Stillreich » Das Tal » Neuer Tag, neues Glück.
Ort: Lichtung - Teilnehmer: JenJen (m. Malaika) & Rochester (m. ihrem Neuen)
» Malaika
.: amnestisch :.

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Zeit war schon etwas Komisches. Sie rannte davon oder stand auch mal still. Nie war sie greifbar. Nichts was man anfassen und halten konnte. Egal wie sehr man das auch eventuell wollte. Sie war da, immer und überall. Und irgendwie auch nie. Genauso wie es die Erinnerungen von Malaika waren. Die Schimmelstute wusste, sie lebte und sie hatte gelebt, aber was da widerfahren war, hinfort. Als wenn es alles vor ihr davon lief. Wie die Zeit manchmal. Bekanntschaften verflogen, jedes Gesicht war ihr immer wieder aufs Neue fremd. Wie sie hier her gekommen war? Ungewiss. Irgendwann hatte sich die Junge damit arrangiert. Das war ihr Leben. Kein besonders Schönes – oder doch, schließlich erinnerte sie sich ja nicht - aber immerhin ein Leben. Man konnte über die Tatsache, das man morgens aufwachte und nicht mehr wusste was am Vortag, überhaupt an irgendeinem Tag im Leben, passiert war, verzweifeln und zerbrechen, aber die Weiße mit den braunen Punkten war nicht so. Jeder Tag war eine neue Chance. Natürlich war es komisch und vielleicht auch etwas bedrückend, das man sich nicht an schöne Dinge erinnerte, Momente die man im Augenblick des Geschehens gerne für immer bei sich behalten wollte. Aber so gar keine Erinnerungen beinhaltete auch, dass man sich nicht an dunkle Tage erinnerte. Und das wiederum war ja irgendwie gut. Oder nicht?

Malaika streckte die müden Glieder, ehe sie sich anmutig erhob und den Schlaf vom Körper schüttelte. Ein neuer Tag. Eine neue Chance. Irgendwo im nahen Wald schrie ein einsamer Vogel sein Lied. Ob es wohl derjenige hörte, für den es bestimmt war? Ein lauer Windhauch kämpfte sich durch die Bäume am Rande der Lichtung, verfing sich im seichten Langhaar der Hellen, ehe er sich wieder auf und davon machte. Die Luft roch frisch und rein, wenngleich sie im Hauch etwas frostig schmeckte. Der Winter war allgegenwärtig, auch wenn er sich dieser Tage gnädig zeigte. Kein Schnee, zartes Grün hier und da, die Temperaturen fast schon frühlingshaft. Auch der blaue Himmel versprach einen Tag den man zumindest wettermäßig gut aushalten konnte. Mit wachen Augen blickte die Helle sich um, lauschte dem Rauschen des gar nicht soweit entfernten Wasserfalls. Zuerst zum Wasser? Oder doch erst etwas für den leeren Magen suchen? Ein wenig unsicher was das Schlauste an diesem Wintermorgen war, tänzelte Malaika mit spielenden Ohren auf der Stelle. Erst das leise Grummeln ihres Magens holte sie aus ihren Gedanken. Scheinbar wusste der Körper besser Bescheid, was das Sinnvollste war. Instinkte waren schon irgendwie toll. An die musste man sich nicht erinnern. Die waren einfach nur da.

Suchend wanderten die dunklen Seelenspiegel der Schimmelstute die nähere Umgebung ab. Sie befand sich auf einer Lichtung mitten in einem Wald. Ob sie hier schon einmal weilte war ihr nicht bewusst. Aber es war auch nicht von Belangen. Zuviel über Dinge grübeln, die man nicht ändern konnte, brachte nichts. Außer vielleicht Kopfschmerzen. "Ha!" entkam es der Stute mit glockenheller Stimme, als sie am gegenüberliegenden Waldrand ein paar Kräuter entdeckte, die ihr durchaus als Frühstück dienen konnten. Immerhin keine ewige Suche nach etwas Essbarem, wie es oft im Winter, gerade bei Schnee und Eis, der Fall war. Mit federleichten Schritten schwebte die Helle über den Boden. Es glich mehr einem Tanz, als einem Lauf. Von außen betrachtet mochte das vielleicht übertrieben, gar arrogant wirken, aber es war einfach ihre Art. Die Anmut in jeder ihrer Bewegung war der Hellen in die Wiege gelegt und ihr selbst war manchmal gar nicht bewusst, wie leicht und fein sie sich zu bewegen vermochte. Und das sie durchaus eine gewisse Anziehungskraft hatte und wie ihr weißes von kleinen braunen Punkten übersätes Fell im Licht der Wintersonne förmlich strahlte.



Wörter: 687

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fremde schatten
an so vertrauten Wänden
wurden wie Unbekannte die sich jeden Tag begegnen
02.01.2022, 18:34
» Edward


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Jahreszeiten. Edward zählte schon lange nicht mehr die Tage, die er nun von seiner Heimat getrennt war, doch der Wechsel der Jahreszeiten gab ihm einen groben Anhaltspunkt. Die Bäume hatten sich schon lange all ihrer bunten Farbenpracht entledigt und hinterließen nur trist ihr Skelett aus Zweigen. Es war so trostlos, so unglaublich trostlos. Der hagere Braune sah weder die Sonne, die fröhlich am Himmel schien und ihn aufmunternd wollte, noch das glitzernde Meer der Tautropfen, die seinen einsamen Weg säumten. Es war seine Entscheidung die Schönheit dieser Welt nicht zu sehen und schon viel zu lange traf er sie jeden Tag wieder. Was hatte diese Welt überhaupt für einen Sinn, wenn er sie nicht mit jenen teilen konnte, die er liebte? Doch jedes Wesen, an welches er je so hoffnungsvoll sein Herz verschenkt hatte, hatte ihn verlassen. Einige unfreiwillig, andere schmerzlich bewusst. Es schien, als wäre jeder Lebensmut aus dem großen Körper des Dunklen gewichen und manchmal musste man sich fragen, was ihn überhaupt noch am Laufen hielt. Doch die schlaffen Schritte verrieten, dass hinter keinem der Tritte ein Ziel lag und schon vor langer Zeit hatte er aufgegeben nach einem Ort zu suchen. Nach einer neuen Heimat zu suchen. Edward glaubte nicht daran, dass es einen solchen Platz für ihn je wieder geben würde.

 

Die Umgebung hatte sich über die Tage und Wochen seiner schleichenden Reise ziemlich verändert, doch war das Interesse an seiner Umwelt so klein, dass er kaum den Wechsel der Szenerie wahrnahm. Sümpfe hatten sich in Wälder verwandelt, Seen, kleine Gebirge, Hügel, ebene Flächen, alles hatte er schon gesehen, doch mit leeren Augen. Dabei war die Natur normal einer seiner größten Inspirationen, erfreute ihn und ließ sein Herz höher schlagen. Normal dichtete er gerne, spielte mit Worten, doch seit Wochen war kein Wort mehr über seine Lippen gekommen. Würde sich dieser Zustand je wieder verbessern? Würde in seinem Leben noch ein neuer Frühling anbrechen, der Hoffnung versprach? In diesem Moment war das wahrhaft fraglich, und schweren Schrittes schlurfte Edward durch den immer lichter werdenden Wald. Sein Magen meldete sich kläglich, doch er nahm kaum Notiz davon. Er konnte gar nicht erklären, wofür er sich selbst so bestrafte, aber vielleicht war es auch einfach die Trauer und Schwere, die ihn seinen Körper gar nicht mehr richtig wahrnehmen ließ. Schwerfällig schob er sich weiter, die Sinne stumpf, sodass er gar nicht merkte, dass er an einem kleinen Kräuterfeld entlangschlich.

 

Erst eine glockenhelle Stimme entriss ihn unsanft aus seiner niedergeschlagenen Trance und er blieb stehen. Angst stieg ob der Überraschung keine in ihm auf, dafür war ihm sein Leben nicht lieb genug. Doch es war ohnehin kein Angreifer, der sich dort bemerkbar gemacht hatte. Für einen winzigen Augenblick vergaß Edward seine Sorgen, denn der Anblick der tanzenden Schönheit zog ihn komplett in den Bann. Auf keine anmaßende Weise, doch mit einem stechenden Schmerz im Herzen wurde ihm bewusst, wieso er den Blick nicht von ihrem Antlitz reißen konnte. Sie sah aus wie seine wunderschöne Schwester, bewegte sich mit gleicher müheloser Anmut, mit stiller Grazie. Erinnerungen stiegen auf, Erinnerungen vor denen er sich so lange verschlossen hatte, die ihn zu zerreißen drohten, wenn er sich ihnen zu lange hingab. Doch bevor er flüchten konnte stand sie schon vor ihm und seine Höflichkeit verbot es ihm, einfach zu gehen. „Hallo.“, flüsterte er fast und seine Stimme war so wohlklingend, wie sie es zu ihrem letzten Gebrauch gewesen war. Sie war ungewöhnlich  leise und sanft für ein Pferd seiner Größe und Statur, doch sie passte zu seinem zuvorkommenden und freundlichen Wesen. Edward wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte, wollte eigentlich auch mit niemandem reden, nur weiter in Stille leiden – und doch ging er nicht. Konnte sich das Schicksal womöglich nicht mehr mit ansehen, wie er litt?



Wörter: 728

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02.01.2022, 20:49
» Malaika
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Malaika war so in dem Anblick der Kräuter gefangen, ihr leerer Magen grummelte in freudiger Erwartung, dass ihr der Fremde, der sich am Rande der kleinen Fläche im Schutz der Bäume des Waldes aufhielt, völlig entgangen war. Erst seine Stimme, wohlklingend und im Grund viel zu leise für Jemanden mit seiner Statur, ließ die Helle ins Hier und Jetzt zurück stolpern. Leicht überrascht, einen Ausfallschritt tätigend, kam die Stute zum Stehen. Die dunklen Seelenspiegel geweitet, musterte sie den Dunklen, der im Schatten des Waldrandes nur bei genauerem Hinsehen zu erkennen war. Warum schlich er hier umher, bemüht darum ungesehen zu bleiben. Oder mochte das täuschen? War sie vielleicht einfach nur zu abgelenkt gewesen? Malaike räusperte sich, leicht verlegen, spitze die Ohren und zauberte sich ein seichtes Lächeln auf die Lippen. "Verzeihung." ließ die Helle ihre reine, feine Stimme erklingen. "Ich habe dich einfach nicht gesehen." Eine lahme Entschuldigung. Aber immerhin eine Entschuldigung. "Ich wollte dir nicht im Weg umeinander gehen. Nur die Kräuter da..." Malaika deutete mit einer leichten, flüssigen Kopfbewegung auf das Gewächs zu seinen Hufen. "Ich weiß nicht wann ich zuletzt etwas zu mir genommen habe." Noch ein Makel ihrer Vergesslichkeit. Nicht zu wissen wann, wo und was man zuletzt zu sich genommen hatte. Es konnte sicherlich passieren, das ihr tagelang die Nahrung fehlte, ohne das sie sich dessen bewusst war.

Malaika ließ so unauffällig wie möglich ihre Augen über sein Erscheinung wandern. Der Dunkle war größer, beeindruckender von der Statur her, aber dennoch wirkte er irgendwie einfach müde, ausgelaugt und beinahe schon am Ende. Oder bildete sich die Helle das nur ein? Es lag etwas Rastloses und gleichzeitig Resigniertes in der Luft zwischen ihnen, was die Stute sich nicht genau erklären konnte. Aber für so viele Dinge hatte sie keine Erklärung. Ihre Existenz zum Beispiel. Wo kam sie her? Wo ging sie hin? Ein kurzes Kopfschütteln, welches Malaika in die Gegenwart zurückholte. Gesellschaft war nie gut um in Gedanken zu versinken. "Tut mir Leid, ich hab mich gar nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir." Die Helle nickte kurz, ehe sie ihr Haupt in leichte Schieflage versetzte, was ihr einen beinahe verschmitzten Ausdruck verlieh. "Man nennt mich Malaika." Immerhin etwas, an das sich die Stute immer erinnern konnte. Ihren Namen. Und ihr Alter. Warum auch immer es gerade diese zwei Dinge waren. Sie fragte nicht nach seinen Namen. Spätestens morgen wäre er vergessen, warum also danach erkundigen? Ob er sich wohl an ihren erinnern würde? Vermutlich. Bisher hatte die Stute noch Niemanden getroffen, der so wie sie an Vergesslichkeit litt. Wobei, woher sollte sie das wissen? Vermutlich hatte sie es einfach vergessen. Wie alles. Und jeden.

Das Rumoren in dem Magen der Hellen wallte zusammen mit einem lauen Lüftchen über die Lichtung. Verlegen ließ Malaika die Ohren spielen und schielte zu den saftigen, verlockenden Kräutern am Boden. Sie waren mager, sicherlich nicht genug um sie für einen Tag zu versorgen, aber besser als nichts. Anstand war es, der die Helle zurück hielt. Es gehörte sich sicherlich nicht, einfach so das Maul vor einem Unbekannten im Gras zu versenken. War der Dunkle überhaupt Unbekannt? "Wir kennen uns nicht zufällig, oder? Sind wir uns mal irgendwo über den Weg gelaufen?" Leichte Unsicherheit schwang in der hellen, sanften Stimme der Schimmelstute mit. Wie auch sollte sie sich sicher sein? Das konnte sie nicht. Nicht einmal wenn der Dunkle verneinte. Er konnte sie ja auch genauso gut belügen. Sie würde es niemals raus finden. Der Glanz in den Augen der Stute nahm einen leicht argwöhnisch Ausdruck an, während sie den Hengst nochmals musterte, versuchte sich zu erinnern. Als ob das je etwas gebracht hätte. "Falls nicht, dann lass dich bitte von mir nicht aufhalten." Zögerlich trat Malaika einen Schritt zurück. Nicht das sie ihn loswerden wollte, aber irgendwie war ihr, als hätte er nicht wirklich das Bedürfnis zu reden. Oder wünschte sich Gesellschaft. Sie schon. Irgendwie zumindest. Gerade jetzt, an diesem schönen Wintertag, wo die Sonne ihr helles Fell erwärmte, sie erstrahlen ließ, und der Tag jede Menge Möglichkeiten offen hielt. Es war sehr einsam, wenn man immer jede Begegnung und Bekanntschaft vergaß. Und manchmal tat die Einsamkeit schon arg weh. 



Wörter: 821

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fremde schatten
an so vertrauten Wänden
wurden wie Unbekannte die sich jeden Tag begegnen
02.01.2022, 21:59
» Edward


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Dieses Gesicht, so zart, die lieblich spielenden Ohren so fein und grazil gebaut, die Augen so dunkel wie das Meer. Fast hörte Edward nicht, welche Worte die weichen Lippen der Weißen verließen, so sehr fühlte er sich in die Vergangenheit versetzt. Für einen kurzen Moment sah er dort keine Fremde, sondern eine wunderhübsche, allzu vertraute Gestalt. Die Augen verschmitzt lachend, die Mähne im Wind tanzend. Der Dunkle wollte den Blick abwenden, bevor die Erinnerung ihren Lauf nahm und ihn unaufhaltsam verschlingen würde. Doch da war sie wieder, die lieblich erklingende Stimme und rettete ihn, bevor er in seiner Vergangenheit versinken konnte. Zuerst verstand er nicht, was die Helle meinte, so abwesend war er noch im Geiste und für ihn gab es keinen Grund sich zu entschuldigen. Als sie weitersprach, erwachte mit der Nennung von Kräutern auch sein Körper. Verlegen wandte er den Blick gen Boden, nur um zu sehen, dass er mit einem Huf bereits in ihrem Frühstück stand. „Entschuldige.“, antwortete er mit einem hastigen Rückwärtsschritt. „Nur zu, ich wollte dich nicht aufhalten.“, erklärte er. Normalerweise hätte er aufmunternd gelächelt, doch heute konnte er seine Mundwinkel nicht zu dem leichtesten Griemeln bewegen. Bei dem Geruch der frischen Kräuter rebellierte sein Magen erneut und dennoch verspürte er nicht den geringsten Wunsch, den Bedürfnissen seines Körpers nachzukommen. Außerdem wäre es ohnehin unhöflich, der jungen Dame ihren Fund streitig zu machen. Wie jämmerlich er wohl aussehen musste? Viel zu abgemagert war seine eigentlich so stattliche Figur, das Fell stumpf und rau, die Augen matt und besiegt. Doch interessierte es ihn überhaupt noch, was irgendwer dachte? Edward wollte weder Mitleid noch Anteilnahme und zum Glück schien die Fremde weder das eine, noch das andere auszustrahlen. Vielleicht war das einer der Gründe, warum er nicht schon gegangen war. Und schon hier belog er sich ein Stück weit selbst. Denn der wahre Grund, warum er noch immer hier stand, war das Verlangen nach ein Stückchen Frieden. Ein Stückchen der alten Freude, die er damals verspürt hatte. Damals. Es klang so unendlich weit weg. Dabei war es doch eigentlich nur ein Jahr, welches seit dem unerträglichen Verlust vergangen war. Doch wenn er die Augen schloss, dann sah er sie vor sich, so wie er sie ein Stück weit sah, wenn er Malaika anblickte. So stellte sich die Schimmelstute nun zumindest vor.

Edward war für einen Moment um Worte verlegen. So lange hatte sich ihm niemand mehr vorgestellt, so lange hatte er keinen Kontakt mehr zu einer lebenden Seele gehabt, was war es, was man so erzählte? ‚Sehr erfreut.‘, ‚Schön, Sie kennenzulernen.‘, ‚Was für ein hübscher Name.‘ Lauter Floskeln. Ihm war nicht danach, denn er war nicht erfreut. Er wusste gar nicht, was er in diesem Moment überhaupt fühlte. Trauer? Schock? Sein Zustand war vermutlich am treffendsten mit allumfassender Leere zu beschreiben. Ebenfalls wusste er nicht, was er von diesem Zusammentreffen erwarten sollte, oder was die Weiße wohl gar erwarten könnte. Spielte das überhaupt eine Rolle? Dennoch wollte er Malaika nicht vor den Kopf stoßen, denn egal wie schlecht es ihm je gegangen war, er besaß ein freundliches Naturell. „Ich bin Eddy.“, ließ er verlauten, „Tut mir leid, ich weiß nicht wirklich, was ich sagen soll.“, fügte er noch unbeholfen dazu. Der melancholische Beiklang seiner Stimme verdeutlichte dabei aber klar, dass er nicht aus Verlegenheit keine Worte fand, sondern aus reiner, trauriger Einfallslosigkeit. Doch entging ihm nicht, dass die Stute immer wieder sehnsüchtig zu den Kräutern schielte. „Bediene dich ruhig.“, bestärkte er sie gutmütig und trat noch einen weiteren Schritt zurück, um ihr mehr Raum zu geben. Die spärliche Gabe der Natur würde kaum für sie alleine reichen und so fügte er hinzu: „Ich habe ohnehin keinen Appetit.“ Eine glatte Lüge, wenn er seinen Magen fragte, aber das tat er ja nicht.

„Nein, haben wir nicht.“, seine Stimme war ganz leise und bekam einen fast abwesenden, ja bedauernden Klang, als er wieder in die Welt seiner Gedanken abdriftete. Was wäre, wenn sie es wirklich wäre? Wenn es tatsächlich die feenhafte Gestalt seiner Schwester war, die hier vor ihm stand? Oh wie gerne hätte er bejaht, dass sie sich bereits getroffen hatten, wie unendlich gerne würde er sich dieser Illusion nur hingeben… Doch die Weiße ließ ihm kaum Zeit, da prasselten ihre nächsten Worte schon auf ihn ein. Sein Geist war von all den Ereignissen der letzten Wochen und Monate, dem Nahrungs- und Schlafmangel fast schon wie benebelt, dass er wieder einige Sekunden brauchte, um sie zu verstehen. Sie gab ihn frei, stellte ihn vor die Wahl zu gehen und obwohl sie sich erst wenige Minuten kannten, beängstigte ihn der Gedanke, wieder allein zu sein. Sein Kopf wünschte es sich, wollte sich in der Einsamkeit einlullen, doch nun, da er in Gesellschaft war, sprach sein Herz eine andere Sprache. Es lechzte nach Nähe und Austausch, wollte nicht länger allein und abgeschnitten sein und wenn es auch nur für einen weiteren Atemzug war. Und so blieb er und überraschenderweise fühlte sich diese Entscheidung beruhigend an. Als würde sein flüchtender Geist entschleunigt und langsamer werden. Zwar wusste er wieder nicht, was er der Fremden erzählen sollte, doch spürte er auch ohne Worte, dass sie ähnlich empfinden musste wie er selbst. Oder täuschte er sich da?



Wörter: 1038

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04.01.2022, 19:05
» Malaika
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Stille legte sich zwischen die Beiden. Irgendwo im Wald rief ein einsamer Vogel ein kurzes Lied. Malaika hielt ihren Blick auf den Dunklen gerichtet ohne diesen dabei allzu sehr zu fixieren. Sie wollte ihn nicht festnageln, aber eben auch nicht das er dachte sie hätte kein Interesse an Gesellschaft. Irgendetwas in dem Blick des Fremden erweckte ihre Aufmerksamkeit. Er sah sie nicht an wie eine Unbekannte, eher wie eine enge Vertraute. Da war so ein Glänzen und Glitzern in der scheinbar endlosen Tiefe, das sich die Helle nicht erklären konnte. Kannten sie sich also vielleicht doch? Noch hatte der Hengst ihr keine Antworten gegeben und übte sich in Schweigen. Kam es Malaika nur so vor oder war wahrlich schon eine halbe Ewigkeit wortlos vorbei gestrichen. Das Schweigen weckte die Unsicherheit in der hintersten Ecke ihrer Selbst erneut. Kurz spielten die fein geschwungenen Ohren der Hellen, während die Gedanken rasten ohne das sie sie wirklich fassen konnte. Wohin sie rasten oder weswegen, auch das war der Weißen mit den braunen Punkten nicht klar. Manchmal taten das Gedanken, zumindest ihre. Einfach so. Und manchmal auch ohne wirklichen Grund.

Gerade als Malaika erneut ansetzten und die fast schon bedrückende Stille, die vermutlich nur sie selbst so empfand, verscheuchen wollte, erhob der Dunkle endlich wieder seine Stimme. Ein erleichtertes leises Seufzen kam der Hellen über die Lippen, die sich wieder zu einem leichten, seichten Lächeln formten. Ohne dem Hengst ins Wort zu fallen nahm die Schimmelstute seinen hastigen Rückschritt wahr, der ihr den Weg zu den Kräutern freimachte, die sie jedoch erst mal keines Blickes würdigte. Wie unfreundlich das wäre einfach im Gespräch das Maul zu versenken und zum Fressen anzufangen. Der Dunkle sprach nach einer kurzen Pause weiter, stellte sich vor. Als ob das bei der Stute etwas brachte. Nun gut, das konnte er nicht wissen. Das er sich fast schon unbeholfen entschuldigte ließ Malaika kurz stocken. Aber nicht nur das. Es war der Tonfall seiner Stimme. Sie klang melancholisch, beinahe schon leer und resigniert. Also hatte sich die Helle vorhin doch nicht getäuscht, als sie meinte so etwas in der Luft zwischen ihnen gespürt zu haben. Und doch war da noch mehr. Eddy, wie er sich vorgestellt hatte, schien grundlegend freundlich und gutmütig, zeigte Anstand und Höflichkeit. „Nun, das könnten wir ja im Grunde ändern.“ ließ die Helle schließlich mit heller Stimme, in der ein Hauch Unsicherheit lag, erklingen, als der Dunkle zugab, das sie sich nicht kannten. Warum schaute er sie dann so an, teilweise, als wäre sie eine enge Vertraute? Wieso schien es Eddy so zu treffen, das sie sich unbekannt waren? „Also natürlich nur wenn du willst.“ Vermutlich wollte er. Immerhin war er noch nicht gegangen. Und sie hatte ihm ja die Wahl gelassen. Vielleicht war ihm aber auch nur langweilig. Wer wusste das schon. Schade drum, das Malaika nach ihrem nächsten Schläfchen all das hier würde vergessen haben. Nicht das sich die Helle darüber gerade allzu sehr den Kopf zerbrach. Oder? „Es tut mir übrigens sehr leid das sagen zu müssen, Eddy, aber ich werde deinen Namen nicht im Kopf behalten können.“ Oder dieses markante Gesicht. Oder überhaupt irgendetwas von dem hier. Malaika legte den Kopf schief, versuchte zu erkennen was das in dem Dunklen auslöste. Warum sollte sie da auch einen riesiges Theater drum machen. Manchmal war Ehrlichkeit nicht verkehrt. „Ich bin etwas.... vergesslich.“ Hatte es da überhaupt einen Sinn sich näher kennen zu lernen?

Ein Grummeln aus der Magengegend erinnerte die Helle schließlich daran, warum sie ursprünglich zu diesem Platz gegangen war. Eddy hatte ihr bereitwillig Platz gemacht, sie sogar zweimal aufgefordert sich zu bedienen. Zögerlich schritt die Stute etwas näher an das verführerische Grün, hielt den Blick aber weiter auf den Dunklen gerichtet. So aus der Nähe konnte Malaika das ganze Ausmaß, anders war es gar nicht zu beschreiben, erkennen. Wusste der Hengst was für ein Bild er abgab? Bei genauerem Hinsehen konnte man sogar seine Rippen erkennen. Viel war nicht mehr von einer vermutlich ziemlich beeindruckenden Statur über. Das Fell matt und stumpf, die Augen tief dunkel und fast zur Gänze leer. Wie konnte er da behaupten keinen Appetit zu haben? War das reine Höflichkeit gewesen? Immerhin war das, was da zu ihren Hufen wuchs, kaum genug um ein Maul zu stopfen. Die Weiße mit den braunen Punkten blinzelte, ehe sich ein kleines Glitzern in ihre Augen schlich. Sie verfiel nicht in Mitleid oder dergleichen, sprach ihn auch nicht auf seinen Zustand an. Eddy wirkte nicht so als wäre ihm das genehm, aber einfach so zusehen konnte sie dann auch nicht. Zielstrebig vergrub die Helle ihr Maul schließlich im Grün, nahm sich einen Bissen, ehe sie sich ein Büschel zupfte und dem Dunklen hinhielt. „Ich möchte nicht diskutieren und ich glaub dir auch, das du keinen Appetit hast. Aber du solltest trotzdem was essen.“ Die feine, helle, melodische Stimme der Stute klang sanft und bittend. Vielleicht würde er ihr den Gefallen tun. Vielleicht auch nicht. Und auch wenn das für sie Beide hier nicht reichen würde um sie für den Tag zu sättigen, es gab so viele Orte in diesem Tal. Dann mussten sie halt noch etwas suchen gehen. „Und übrigens muss es dir auch echt nicht leid tun das du nicht weißt was du sagen sollst. Man muss nicht immer reden. Schweigen ist manchmal auch ganz angenehm. Ganz so wie du magst. Ich bin für alles zu haben.“



Wörter: 1021

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fremde schatten
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04.01.2022, 20:46
» Edward


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Es war wie ein kleiner Hoffnungsschimmer in seiner tristen, grauen Welt. Die Aussicht auf eine Begegnung, die Aussicht, jemanden Kennenzulernen. Ein Teil seiner selbst wehrte sich gegen diesen Gedanken, wollte nur Abstand gewinnen und flüchten, wollte sich dieser Möglichkeit nicht öffnen. Was wäre, wenn er gefallen daran fand, mit jemandem zu reden? Wenn er wieder Freude empfand, so kurz und flüchtig sie auch nur sein mochte? Er gab sich für so vieles die Schuld und glaubte schon so lange, glückliche Momente nicht mehr zu verdienen. Aber da war auch der andere Anteil in ihm, der so entkräftet war, dass er bald jeden Lebensmut verlieren würde. Ja, Eddy glaubte bereits jetzt allen Lebenswillen verloren zu haben, doch dem war nicht so. Viele Wochen würde es bei seinem Zustand jedoch nicht mehr dauern, bis der Tod ihn in seine Arme schloss. Es sei denn er begann endlich wieder zu leben. Dieser innere Kampf lief vollkommen unbewusst ab und die schwache Glut der Hoffnung entfachte ein winziges Flämmchen, dass ihn dazu bewog zu bleiben. Weder die Fremde noch Eddie selbst konnten wissen, wie wichtig dieser Moment war, in dem Malaika ihm ihre Gesellschaft anbot. Wie essentiell es war, dass er aus seiner dunklen Spirale herauskam. Allein sein wortloses Nicken zeugte von erneuter Zaghaftigkeit in der Angelegenheit des Kennenlernens und doch war es das erste Ereignis seit Monaten, auf welches er sich freuen konnte.

Ein bekanntes und doch lange verdrängtes Gefühl der zurückhaltenden Neugierde stieg in dem Braunen auf, welches durch ihre nächste Aussage verstärkt wurde. Es tauchte ihn in milde Verwunderung, was sie mit ihrer Vergesslichkeit wohl meinte und zum ersten Mal schien etwas Leben in seine Augen zu kommen. Es war nur ein ganz schwacher Glanz, der sich dort abzeichnete, aber immerhin. „Wie meinst du das genau?“ Vielleicht war es ja nur eine Vergesslichkeit mit Namen, so etwas sollte es ja geben. Er selbst hatte nie Probleme damit gehabt, sich Wörter oder Namen zu merken, doch viele Mitglieder seiner alten Herde erinnerten sich eher an Gerüche und Gesichter. War es das, was sie meinte? „Aber mach dir keine Sorgen, ich sage ihn dir auch gerne erneut.“ Fast merkte Eddie nicht, dass er damit bereits eine weitere Begegnung vorhersagte. Innerlich nahm er sich einen Schritt zurück. Die Schwermütigkeit schlug zu, wollte ihm die Realität einprügeln, in der es kein weiteres Aufeinandertreffen geben würde. Aber die kleine Hoffnungsflamme ließ sich von diesen dunklen Gedanken nicht ersticken. Niemand wusste, was in der Zukunft lag. Und die bestimmte Aufforderung der Stute, mit der sie sich nun an ihn richtete, ließ ihm auch keine Möglichkeit, in übertriebener Melancholie zu versinken. Vielmehr überrumpelte sie den Dunklen nicht nur durch ihre Handlung, sondern auch durch ihre Art. Und erneut fühlte er sich in seine Vergangenheit versetzt, an die gütige und freundliche Persönlichkeit seiner Schwester erinnert. Es machte ihn fassungslos, wie ähnlich sich zwei Wesen sein konnten, die in dieser Welt weder Kontakt hatten, noch Verwandtschaft teilten.

Kurz hielt Edward inne, bevor er zaghaft nach den Halmen der kleinen Kräuter griff und seine Nüstern flüchtig Malaikas berührten. Es war als würde sein Körper bei dem zaghaften Bissen zu neuem Leben erwachen. Das bedeutete in diesem Falle jedoch nichts Gutes. Denn Eddie spürte nun die vollen Ausmaße seines Hungers, der bereits ordentliche Schmerzen in seiner Bauchregion verursachte. Die eigene Vernachlässigung zeigte nun ihre tiefen Spuren und zum ersten Mal seit Langem wurde dem Hengst bewusst, was er sich angetan hatte. Weiterhin zögerlich und peinlich darauf bedacht, der Weißen nichts wegzunehmen, graste er ein Stück neben dem Kräuterfeld ab, wo kurzes, hartes Gras sich mit einer dünnen Schicht Moos vermischte. Als sie erneut das Wort erhob unterbrach er jedoch das Grasen und wandte sich ihr mit voller Aufmerksamkeit zu. Als sie gesprochen hatte, entstand wie so oft seit ihrer Begegnung eine kurze Pause. Der kleine Vogel in den Ästen über ihnen sang fröhlich weiter sein Lied. „Danke.“, erwiderte er am Ende nur leise. Und obwohl er es so sanft und zaghaft sagte, hätte es kein größeres Kompliment an die Weiße geben können, denn dieses simple Wort erreichte auch die dunklen Augen des Braunen und erwärmten sie mit voller Ehrlichkeit.



Wörter: 794

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04.01.2022, 22:09
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Malaika wäre beinahe zurück gezuckt, als Eddie sich das Büschel Grün aus ihrem Maul nahm, ganz vorsichtig und zaghaft, und dabei sacht eben dieses berührte. Sein Duft brannte in ihren Nüstern, aber nicht unangenehm. Die Helle konnte sich nicht daran erinnern jemals Jemanden so nah gekommen zu sein. Im Bewusstsein ihrer Vergesslichkeit war das aber auch kein Wunder. „Ich vergesse eben viel. Also eigentlich alles. Immer.“ setzte die Stute zögerlich zu einer Erklärung an, die helle Stimme leicht belegt, und senkte kurz den Blick. „Ich geh schlafen und wenn ich wieder aufstehe ist alles weg. Begegnungen. Situationen. Einfach alles.“ Man könnte meinen das ein bedauerlicher Schleier durch ihre Augen zog, welchen Malaika mit einem heftigen Schnauben verscheuchte. Jetzt war keine Zeit etwas zu bedauern, über die Tatsache in Trauer zu verfallen. Ändern konnte sie an dem Zustand eh nichts. „Nur meinen Namen behalte ich. Aber es ist okay, ich komm damit zurecht.“ Zumindest meistens. Es hatte ja auch seine Vorteile. Ob die jedoch die Nachteile aufwiegelten, wer wusste das schon. Die Schimmelstute jedenfalls nicht. Wie auch, sie wusste ja nicht was ihr jedes mal entfiel, welche Bekanntschaften, Momente und Augenblicke. Vielleicht war es gut, wenn sie immer nur schlechte Dinge durchlebte. Vielleicht war es weniger gut, wenn ihr viele tolle Tage fehlten. Das der Dunkle ihr anbot seinen Namen gerne zu wiederholen, ließ das Herz Malaikas einen kleinen Stolperer machen. Das hieß, er war bereit sich nochmals mit ihr zu treffen. Nicht das sie sich wirklich Hoffnung machte. Wer gab sich schon gern mit Jemanden ab, der immerzu alle Gemeinsamkeiten vergaß? Aber vielleicht half es dem Hengst? Vielleicht gab die Aussicht auf ein erneutes Treffen ihm ein wenig Kraft?

Genüsslich auf den Kräuter kauend beobachtete Malaika den Dunklen aus dem Augenwinkel. Er hatte sich für sein Mahl den Rand des kleinen Feldes ausgesucht, wo harte Gräser mit Moos vermischt zu finden waren. Vermutlich wollte er ihr nichts wegnehmen. Eddie schien mit jedem Bissen mehr zu Kräften zu kommen. Fast war es der Weißen mit den braunen Punkten als könne sie in seinem Blick etwas erkennen. Nicht mehr nur Leere und Schwärze. War da nicht so etwas wie ein kleines Leuchten, kaum wahrnehmbar, ob der Tatsache das sie hier standen. Sie Beide. Zusammen. Nicht einsam. Sein leises, zaghaftes Danken klang wie ein Kompliment und sein kurzer Blick herüber traf die Helle irgendwo. Wo genau konnte sie selbst nicht genau benennen. „Nicht dafür.“ hauchte Malaika leise zurück, die Stimme hell und voll von Wärme, auf den Lippen ein ehrliches, sanftes Lächeln. Irgendwas hatte dieser Dunkle an sich. Sicher war er eine tolle Persönlichkeit, das konnte die Stute auch nach dieser kurzen Zeit schon erahnen. Freundlich. Höflich. Sanft. Zuvorkommend. Jemand mit dem man sich gerne umgab. Eine angenehme Gesellschaft, vielleicht sogar ein guter Freund. Wenn da nicht scheinbar irgendwas gewesen war, was ihn letztlich in diesen Zustand der Resignation und Leere gebracht hatte.

Über all das Denken vergaß Malaika das Kauen. Ihre Augen lagen ruhig auf der Gestalt des Hengstes, der hin und wieder ihren Blick kreuzte, die Augen nun etwas mit Leben gefüllt. Die Helle fühlte sich wohl, anders konnte man das nicht benennen. Der Tag hatte nicht zu viel versprochen. Ob der Hengst ebenso empfand? Malaika war sich nicht sicher, glaubte aber in seiner Gestalt irgendwie etwas wie Sympathie für sie zu erkennen. Vielleicht würde er ihr, eines Tages, irgendwann, erzählen was ihn so bedrückte, in in diesen Zustand trieb. Was hatte Eddie schon zu verlieren? Die Stute vergaß es ja eh wieder. Und vielleicht tat es ihm gut sich einfach mal den Ballast von der Seele zu reden? Irgendwann würde die Schimmelstute ihm das anbieten. Wenn es überhaupt ein irgendwann gäbe, ein weiteres Treffen. Immerhin, wer gab sich schon mit so Jemanden wie sie es war gerne und dauerhaft ab? Das war sicher mehr als anstrengend, wenn man genauer darüber nachdachte.



Wörter: 724

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05.01.2022, 18:43
» Edward


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Und während er so graste, erzählte sie bedrückt ihre außergewöhnliche Geschichte. Eddie unterbrach beim Klang ihrer Stimme sofort sein Unterfangen, Nahrung vom Boden zu pflücken, um ihr aufmerksam zuzuhören. Dabei vergaß er glatt, wie schwer seine letzten Tage gewesen waren und wie trübsinnig er eigentlich hatte sein wollen. Auch wenn die Erzählungen der Weißen wahrlich kein Grund zur Freude waren, so lenkten sie Edward dennoch von seinen eigenen Problemen ab. Schmerzlich erkannte er sogar, dass er sich selbst anscheinend mal wieder viel zu wichtig genommen hatte. Wer war er zu denken, dass er das einzige Wesen auf Erden mit Problemen und Bürden war? Die Stute vor ihm erinnerte sich an nichts, so wie sie kundtat, und für einen Moment fragte er sich, ob er gerne in ihrer Haut stecken würde. Um all das zu vergessen, was ihm widerfahren war. Doch obwohl jeder Verlust sich wie ein Dolch in sein Herz bohrte, manchmal drohte, ihn in die Knie zu zwingen, so war es doch echter, als ein Leben hinter einem Schleier zu verbringen. Großes Mitgefühl für die Situation der Stute stieg in dem Dunklen auf und er musste sich zurückhalten, sie nicht tröstend an der Schulter zu berühren. Zwar war es unverkennbar, dass sie dieser Zustand belastete, doch Eddie war feinfühlig genug um zu realisieren, dass sie in der Tragik des Ganzen nicht versinken wollte. „Vielleicht kommt ja eines Tages die Erinnerung an etwas zurück.“, schlug er zaghaft vor und wusste nicht, ob sein leiser Optimismus hier angemessen war. Es gab wahrscheinlich nichts, was sich Malaika sehnlichster wünschte, als Besserung und vermutlich war diese auch nach Jahren nicht eingetreten. Wer wäre er selbst nur, wenn er all die wunderschönen Erinnerungen nicht hätte sammeln können? Wie leer, traurig und einsam würde er dann durch die Welt stromern? So leer, traurig und einsam, wie ich es jetzt auch mache., dachte er resigniert, doch er fing sich schnell. Schließlich war er in diesem Moment nicht mehr allein. Und die Geschichte seines Gegenübers machte ihm deutlich, wie sehr er gerade sein Leben verschwendete, indem er sich selbst seiner Tage und Freude beraubte. Eine Erkenntnis, die ihn nicht gerade freudiger stimmte, aber zumindest nachdenklich. Vielleicht sogar vorsichtig optimistisch, dass es auch noch andere Seiten in seinem Leben geben würde? Nein, so weit wollte er noch nicht denken. Und Gott sei Dank war Malaika da, um ihn von seinen eigenen Baustellen ein Stück weit zu befreien.

Tatsächlich stieg sogar etwas Lebensmut in ihm auf. Vielleicht war es für die Stute alles gar nicht so hoffnungslos, wie sie dachte? Was wäre, wenn sie sich zum Beispiel jeden Tag sehen würden? Vielleicht brachte es ja etwas? Ein kleiner Zweifel schlich sich ein und Edward fragte sich, ob das eventuell schon andere Mutige versucht hatten. Aber was machte das schon aus? Es war sicherlich einen Versuch wert und wenn sie nur eine schöne Zeit zusammen verbrachten. Egal wie viel man vergaß, sie würde sicherlich mit der Zeit spüren, dass sie sich begegnet waren. Und erneut musste Edward sich bremsen. Der Gedanke daran, etwas Sinnvolles und Hilfreiches zu tun hatte ihn fast schon beflügelt – was in seinem Zustand hieß, dass ein hoffnungsvolles Leuchten in seine Augen getreten war. Zu mehr waren weder Körper noch Geist imstande. „Vielleicht kann ich dir ja mit der Zeit helfen, dich zu erinnern.“ Nun war es Eddie, der fast betreten zu Boden schaute, als wäre seine kleine Idee anmaßend. Er wusste nicht, wie die Weiße sein Angebot vielleicht auffassen würde, ob sie Bitterkeit verspürte, oder vielleicht auch gar keine Hilfe wollte. Oder wäre sie erfreut darüber? So oder so, der Hengst würde es bald erfahren.

In diesem Moment wandte Eddie sich wieder seinen eigenen Gefühlen zu. Ein Teil der bedrückenden Schwere war verschwunden, auch wenn er nach wie vor spürte, dass sein Körper am Ende aller Kräfte war. Die Aussicht, etwas anderes tun zu können, als diese Welt mit nichts als Trauer und Verlust zu bewandern gab ihm etwas Kraft. Doch machte er sich hier etwas vor? Verrannte er sich in einem Versprechen, welches er nie würde halten können? So wie er andere Versprechen nicht hatte halten können? All der Ballast auf seiner so reinen Seele musste weg, doch dies war nicht der Zeitpunkt, um zu reden. Für einen kurzen Augenblick dachte er darüber nach, sein Herz auszuschütten, doch er verwarf den Gedanken auf der Stelle. Es fühlte sich an, als würde er Malaika ausnutzen, denn niemals würde er einer gewöhnlichen Fremden seine Geschichte erzählen. Egal, wie wohl er sich gerade in ihrer Anwesenheit fühlte. Und er würde es auch bei ihr nicht tun, nur weil er wusste, dass sie alles vergessen würde.

Neben seinem Hunger meldete sich auch das Verlangen nach Wasser. Kurz fragte der Dunkle sich, ob Malaika sich an Orte erinnern konnte. Doch er wollte nicht fragen und so blieb sein Durst vorerst unbeantwortet.



Wörter: 945

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05.01.2022, 21:51
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Malaika beobachtete, was ihre Worte bei dem Dunklen auslösten, und versuchte die Stille zwischen ihnen, die Pausen im Gespräch, hinzunehmen, sie gar nicht weiter zu überdenken. Sie nicht als bedrückend und angespannt zu erfahren. Irgendwie schien es, als wenn Eddie diese Zeit brauchte, als wenn er über Worte erst nachdenken musste, ehe er sie beantworten konnte. Im Grunde eine gute Eigenschaft. Wie oft fielen viel zu schnell unbedachte Worte, die einen Anderen treffen, ja gar verletzten konnten? Der Hellen war, als schwappte etwas Mitgefühl von ihm zu ihr herüber. Der Ausdruck seiner Augen wurde irgendwie sanft, während der Hengst sie betrachtete, und aus seinen Worten klang leiser Optimismus. Malaika spielte kurz mit den Ohren. Würde sie sich je an irgendetwas erinnern? Wäre das möglich? Und wollte sie das überhaupt? „Wer weiß.“ gab die Stute leicht zögerlich von sich und wandte kurz den Blick ab. Hatte nicht alles einen Sinn? Vielleicht war ihre Vergesslichkeit ja ein Schutz. Ein Selbstschutz. „Es ist echt in Ordnung. Ich kenne es ja auch nicht anders. Immerhin hab ich einen Namen. Stell dir mal vor, ich würde mich nicht mal an den erinnern? Ich glaube das wäre weitaus schlimmer.“ Ein leises Lachen suchte sich den Weg an die Oberfläche, aber bei genauerem Hinhören könnte man meinen leichtes Bedauern zu hören. Malaika schüttelte kurz den zierlichen Kopf. Es war nun mal nicht zu ändern. Warum Gedanken daran verschwenden wie es wäre, wenn sie sich erinnern könnte. „Vielleicht ist es ja doch gut so. Vielleicht sind da Dinge, an die ich mich gar nicht erinnern will.“

Während die Helle in ihren Gedanken versunken über Dinge nachgedacht hatte, die vermutlich eh nie eintreten würden, hatte sich die Haltung des Dunklen abermals zum Positiven gewandelt. Etwas wie Lebensmut schien in ihm aufzuflammen. Ganz leicht nur, sacht, zaghaft, aber Malaika meinte es in ihm zu erkennen. Fast schien es als hätte Eddie einen Plan gefasst. Etwas, was ihn beinahe zu beflügeln schien. Auch wenn da noch ein leichtes Zögern war. Die Stute legte leicht den Kopf schief, spitze die Ohren. Wollte sie erfahren was in ihm vorging? Grundsätzlich schon, doch bevor sie fragen konnte, formte der Hengst weitere Worte. Die Schimmelstute stockte und abermals machte ihr Herz einen Stolperer. Vielleicht kann ich dir ja mit der Zeit helfen, dich zu erinnern. Eddies Worte klangen laut und lang in ihr nach. Es war nicht so, das Malaika es nicht freute, im Gegenteil, leise Hoffnung keimte in ihr auf und wollte sie überschwemmen. Doch das durfte nicht sein. Für Andere war sie sicher nur eine Last, vergesslich und anstrengend. Wollte der Dunkle sich das wirklich antun? Oder war das nur eine Floskel, wissend das die Stute es eh spätestens morgen nicht mehr wusste. Oder sah er tatsächlich etwas in ihr, etwas Bekanntes, wie sein Blick ihr nun schon mehrmals in der kurzen Zeit, wo sie hier weilten, verraten hatte? Eddie schien ihr beinahe ein Versprechen zu geben und das, obwohl sie sich noch nicht mal einen halben Tag kannten. Sein betretender Blick war zu Boden gerichtet, fast als käme ihm seine Aussage nun doch anmaßend vor, dumm und naiv. Der Dunkle tat ihr nicht leid, aber er bewegte etwas in ihr, und erneut trat ein zaghaftes Lächeln auf ihre weichen Lippen. Er hatte es sicher nicht böse gemeint. Ganz sicher nicht. Aber Malaika, sie war einfach Niemand für die Dauer, dessen war sie sich in Hinblick auf ihre Vergesslichkeit durchaus bewusst. Niemand tat sich so etwas freiwillig auf Dauer an. Oder?

Diesmal war es die Stute, die ein wenig Zeit vorbei streichen ließ, ehe sie sich zu einer Reaktion durchringen konnte. Vorsichtig, darauf bedacht den Dunklen nicht zu bedrängen, verringerte sie die Distanz. „Das wäre zu viel, Eddie. Das könnte ich niemals von dir verlangen.“ hauchte die Helle leise und in ihrer Tonlage schwang trotzdem Dankbarkeit mit. Ja, sie war dem Hengst dankbar, das er scheinbar solch ein Opfer bringen wollte. Einfach so. „Ganz davon ab das ich gar nicht weiß ob das je möglich wäre. Es wäre vielleicht nur Zeitverschwendung.“ Ganz zaghaft streckte Malaika die Nüstern vor, berührte den Braunen sacht an der Schulter. In dieser kleinen Berührung legte die Schimmelstute mit den braunen Punkten soviel Wärme und Dankbarkeit, wie sie konnte. „Ich komme zurecht. Das kam ich denke ich immer. Sonst wäre ich wohl nicht mehr hier. Ich habe jeden Tag alle Möglichkeiten offen, weißt du? So viele unzählige Chancen. Immer wieder aufs Neue. Ich erfreue mich immer wieder an jeder Kleinigkeit. Das hat doch auch was Gutes, oder nicht?“ Er sollte nicht versuchen sein Leben oder das was davon noch da war an sie zu verschwenden, während sie ihn jeden Tag aufs Neue kennen lernen musste. Das war wahrlich zu viel, auch wenn die Hoffnung in ihr wuchs, kratze und biss, an die Oberfläche wollte. Malaika wollte zustimmten, sich freuen und auf der Stelle tanzen, das da Jemand war, der bereit war bei ihr zu bleiben. Aber das konnte sie wahrlich nicht von Eddie verlangen, auch wenn er es angeboten hatte. Sie käme sich vor, als würde sie seine Gutmütigkeit und Freundlichkeit ausnutzen. Und so war sie nicht.



Wörter: 973

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06.01.2022, 12:38
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Eddie spürte den Zwiespalt in dem die Helle steckte, doch wusste er keine zufriedenstellende Reaktion. Er bewunderte ihren Optimismus, in ihrer Situation einen Vorteil, ja, einen Sinn zu sehen, doch verbarg sich hinter diesen starken Worten noch mehr. Das wusste er genau. Und zwar, weil er selber genauso war. Sein ganzes Leben lang hatte er damit verbracht vor anderen und für andere stark zu sein, wo sein Innenleben doch meist eine ganz andere Sprache sprach. Dennoch widersprach er Malaika nicht. „Vielleicht hast du recht.“, stimmte er ihr sanft zu, aber vor was sollte sie die Vergesslichkeit aktuell schon schützen? Wenn ihr jemals etwas Schlimmes widerfahren war, so würde es doch Sinn machen, auch nur diesen Teil zu vergessen, oder nicht? Doch der Dunkle wollte nicht weiter auf diesen Gedanken eingehen und respektierte die Geisteshaltung der Weißen dazu. Schließlich war sie es, die diese Last mit sich trug.

Und so war es für ihn nicht wenig verwunderlich, als sie auch seinen Vorschlag ablehnte. Und erneut fühlte Eddie, dass ihre Worte nicht die ganze Wahrheit sprachen. Er konnte erahnen, nein, er wusste, dass sie am liebsten bejaht hätte. Und gleichzeitig konnte er ihr nicht verübeln, sich selbst keine Hoffnung machen zu wollen. Er selbst hatte sich ja in den letzten Wochen auch nicht sonderlich mit den positiven Aussichten des Lebens befasst. Wobei er seine Situation in keiner Weise mit der von Malaika vergleichen konnte. Schließlich hatte sie sich nicht so gehen lassen wie er und für sie war eine lebensverändernde Lösung nicht nur eine Entscheidung weit entfernt. Er bemerkte erst, wie nah sie gekommen war, als sie sanft, fast schon zärtlich seine Schulter berührte und so deutlich ihre Dankbarkeit aussprach. Bei der Berührung fuhr Eddie vor Schreck ein unsichtbarer Schauer über den Körper, er hatte vergessen, wie es sich anfühlte, jemanden zu spüren. Dennoch war das hauchzarte Streichen ihrer Nüstern nicht unangenehm und so bedankte er sich mit einem warmen Blinzeln. „Das würde nur die Zeit zeigen.“, war das Einzige, was er fast unhörbar zu bedenken gab, doch es waren keine drängenden Worte. Er wusste ja selber nicht, ob seine impulsive Idee je Früchte tragen würde, aber vielleicht war das ja auch gar nicht so wichtig? Schließlich gäbe es dann ja immer noch einen, der sich für sie beide erinnern konnte. Aber Eddie wollte ihr Raum geben und keine weiteren Vorschläge machen. Schließlich kannten sie sich erst so unglaublich kurz.

„Das ist eine schöne Sichtweise.“, pflichtete er ihr sanft lächelnd bei. Es war tatsächlich das erste Mal, dass er seit ihrer Begegnung lächelte. Mehr noch. Das erste Mal, dass er seit Wochen, Monaten lächelte. Es war zaghaft und kaum sichtbar, aber es war vorhanden. „Wollen wir gemeinsam einen See oder Fluss suchen?“, wechselte er unvermittelt das Thema. Sein Vorhaben war deswegen nicht vergessen, aber das musste er Malaika ja nicht aufs Auge drücken. Es wäre auch so schön, sie einfach ein Stückchen besser kennenzulernen. Und um sie nicht unbeholfen zu fragen, ob ihre Vergesslichkeit auch den Orientierungssinn beeinträchtigte, schlug er einfach vor, sich gemeinsam auf die Suche zu machen.



Wörter: 598

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06.01.2022, 18:19
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Malaika wandte den Blick zum Himmel, wo sie Wintersonne ihren Lauf nahm, ihr helles Fell bisweilen fast schon schimmern lies, und lauschte den Worten des Dunklen. Sie nahm sich zurück, wollte ihn erst fertig sprechen lassen. Sicherlich war Eddie ihr Zwiespalt nicht entgangen, dennoch besaß er den Respekt ihre Aussage hinzunehmen, sie zu akzeptieren, ihr sogar so etwas wie Recht zuzusprechen. Wie gerne würde die Helle sein Angebot annehmen. Es war löblich und selbstlos von ihm, einer doch noch recht Fremden seine Gesellschaft und Hilfe anzubieten. Woher nahm sich die Stute heraus, es ihm abzuschlagen? Malaika hatte doch gesehen, wie ihm dieser gefasste Plan Leben einhauchte. Wie seine Augen zu glänzen begangen hatten und seine Haltung sich unbewusst strafte. Oder führte der Hengst vielleicht etwas im Schilde. Die Stute blinzelte, wand ihre Augen wieder zurück auf seine Gestalt. Nein, er sah nicht aus wie Jemand der etwas im Schilde führte. Oder? Woher wollte sie das schon wissen, sie hatte ja keine Erfahrungswerte. Die weiteren Worte des Hengstes, deutlich aber nicht drängend gesprochen, erreichten die gespitzten Ohren der Hellen. Sie verrieten, das Eddie noch nicht aufgegeben hatte. Auch wenn er ihre Entscheidung, wenn es überhaupt eine war, akzeptierte. „Die Zeit zeigen.“ wiederholte Malaika leise geflüstert, kaum mehr als ein Windhauch in den Gipfeln der Bäume, und lächelte ihn sanft an. Vielleicht, ja vielleicht. Aber dazu würde es nicht kommen. Oder? „Danke.“ setzte die Helle noch zart hinzu und ließ offen, wofür sie ihm dankte. Eddie würde es schon verstehen. Oder?

Malaika hielt dem Blick des Hengstes stand und das leichte Lächeln, was sie nun in seinen Zügen sah, überraschte sie. Es war so ehrlich, herzlich und ihr fiel jetzt erst auf, das er seit Anbeginn der Unterhaltung kaum eine Regung auf seinen Zügen gezeigt hatte. Es stand ihm, das musste die Stute zugeben. Der Themenwechseln brachte die Weiße mit den braunen Punkten kurz aus der Fassung. Nur ein Moment, eine kleine nachdenkliche Falte auf der Stirn. Hatte er doch aufgegeben? Warum schlug er dann vor zusammen ein Gewässer zu suchen? Oder war das ein Versuch hinterrücks seinen Plan umzusetzen? Malaika schüttelte das Haupt, wollte die Freude dieser Begegnung nicht mit zu viel Denken schmälern. Mit gespitzten Ohren lauschte sie den Geräuschen die um sie herum herrschten und glaubte das Rauschen eines Flusses in der Nähe zu vernehmen. Leise nur, kaum wahrnehmbar, aber doch da. „Wenn ich richtig höre, dann dürfte ein Fluss nicht allzu weit weg sein.“ Ein leises Schnauben suchte sich den Weg an die Oberfläche, ehe Malaika den Blick wandern ließ und glaubte die richtige Richtung gefunden zu haben. „Ich glaube da lang.“ gab die Helle von sich, deutete mit dem Kopf in die benannte Richtung und setzte sich anmutig in Bewegung. Wie immer waren ihre Schritte flüssig, mit einer natürlichen Eleganz, das ihr Lauf beinahe einem Tanz glich. Sie schwebte förmlich, wirkte aber absolut nicht überheblich dabei. „Diese Sichtweise hat sich heute übrigens wieder bewahrheitet.“ warf die Stute dem Hengst noch zu, ein beinahe kesses Funkeln in den Augen. „Jeden Tag habe ich die Chance etwas Schönes zu erleben. Auch der heutige Morgen versprach etwas Tolles. Und bisher hat er mich nicht enttäuscht.“ Kurz warf die Helle einen Blick zurück, betrachtete den Dunklen mit einem wissenden Blick, ehe sie den Kopf herum warf und leichten Schrittes Richtung Fluss los trabte. Eddie würde ihr schon folgen, da war sie sich sicher.



Wörter: 649

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06.01.2022, 19:16
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Von den kurzen, misstrauischen Gedanken, die in Malaika aufstiegen, ahnte Eddie nichts. Wie sollte er auch, schließlich war keine einzige böse Zelle in seinem Körper und all die Fehler, die er je in seinem Leben begangen hatte, waren nie bewusst oder aus niederen Gründen passiert. Er wäre die letzte Seele auf Erden, die je einen Hinterhalt planen würde, dazu wäre er gar nicht imstande. Doch bei ihren nächsten Worten schienen auch bei der Hellen wieder alle Zweifel an seinen Intentionen verflogen und Eddie musste die Ohren spitzen, um sie über den auffrischenden Wind aufzuschnappen. Aber er hörte und verstand und antworte leise mit den Worten, die sie zuvor verwendet hatte: „Nicht dafür.“, schlich es ihm über die Lippen und auch, wenn es im Umhang seiner wohlklingenden Stimme so sanft klang, so war doch klar, dass er diese Worte mit jeder Faser seines Körpers auch so meinte.

Mit seinem Vorschlag eine Lösung für seinen zehrenden Durst zu finden reagierte Malaika ein wenig überrascht. Natürlich, seine Frage war etwas unvermittelt in den Raum geworfen worden, andererseits hatte er das Thema ihrer Vergesslichkeit nicht weiter platttreten wollen. Es beeinträchtigte sie ja so schon genug, da musste sie nicht einen weiteren ganzen Tag daran verschwenden. Und nun, da er begonnen hatte seinen Körper wieder wahrzunehmen, war sein Durst einfach quälend. Kurz wollte er sich erklären, als er ihre augenscheinliche Verwirrung bemerkte, doch dann hielt er sich zurück. Es bedurfte im Leben nicht immer einer Erklärung und da die Weiße ohnehin schon nach den Geräuschen eines Flusses lauschte, hielt er es für überflüssig etwas zu sagen. Als sie die richtige Richtung ausfindig gemacht hatte, ließ Eddie sie einfach gewähren. Auch er hatte das Strömen und Plätschern des fließenden Wassers vernommen, aber er hatte kein Problem damit, sich auch einmal leiten und führen zu lassen. Er war niemand, der immer den Ton angeben, oder sich profilieren musste. Als Malaika sich in Bewegung setzte folgte er ihr also in etwas langsamerer Form, seine trägen und ausgezehrten Muskeln waren schnellere Bewegungen als eines schleppendes Schrittgehen nicht mehr gewohnt. Für einen Moment wusste er nicht, ob er die anmutige Stute für ihr graziles Vorankommen bewundern oder beneiden sollte. Doch die Wahl war nicht schwer und so entschied er sich für Ersteres. Die Szenen, die sich in seinem Kopf ausbreiten wollten schob Eddie dieses Mal vehement zurück, es gäbe andere Zeiten, wo er in den frohen und traurigen Erinnerungen an seine Schwester schwelgen konnte. Und so versuchte er es Malaika gleichzutun und alles zu vergessen, außer diesen einen Tag. Sie warf noch einmal den Kopf zu ihm herum und Eddie entging das freudige – leicht freche? – Funkeln in ihren dunklen Augen nicht. Ihre Worte gaben dem Dunklen einen wahren Energieschub. Es ehrte ihn, ihren Tag bereichert zu haben und er konnte das Gleiche nur von ihr behaupten. Erst viel später, wenn er an diesen Tag zurückdenken würde, würde ihm bewusst werden, was er der Stute zu verdanken hatte. Das Leben schien also noch etwas mehr mit ihm vorzuhaben als den tristen Hungertod. Aber alles in Eddie sträubte sich dagegen, dieses wundervolle Kompliment mit einem platten ‚Mich hat der Tag auch nicht enttäuscht‘ zu zerstören. Doch bevor er etwas entgegnen konnte, trabte die Weiße auch schon los und zwang ihn dazu, sich ebenfalls eines schnelleren Schrittes zu bedienen. Schwerfällig brachte er seine langen Beine dazu, ihm zu gehorchen und so folgte er der Stute so schnell er eben konnte. Sein Gangbild war aufgrund des bedürftigen Gesundheitszustandes etwas schleifend, aber ließ dennoch die sonst so raumgreifenden und schwungvollen Gänge erahnen, die seine Statur sonst mit sich brachte. Es war ernüchternd, wie schwach er war, doch das lauter werdende Rauschen des Flusses versprach ein Ende seiner sportlichen Tortur. „Ich glaube ich habe ein ernsthaftes Konditionsproblem.“, schnaufte er leicht außer Atem, als er weiterhin versuchte mit Malaika schrittzuhalten. Doch es war viel mehr Heiterkeit in seiner Stimme, als er es noch an diesem Morgen für möglich gehalten hätte und Eddie schaffte es sogar, seinen katastrophalen körperlichen Zustand mit selbstironischem Humor zu nehmen.



Wörter: 787

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06.01.2022, 20:10
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Nicht dafür. Die Worte Eddies klangen leise in den Ohren der Hellen nach. Aus ihnen sprach soviel Ehrlichkeit und Inbrunst, dennoch entschloss sich Malaika nicht darauf zu reagieren. Was auch sollte sie erwidern? Der Dunkle schien eh, als wäre die Sache damit erst einmal erledigt. Das er aufgegeben hatte, das glaubte die Helle weiterhin nicht. Oder wollte es nicht glauben. Die Hoffnung glomm, klein nur und leicht, aber sie war da. Der Gedanke daran einen Freund an der Seite zu haben, einen echten Freund, der sich aufopfern wollte und für sie da sein wollte über alle Widrigkeiten hinweg, war verlocken. Die Helle musste sich zusammennehmen um nicht in Träumereien zu verfallen. Das hier, das Reale, war viel zu angenehm, als das sie es mit Tagträumen verschwenden wollte. Wer wusste schon, wie lange das hier hielt? Vermutlich nur für diesen einen Tag. Aber der war es verdammt nochmal wert das man ihn schätzte und auskostete.

In den Gedanken verschwunden bemerkte die Stute kaum, dass Eddie damit zu kämpfen hatte, mit ihr Schritt zu halten. Sie war nicht rücksichtslos oder egoistisch, ihr war ob seiner positiven Wandlung während des Gespräches einfach entfallen, das sein körperlicher Zustand sich nicht von ein paar Bissen Nahrung soweit erholte, das er einfach mit ihrer Leichtigkeit Schritt halten konnte. Erst seine Worte, außer Atem hervor gebracht, holten die Weiße mit den braunen Punkten zurück in die Gegenwart. Augenblicklich verlangsamte die Stute ihren Lauf, ließ sich an die Seite des Hengstes zurückfallen und warf ihm einen entschuldigenden Seitenblick zu. „Tut mir Leid, ich war kurz in Gedanken.“ Sie wusste nicht, ob es diese Worte wirklich brauchte, immerhin war der Dunkle von verständnisvoller Art und der Ton seiner Stimme von leichter Selbstironie durchzogen, aber sie musste es los werden. Schließlich wollte sie ihn nicht vergraulen, fand seine Gesellschaft durch und durch angenehm, den Tag erhellend. Auch wenn er noch immer nicht das Bild bot, was er wohl mal irgendwann gewesen war, beeindrucken und eine Erscheinung. Seine Schritte, wenngleich sie nicht annähernd so kraftvoll und raumgreifend waren, wie sie es in einem gesundheitlich perfekten Zustand wohl sein würden, untermalten diesen Eindruck. Das Rauschen des strömenden Wassers wurde lauter. Sie waren auf dem richtigen Weg. „Wir sind gleich da.“

Als sich schließlich der Wald lichtete und den Blick auf den Fluss freigab, verlangsamte Malaika ihr Tempo weiter und hielt direkt am Ufer an. Hier brannte das Licht der Wintersonne, spiegelte sich grell im dahin plätschernden Wasser und wurde von dem glänzenden, hellen Fell der Stute förmlich reflektiert. Kurz warf die Schimmelin einen Blick zu Eddie, munterte ihn mit dem warmen Ausdruck darin zum Trinken auf. Sie selber verspürte keinen Durst. Der Lauf war für ihre Verhältnisse kurz und kaum kraftraubend gewesen. Ihm mochte das sicher wie ein halber Marathon vorgekommen sein. Während der Dunkle sich zum Trinken begab, beobachtete Malaika ihn. Nicht fixierend oder prüfend, auch nicht musternd, sondern einfach so. Warum war er eigentlich ganz alleine unterwegs? Er war doch Jemand, in dessen Gesellschaft man sich wie automatisch wohl und angenehm fühlte? Wieder erschien eine kleine, nachdenkliche Falte auf der sonst so makellosen Stirn der Hellen. Vielleicht? Ja, vielleicht. In ihren Augen blitze es kurz auf. Eine spontane Idee, aber irgendwie ließ sein Angebot sie nicht los. Warum nicht? Ein Versuch war es wert. Auch wenn er nun kein Wort mehr darüber verloren hatte. Die kleine Hoffnungsflamme in ihrem Inneren flackerte auf. „Ich biete dir einen Kompromiss an, okay?“ ließ die Stute ihre helle, reine Stimme zögerlich erklingen und spielte unsicher mit den Ohren. „Wenn dir wirklich daran liegt, mir helfen zu wollen, dann lass mich etwas für dich tun. Ich käme mir sonst vor als würde ich dich ausnutzen. Das möchte ich nicht. Ein Geben und Nehmen, in Ordnung?“ Eine kurze Pause, ein Blinzeln der Augen. „Ich biete dir an mir zu erzählen, was auch immer dir auf der Seele brennt. Und zwar bevor du versuchst mir Erinnerungen zu erhalten. Manchmal bringt es etwas Dinge auszusprechen. Und keine Sorge, ich würde mich nicht daran erinnern. Es wäre alles sicher.“ Und damit war es raus. Damit gab Malaika zu, das ihr nicht entgangen war, das der Hengst etwas mit sich herum trug, das ihm schwer auf den Schultern lastete. Vielleicht erfuhr sie so auch, warum er sie mitunter ansah, als würde er sie kennen, wo es doch anscheinend nicht der Fall war.



Wörter: 818

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06.01.2022, 21:03
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Eddie hatte gar nicht beabsichtigt die Weiße zu einem weniger zügigen Schritt zu verleiten, aber als sie einen Gang zurückschaltete, war sein Körper mehr als dankbar. Sein Herz pumpte ganz schön, obwohl die Belastung, die auf ihm gelastet hatte einfach nur lächerlich war. Es würde wohl etwas Zeit brauchen, bis er heilte. Er kam nicht umhin, kurz dem Gedanken zu verfallen, dass sie ja gemeinsam genesen könnten. Doch er verwarf die Idee schnell wieder, nicht umsonst hatte er vorhin das Thema gewechselt. Schließlich war Malaika nicht allzu begeistert auf sein Angebot eingegangen. Er wusste ein Nein zu respektieren. „Das macht nichts, ich bin es selber nicht gewohnt, so kraftlos zu sein.“, gut, nicht die ganze Wahrheit. Schließlich war dieser Zustand über die letzten Monate einsamer Wanderschaft entstanden, aber wirklich realisiert hatte Eddie dies in seinem tranceähnlichen Trauerzustand nicht. Aber in seinem vorigen Leben – eines, das man auch als Leben bezeichnen konnte – war er voller Freude gewesen und körperlich in tadelloser Verfassung.

Aber die Vergangenheit war Vergangenheit und jetzt drängte ihn seine ausgetrocknete Kehle, endlich die Nüstern in das kühle Nass vor ihm zu versenken. Denn endlich waren sie am Fluss angekommen, der ihn mit seinem schimmernden Lichterspiel überraschend blendete. So schloss Eddie einfach seine Augen und nahm so das eiskalte Flusswasser noch viel intensiver wahr. Der Dunkle musste sich ermahnen langsam zu trinken, so sehr reizte die Kälte seinen Hals, doch als Malaika so unvermittelt das Wort an ihn richtete, hob er abrupt den Kopf. Sein Durst war fürs Erste gestillt und Eddie wartete gespannt, was die Weiße zu sagen hatte. Sie wirkte aufgeregter als er sie bisher erlebt hatte, fast schon unsicher. Also neigte er leicht den Kopf, um sich einen Reim darauf zu machen, welchen Kompromiss sie wohl meinen könnte. Doch ihre nachfolgende Erklärung machte alles klarer. Es schien als hätte er mit seinem Gefühl recht gehabt und die Helle sehnte sich mehr danach, ihre Erinnerung wiederzugewinnen, als sie im ersten Moment vielleicht hatte zugeben wollen. Sein Ausdruck hellte sich erfreut auf, denn damit hatte er nicht gerechnet. Auch wenn er rein gar nicht damit einverstanden war, dass sie ihn dadurch angeblich ausnutzte. Schließlich war es für ihn eine Wohltat, selber wieder in Gesellschaft zu sein. Und ob sie nun vergaß oder nicht, Malaika war eine freundliche Seele und sie hatte es innerhalb weniger Minuten geschafft, seine depressive – ja, lebensbedrohliche – Stimmung merklich aufzuhellen. War das nicht schon Gegenleistung genug? Doch noch sagte Eddie nichts, denn die Schimmelstute hatte noch nicht zu Ende gesprochen. Er war ein wenig neugierig, was sie ihm nun wohl anbieten wollte.

Doch ihr Angebot erwischte ihn kalt. Es fühlte sich an, als hätte jemand einen Eimer des eisigen Flusswassers genommen und ihm über den gesamten Körper geschüttet. Mit ihren Worten schien ein Teil seiner so sorgsam zurückgeschlossenen Vergangenheit wieder über ihn hereinzubrechen. Es fühlte sich nicht richtig an, ihr von seinen dunkelsten Zeiten zu erzählen, von den Schicksalsschlägen, die ihn hatten verkümmern lassen, wenn sie am nächsten Tag nichts mehr davon wusste. Viel lieber würde er ihr das Versprechen anbieten, ihr von allem zu berichten, sobald sie ihre Erinnerung zurückerlangt hatte. Doch er wollte sie nicht zurückweisen, hatte das Gefühl, dass diese Worte sie einiges an Mut gekostet haben mochten. Gleichzeitig hatte sie auch recht. Zum Anfang ihrer Begegnung war es allerdings auch wahrlich nicht schwer gewesen, seinen Zustand richtig zu deuten. Wenn jemand so durch die Welt geisterte, wie er, dann hatte derjenige sein Päckchen zu tragen. Doch würde dieses Päckchen leichter, erträglicher werden, wenn er davon berichtete? In diesem Moment, wo er sich so wohl in der Anwesenheit der Weißen fühlte, wagte Eddie es sogar fast zu bezweifeln. Aber vielleicht war es auch nur die Angst, sich zu öffnen und das Vergangene noch einmal zu durchleben. Es schien wie eine Ewigkeit, bis er antwortete, dabei waren nur wenige Sekunden verstrichen, seit Malaikas Stimme vom Wind davongetragen wurde. „Bist du dir sicher? Ich möchte dir deinen Tag nicht verderben.“, nein, das wollte er nicht. Er war schließlich alles, was die Helle heute hatte. Aber es war auch eine halbe Frage an sich selbst, denn wenn sie bejahte, was sollte er bloß erzählen? Wo sollte er anfangen? Würde ihm an gewissen Punkten die Stimme einfach wegbrechen? Aber hier ging es nicht nur um ihn. Den ersten Teil ihrer Erläuterung wollte er nicht unbeantwortet lassen. Natürlich lag ihm etwas daran, der Weißen zu helfen, sonst hätte er dieses Angebot nicht in den Raum gestellt. „Du nutzt mich nicht aus. Ich… fühle mich sehr wohl. Das habe ich schon lange nicht mehr gefühlt. Allein so hilfst du mir schon mehr als du dir vorstellen kannst.“ Bei den letzten Worten senkte er den Blick, denn er sprach die traurige Wahrheit. Und obwohl er sich gedacht hatte, dass sich jedes Gefühl von Glück und Freude, egal wie klein, wie Verrat anfühlen würde, so war das mit ihr nicht der Fall. Auf eine stille und nicht greifbare Art und Weise hatte Eddie in ihrer Nähe das Gefühl, dass er nicht dazu verdammt war, in Trauer zu leben. Vielleicht lag es an ihrem selbst so harten Schicksal, welches sie mit solchem Optimismus sah, er konnte es nicht ganz beschreiben. Und das war es, was er ihr gerne zurückgeben wollte. Und wenn es nur durch seine tägliche Präsenz wäre. War das nicht schon ein Geben und Nehmen?

Allerdings wollte Eddie nicht, dass Malaika sein Zögern falsch aufnahm. Sehr gerne wäre er schlagartig auf ihr Angebot eingegangen, wenn es nicht so schmerzhaft wäre. „Aber bitte verstehe mich nicht falsch. Ich möchte dir sehr gerne helfen. Das meine ich auch so.“, sein Blick suchte aufrichtig den ihren, denn er stand zu seinem Wort. „Nur möchte ich nicht, dass du denkst ich würde eine Gegenleistung fordern. Oder brauchen.“ Er war bemüht um Worte und fand doch nicht die richtigen, doch er hoffte einfach, dass die Weiße ihn verstand. Es war an ihr, diesen kleinen Pakt nun vollständig zu bejahen, auch wenn die Stimmung der beiden mit dem Verlauf von Edwards Vergangenheit sicherlich zu leiden hätte. Ein wenig hilflos suchte er Sicherheit in ihrem Blick und wartete ab, was sie zu sagen hatte.



Wörter: 1188

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06.01.2022, 22:57
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Nun war es Malaika, die den Blick betreten zu Boden senkte und mit einem undefinierbaren Ausdruck in den dunklen Seelenspiegeln auf das Wellenspiel des Flusses blickte. Irgendwie schienen ihre Worte, ihr Angebot, im Nachhinein doch sehr anmaßend und die Reaktion, die der Dunkle bei ihrem Vorschlag zeigte, bestätigte ihr Empfinden. Eddie wirkte als hätte man ihm direkt das eiskalte Flusswasser über den Körper gekippt. Die Helle konnte spüren, wie er erschrocken, vielleicht sogar geschockt, das Trinken unterbrach und sie anstarrte. Aus dem Augenwinkel konnte die Stute sehen, das er um Fassung bemüht war, seine Züge ihm kurz entgleisten, und er ihre Worte erst einmal verdauen musste. Vielleicht täte die Schimmelin gut dabei, so wie Eddie erst einmal nachzudenken, bevor man etwas aussprach. Manchmal war ihr Mundwerk einfach schneller, sie dachte nicht viel über Konsequenzen oder dergleichen nach. Vermutlich war das hier gerade ein großer Fehler gewesen? Just in dem Moment, wo Malaika sich entschuldigen wollte wegen ihrer unbedachten Aussage, erklang die Stimme des Hengstes. Malaika hob zögerlich den Blick, blinzelte Eddie entgegen. Er machte sich wirklich Sorgen darüber ihr den Tag zu verderben? Ein kurzes Ohrenspiel bei seinen weiteren Worten, welche es schafften das sich wieder ein seichtes Lächeln auf ihre noch angespannten Züge legte. Das er den Blick nun senkte, entging der Hellen nicht, und kurz wollte sie ihn wieder sanft berühren, ihm Wärme und Geborgenheit schenken, doch sie hielt sich diesmal zurück. Der Dunkle fühlte sich also wohl. Das konnte Malaika nachvollziehen. Ihr erging es ähnlich.

Ein Moment der Stille verging. Malaika ließ ihren Blick auf ihm ruhen. Nicht musternd, nicht drückend, einfach von Wärme durchzogen und Anteilnahme. Kein Mitleid, denn das schien Eddie nicht zu wollen. „Weißt du.“ begann die Stute mit leiser, zögernder Stimme und machte einen vorsichtigen Schritt auf den Dunklen zu. „Für mich würde sich das halt einfach so anfühlen. Ich kann das nicht genau erklären. Und wenn deine Mühen dann ganz umsonst wären? Dann will ich wenigstens etwas zurück gegeben haben. Verstehst du?“ Empfindungen waren schon was komisches. Hier stand der Hengst, beteuerte das sie ihn nicht ausnutzen würde, und sie empfand trotzdem so. Die feinen Ohren spielten. Malaika wollte nicht, dass das Ganze hier irgendwie bedrückend würde. „Es tut gut zu hören das dir unsere Begegnung etwas hilft. Ich würde nur gern mehr tun, weißt du? Nicht weil du mir leid tust. Einfach nur weil... weil ich mich eben auch... wohlfühle. Und ich deine Anwesenheit... genieße. Und irgendwie im Gegensatz dazu... ich mein...“ Die helle Stimme der Stute war leise und deutlich zögernd. Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte. Ob es angebracht war, was sie zusammen stotterte. Kurz ließ die Weiße mit den braunen Punkten den Blick wandern und am anderen Ufer verweilen, als wenn dort die Antwort auf alle ihre im Kopf herumgeisternden Fragen läge. Warum war sie, wie sie war? Warum konnte ihr Leben nicht einfacher sein? Warum? Warum? Warum? Die Stimme des Hengstes schaffte es nur mit Mühe durch die Gedanken, aber sie schafften es, das Malaika den Blick zurück lenkte und in die Situation zurückfand. Eine kleine, nachdenkliche Falte erschien auf der makellosen Stirn, die Ohren spielten. „Das denke ich doch nicht? Ich möchte von mir selbst heraus was geben. Freiwillig. Warum willst du mir denn helfen, hm? Denkst du ich erwarte das? Vermutlich handeln wir beide aus ziemlich gleichen Motiven.“ Malaika ließ offen was für Motive das waren. Eddie würde das schon wissen, da war sie sich ziemlich sicher. Er schien genau wie sie, selbstlos und im Wohle für andere zu handeln. Sofern die Sympathie passte.

Zeit verstrich, in der nur das Plätschern und Rauschen des Flusses die Stille zwischen ihnen fühlte. Malaikas Haupt rutschte unbewusst erneut in eine leichte Schieflage, die Ohren gespitzt, und ihr Blick versuchte zu erkennen was in Eddie vorging. Vielleicht sollte sie irgendwas machen, damit das Ganze hier nicht bedrückend und angespannt wurde? Oder war es dafür zu spät? „Es... es muss ja nicht heute sein... wir haben doch... Zeit... glaub ich... oder?“ Die leisen Worte der Stute schafften es trotz geringer Lautstärke das Rauschen und Plätschern zu übertönen. Der Klang ihrer Stimme war besänftigend, versöhnlich und zeigte, das sie scheinbar bereit war, seine Hilfe anzunehmen. Und sie sagten auch aus, das sie immer und jederzeit bereit wäre sich seine Geschichte anzuhören. Nur drängend wollte Malaika ihn nicht. Vielleicht hatte er ja vor ihr davon zu erzählen, nur irgendwann anders? Zu einer anderen Zeit? An einem anderen Ort? Ganz vorsichtig streckte die Helle erneut die Nüstern in Richtung seiner Schulter, hielt sich aber im letzten Moment zurück. Vielleicht war das jetzt nicht richtig, ihm schon wieder auf die Pelle zu rücken? Lediglich ihr warmer Atem streifte zart über sein Fell. Während Malaika seinen Duft einzog, breitete sich etwas in ihr aus. Eddie roch irgendwie nach Ankommen, nach Heimat, nach Sicherheit, und sie wusste urplötzlich tief in ihrem Innersten, sie würde froh sein über jeden Augenblick, den sie teilten, auch wenn sie ihn wieder vergessen würde. Und das überraschte die Helle. Warum? Sie kannten sich doch kaum. War es, weil ihre beiden Geschichten eine Bürde waren, die zusammen leichter zu ertragen war? Oder spielten einfach ihre Hormone da rein? Oder? Oder? Oder?



Wörter: 1017

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09.01.2022, 20:12
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Es schien, als wären sich diese beiden verlorenen Seelen einfach ein Stück weit zu ähnlich. Statt die Hilfe des jeweils anderen einfach anzunehmen, weil sie sie brauchten, drucksten sie um ihre Probleme herum und wollten niemandem zur Last fallen. Doch so langsam ließen sich wohl beide erweichen, ein Umdenken in Erwägung zu ziehen. Natürlich verstand Eddie Malaika, verstand so unglaublich gut, dass sie auch etwas tun wollte. So, wie es eigentlich auch sein sollte. Viel zu selten hatte Eddie so etwas in seiner Vergangenheit erleben dürfen. „Ja, ich kann dich verstehen.“, wieder hatten seine Worte einen sanften und weichen Klang, seine Stimme unterstrich ehrlich und ruhig das Gesagte. Man würde lange suchen, wenn man ein verständnisvolleres Wesen als Eddie suchte, so viel war klar. Zu diesen Worten gab es nicht viel hinzuzufügen, doch die Weiße hatte ohnehin schon erneut die Stimme erhoben. Sie sprach schnell und nervös, als hätte sie Angst, sich falsch auszudrücken. Etwas unpassendes zu sagen. Doch Eddie lauschte ihr geduldig und sein Herz wurde ganz warm, als sie davon sprach, was seine Anwesenheit in ihr auszulösen schien. „Ist schon in Ordnung.“ Malaika war leicht stotternd verstummt, verlegen um die richtigen Worte. Der Dunkle spürte, dass sie ihm gerne eine Last von den Schultern nehmen wollte. Er nahm es ihr in keinem Fall übel, dass sie in dieser Hinsicht ein offenes Ohr angeboten hatte, nur wusste Eddie in diesem Augenblick nicht, ob er schon darüber sprechen konnte. Über das, was passiert war. Doch der Tag war noch lang. Die Sonne stand gerade in ihrem Zenit und der Hengst wollte nicht ausschließen, dass er heute einen Teil seiner Vergangenheit mit Malaika teilen würde. In dieser Hinsicht fühlte er sich hin- und hergerissen. Er schleppte dieses Thema nun schon so lange mit sich herum, ohne auch nur mit einer Seele darüber gesprochen zu haben. Nun gut, so ganz stimmte das nicht. Er hatte über die Schicksalsschläge geredet, doch das hatte nur noch zu viel mehr Unheil geführt. Am Ende waren all diese Gespräche sein Todesstoß gewesen, bis schließlich eines zum anderen geführt hatte. Und zwar dazu, dass er mutterseelenallein war. War das vielleicht ein weiterer unterschwelliger Grund, warum es ihm so schwer fiel, das Wort über früher Geschehenes zu erheben?

Motive. Malaika hatte recht. Sie waren sich so ungleich, er hager und krank, mutlos und am Boden. Sie wirkte wie eine zarte Elfe neben ihm, so erhaben und voller Energie, so voller Leben. Doch was sie verband war ihre selbstlose Art, die Neigung, anderen etwas Gutes tun zu wollen. Aber sie hatte es schon so gut zusammengefasst, was gab es da groß zu sagen? Und so nickte Eddie nur und überließ sie beide wieder dem Rauschen des Flusses. Seine Gedanken rasten und bewegten sich zugleich in Zeitlupe. Wie war es nur dazu gekommen? Sein ganzes Leben war zerbrochen, er hatte sich aufgegeben und mit einem Mal lief er ohne jede Hoffnung an einem kleinen Kräuterfeld vorbei, welches sein Leben änderte? Und es war nicht übertrieben zu sagen, dass diese – für andere so unscheinbare – Begegnung sein Leben veränderte. Auch, wenn er das jetzt vielleicht noch nicht wusste. Und doch spürte der Dunkle es tief im Inneren.

Malaikas zarte Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. Er lächelte sanft und erfreut. Ja, sie hatten Zeit. Eddie hatte kein Ziel im Leben, keinen Ort an dem er sein musste, er hatte keine Familie, keine Zukunft, keine Vergangenheit, die ihn willkommen hieß. Der Braune hatte alle Zeit der Welt und es versetzte ihm einen kleinen Freudestoß, wenn er diese Zeit damit verbringen durfte, Malaika kennenzulernen. Und wenn es jeden Tag aufs Neue war. Und dieses Mal ließ er mit seiner Antwort nicht so lange auf sich warten: „Ja, die haben wir.“ Und es klang wie ein kleines Versprechen. Der Wind verschluckte seine Worte fasst, doch Eddie war sich sicher, dass die Helle sie verstanden hatte. Und dass sie auch verstehen würde, dass dieses Versprechen die Klärung seiner Vergangenheit beinhaltete. Ihre zögerliche Frage hatte den Druck von ihm genommen und der Dunkle konnte sich merklich entspannen. Einmal, weil er nun nicht gezwungen war, in der Trauer der Vergangenheit zu versinken, denn er wusste nicht, ob er der in diesem Moment gewachsen war. Und zum anderen, weil sie seine Hilfe nicht weiter abschlug und sein Leben einen neuen Sinn eingehaucht bekam. Vielleicht spürte Eddie schon unterbewusst, dass er auf der Suche nach Malaikas Erinnerung auch ein Stück zu sich selbst zurückfinden würde.

Dem Dunklen entging nicht, dass die Weiße sich merklich zurückhielt, ihn am liebsten berühren wollte. Ihr warmer Atem strich schmeichelnd über sein Fell und kurzerhand machte er einen kleinen Schritt und drückte sanft seine Stirn gegen ihren Hals. Es war nur eine flüchtige Sekunde, die er sie berührte und fernab von einer romantischen Geste – aber dennoch lag mehr Gefühl darin, als er in Worte hätte fassen können. Gefühle konnten eine solche Bürde sein, doch in diesem Falle waren sie ein kostbares Geschenk. Es brauchte nicht viele Worte, damit sie sich verbunden fühlten. Langsam trat er wieder einen kleinen Schritt zurück, wollte Malaika nicht den Eindruck geben, dass er sie bedrängte, doch in seinen Augen lag nun ein Funke vorsichtiger Verspieltheit. Dieser kleine Moment hatte ihm Zuversicht geschenkt und damit auch eine lange verborgene Facette von ihm freigelegt. Damals war Eddie unbeschwert gewesen, ja manchmal fast albern verspielt und ganz unaufdringlich keimte in ihm der Wunsch auf, etwas Schönes zu unternehmen. „Gibt es etwas, was du besonders gerne machst?“ Eddie wollte etwas erleben, wollte dem Funken Freude in ihm die Chance geben zu wachsen. Keine halsbrecherische Verfolgungsjagd, nicht das Erklimmen der höchsten Gebirgsketten. Nein, es waren die kleinen Dinge, die ihm immer Freude bereitet hatten. Gemeinsam den Wolken nachzuschauen, die Sterne zu beobachten. Die hübschesten Orte zu finden, den Wind in der Mähne zu spüren, Erinnerungen schaffen. Malaika würde trotz ihrer Vergesslichkeit sicherlich Vorlieben verspüren und der Dunkle hoffte, dass sie auch diese Momente gerne mit ihm teilen wollte. Und so stand er da nun also, das Abbild eines Verwahrlosten, geschwächt und mager, aber da war es endlich, das Funkeln der Lebendigkeit in seinen dunklen Seelenspiegeln. Sein Blick suchte fest und zugleich fast schon schüchtern und zurückhaltend den ihren. Er versprach keine großen Abenteuer, doch wer wusste schon, welch kleine Wunder heute noch auf sie warteten?



Wörter: 1193

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11.01.2022, 21:45
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Die Helle hielt den Blick auf Eddie gerichtet, abwartend und mit einer grundlegenden Wärme. Der Hengst hatte während ihrer Begegnung einer förmlichen Wandel durchlebt. Am Anfang fast schon gebrochen, müde und ausgelaugt von dem, was wohl gewesen ist, erwachte er nun immer mehr zum Leben. Einfach so. Durch ihre Anwesenheit? Malaika konnte langsam erahnen, was unter dem stumpfen Fell schlummerte, welch einen Anblick der Dunkle in guten Tagen sein musste. Muskulös. Freundlich. Beinahe sanftmütig. Einfach angenehm. Der sanfte, weiche Klang seiner Worte hallte leise in Malaikas feinen Ohren nach. Ja, ich kann dich verstehen. Es tat gut so etwas zu hören, dass musste die Stute zugeben. Sie verstand sich kaum selber. Ihr Leben, wie es verlief und warum es so lief. Konnte Eddie sie wirklich verstehen? Zumindest das, worauf sich seine Aussage bezog, da war sich Malaika sicher. Sie enthielt sich, lächelte ihn nur leicht und warm an, lauschte seiner Stimme und nickte nur flüchtig. Manche Dinge brauchten keine Worte.

Erneut verstrichen Momente der Stille. Mittlerweile war sich die Helle bewusst das dies kein Grund war Spannung zu vermuten oder sich bedrückt zu fühlen. Eddie brauchte diese Zeit, brauchte einen Moment Gesagtes auf sich wirken zu lassen und sich Worte zurecht zu legen, sich zu sortieren. Ohne es groß zu merken hatte die Helle diese Eigenart akzeptiert, es nicht auf sich bezogen, beinahe schon mögen gelernt. Sofern so etwas möglich war. Bestimmt konnte die Weiße mit den braunen Punkten noch eine Menge von dem Dunklen lernen. Auch wenn er sicher kaum älter als sie war, so schien er doch Fähigkeiten zu haben, die ihr einfach fehlten. Geduld. Innere Ruhe. Und vermutlich auch einen enormen Wissensschatz, Erfahrungen auf die er zu greifen konnte. Eine Welle von Trauer braute sich in Malaika zusammen. Durch ihre Vergesslichkeit konnte sie nur auf Instinkte zugreifen, Erfahrungen und Wissen glitten aus ihrem Kopf, sobald der Schlaf sie holte, und kurz war ihr, als müsse sie sich dem Selbstmitleid hingeben, ehe sie sich fasste und die dunklen Gedanken mit einem fließenden Kopfschütteln verscheuchte. Die Stimme des Hengstes half ihr dabei, lichtete den Nebel aus aufschreienden Fragen nach Sinn und Zweck ihres Daseins. Seine Worte waren wie ein kleines Versprechen und auch hier hielt sich Malaika diesmal zurück, blinzelte ihn nur dankbar an.

Die plötzliche Berührung des Hengstes, die ihrer kleinen, unbedachten Annäherung folgte, überraschte die Helle und kurz kräuselte sie beinahe erschrocken die Nüstern, weitere die dunklen Seelenspiegel. Nicht das es sich nicht gut anfühlte, geborgen und irgendwie wie Zuhause, sie hatte einfach nicht damit gerechnet. Es war das erste Mal, das der Dunkle die Distanz verringerte, sanft und nur ganz flüchtig seine Stirn an ihren Hals drückte. Da wo sich ihre Körper berührten fühlte es sich für die Helle an, als würde alles gut werden. Was auch immer das heißen mochte. Es lag keine Romantik dahinter, glaubte die Stute, und dennoch konnte sie so unglaublich viel Gefühl dahinter spüren. Und sie hoffte, der Dunkle fasste ihre im ersten Moment gezeigte Überraschung über seine Überwindung, die Berührung, nicht falsch auf. Das wollte sie auf keinen Fall. Es war schön sich Jemandem nahe zu fühlen, Jemand nahe sein zu können, einfach so, weil man sich sympathisch war und irgendwie zueinander fand, wie und warum auch immer. Das Lächeln auf ihren samten Lippen wurde etwas breiter, wärmer, verbundener und in ihren Augen lag ein undefinierbares Glitzern. Lebensfreude, wenn man genauer hineinsah. Davon hatte Malaika mitunter eine ganze Menge.

„Ja natürlich.“ sprudelte die Helle ihre Antwort beinahe hervor und spielte mit den Ohren. Eddie wollte etwas unternehmen? Da war doch noch so viel in ihm, was man ihm im ersten Augenblick ihres Treffens gar nicht zugemutet hätte. „Also...“ begann die Helle und ließ den Blick kurz wandern. Was konnten sie beide zusammen machen, ohne das es zu anstrengend oder zu persönlich war? Ein Wettrennen war sicher keine gute Idee und eigentlich war Malaika danach auch gerade nicht. „Wir könnten den Strand suchen und vielleicht den Sonnenuntergang anschauen?“ Kaum hatte die Helle die Idee ausgesprochen bereute sie es beinahe. Klang das vielleicht zu kitschig, romantisch, gefühlsduselig? Mit einem schiefen Lächeln blickte sie zu Eddie, wartete auf eine Reaktion, hoffte das er in diese Idee nicht irgendetwas rein interpretierte. Sicher war der Winter nicht die beste Jahreszeit um sich am Meer aufzuhalten, aber der Tag war mild, der Himmel klar, heute würde sich sicherlich ein wunderschöner Anblick bieten. Und vielleicht gab es dort in der Nähe einen etwas geschützten Platz, irgendwo bei den Dünen oder zwischen den Wurzeln einiger Bäume, wo man sich zur Nachtruhe legen konnte. Nicht das Malaika es eilig hatte, im Gegenteil, aber der Weg war sicher auch etwas länger und der Tag war, trotz das er schön und angenehm war, doch in irgendeiner Form anstrengend gewesen. Nicht, dass das was Schlechtes war. Im Gegenteil.



Wörter: 920

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15.01.2022, 19:44
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Malaika schien über seine plötzliche Berührung kurz erschrocken, doch Eddie nahm die Reaktion nicht persönlich. Er hatte schon fast damit gerechnet und da die Stute nach wenigen Sekunden ihren Ausdruck komplett veränderte und ein breites und warmes Lächeln auf ihre Züge zauberte, bestand für ihn kein weiterer Grund zur Sorge. Und da war es wieder, dieses Strahlen in den Augen, das ihn immer wieder in die Vergangenheit reißen wollte. Doch dieses Mal schaffte der Dunkle es, einfach mit einem Lächeln zu antworten, sich nicht einnehmen zu lassen von Trauer und Verlust. Oft würde er noch in diese dunklen, sanften Augen schauen und oft noch würde er erinnert werden. Es war an der Zeit, sein Herz heilen zu lassen, damit es nicht jedes Mal wieder drohte zu zerreißen. Seine Schwester hätte das nicht gewollt. Doch da war wieder Malaikas rettende Stimme zur Stelle, die ihn gar nicht mehr auf alten Pfaden wandern ließ. Ihr freudiger, fast aufgeregter Ton ließ ihn seine Ohren neugierig spitzen und die Freude über die kommende Unternehmung spiegelte sich in seinem ganzen Körper. Allein die aufrechtere Körperhaltung und der aufmerksame Gesichtsausdruck vertrieben einen Teil des kränklichen und elendigen Eindrucks, der Eddie nun schon seit Wochen begleitet hatte. Was einige Stunden von Gesellschaft und Zuwendung ausmachen konnten war schon erstaunlich. Die Helle schlug einen Strandbesuch vor, dem Eddie mit einem freudigen Schnauben zustimmte. „Das klingt wunderbar.“ Auch in seiner Heimat hatte es einen Strand gegeben und es gab fast keinen Ort, den er lieber gehabt hatte. Besonders die Sonnenuntergänge hatten es ihm angetan. Allein ein klarer Sternenhimmel konnte diesen Anblick noch übertreffen, doch manchmal hatte man ja auch Glück und sah die wunderschönen Lichtpunkte schon im Übergang des Abendrots. Eddie hoffte nur inständig, dass der Weg bis dorthin nicht zu weit wäre. Ihr gemeinsames Gespräch hatte ihn belebt, Kräuter und Wasser hatten ihm etwas Energie geschenkt, doch er spürte jeden Schritt in seinem hageren Körper. Aber Eddie wollte keine negativen Prognosen aufstellen, falls der Weg bis zum Strand für ihn nicht machbar wäre, würden sie schon ein anderes schönes Örtchen finden. Der Dunkle wollte sich jedoch nicht kampflos geschlagen geben.

Malaikas Sorge, dass diese Idee falsch bei ihm ankommen könnte, fiel Eddie fast gar nicht auf. Für ihn gab es dafür auch keinen Grund, denn in seinen Augen gab es nichts, was man in einen Sonnenuntergang hineininterpretieren könnte. Die Weiße fragte ihn ja schließlich nicht, ob er sie dort gerne heiraten würde. Als er jedoch ihr leicht unsicheres Lächeln bemerkte, wollte er sie nicht wortlos hängen lassen. „Ich finde das ist eine schöne Idee. Ich liebe das Meer und die Weite der Wellen. Und es gibt kaum etwas Schöneres als die Farben der untergehenden Sonne.“ Ja, er liebte die Sonne und das Meer. Das er jemals nochmal das Wort ‚lieben‘ in den Mund nehmen würde, hätte Eddie bis vor ein paar Stunden selbst nicht gedacht. Aber in ihm steckte so viel Liebe, Güte und Wärme, dass es nicht viel brauchte, um wenigstens seine Liebe für die Natur wieder an die Oberfläche zu schwemmen. Da durfte er ja wenigstens für einige Momente vergessen, dass er noch nicht dazu imstande war, sich selbst zu vergeben. Aber ein kleines Fünkchen Freude zuzulassen war ja schon einmal ein guter Anfang.

Und so machte er sich daran, die Nüstern witternd in die Luft zu recken und obwohl er sich wenig Hoffnung gemacht hatte, wehte eine deutliche Note salziger Luft zu ihnen herüber. Der zarte Windhauch kam von flussabwärts und der Dunkle vermutete, dass ihr Fluss schließlich im Meer münden würde. Erfreut über den Ausblick, dass das Meer nicht allzu weit entfernt sein konnte, wenn er schon von hier die erste Brise roch, nickte er in Richtung des Windes. „Ich glaube dort können wir es versuchen.“, schlug er fast schon aufgeregt lächelnd vor. Enthusiastisch drehte er sich schon in die richtige Richtung, ging einen zögerlichen Schritt, wartete dann aber mit einem sanften Blick über die Schulter, ob Malaika schon bereit wäre loszugehen.



Wörter: 791

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17.01.2022, 13:02
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