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my name is sue, how do you do?


VornameLisa Sue
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Prag läßt nicht los.
Dieses Mütterchen hat Krallen.
Franz Kafka




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Prolog


Das Herz in seiner Hand pulsierte ein letztes Mal, ehe der Hauch von Leben daraus verschwand. Wie von Krämpfen geschüttelt sackte der ihm gegenüber stehende Körper zusammen, in den Augen ein verzweifelter Ausdruck. Der Ausdruck, den man angesichts des Todes zur Schau trug. Mit blutverklebten Händen wischte er sich eine seiner blassen Strähnen aus dem makellosen Gesicht, verschmierte dabei die rote Flüssigkeit in dem silbernen Haar. Ein Zusammenspiel, das wunderschön und grausam zugleich wirkte. Faithless Atem beruhigte sich allmählich. Der Rausch, der ihn früher überkam, stellte sich längst nicht mehr so intensiv ein. Das Töten unschuldigen Lebens war mittlerweile so mit seiner Persönlichkeit verwoben, dass sein Puls nicht mehr in die Höhe schoss, sobald er mit den Fingerspitzen den Brustkorb seines Opfers durchdrang. Achtlos warf er das Herz beiseite in den sich schnell verfärbenden Schnee. Der Frost klirrte unter seinen Schritten, als er sich entfernte. Er ließ sein Opfer achtlos liegen. Er wusste nicht einmal seinen Namen, hatte keinen Grund gehabt ihn zu töten. Faithless töteten nicht, weil er Ziele verfolgte oder andere Motive sein eigen nennen konnte. Er tötete, weil er dabei etwas fühlte. Es war die Sehnsucht nach Emotionen, die ihn vorantrug. Die ihn wahllos Leben zerstören ließ. Frauen, deren Kinder weinend zuhause auf sie warteten. Männer, deren Ehefrauen mit liebevoll gekochtem Essen vergeblich auf deren Rückkehr warteten. Ja sogar Kinder, Kleinkinder, Säuglinge – Grenzen kannte er schon lange nicht mehr. Als ein Wesen der Zwischenwelt, nicht lebendig und nicht tot, war ihm all das, all die Grausamkeit, ganz gleich. Kaum verwunderlich also, dass auch jetzt nur der leise Hauch eines zögerlichen Lächelns auf seinen Lippen lag. Kalt und starr.


Wörter: 297

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29.10.2015, 23:01
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Kapitel I


Seine Schritte hallten laut auf dem Marmorboden, als er wütend auf und ab schritt. Im Vorbeigehen griff er nach einer Vase, das Geschenk einer aus Asien stammenden Komplizin. Wütend zerschmetterte er das wertvolle Gefäß, die Splitter stoben in alle Richtungen.
„Herr, ich bitte Euch!“
„Halt endlich deine verdammte Klappe, du Idiot!“ Die hohe Stimme Faithless’ überschlug sich. Seine helle, geisterhafte Gestalt erinnerte an die gefährliche Eleganz eines Schneeleoparden. „Ich werde nicht aufgeben, niemals! Wir rupfen diesen überdimensionierten Gockel schon noch.“
„Herr, es handelt sich um einen Erzengel. Und ihm dienen einige hochkarätige Soldaten. Wir sind zu schwach um uns...“
„...um uns gegen sie zu stellen. Das hast du schon tausend Mal gesagt. Kommt auch mal was Gescheites aus deinem Maul, Elija?“ Der Zorn funkelte in Faithless’ kühlen Augen. „Eine List! Wir müssen uns einer List bedienen. So einfach ist das. Er hat vielleicht die Krieger, wir das Köpfchen.“ Ohrenbetäubend schepperte das unangenehme Lachen des Geistes durch die Hallen einer stillgelegten Irrenanstalt; „Heilanstalt für Nervenleiden“. Blut dekorierte die Wände, an denen sich noch die Urkunden befanden, die einst über einen besonders qualifizierten Standpunkt der Heilkunde urteilten.
„Herr, was stellt Ihr Euch vor? Womit könnten wir einen Erzengel treffen, der unter seinesgleichen als herausragend gilt? Raphael ist bereits jetzt eine Legende, dabei ist er für einen Engel noch in jungen Jahren. Wir werden...“
„Wir werden etwas finden. Selbst ein Erzengel hat einen Schwachpunkt, merke dir das, Vampir. Bedenke doch.... Jedes Wesen besitzt etwas, was er liebt. Was ihm viel bedeutet. Wir müssen nicht Raphael selbst treffen. Wir müssen treffen, was er liebt.“ Ein verschmitztes Lächeln zog sich über das elfenbeinfarbene Gesicht, die weißen Augenbrauen zuckten amüsiert, bald jedoch verengten sich seine Augen zu Schlitzen. „Finde, was er liebt, Elija. Finde es und bring es mir.“

Sichtbar unglücklich verließ der dunkelhaarige Vampir die Hallen seines Meisters, doch Faithless achtete gar nicht darauf. Er wusste, dass ein einziger Fehltritt die Seinen ins Verderben stürzen konnte. Doch es interessierte ihn nicht. Was brachte ihm schon die Loyalität einzelner, ausgewählter Krieger, wenn er nicht vermochte den Erzengel zu töten? Allein der Gedanke an das berauschende Gefühl, das ihn überkommen würde wenn er dem Engel die Flügel aus dem Leib riss, versetzte ihn in andere Sphären. Es war daher kaum verwunderlich, dass er die Ankunft eines dunkelhaarigen Mannes mit nussbraunen Augen nicht bemerkte.
„Noch immer ganz der Alte, mh?“
An Faithless’ Reaktion war kaum abzulesen, ob dieser den Gast überhaupt bemerkt hatte. Erst als er sich allmählich um die eigene Achse wandte, war das Erstaunen in den kühlen Augen zu erkennen – doch nur für einen Bruchteil von Sekunden. „Bruder... was verschafft mir die Ehre?“
Auf einen Stock gestützt trat er näher, der schwarze Maßanzug verlieh dem stählernen Körper einen Ausdruck gefährlicher Eleganz. Jene Eleganz, der die Mädchen reihenweise verfielen. Dumm und albern, vor allem jedoch gefährlich. Der nachtschwarze Zwilling des fahlen Mannes war kein geringerer als der Tod höchstpersönlich und doch – auch wenn es die Vorstellungskraft meiner lieben Leser zu sprengen droht – war der Dunkle gütigen und reinen Herzens. Was man von seinem lichtfarbenen Pendant kaum zu behaupten vermochte.
„Lass uns einen Tee trinken. Beim Tee lässt es sich doch vorzüglich über alte und junge Zeiten reden, meinst du nicht auch?“ Der Tod trat an Faithless Seite und berührte die schmächtige Schulter des Bruders. Eine eisige Kälte umwob die ungleichen Brüder, als diese sich ins Nebenzimmer begaben.


Wörter: 608

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29.10.2015, 23:09
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