaft. „Wer bist du überhaupt, wenn man das fragen und wissen darf?“ ließ der Buckskin hören, während er die Umgebung scannte und den Eindruck vermittelte, als hätte er eigentlich kein wirkliches Interesse an einer Unterhaltung. Das dies alles ein Test war, das war ihm vermutlich selber nicht mal ganz so klar. Immerhin, wer mit ihm beisammen sein wollte, der musste es schon wert sein. Er war niemand, der einfach so eine Zeit, die sowieso rar war, da meistens der andere Teil präsent war, oder sein Wesen an jeden beliebigen Dahergelaufenen vergeudetet. Wenngleich wohl auch irgendeine Gesellschaft besser war, als gar keine.



Wörter: 600

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04.01.2022, 21:20
» Asp Viper


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Es hörte sich fast schon an, als würde der Fremde sie mit seinen kühlen Worten rügen wollen, doch für solcherlei Zurechtweisungen war Viper nicht empfänglich. Irgendwie amüsierte es sie sogar, denn der Stute war es herzlich egal, wie laut sie an diesem Tag durch den Wald stob. Der Hengst schien sich nicht darum zu bemühen, ihr mehr als sein Hinterteil zuzuwenden und sofort kamen ihr Bruchteile ihrer Ausbildung in den Sinn. Sie begann zu analysieren, begann zu sehen, wo seine Schwachstellen waren, wo er am verwundbarsten war. So wie sie den Buckskin in den ersten Sekunden einschätzte, war es nicht die Position, die ihn am verletzlichsten machte, sondern seine Arroganz. Ja, er schien Erfahrung zu haben in Kampf und Taktik, sonst wäre er nicht so desinteressiert und ruhig. Oder aber sie lag ganz falsch und sein Leben war ihm einfach nichts wert. Sie hielt es nicht für notwendig auf eine Phrase zu antworten, die ihr nicht einmal ins Gesicht gesagt worden war und so wartete sie einfach ab.

Und sie sollte für ihre Geduld belohnt werden. Denn nach wenigen Augenblicken drehte sich der Fremde auch mit seinem Antlitz zu ihr um und bezeichnete sie doch tatsächlich als hektisch. Viper musste schmunzeln und zwang sich dazu, keine Nuance von Abfälligkeit in ihrer Miene mitschwingen zu lassen. Na wenn der so weiter machte, konnte das ja heiter werden. Auf der anderen Seite war sie in diesem Moment wohl das Gegenteil von ruhig und gelassen, sie würde ihm verzeihen, dass er noch nicht bemerkte, dass in jeder ihrer Bewegungen Präzision und Energie lag, keine Hektik. „Ich habe kein festes Ziel. Ich habe mich nur gefragt, ob in diesem Tal noch eine andere Seele lebt, als ich selbst. Anscheinend bin ich fündig geworden.“ Gut, sie war nicht wirklich auf der Suche nach einem anderen Pferd gewesen, aber war es nicht genau das, was sie sich insgeheim gewünscht und erhofft hatte? Schließlich wollte sie einen Neustart, das alte Leben zurücklassen. Und auch, wenn sie ihre Jugend abgeschieden in den Höhlen des Heimatgebirges verbracht hatte, so hatte sie gefallen an Gesellschaft gefunden. So lange hatte sie sich genau diese doch verwehrt. Würde sich das nun ändern? Und viel wichtiger noch, war der Bucksin vor ihr überhaupt der richtige Umgang? Mittlerweile hatten sich seine Ohren wenigstens leicht nach vorne bewegt und pressten nicht mehr zwanghaft in den Nacken. Viper selbst hatte mit dem Ohrenspiel aufgehört und sie offen nach vorne aufgestellt. Sie verspürte keinen Deut Unsicherheit und das durfte der Fremde auch gerne mitbekommen. Wobei sie ihn höchstens für kratzbürstig, nicht aber für beschränkt hielt.

Als er dann begann sich mit Blick und Aufmerksamkeit von ihr abzuwenden und nur beiläufig eine Frage stellte, als wolle er gar keine richtige Antwort darauf, zog Viper die imaginäre Augenbraue hoch. Sollte sie überhaupt ihre Zeit hier verschwenden? Der Junge vor ihr hatte wohl entweder keine Kinderstube erhalten, oder war schlichtweg dreist. Oder sollte das Ganze eine Herausforderung sein? Allerdings fühlte Viper sich nicht wirklich auf den Schlips getreten. Wenn er mit ihr so umging, würde er es vermutlich mit jeder beliebigen anderen Person ebenfalls tun. Sie ging also unerschrocken einfach ein paar Schritte näher und kam nur wenige Meter vor dem Fremden erneut zum Stehen. Sie hatte sich dafür entschieden, einfach normal zu antworten – patzig konnte sie immer noch werden. Sie war in Laune, dem Braunen eine Chance zu geben. „Viper. Über mich gibt es nicht viel zu wissen.“ Jahre der Schauspielkunst erlaubten es ihr, glaubhaft eine Note der Unbeschwertheit in die Stimme zu legen. Es gab so unendlich viel über sie zu wissen, doch Viper war sich nicht sicher, ob sie je jemandem von ihrem Vorleben erzählen würde. „Und wie sieht es mit dir aus? Hast du Spannenderes zu erzählen?“ Sie sparte es sich zu fragen, ob er gerade in einer bockigen Teenagerphase war, denn so verhielt er sich körpersprachlich in diesem Moment.



Wörter: 734

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05.01.2022, 18:34
» Sencillo
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Sencillo hielt die Fremde letztlich wieder fest im Blick. Hier gab es sonst einfach nichts Interessantes, warum also der Stute nicht eine echte Chance geben. Immerhin versprach sie etwas Abwechslung vom sterbenslangweiligen Alltag hier in diesem gottverdammten Tal. Langsam arbeiteten sich die fein geschwungenen Ohren des Buckskin nach vorne, lauschten ihren Worten. Während der Hengst beobachtete, musterte und analysierte, musste er seinen ersten Eindruck revidieren. Die Stute wirkte gar nicht so hektisch, wie ihr lautstarker Lauf durch das Geäst geklungen hatte. Eher temperamentvoll, voller Leben und Energie. Gut, damit konnte man tatsächlich etwas anfangen. „Nicht nur eine Seele.“ hauchte Sencillo auf ihre Aussage, die Stimme kaum mehr als ein dunkles Flüstern mit einem wissenden, beinahe schon unheilvollen Nebenton. Sie hatte ja so gar keine Ahnung. Aber wie sollte sie auch? Wenn nichtmal der wahre Sencillo von dieser zweiten Seele in seinem Körper wusste – oder wissen wollte? - wie sollte das ein Fremder wissen können? Die Stute sah hier einfach nur einen durchschnittlichen Hengst. Nicht besonders groß, aber auch kein Zwerg. Nicht besonders hübsch, aber auch keiner vor dem es einem gruselte. Und trotzdem, sobald er da war, die abgespaltene Persönlichkeit des eigentlichen Bewohners dieses Körpers, war seine Erscheinung in einer nicht genau erklärbaren Weise fesselnd, faszinierend, besonders. Woran das lag? Was weiß der Teufel.

Viper.“ wiederholte der Buckskin knapp, nickte verständnisvoll. Kein gewöhnlicher Name, aber irgendwie kam er ihm passend für diese Erscheinung vor. Das sie sich auf ihn einließ schrieb er ihr zumindest schon mal gut. „Ich bin bekannt als Sencillo.“ Nicht das Namen von großer Bedeutung wären. Grundsätzlich nur Schall und Rauch. Wie selten war es, das ein Name auch die gesamte Persönlichkeit erklärte. Dafür konnten Persönlichkeiten viel zu breit gefächert sein. Gerade der Buckskin war das beste Beispiel. Zwei so gegensätzliche Seiten, das dieser Name den sie trugen, absolut gar nichts aussagte. „Etwas Spannendes?“ wiederholte Sencillo und ließt den Blick über die nahe Umgebung wandern, deutete ihr mit dem Haupt kurz an es ihm gleich zu tun. „Hier? In diesem gottverdammten und sterbenslangweiligen Tal? Eher nein.“ Wie automatisch rutschten die Ohren des Hengstes wieder etwas nach hinten, genervt, die Nüstern beinahe angeekelt gekräuselt. Hier war alles so unglaublich normal. Zu ruhig. Zu friedlich. „Ich hörte von Krieg und Verwüstung. Aber ganz ehrlich? Nichtmal eine Ahnung davon hab ich bisher bekommen. Hier ist einfach alles so ein grauer, trister Trott.“ Ohne sich dessen bewusst zu sein stapfte der Buckskin hart mit dem Vorderhuf auf, was auf manche sicher wie blanker Trotz wirken konnte. Das Sencillo alles andere als trotzig war, konnte man erkennen, wenn man genau hinsah. Er war einfach nur genervt, wollte leben, etwas erleben, sich austoben und einfach sein. Das durfte er ja sowieso viel zu selten. Warum eigentlich? Warum ließ er immer den Anderen vorne und nahm sich viel zu selten Zeit für sich selbst? Immerhin hatte er durchaus die Kraft den Anderen, diese lahme Lusche, den Körpergeber, zu unterdrücken. Aber ständig durch Langeweile zu waten, das war nur auch nicht so das Gelbe vom Ei.

Und ansonsten.“ begann der Buckskin nach einem Moment der Stille, die Stimme dunkel, aber neutral. „Ich war mal hier, mal dort. Nichts was irgendwie wichtig wäre. Wie nanntest du es? Es gibt nicht viel zu wissen.“ Das er ihr das nicht ganz abkaufte verriet sein Tonfall. Die Meisten hatten eine Geschichte. Und nicht allzu selten gab es dort dunkle Geheimnisse. Auch der Hengst hatte seine Vergangenheit. Krieg. Blut. Kampf. Morde. Zwar nur diesen einen, großen, beeindruckenden Kampf, neben mehreren kleinen, unbedeutenden, aber immerhin. Gerade die, die behaupten es gäbe nicht viel zu erzählen, hatten meistens die größten Geschichten im Gepäck. Aber Sencillo würde die Stute nicht ausquetschen, das war es nicht wert. Würde sie reden wollen, er würde zuhören. Zumindest wenn es was interessantes war. Und ansonsten könnte sie sich ihre Geschichten sonst wohin stecken. Kurz zuckten die Ohren des Buckskins, ehe sie wieder in aufmerksamer Position nach vorne gerichtet verharrten. Zumindest schaffte die Stute es, das die graue Eintönigkeit hier nicht mehr ganz so erdrückend auf ihm lastete.



Wörter: 781

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Wenn du abweichst, wirst du anders. Du spürst alle Blicke auf dir. Du kannst aus einer Meile Entfernung hören, wie über dich getuschelt wird. Du kannst schreien, und niemand hört einen Laut. Du wirst der Mutant, dem alle Gliedmaßen fehlen, aber nicht das verdammt Herz. Du wirst das Wesen, das irgendwann mal normal war, aber das ist dann so lange her, dass du nicht mal mehr weißt, wie das war.
05.01.2022, 19:30
» Asp Viper


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Viper war enorm sensibel, wenn es darum ging, Nuancen herauszuhören. Und was sie bei ihrem fremden Gegenüber in der Stimme vernahm, erweckte in ihr sowohl Misstrauen, als auch Neugierde. Sie hatte eigentlich genug von Persönlichkeiten, die etwas verbargen, zu viel Leid hatte ihr das schon gebracht. Auf der anderen Seite - war sie anders? Eigentlich keinen Deut. Jeder hatte in seinem Leben eine Vorgeschichte und die wenigsten waren bereit, mit all ihren dunklen Geheimnissen herauszurücken. Deswegen beließ sie es erst einmal bei diesem seltsamen Gefühl in ihrer Magengegend. Sie würde den weiteren Verlauf dieser Begegnung einfach auf sich zukommen lassen, vielleicht wurde sie ja mit der Zeit schlauer aus dem Fremden. Wenn das überhaupt von Bedeutung war. Womöglich sahen die beiden sich nur an diesem lauen Wintertag und danach würden ihre Wege sich nie wieder kreuzen. Wer wusste das schon? „Oh, so geheimnisvoll.“, bemerkte sie dennoch leicht schnippisch, denn einen kleinen Kommentar zu seinen dramatischen Worten konnte sie sich nicht verkneifen. Sie zwinkerte jedoch spielerisch, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. Viper konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal gezwinkert hatte. Das wäre dann vermutlich bei ihrem letzten Zusammentreffen mit ihrem Jugendfreund Ukiyo gewesen. Der Gedanke an den herzensguten Fuchs versetzte ihr einen Stich. Doch nicht ein Hauch dieses kurzweiligen Schmerzes zeichnete sich auf ihrem feinen Gesicht ab.

Da half es, dass auch der Fremde sich vorstellte, um wenigstens nicht mehr ganz fremd zu sein. So konnte Viper sich auf etwas anderes konzentrieren, als verflossene Freunde. Sie nickte nur zur erneuten Begrüßung, um zu verdeutlichen, dass sie seinen Namen verstanden hatte. Sie hatte schon so viele Namen gehört, gewöhnlich, wie auch ungewöhnlich und dieser reihte sich irgendwo in der Mitte ein. Oh, mit ihren nächsten Worten schien die Rote wohl einen Nerv getroffen zu haben. Als sie Sencillos Blick folgte, wurde ihr aber klar, was er meinte. Da sie nicht blind war, war es ihr auch schon selbst aufgefallen. Die Langeweile hing wie ein unheilvoller Nebelschleier über dem Tal. Ob sie sich deswegen direkt Krieg und Verwüstung wünschen sollte war dagegen eher fraglich. Vor genau diesen Umständen war sie ja schließlich aus ihrem alten Leben geflüchtet. Dass sie diese selber herbeigeführt hatte, musste ja keiner so genau wissen. „Meinst du es gibt nichts Spannendes im Leben außer Blutvergießen und Verderben?“, es war kein Angriff den sie da startete, sondern eine ernst gemeinte Frage. Entweder wollte sich der Buckskin hier theatralisch aufspielen, oder aber er lechzte tatsächlich nach diesen schrecklichen Zuständen. Sie legte ihren Kopf leicht schief, um sich den Hengst genauer zu beschauen. Er war kräftig gebaut und gut genährt, schien gepflegt und gesund. Hatte er je wirkliches Leid erfahren, dass er solche Aussagen mit voller Ernsthaftigkeit tätigen wollte? Bei genauerem Hinsehen erblickte sie einige Narben, doch die wenigsten stachen hervor. Vielleicht hatte er einige Spaßeskämpfe hinter sich, oder kleine Auseinandersetzungen gehabt. Er war sicher ein verwöhnter kleiner Junge, der im Leben mal etwas wahrhaft Abenteuerliches erleben wollte. Doch war sie so nicht vor wenigen Jahren auch selbst gewesen? Sicherlich. Und dafür hatte sie teuer bezahlt. Aber sie alle hier waren auf der Welt, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen und so sagte Viper nichts weiter dazu. Er war jung und durstig nach Leben, das wollte sie ihm lassen. Und schließlich sah man ihr die Kampferfahrung am Körper ebenfalls nicht an. Deswegen wollte sie nicht allzu voreilig ein Urteil über den Braunen fällen. Vielleicht steckte hinter seiner Fassade noch mehr. Sie war nicht die einzige, die ihre Vergangenheit zu verbergen wusste.

Die fuchsrote Stute merkte ganz genau, dass Sencillo hinter ihren unbedeutenden Worten mehr vermutete, als sie ursprünglich durchschimmern ließ, aber das war ihr recht egal. Sie war nicht hier, um mit Fremden über ihre Vergangenheit zu tratschen und sicherlich entsprach es nicht seiner Definition von spannend, wenn sie über die Historie ihrer beider Leben sinnierten. „Nun, was schlägst du also vor, um dem langweiligen Trott hier zu entkommen?“, fragte Viper keck und ihre Augen funkelten in einer wilden Mischung aus Herausforderung und spielerischer Leichtigkeit. Sie war gespannt, was Sencillo so zu bieten hatte, denn bei seiner schlechten Laune musste er ja wohl eine genaue Vorstellung von Spaß haben. Und sie fühlte das erste Mal seit Jahren die schreckliche Last, all die Sorgen und Trübseligkeit von sich abfallen. In diesem Moment ging es einfach Mal nicht um all die schrecklichen Dinge, in diesem Moment ging es nur darum, ein Stück ihrer alten Persönlichkeit wieder aufleben zu lassen. Zu atmen und zu leben. Vielleicht wäre es genau dieser Wunsch, der die beiden in diesem Augenblick verbinden konnte.



Wörter: 859

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06.01.2022, 21:23
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Die schnippischen Worte klingelte in den Ohren des Hengste und seine Augen vereengten sich zu Schlitzen, während die Ohren fix in den Nacken flogen. Viper nahm ihn nicht ernst! Einem ersten Impuls folgend wollte Sencillo vorpreschen, ihr die Zähne ins Fleisch schlagen und sie in die Knie zwingen. Er wollte ihr zeigen das ihn zu unterschätzen, ihn nicht ernst zu nehmen ein Fehler war. Doch Sencillo nahm sich innerlich zurück, straffte die Haltung und behielt die Kontrolle. Viper sollte weiterhin ihre Chance haben. Vielleicht, weil er in der Stute ein Potential sah, welches er noch nicht verschwenden wollte. Vielleicht auch nur, weil sie zumindest eine kleine Abwechslung vom Grau des Alltags war? Es fiel dem Buckskin nicht leicht. Impulsivität war etwas, was man ihm fast schon als Charakterzug unterstellen konnte, aber nicht immer war sie angebracht. Hier vielleicht war es ein Fehler dem nachzugeben? Ihr fast schon versöhnliches Blinzen machte es ihm letztlich etwas einfacher. So zog der Hengst nur tief die Luft ein, hielt inne und lauschte weiter den Geräuschen die da waren.

"Mitnichten." gab der Hengst nach einem Moment, wo er ihre ernst gemeinte Frage auf sich wirken ließ, mit dunkler Stimme zu hören. Sicher gab es mehr als Blutvergießen und Verderben, auch wenn ihm auf die Schnelle nicht wirklich einfiel, was davon für ihn ausreichend war das Gemüt zu erhellen. Langeweile war es zumindest nicht. "Aber das waren so die Geschichten, die ich hörte, die nicht vor Langeweile überqollen." Das sollte wohl fürs Erste reichen. Und wenn sich Viper damit nicht zufrieden gab, irgendwas würde ihm als Antwort schon einfallen. Etwas Dramatik vielleicht? Gespräche? Gemeinsame Aktivitäten? Freundschaften? Liebschaften? Sencillo schüttelte kurz das Haupt. Das alles klang so normal in seinem Kopf, nicht wirklich reizend. Außer man hatte den richtigen Gegenüber. Gab es so Jemanden schonmal? Nami vielleicht, aber die hatte auch das Glück gepachtet gehabt, die abgespaltene Persönlichkeit des Buckskin an einem guten Tag erwischt zu haben. Was dieser jetzt, hier und heute für einer war oder werden würde, stand noch in den Sternen.

Die Stute gab sich natürlich nicht zufrieden. Sencillo schnaubte, hart und dunkel. Also was sollte er ihr sagen? Kurz wanderte der Blick, ein beinah grüblerischer Ausdruck darin. Warum sollte er eigentlich was vorschlagen? "Nun." begann der Hengst und lenkte seine Augen zurück auf ihre Gestalt. "Was käme dir denn in den Sinn? Wahlweise höre ich mir auch gern ein Schlag aus deiner Jugend an." In seine dunklen Seelenspiegel trat ein Funkeln. Viper machte nicht den Anschein als würde sie gern über das sprechen, was vergangen war. "Auch wenn du sagst da gäbe es nicht viel zu wissen. Vielleicht ist ja was interessantes für mich dabei?" Der Ton seiner Stimme trug einen hörbaren, nicht einschätzbaren Nebenton, wenngleich da werden etwas Bedrohliches noch Bohrendes beiwohnte. Vielleicht echte Neugierde? Wer wusste das schon. 



Wörter: 547

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07.01.2022, 11:37
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