Stillreich » Das Tal » Neuanfang
Ort: Gebirge - Teilnehmer: Mercy
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Kühler Wind. Er war so präsent, dass er Vipers ohnehin wilde Mähne noch mehr zerzauste. Es gab ihrem verwitterten Aussehen eine spielerische Note, die vor einigen Jahren sicher noch gut zu der Stute gepasst hätte. Doch sah man sie nun, rastlos, heimatlos, so war von Fröhlichkeit keine Spur mehr geblieben. Die Augen stumpf, den Kopf dennoch in stolzer Manier erhoben blickte sie Füchsin hinab in ein Tal, welches unwillkommene Erinnerungen aufsteigen ließ. Entschlossen kniff sie die Augen zusammen, als würde sie dadurch die Bilder der Vergangenheit ausblenden können, doch zu spät. Zu ihren Hufen lag eine Landschaft, die nur allzu sehr dem Ort glich, welchen sie damals ihr zu Hause genannt hatte. Ein Ort, der von Anfang an viele Herausforderungen mitgebracht hatte, die Viper als junge Stute mit ihrer leidenschaftlichen Lebensfreude erstaunlich gut gemeistert hatte. Fünf Jahre war es her, dass sie damals in einem Gebirge gelebt hatte, welches diesem hier erstaunlich glich. Fünf lange Jahre, in denen sich so unglaublich viel geändert hatte, dass niemand, der sie damals gekannt hatte sie nun noch wiedererkennen würde. Äußerlich mit Sicherheit, denn bis auf einige Narben, die ihren Körper ohne größeren Grund zierten und das etwas stumpf gewordene Fell hatte sich an ihrem edlen Erscheinungsbild nicht viel geändert. Doch innerlich war sie nicht mehr ansatzweise die Stute von früher. Auch jetzt, da sie sich wieder langsam in Bewegung gesetzt hatte, fehlte es ihrem Gangbild an Schwung, der Kopf war in endloser Resignation leicht gesenkt, die Augen ziellos auf einen weit entfernte Klippe gerichtet. Noch immer sah man ihr die Trittsicherheit in unwegsamen Gelände an, mühelos wich sie losen Steinen aus, ohne sich überhaupt auf den Untergrund unter ihr zu konzentrieren. Wenigstens das hatte ihr die jugendliche Erfahrung in den Bergen genützt. Nun konnte sie ihre Bergwanderung dafür nutzen, belanglosen Gedanken nachzuhängen. Kurz überlegte Viper mit einem Blick in das ausladende Tal, ob sie nicht einfach umkehren sollte. Von hier aus sah sie einen zentralen See, in der Ferne das dunkle Meer, dessen Wogen sich in weißem Schaum am Strand ergossen. Es war so erstaunlich ähnlich. Der Gedanke zog die Stute ebenso an, wie er sie abstieß. Wäre es nicht besser, diesen Ort zu meiden, Vergangenes einfach auszublenden und nicht Gefahr zu laufen, durch die ähnlich wirkende Örtlichkeit alles noch einmal zu durchleben? Viper blieb stehen. Seit Jahren war sie nun schon auf Wanderschaft, hatte so vieles versucht. Hatte versucht zu verdrängen, zu vergessen, zu flüchten. Wie lange war es her, dass sie ihre Heimat verlassen hatte? Zwei Jahre, drei Jahre? Und doch hatte alles nichts gebracht. Noch immer hatte sie sich von jeglichem Leben abgenabelt, noch immer suchten sie die Bilder der damaligen Zerstörung heim und die Schuld ihrer Taten lastete schwer auf ihrem Herzen. Dabei hatte es keine Rolle gespielt, ob sie auf den saftigsten Wiesen, oder in den dunkelsten Wäldern gestanden hatte. Vielleicht war es eine Selbstbestrafung gewesen, in all der Zeit nicht zuzulassen, dass sie sich wieder heimisch fühlte. Hatte sie es denn besser verdient? Reuevoll schloss sie erneut die Augen. Ich habe nichts Besseres verdient. Ja, diese Überzeugung hatte sie von Ort zu Ort getrieben, hatte sie ruhelos und zermürbt werden lassen. Hatte der Glaube an ihre Schuld sie bereits gebrochen?

Doch an diesem Punkt trat auch ein anderer Gedanke in den Raum. Du hast genug gelitten. Es war eine kraftvolle Stimme die sich dort meldete. Schon lange hatte Viper sie nicht mehr gehört, doch erkannte sie sie sofort. Es war ihr Überlebensinstinkt, ihr Stolz, ihre Würde. Lange hatte sie diese Aspekte ihrer Persönlichkeit verloren geglaubt, doch sie lebten noch in ihr. Sie wusste, dass dieser Teil ihr sagen würde, dass dies der Ort für einen Neuanfang wäre. War das noch möglich? Die Fuchsstute atmete tief durch. Die kühle Bergluft durchströmte belebend ihre Lungen und erfüllte ihren gesamten Körper. Ihr Fell begann leicht zu kribbeln. Der Impuls auf der Stelle Kehrt zu machen, war einer Art Neugier gewichen, die Viper schon immer gehabt hatte. Nur hatte sie sie seit Ewigkeiten nicht gespürt. Vielleicht war es an der Zeit, die alten Lasten, die schaurigen Geschichten hinter sich zu lassen und in ein Leben zu starten, welches wieder lebenswert war. Niemand kannte sie hier. Niemand verurteilte sie hier. Niemand würde es hier je erfahren. Du hast genug bereut. Probier es aus. Der Gedanke war lauter als die altbekannten Schuldgefühle. Ihm wohnte eine Art Hoffnung inne, die Hoffnung, dass sich noch mehr in diesem Leben befand als ihre momentan triste Daseinsfrist. Mit zögerlichem Elan, der sie zaghaft ergriff, setzte sich die Stute wieder in Bewegung. Eine neue Zielstrebigkeit zeichnete sich in ihren Schritten ab. Hier im Gebirge war der Ort wo es alles beginnen sollte. So, wie auch ihr Leben damals zwischen Höhlen, Steinen und Klippen begonnen hatte.



Wörter: 892

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22.10.2021, 14:52
» Cruors Last Mercy


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Der Wind pfiff an diesem Tag so eisig als müsste er etwas beweisen. Obwohl am Himmel dichte graue Wolkenschleier hingen, kniff Mercy die Augen zusammen, als er aus der dunklen Höhle hervor trat. Tageslicht hatte er in den letzten Jahren nicht allzu oft zu Gesicht bekommen. Es überkam ihn mit einer solche Wucht, dass er einen stechenden Schmerz in den Schläfen verspürte, der ihn dazu zwang die Augen zu noch kleineren Schlitzen zuzusammenzukneifen. Scharf sog er die kühle Herbstluft durch die Zähne ein. Die Kälte brannte in seinen Lungen und ließ ihn impulsiv husten. Staub, Schimmel und Asche hatten seinem Körper in den vergangenen Jahren zuzehenst geschadet.

Nach dem Feuer hatte er lange Zeit allein in dem Ödland gelebt, das die Flammen hinterlassen hatten. Ihm war bewusst geworden, dass sein Plan nicht funktioniert hatte. Dennoch hatte Trümmern und Asche eine magische Wirkung auf ihn. Die Einsamkeit, die sie mit sich brachten, hatte sich der schwarze Hengst zu Eigen gemacht. Erst als die Natur sich Jahre später allmählich zurückholte, was ihr gehörte, Bäume wieder austrieben und neues Leben in die karge Landschaft gehaucht wurde, hatte er seine alte Heimat verlassen. Es zog ihn zurück in die Berge, weit über die Grenzen des Landes hinaus bis an diesen Ort.
Die Felshöhle zwischen den steilen Klippen hatte ihn nun für viele Monate als neue Behausung gedient. Er hatte zurück zu seinen Wurzeln gefunden. Nie hätte er sich selbst eingestanden, dass seine miserable Kindheit, die er in einer solchen Höhle verbringen musste, ihn so geprägt hatte. Doch woher sollte sein Hang zur Finsternis sonst kommen - oder die selbstzerstörerische Ader, die ihn immer wieder dazu brachte sich Leid anzutun? Schmerz um sich selbst zu spüren. Das war sie: die bittere Wahrheit!

Allmählich hatten sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt und der Husten ließ nach. Dicker Rotz quoll aus seinen schuppigen Nüstern. Der Hengst hatte wahrlich bessere Tage gehabt. Die eingefallenen Flanken und die blutig gebissene Brust unterstrichen seinen schlechte Zustand. Allein die starke Hinterhand und der scharfsinnige Blick ließen darauf schließen, dass mehr in ihm steckte als ein solch armseliger Kläpper. Es war schon immer ein Auf und Ab gewesen. Diese Phasen der Selbstzerstörung hatte es in Mercys Leben schon immer gegeben. Was blieb auch zu erwarten, wenn man sich nur von Moos an Felswänden am Leben hielt? Die hohe Luftfeuchtigkeit und Schimmelsporen im inneren der Höhle hatten seinem Körper hart zugesetzt. Aber es war seine freie Entscheidung gewesen so zu leben. Ein Leben fernab von der Realität. Ein Beweis an sich selbst allen anderen überlegen zu sein. Oder doch nur ein feiges Davonlaufen fernab der Wirklichkeit?

Die Wirklichkeit war es, die dem Schwarzen im Bruchteil einer Sekunde das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hatte er sich doch gerade erst an das Licht gewöhnt, erfasste sein Blick nun eine Bewegung. In diesen Höhen hatte er mit niemandem gerechnet. Doch das, was sein Hirn ihm signalisierte, passte zusammen mit den Fähigkeiten sich in solchen Gefielden aufzuhalten. Viper, schoss es durch seinen Kopf als er die Fuchsstute sah. Im Schatten des felsvorsprungs schien sie ihn noch nicht erblickt zu haben. Zu sehr wirkte sie doch verloren in ihren eigenen Gedanken. Sollte er umkehren? Den Schutz der Höhle nutzen, um einer Konfrontation zu entfliehen? Oh nein! Sie hatte seinen Auftrag einst nicht in Perfektion ausgefüllt. Nur deswegen war er so verbittert und zurückgezogen in dieser Höhle gelandet. Andernfalls wäre ihm der Thron des Montanus Equus sicher gewesen!

"Versagerin", zischte der Feuerteufel mit tiefer heiserer Stimme. Er war selbst überrascht über den Klang, der seine Kehle verlassen hatte. Jahrelang war es still um ihn gewesen. Die Stimmenbänder schienen ebenso verrostet wie der Rest seines Körpers, den er bei seinem Auftritt aber bestmöglich in Szene setzte. Die pulsierenden Adern unter seiner Haut und das weiße in seinen Augen verliehen ihm den Ausdruck, der wohl jedem das Blut in den Adern gefrieren lassen hätte. Er war ein Meister der Manipulation - und wenn es er selbst war, den er manipulierte.


Wörter: 767

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22.10.2021, 18:57
» Asp Viper


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Noch einige Schritte ging Viper ungestört und verfiel der Illusion, dass dieser Tag sich als Grund zur Freude entpuppte. Es war manchmal grausam, welche Spiele das Leben spielte. Mit jedem weiteren Tritt wollte sich ein zaghaftes Lächeln auf ihre Züge stehlen, als eine dunkle Stimme sie völlig aus den Gedanken riss. Viper erstarrte, Schweif und Kopf angespannt erhoben, die Ohren tänzelten in die Richtung der Stimme. Wer war so wahnsinnig, sich in diese Höhen zu begeben? Normalerweise traute sich keine normale Seele in Gefilde wie diese. Versagerin., hallte es in ihrem Kopf wider. Die Stimme die diese Worte belebt hatte ließ ihr Herz kurz stolpern und Viper zögerte, den Blick in der Richtung des Lautes zu lenken. Es konnte nicht er sein. Es durfte nicht er sein. Doch mit einer Mischung aus Neugier und Fassungslosigkeit wandte sie sich dem Ungeheuer zu, welches ihr Leben zerstört hatte. Und dort stand er, der Beweis, dass sie richtig gehört hatte. Stolz und angsteinflößend aufgebaut, doch er konnte über seinen jämmerlichen Zustand nicht hinwegspielen. Das Leben hatte Cruor’s Last Mercy schwer zugesetzt und er sah erbärmlicher aus denn je. Die Narben, die den Hengst schon immer hatten schaurig wirken lassen, schienen sich vermehrt zu haben, der ohnehin schon schlanke Rappe war abgemagert und seine Stimme wirkte, als hätte die Witterung ihr noch schlimmer zugesetzt, als seinem stumpfen Fell. Ja, es war wahrlich erschreckend ihn anzuschauen und jede normale Seele wäre in Ehrfurcht oder Angst davongewichen. Doch nicht Viper. Er nannte sie eine Versagerin, doch weder diese Bezeichnung, noch der wahnsinnige Blick in seinen glasigen Augen konnten sie noch beeindrucken. Was sie früher nicht gesehen hatte, sah sie nun. Er war ein Monster. Und zugleich war er doch bedauernswert. Wie er da stand, die Nüstern rissig und triefend, sie roch seine Schwäche förmlich. Wo hatte ihn sein ganzer Hass hingebracht? An den gleichen Ort wie dich. Diesen Fakt ignorierte Viper geflissentlich, dies war nicht der Zeitpunkt für Selbstverurteilung. Nicht vor ihm. Ihre Miene war steinern, undurchsichtig, nur eine leichte Überraschung, ihn so unvorbereitet am Ende der Welt zu treffen zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. „Dieser Titel gebührt dir, nicht mir.“, erwiderte sie kühl. Denn es stimmte. Mercy hatte versagt. Er hatte darin versagt der Welt zu vergeben. Und selbst auf seinem irrationalen Rachezug hatte er versagt und daran trug nicht einmal Viper Schuld. Schließlich hatte er selbst es versäumt den damaligen Herrscher ihrer Heimat zu stürzen. Genugtuung stieg in der jungen Stute auf. Darüber, dass die Grausamkeit dieses Wesens ihn in die Einsamkeit und Isolation getrieben hatte. Übermächtige Ziele hatte ihr Gegenüber gehabt und keines davon erreicht. „Wie es scheint hast du dich damit abgefunden, dass du niemals über irgendetwas herrschen wirst.“, fügte sie mit Hohn in der Stimme hinzu. Oh, niemals hätte sie sich diese Worte zu sagen gewagt. Nicht damals, als sie seine Schülerin war, eine Schülerin die dabei war, sich selbst zu verlieren. Doch heute war es anders. Viper war erwachsen, war herangereift zu einer Stute, die sich nichts würde bieten lassen. Nie mehr. Wenigstens das hatte er sie gelehrt. Wenn auch unbewusst. Und was hatte er ihr noch entgegenzusetzen? Viper bezweifelte, dass Mercy so wahnsinnig war, sie körperlich anzugreifen. Er selbst wusste, dass das der reine Selbstmord wäre. Nicht nur hatte er die Fuchsstute damals selbst im Kampfe ausgebildet, weswegen sie sich annähernd ebenbürtig wären, auch das Terrain war zu risikoreich. Ein falscher Schritt könnte einen fatalen Sturz bedeuten – auch für ihn. Wobei der Rappe seinem Anblick nach zu urteilen ohnehin nicht weit vom Tode entfernt war. Ein weiterer Vorteil für Viper, die jung war und körperlich ihre volle Kraft zur Verfügung hatte. Durch die lange Wanderschaft waren ihre Muskeln ausdauernd und stark, ihr Körper kam mit der stetig leichten Unterernährung gut zurecht. Trotzdem würde sie nicht den Fehler machen, ihr Gegenüber zu unterschätzen und so hielt sie sich mit weiteren Sticheleien vorerst zurück und behielt den Rappen wachsam im Auge. Eigentlich würde ihr diese Begegnung schnell überdrüssig werden, schon jetzt wünschte sie sich von diesem Ort, diesem Monstrum fort, doch sie wäre töricht, ihm einfach den Rücken zu kehren. Und so blieb sie fest an ihrem Platze stehen, den Blick unbeugsam auf das Trauerbild vor ihr gerichtet. Irgendwie war sein Anblick so ergreifend niederschmetternd, dass sie kurz sogar die schiere Absurdität dieser Begegnung vergaß.



Wörter: 840

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23.10.2021, 20:43
» Cruors Last Mercy


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Verloren. So wirkten die beiden Gestalten inmitten der riesigen Felswände, die so weit gen Himmel ragten, dass ihre Spitzen im Nebel verschwanden. Der kalte Ostwind fegte unerbittlich zwischen den Klippen hindurch. Das Pfeifen der einzelnen Böen wirkte beinahe bedrohlich; als wolle es die beiden Eindringlinge aus den Höhen des Gebirges vertreiben. Doch so leicht waren der Rappe und die Fuchsstute nicht zu beeindrucken. Ihre Vergangenheit hatte bewiesen, dass sie zu weitaus mehr fähig waren. Mochten sie auch noch soverschieden sein: ihre STandhaftigkeit und das Geschick sich in schwierigem Gelände zu bewegen, vereinte die beiden miteinander.

Noch war Mercy damit beschäftigt das plötzliche Auftauchen von Asp Viper zu verarbeiten. Dieser nahezu unmögliche Zufall ließ sein eingerostetes Hirn auf Hochtouren arbeiten. Während sich in der Mimik des Schwarzen absolut nichts regte, schienen in seinem Inneren Engelchen und Teufelchen miteinander zu hadern ob er sich über ihr Erscheinen ärgern oder gar freuen sollte. Doch Freude war ein Gefühl, das der Hengst nicht allzu oft verspürte. Deswegen konnte er mit dieser Regung in sich nicht sonderlich viel anfangen. Allein die Tatsache, dass er nicht den Drang hatte sie auf der Stelle zu verscheuchen, schien jedoch ein gutes Zeichen zu sein.
"Na na na", versuchte er Asp Vipers Worte mit rauer Stimme zu bremsen. Sein messerscharfer Blick glich dabei aber eher einer deutlichen Warnung als einer höflichen Belehrung. "Große Worte für ein kleines Mädchen, das sich Hilfe bei einem gefürchteten Attentäter gesucht hat, von dem sie fast alles lernte, was sie heute beherrscht und dessen größte Schandtat auch auf ihren Schultern lastet", stellte er die Beziehung zwischen der Stute und sich in Kurzfassung klar. Dabei musterte er sie eingänglich. Ihr stumpfes Fell und der nachdenkliche Blick waren dem aufmerksamen Beobachter nicht engangen. Nicht, dass er besser da stand als sie, doch es schien etwas zu geben, worunter sie litt. Der Teuel ahnte bereits welche Gewissensbisse sein Mädchen plagten. Womöglich konnte er sich diese noch zu Eigen machen. Denn ganz offentlich mussten die Fronten zwischen ihnen nach all der Zeit noch einmal neu geklärt werden. Mercy war jedoch nicht bereit seinen Posten an sie abzugeben. Er sah sich ihr noch immer klar überlegen, mochte er auch ein körperliches Wrak sein, so hinderte ihn dieser Zustand nicht daran seinen glasklaren Verstand einzusetzen.
"Sag Viper: wie bist du über Ivys Verlust hinweggekommen? Es muss furchtbar für dich seine eine so gute Freundin auf dem Gewissen zu haben", legte er den Finger skrupellos in die Wunde. Dabei beobachtete er die Regung seines Gegenübers ganz genau, damit ihm kein Detail ihrer Körpersprache entgehen konnte. Nur so würde es ihm im weiteren Verlauf des Gesprächs gelingen sie immer mehr zu manipulieren und so zu formen, wie er sie brauchte. Zwar hatte er zu diesem Zeitpunkt keinen blassen Schimmer für welche Untaten er die Fuchsstute missbrauchen konnte, doch die Erinnerung an alte Zeiten, in denen sie seine rechte Hand war, erschien es ihm durchaus nützlich sie nahe zu bei sich halten.
Es war absurd, dass der verbitterte Einzelgänger Cruor's Last Mercy, der seit Monaten jeglichen Kontakt zu anderen Lebewesen bewusst vermied, auch nur einen Gedanken daran verschwendete jemanden an sich zu binden. Eine Bindung wie sie sich niemand sonst hätte vorstellen können. Doch der Nutzen, den er aus Viper ziehen konnte, überwog den Kosten, die er zahlen musste, würde er sich länger zurückziehen. Er brauchte ein Ziel, auf das er hin arbeiten konnte. Nur so würde er aus diesem Tief hinausfinden und seine alte Stärke zurück gewinnen. Viper war der Schlüssel zurück in sein altes Leben. Sie würde ihn zurück zu der Macht führen, die er einst besessen hatte.  Koste es, was es wolle!


Wörter: 705

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29.10.2021, 21:01
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Der Wind schien deutlich aufzurauen und ließ Vipers Mähne unkontrolliert von einer Seite zur anderen schlagen. Es schien als würde die Natur sie warnen, sie in Richtung Tal zerren wollen, damit sie bloß so viel Abstand wie möglich von diesem Wesen fand. Es verhieß sicherlich nichts Gutes Mercy hier zu treffen. Für niemanden. Falls in dieser Umgebung irgendwelche Seelen wohnten, dann wären sie besser beraten, sich niemals in dieses Gebirge zu wagen. Wobei das für jedes normale Pferd auch ohne den schwarzen Teufel ein fast sicheres Todesurteil wäre. Komischerweise schienen weder sie noch ihr Kontrahent sich über die Gefährlichkeit dieser Umgebung großartig Gedanken zu machen. Doch wie sollte Viper sich auch über die Klippen neben sich den Kopf zerbrechen, wenn vor ihr eine so viel größere Bedrohung stand? All ihre Sinne waren darauf ausgerichtet, den dunklen Hengst zu analysieren, jede seiner Regungen haarscharf aufzunehmen. Er hielt sein vernarbtes Gesicht frei von jeder Emotion, etwas, in dem er schon immer ein Meister gewesen war. Die eigenen Gefühle so zu verbergen, das wahrlich schwierigste Fach. Vermutlich fiel es dem Rappen nur so leicht, weil er gar keine Gefühle mehr besaß, abgestumpft war, hart wie Stein. Viper vermutete stark, dass sein einziges Lebenselixier der Gedanke an Rache und Macht war. Doch er hatte die Fuchsstute gut gelehrt, auch wenn es ihr damals noch schwergefallen war, ihre Gedanken und Emotionen zu verschleiern, möglichst für sich zu behalten, so hatte sie über die Jahre ein beachtliches Repertoire an Masken gesammelt. Würde diese steinerne Fassade auch den harten Worten Mercys standhalten, die noch folgen sollten? Wie gut er sie damals wirklich gelehrt hatte, würde sich wohl noch zeigen…

Die Worte des Hengstes durchschnitten den pfeifenden Wind. Das Fell der Stute kribbelte schon unangenehm, als er ihre damalige Beziehung aus den Kammern der Erinnerungen holte und Ärger stieg in ihr auf. Den belehrenden Ton ignorierte sie geflissentlich und ließ ihn reden, behielt ihre Fassung und schloss die Wut fest in sich ein. Es klang, als hätte sie ihn angefleht, wäre ohne ihn ein Nichts gewesen. Ja, sie war damals anders gewesen, das gab sie zu, doch ihre Zuneigung zu dem Hengst war nie aus Hilflosigkeit entstanden. Sie hatte ihn nie gesucht. Was wohl stimmte war, dass ihre grenzenlose Naivität sie zu dem Dunklen gezogen hatte. Viper war seine Marionette geworden und er hatte die Stricke gezogen und das war der einzige Fehler, den sie je begangen hatte. Sie würde sich nie freisprechen von dieser Schuld, oh nein, aber er hatte ihr gar nichts mehr zu sagen. Sollte sie darauf überhaupt etwas erwidern? Sie war kurz davor, ihm doch einfach den Rücken zu kehren, denn innerlich wusste sie, dass jede Diskussion vergebens wäre. Und doch blieb sie stehen. „Ein Mädchen, das erwachsen geworden ist. Auf meinen Schultern lastet nur die Verantwortung, den gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen.“ Und schon als sie die Worte gesprochen hatte wusste Viper, dass Mercy sie nur als Schwäche auslegen würde. Doch das war der Stute egal. Die Zeit seiner bestialischen Pläne und dunklen Manipulationen waren vorbei. Reue, Selbsthass und Schuld hatten sie die letzten Jahre schon so zerfressen, dass auch die nächsten Äußerungen sie kaum noch beeindrucken konnten. Fast schon musste die Füchsin auflachen, Mercys Skrupellosigkeit war fast schon zu vorhersehbar gewesen. Auch wenn die Erinnerung an ihr ungewolltes Opfer nach wie vor in ihr Herz bohrte, so schien an diesem Platz schon ein so großes Loch zu sein, dass Viper es kaum noch spürte. Wenn er sie damit kriegen würde, wäre Ivy vergeblich gestorben. Sie wusste, dass der Hengst jegliches Zeichen von Schwäche schamlos ausnutzen würden, um sich daran zu laben. „Oh Mercy, selbst du solltest wissen, dass ich nie Freunde hatte. Ihr Tod war tragisch, aber nicht wegen ihrem persönlichen Wert. Ich kannte sie kaum.“ Es klang so grausam aus ihrem Mund, als hätte das Leben der Verstorbenen ihr nichts bedeutet. Sie war fast erschrocken von ihrer eigenen Formulierung, doch nahm sie keines der Worte zurück. Sie wusste, was sie damit meinte und das reichte ihr vollkommen. Sie starrte ihrem Gegenüber unbarmherzig ins Gesicht, blickte ihm direkt in die Augen. Das hatte er immer vermieden, hatte es gehasst. Nun nutzte sie diese Tatsache für sich. Er wollte sie foltern mit alten Erinnerungen, doch der einzige Folterknecht in ihrem Leben, der sie mit ihrer Schuld würde strafen dürfen, war sie selbst.



Wörter: 822

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02.11.2021, 21:03
» Cruors Last Mercy


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Fast hätte der schwarze Teufel bei den Worten Asp Vipers eine Augenbraue hochgezogen und ihr anerkennend zugenickt. Doch es gelang ihm die Selbstbeherrschung beizubehalten. Dennoch konnte er die Verwunderung und gleichzeitig auch Bewunderung über ihr Verhalten vor sich selbst nicht leugnen. So hatte er die Stute nicht in Erinnerung gehabt. Ihre unsichere Art und der Wille unbedingt zu gefallen - koste es was es wolle - waren verflogen. Auch wenn sie es selbst nicht zugeben mochte, hatte sie viele Verhaltensweisen des Rappen übernommen. Es war unverkennbar, dass er ihre Entwicklung geprägt hatte. Die Ereignisse, die sich zum Ende ihrer gemeinsamen Zeit aufgetan hatten, trugen den Rest dazu bei, dass sie so geworden war, wie sie nun vor ihm stand. Von Unsicherheit keine Spur mehr. Sie war stattlich und selbstsicher geworden, schien sich von dem Hengst, der sich einst als ihr Meister gesehen hatte, nichts mehr sagen zu lassen. Einerseits gefiel Mercy diese Tatsache überhaupt nicht, doch andererseits sah er in Viper all das, was ihm nun fehlte. Sie wirkte auf ihn wie ein Spiegel seinerselbst. Unwillkürlich erfüllte eimn Gefühl von Stolz die geschundene Seele des Teufels. Es war lange her, dass sich zuletzt etwas in ihm geregt hatte. Umso mehr stieg in ihm der Drang danach sie bei sich zu behalten. Denn wenn es eines gab, wonach er sich immer gesehnt hatte, dann war es Zuneigung und Geborgenheit. Doch war ihm der Zugang zu diesen Bedürfnissen so lange verweht worden, dass er irgendwann vergessen hatte wofür es sich zu leben lohnte. Stattdessen redete er sich selbst ein die Einsamkeit zu beworzugen und hatte Zeit seines Lebens versucht es denjenigen schwer im Leben zu mache, denen das Glück hold war.

"Sieh an, du bist tatsächlich erwachsen geworden", lobte er die Worte der Vollblüterin mit ehrlicher Anerkennung. Es war Zeit für einen Strategiewechsel. Denn offenbar schien er mit der Masche sie einzuschüchtern zu wollen nicht mehr allzu weit zu kommen. Es mussten andere Mittel und Wege her. "Ich bin beeindruckt von deiner Entwicklung, Asp Viper. Du hast vieles gelernt..." ...von mir,fügte er in Gedanken hinzu. Denn schließlich brauchte er die Genugtuung zumindest vor sich selbst. Es ihr unter die Nase zu reiben wäre zu diesem Zeitpunkt kontraproduktiv gewesen. War sie doch noch nicht soweit sich ihm wieder anschließen zu wollen. Aber bald...

"Ich muss gestehen: eine solch positive Veränderung hätte ich dir einst nicht zugetraut. Es scheint als hätte ich dich damals unterschätzt", schmierte er ihr weiter Honig ums Maul. Denn in der Tat hatte er schon immer geahnt was in dem Mädchen steckte. Auch diese Begegnung hätte er sich einst so ausmalen können. Sie war ein cleveres Köpfchen, doch mit dem Feuerteufel konnte sie es nicht aufnehmen. Sein scharfsinniger Verstand und seine skrupellosen Intrigen machten ihn zu einem wahren Meister. "Wie sehen deine weiteren Pläne aus? Denn ich gehe nicht davon aus, dass du ziellos die Reise in dieses Tal angetreten hast", hakte er interessiert nach. Dabei erwiderte er ganz bewusst ihren eindringlichen Blick, ließ es aber nicht zu, dass sie in die Tiefen seiner Augen sehen konnte. Eher starrte er durch ihren Blick hindurch, ohne das Fenster in seine Seele frei zu geben. Stattdessen wirkten seine tiefschwarzen Augen leer und undurchsichtig, als würde kein Leben in ihnen stecken. Trotz dieser Strategie ihrem Blick Stand zu halten, ohne sich dabei Schwäche anmerken zu lassen, fühlte er sich unwohl mit ihrem versuchten Blickkontakt. Es war ganz klar: sie provozierte ihn. Eine weitere Eigenschaft, die sie ihm perfekt nachahmte, jedoch auf ihre ganz eigene Art und Weise. Wäre er sich nicht so sicher, dass sie diese Strategien allesamt von ihm erlernt hatte, wäre sie eine ernstzunehmende Gegnerin und er hätte schon längst zu anderen Mitteln greifen müssen. Doch er kannte Viper gut genug, um zu wissen, dass sie ihm keine Gefahr werden konnte. Sie war ihm zu diesem Zeitpunkt zwar körperlich überlegen, aber dennoch schien von seiner Seite aus ein gewisses Vertrauen mitzuschwingen. Darüber hinaus war er neugierig welche Tricks sie noch auf Lager hatte. Er musste sie genau auschecken und analysieren, um sich ein umfassendes Bild von ihr zu machen, mit dem er in Zukunft arbeiten konnte. Dass sie ihm gerade ihre besten Seiten auf einem Silbertablett präsentierte, war ihr vermutlich nicht bewusst. Mercy jedoch identifizierte jede Regung der Stute bis ins kleinste Detail. Nur so konnte er wissen, ob sein Vertrauen gerechtfertig war oder sie auf Dauer eine Gefahr für ihn bedeuten konnte. Doch davon ging er zu diesem Zeitpunkt nicht aus. Er erhoffte sich nach wie vor einen Nutzen in ihr. Dieser konnte nun größer sein als je zuvor.


Wörter: 850

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06.11.2021, 17:10
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Das erwartete Rügen ihrer Worte war nicht eingetreten. Fast schon wurde Viper stutzig, musterte den Hengst eingehend, doch dieser schien nachdenklich, peinlich darauf bedacht, keine Regung auf seinem vernarbten Gesicht zu zeigen. Was ging wohl in ihm vor? Sie konnte nur mutmaßen. Sie konnte nicht ahnen, dass er tatsächlich einen Funken Zuneigung ihr gegenüber verspürte und vielleicht war es auch besser so. Was hätte sie sonst wohl aus dieser Information gemacht? Nach all der Zeit war er noch immer die erste und vermutlich einzige richtige Bezugsperson gewesen, die sie je gehabt hatte. Eine schreckliche Vorbildfigur, aber seine Lehren waren in sie eingebrannt. Sie wollte ihn für seine Taten verabscheuen, aber da war ein winziger Teil in ihr, der Mercy ehrlich bemitleidete und ihm einfach nur wünschte, ein ruhiges und behütetes Leben zu führen. Ein Teil, den sie in diesem Moment aber nicht einmal selbst wahrnahm. Ihre Miene war abwartend und die Reaktion des Schwarzen ließ auch nicht allzu lange auf sich warten. Ihre Ohren spielten überrascht und für einen kurzen Augenblick fragte sich Viper, ob ihr Gehör ihr einen Streich spielte. Doch die Stimme des Dunklen drang klar und deutlich zu ihr herüber, es war kein Zweifel, dass er etwas aussprach, was einem Lob in seiner Sprache am nächsten kam. Sie versuchte gar nicht erst die Überraschung aus ihrem Blick zu bannen, ansonsten ließ sie allerdings keine Regung zu. Freude, Wut? Sie wusste selbst nicht ganz recht, was sie fühlen sollte. Sonderlich geschmeichelt war sie allerdings nicht. Mit jedem Wort, das er ausstieß, wurde ihre Skepsis größer. Was sollte das? Noch nie hatte sie ihn so erlebt und sie wusste, dass Mercy aus vielen Motiven handeln konnte. Und dies in allerlei Facetten. Waren seine Worte ehrlich gemeint? Sie wollte es so gerne glauben, wollte glauben, dass die Zeit ändern und heilen konnte. Wenn er sich ändern konnte, dann wäre es für sie doch auch noch möglich? Sie suchten nach Antworten in seinem Blick, doch der war nur blank. Als Provisorium vor ihr aufgestellt, jeglicher Gefühle und Emotionen entledigt. Sie antwortete nicht auf sein Lob, nicht auf seine ‚Erkenntnis‘, wie sie gereift war, wie er sie unterschätzt hatte. Sie vermied auch jede anderweitige Reaktion, selbst das Misstrauen. Sie wollte herausfinden, was er vorhatte, wollte dem kleinen Kunststück nicht verfallen, wollte wissen, worum es dem Schwarzen wirklich ging. Hin und wieder nickte sie auf seine Ausführungen, als Art kleine Anerkennung seiner Worte. Sie wollte nicht wirken, als sei sie vor Schreck erstarrt. Als er das Wort mit einer Frage schließlich an sie übergab, erhob sie zum ersten Mal nach seinem plötzlichen Stimmungswechsel ihre klare Stimme: „Einen Neuanfang. Das erhoffe ich mir hier.“ Es war die Wahrheit. Sie log nicht, versuchte nicht zu tricksen, denn er würde ihrer Meinung nach mit dieser Information herzlich wenig anfangen können. Was wollte er schon tun? Ihr nachrennen und jedem Wesen im Tal davon erzählen, was sie getan hatte? So stünde ihr Wort gegen seines, es gab für ihn keine Möglichkeit ein neues Leben ihrerseits zu manipulieren. Das glaubte Viper zumindest. Eine eigene Frage brannte ihr jedoch in diesem Moment dringlicher auf der Seele. Noch immer bohrte sich ihr Blick fest in den Seinen, der noch immer so schien, als wäre Mercy gar nicht wirklich darin anwesend. Dieses Detail entging der Stute nicht, doch würde sie einen Teufel tun und ihn darauf ansprechen. „Doch sag du, was hat dich hierhergeführt? Oder hier gehalten? Was sind deine Pläne?“ Sie war sich fast sicher, dass sie eine Lüge aufgetischt bekommen würde, auch wenn sie hoffte, dass er sich einfach zur Ruhe gesetzt hatte. Was blieb ihm in seinem Zustand auch anderes übrig? Aber sie hoffte inständig, dass auch Mercy dazu in der Lage war, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. Durfte man sie für diesen Wunsch verrückt nennen?



Wörter: 725

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08.11.2021, 15:55
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