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Ort: Kirche - Teilnehmer: Oona
»Ruao
Dieser Charakter wurde eingefroren.


Oona ♥



Wie spät war es eigentlich? Ruao hatte in den letzten Wochen - oder Monaten? - jegliches Zeitgefühl verloren. Er taumelte wie benommen durch das Leben; er war einsam und unglücklich. Kaum zu glauben: doch er hatte tatsächlich noch mehr verloren. Und das war eigentlich kaum noch möglich gewesen. Die Alacres Pacem waren endgültig zerbrochen. Alle waren weg, gegangen, für immer. Ruao konnte sie verstehen; jeden einzelnen von ihnen. Es war ihm nicht gelungen, die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Er hatte nicht das Bindeglied sein können, das dafür nötig gewesen wäre. Doch der Falbe war ehrlich zu sich: er hatte sich überhaupt nicht bemüht. Es war ihm schlichtweg egal gewesen. So wie ihm eigentlich alles gleichgültig geworden war, seit er das verloren hatte, was ihm wirklich wichtig gewesen war...

Es war schon erschreckend, dass jeder seiner Gedankengänge noch immer am gleichen Ort landeten: Oona. Es verging kein Tag, an dem er nicht an sie dachte und sich fragte, wie es ihr wohl erging. Die Zeiten waren schwer, auch für die Stute. Ruao wusste das, auch wenn er es sich nicht gerne eingestand; sie hatten beide einen verdammt hohen Preis bezahlt und viel verloren. Und auch wenn da noch immer sehr viel Wut, Enttäuschung und Verlustschmerz an ihm nagte, so wünschte er ihr dennoch von Herzen nur das Beste, und dass sie wieder glücklich war. Egal wo, egal wie und egal mit wem.
Auch wenn Oona sich das selbst wahrscheinlich nicht erlauben wollte: sie hatte es verdient. Sie war eine gute Seele; und vor allem das Beste, was dem Norweger in seinem bisherigen Leben passiert war. Er würde sie nicht missen wollen, niemals. Das Glück, das sie ihm geschenkt hatte, war sein Lebenselixier. In Zeiten wie diesen krallte er sich an diese Erinnerungen fest wie ein Ertrinkender an einem Rettungsseil - und allein die Gedanken an die zwar vergangenen, aber sehr glücklichen Zeiten, brachten Licht in sein Dunkel; wenn auch meist nur kurz. Alles war verdammt nochmal besser, als nichts.

Es war noch stockdunkel, als Ruao die Kirche erreichte. Sie ragte düster und bedrohlich in den Himmel, umgeben von den Schatten der Nacht - der Mond warf sein fahles Licht auf den Kirchturm, der Wind strich energisch hindurch, sodass die Glocke leise Geräusche von sich gab; doch in der Stille der Nacht klang es so viel lauter und eindringlicher, als es eigentlich war.
Ruao zögerte kurz, trat dann jedoch entschlossen ein. Kühle, abgestandene Luft schlug ihm entgegen - es war muffig hier drin, doch der Norweger fühlte sich trotz allem geborgen. Es war irrsinnig, doch im Inneren der Kirche fühlte er sich weniger einsam, als draußen, vor verschlossener Tür. Vielleicht war das auch nur etwas Symbolisches? Der Falbe zuckte unterbewusst mit den eingefallenen, niedergeschlagenen Schultern und schloss leise seufzend die Augen. Er war erschöpft und er fand einfach keine Kraft, schon wieder von vorne anzufangen. Er würde es nicht mehr schaffen; diesmal nicht.



20.06.2020, 22:47
» Oona


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Ruao



 

Dummheit. Sie war so dumm. Wieso musste sie immer wieder fliehen. Endlich hatte sie es geschafft, Ruao nicht weiter vorwürfe zu machen. Vorwürfe, für die er nichts konnte. Zumindest nicht mehr als sie. So viel Wut. Am Ende war nur die Resignation geblieben. Das Wissen, es wieder einmal nicht geschafft zu haben. Wo war der Teil von ihr, den Ruao geliebt hatte. Der voller Stärke an seiner Seite gestanden hatte, um eine Herde zu führen, um die sie einige andere beneidet hatten. 
Die Zeit war vorbei, das war Oona schon lange klar. Geblieben war nichts. Sie hatte versucht Ruao zu vergeben, doch am Ende hatte sie sich selbst nicht vergeben können. Sie konnte es noch immer nicht.

Ziellos lief sie durch die Gegend. Sie sah nicht, wohin sie ging, bemerkte nicht die Jahreszeiten, die sich immer wieder veränderten. Wie mechanisch ging sie voran, hielt nur an, um ihrem Körper Kraft oder Ruhe zu gönnen. Dabei sah sie nicht, dass sie ihren ausgemergelten Körper immer weiter in den Abgrund trieb.  
Sie ging anderen Pferden aus dem Weg, floh vor GEstalten, die ihr unheimlich erschienen. Erst zu spät erkannte sie, dass sie auf der Suche war. Auf der Suche nach dem einzigen, dass ihr Leben besser gemacht hatte. Ruao. 

Durfte sie das überhaupt? Durfte sie so egoistisch sein, wo er endlich wieder seiner Bestimmung folgte, eine Herde führte und sicherlich auch schon eine neue Liebe hatte? Sie hatten sich sowas ähnlihces wie ausgesprochen. Sicher hatte er sich nun eine neue Partnerin gesucht, hatte sie ersetzt. Sie war nicht gut genug für den Hengst, hatte ihm am Ende nur Kummer gebracht. Selbst nach ihrer Trennung hatte sie ihn vergiftet, durch ihre Wut, ihren Hass. Am Ende stand sie allein da und hatte ihre große Liebe verletzt. Nicht nur mit Worten, auch seinen Körper hatte sie angegriffen und wie Ruao war, hatte er sich nicht gewehrt. Hatte alles hingenommen, nur für sie. 
Wieso konnte sie nicht dankbarer sein? 
Wo war er? Wie ging es ihm? Hatte er nach all der Zeit schon eine neue Familie? Eine nette Stute und ein gemeinsames Fohlen? War bereits so viel Zeit vergangen? 
Vielleich hatte er sie auch damals schon belogen, damit es ihr nicht noch merh wehtat, wenn er erzählte, dass er nun alles hatte, was Oona nicht haben konnte. So war es sicher.

Mit diesen Gedanken beende sie ihre Suche. Sie wollte das junge Glück nicht stören, wollte es nicht sehen. Das Glück in Ruaos Augen, die Liebe, die er zu empfinden imstande war. 
 

Der Morgen graute, als sie die Kirche erreichte. Schon oft hatte sie darin Schutz gefunden, wenn ihr alles zu viel geworden war. Ihr Körper war bleischwer, verlangte nach einer Pause. Sie zwang ihre Beine zum weitergehen, wollte nicht im Freien bleiben. Als sie das innere betrat, hielt sie erschrocken inne.
Sie sah ihn. Doch er war nicht selbstsicher, nicht stark und voller Leben. Keine Stute stand an seiner Seite, während ein kleines Fohlen um ihn herumsprang. 
Ruao, rief sie. Mehr tot als lebendig erwachte ihr Körper zum Leben, galoppierte, trotz des kleinen Gebäudes, der engen Wege hindurch, auf den Norweger zu.
Ruao, was ist passiert?
Sie traute sich nicht, die nächste Frage zu stellen, verharrte nur wenige Schritte von ihm entfernt. Es stand ihr nicht zu. Sie sollte zu seiner Herde gehen und diese benachrichtigen. Sicher war etwas geschehen. Doch die Selbstsucht gewann wieder einmal. Sie wollte nicht, dass dieses Treffen endete. Jede Sekunde musste sie einfangen, bis Ruao sie wieder verließ.
Das Kostbarste ihrer Welt war vor ihr. 


Wörter: 651

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22.06.2020, 14:32
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