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Parzival » 15.12.2021, 20:04 » Kommt der Moment, kommt die Zeit

Sie hauchte seinen Namen förmlich, doch Parzival hörte ihre Stimme über den Wind und seine eigenen Gedanken fast gar nicht. Erst als sie weiter über dessen Bedeutung sprach, drangen ihre Worte wirklich zu ihm durch. Tatsächlich hatte er sich nie viel mit der Herkunft seines Namens beschäftigt, er war einfach immer so gerufen worden und mehr hatte es damit nicht auf sich. Aber vielleicht war ihm auch so unterschwellig seine Wanderlust in die Wiege gelegt worden. Und dies war sicher nicht das erste Tal, welches der Weiße durchquert hatte, so viel war sicher. Und die Sache mit der Zeit? Oh ja, sie beide hatten Zeit und Parzival war nach wie vor bestrebt, sein Gegenüber näher kennenzulernen. Die spannenden Facetten ihrer Persönlichkeit zu erkunden, denn bisher hatte sie ihn nur neugierig gemacht. Wo kam sie her, wer war sie, was machte sie wahrhaftig aus? Denn das war es, worum es dem Hengst wirklich ging. Begegnungen erfahren, jemanden wahrhaftig kennenlernen, andere Meinungen in dieser Welt anzutreffen, als nur seine eigene. "Ja, wir haben Zeit.", bestätigte er also nur warm grummelnd und lächelte ihr zu. Sie hatten schon fast den Schutz der Höhle erreicht, als sie die Initiative ergriff, ihn über seine Vergangenheit zu fragen. An diesem Punkt musste er erst einmal überlegen. Was war schon Zeit? Er zählte die Stunden und Tage nicht, doch war es nicht von der Hand zu weisen, dass er schon lange keine Seele mehr angetroffen hatte. Sehr lange. Seine Jugendzeit in der Heimatherde schien Welten entfernt und bedachte man das Alter des Schimmels, so war dieser Gedanke gar nicht so abwegig. Seitdem war er nirgendwo heimisch geworden, hatte sich nie mehr als wenige Wochen einer Gemeinschaft angeschlossen. Im Grunde war er seit mehr als sechs Jahren ohne zu Hause, ohne Pferde, die er seine Familie hätte nennen können. Ob ihn das traurig stimmte? Teils melancholisch, ja, doch vermutlich wäre er in der immergleichen Gesellschaft in einer immergleichen Szenerie mehr als nur melancholisch. Deswegen war seine Stimme auch eher neutral und warm, als er ihr nach einigen Schritten des Bedenkens Antwort gab: "Seit ich meiner Jugend entwachsen bin. Ich habe es lieben gelernt, immer weiter durch die Welt zu reisen. Ich habe viele Pferde kennengelernt, doch unsere Wege haben sich meistens nach einigen Wochen wieder getrennt." Es war kein Groll in seiner Stimme, doch als er an einige seiner Zeitgenossen dachte, so stieg sanfte, seichte Wehmut, gar Sehnsucht in ihm auf. Einige seiner Wegeskameraden hatte er doch sehr in sein Herz geschlossen und er fragte sich unwillkürlich, wie es ihnen wohl ergangen war. Was sie gerade tun mochten? Doch sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Beautys Wissendurst noch nicht gestillt schien. Wie er hierhergekommen war? Nun, das wusste er wohl selbst nicht. Er folgte manchmal dem Ruf des Windes, an anderen Tagen ging er der Sonne entgegen, doch immer dahin, wo er die schönsten Flecken Erde vermutete. Er suchte Orte, die ein Geheimnis zu verbergen schienen, suchte Plätze, die ihn inspirierten. Auf ihre Frage gab es also keine eindeutige Antwort. Und wer wusste schon um die Hintergründe des Lebens? "Ich bin fast mein ganzes Leben wahllos und nach Lust und Laune gelaufen. Meistens hatte ich Glück damit. So wie heute." Den letzten Satz fügte er nach kurzer Pause hinzu und blickte die Fuchsstute wohlwollend an. Sie waren mittlerweile an dem natürlichen Unterstand angekommen und Parzival schritt zuerst hinein. Es war leicht schummrig und er prüfte wachsam die Umgebung, doch es war nicht viel Platz und mit ihren Körpern würden sie die Kluft ausreichend ausfüllen. Kein Raum also für ungebetene Raubtiere. Parzival stellte sich so, dass auch Beauty noch genügend Luft zum atmen hätte und sie beide auf die tobende See schauen konnten. Es war schlagartig wärmer in der kleinen Höhle, denn der pfeifende Wind wurde von dem massiven Fels abgehalten. Ohnehin praktischere Umstände, um weiter zu erzählen. Denn der Weiße war sehr gespannt, was die junge Stute zu berichten hatte: "Erzähl, wie ist es mit dir? Wo kommst du her und wie kommt es, dass ich dich heute alleine hier angetroffen habe?"

Parzival » 04.11.2021, 21:30 » Kommt der Moment, kommt die Zeit

Parzival musste schmunzeln. Auch er glaubte nicht an Zufälle, doch fasste er den Begriff dennoch etwas anders auf als die Fuchsstute. Sie sah die Zukunft als selbst verursachtes Resultat der eigenen Handlungen. Das empfand der Weiße nur als teilweise richtig. Wie hatte er ihre Begegnung nun aktiv herbeigeführt? Was war mit all den passiven Ereignissen im Leben, die einem einfach zustießen, ob gut oder böse? Auch da glaubte Parzival an etwas Höheres, an etwas, das er nicht erklären konnte. Und weil es so schwer und so sinnlos war, einen nicht fassbaren Sachverhalt zu diskutieren, hüllte er sich in Schweigen und erwiderte nur ihr schelmisches Grinsen. Viel Zeit für solch tiefgründige Themen wäre ohnehin nicht geblieben, denn die Stute suchte zielstrebig den trockenen Sand auf und wälzte sich genüsslich in den unzähligen Körnern. Der Schimmel begnügte sich damit, die hartnäckigen Tropfen ein weiteres Mal aus dem Fell zu schütteln, der Wind würde sein Übriges tun. Er war nicht sonderlich erpicht darauf, sich wie ein Schnitzel zu panieren. Als sie fertig war, schien sie seinen Blick zu der Steinhöhle bemerkt zu haben und gutmütig schnaufend nickte er auf ihre Aussage. Langsam bewegte die Füchsin sich in Stille auf ihn zu, die Beiden waren nur umhüllt von den Klängen des Windes und dem zarten Band, das sich bereits zwischen ihnen entwickelt hatte. Er kannte sie erst seit so kurzer Zeit, doch hatte Parzival keine Zweifel daran, dass sich aus dieser Begegnung eine wunderbare Freundschaft entwickeln konnte. Mit ihren nächsten Worten stellte die hübsche Stute sich vor, sodass sie auch offiziell keine Fremden mehr waren. „Ja, eine wundervolle Art sich kennenzulernen. Wer kann schon behaupten, sich bei der ersten Begegnung fast den Hals gebrochen zu haben?“ Parzival schmunzelte. Von all den Begegnungen mit Pferden, die er bisher gehabt hatte, war dies der eindrucksvollste erste Kontakt gewesen. Und dann nannte sie ihren Namen. Tatsächlich hatte er selten jemanden kennengelernt, der einfach Worte der englischen Sprache als Namen trug, doch zu der hübschen Erscheinung vor ihm passte die Betitelung. Und das mit ihr schöne Momente zu erleben waren, hatte er ja ebenfalls bereits erfahren. „Welch passender Name.“, er lächelte und stupste sie zart am Hals an. Etwas Sand blieb an seinen Nüstern kleben, doch Beauty schien unverändert mit einer hellbraunen Schicht bedeckt. „Ich bin Parzival.“ Er ergänzte keine Kurzform, denn nie in seinem Leben hatte es einen Spitznamen für den Weißen gegeben. „Ich bin froh, dass unsere Wege sich gekreuzt haben. Ich habe schon so lange niemanden mehr getroffen. Es tut gut, besondere Augenblicke mit jemandem zu teilen.“ Er blinzelte sie warm an, blickte in ihre fröhlich kecken Augen und bevor er darin versinken und sich verlieren konnte, wendete er seinen Körper sachte, um mit ihr den Weg in Richtung Höhle anzutreten.

Parzival » 30.10.2021, 18:01 » Kommt der Moment, kommt die Zeit

Schnell hatte die Stute aufgeschlossen und nachdem sie beide prustend ihre Kreise gezogen hatten, steuerte seine Begleiterin zurück in die Richtung des Ufers. Nun, da seine Muskeln langsam anfingen erste Anzeichen von Erschöpfung zu zeigen, folgte er ihrem Beispiel. Die Wellen wurden immer unbarmherziger und da Parzival keinen Todeswunsch hegte, war er froh, die Sandbank unterstützend unter seinen Hufen zu spüren. Angenehm bewegt fühlte der Weiße sich nun, leicht ausgepowert und zufrieden. An diesem Zustand hatte auch die Fremde ihren Beitrag geleistet, auch wenn sich die Atmosphäre zwischen ihnen gar nicht so fremd anfühlte, wie man vielleicht vermuten sollte. Schneller als er packte sie dieses Gefühl in Worte. Ja, es war wahrhaftig eine außergewöhnliche Begegnung, welche die beiden Pferde hier führten. „Das Leben hat manchmal wohl sein eigenes Verständnis von Humor.“, spielte er darauf an, dass das Schicksal ihnen an diesem Tag wohlgesonnen schien. Wer war es denn wirklich, der entschied welche Persönlichkeiten in diesem Leben sich trafen? Gab es jemanden in den Weiten der Welt oder des Universums, der die Stricke zog? Oder war es der so oft benannte Zufall, der in die Pflicht gezogen wurde? „Glaubst du an Zufälle?“ Parzival lächelte noch immer leicht. Es war eine Frage, die viele Denkende in den Wahnsinn trieb, eine Frage, die Sorgen und Ängste aufwarf und andere wiederum beruhigte. Er wollte den Ernst dieser Worte nicht zu hoch ansetzen und deswegen schmückte er sie mit einem spielerischen Ton. Dennoch interessierte ihn die Antwort auf diese Frage ernsthaft. Was er selbst glaubte? Nun das wusste er manchmal selber nicht. Und doch wünschte sich ein großer Teil in ihm, dass es mehr gab auf dieser Welt als schiere Zufälle. Und irgendwie machte es diese ganze Lebensreise auch etwas friedlicher und einfach, wenn man an einen Sinn in jeder Begegnung und Situation glaubte.

Der raue Wind unterbrach den inneren philosophischen Gedankenstrom und regte den Schimmel dazu an, sich das Wasser aus der Mähne zu schütteln und in Richtung des Strandes zu waten. Wenn seine Begleitung Gefallen daran fand, würde er sich gerne noch mit ihr unterhalten, doch das würde sich sicherlich noch schnell genug zeigen. Währenddessen begnügte er sich damit, nach einem Ort Ausschau zu halten, an dem sie etwas geschützter wären, um sich durch die kalte Zugluft nicht den Tod zu holen. Zu ihrer rechten waren die Klippen, die er interessiert beäugte. Tatsächlich entdeckte er dort höhlenartige Ausbuchten, die sicherlich effektiv vor Wind schützen würden.  

Parzival » 29.10.2021, 18:57 » I mean... Whatever.

Obwohl die Wunde doch ordentlich blutete schien die Stute davon nicht großartig Notiz zu nehmen. Als wäre sie nur eine nervige Fliege, die sich auf ihrem Bein niedergelassen hatte. Kurz kramte der Weiße in seinem Kopf, doch die Heilpflanzen, die seine Mutter damals vor ihm runtergebetet hatte wollten nicht mehr so wirklich in den Vordergrund seiner Gedanken rücken. Gerne hätte Parzival der Fremden angeboten, ihr einige hilfreiche Kräuter zu besorgen, doch genauso gut würde er sie versehentlich vergiften können. Da unterbrach aber auch schon ihre Stimme seine Überlegungen und gewährte ihm überhaupt, in ihrer Nähe zu bleiben. Dabei schien sie ein wenig mit sich zu hadern, diese Nuancen in Ausdruck und Stimme entgingen dem Schimmel nicht. Wobei auch ein Zeitgenosse mit deutlich weniger Feingefühl den Zweifel in der Verletzten bemerkt hätte. Sie war da nicht gerade subtil.

Aber das störte Parzival auch nicht, schließlich war eine gesunde Portion Misstrauen bei einigen Bewanderern dieser Erde durchaus angebracht. „Klar, ich halte Ausschau.“, bot er an und stellte entspannt den Hinterhuf auf. Sie konnte sich ruhig hinlegen, um ihr Knie etwas zu entlasten, er würde hier in aller Ruhe Wache halten. Wobei er nicht davon ausging, dass sie in nächster Zeit Gesellschaft bekommen würden. Das wäre in diesem verlassenen Tal nun doch zu viel des Zufalls. Stille legte sich über die beiden Pferde, ein Umstand, den der Hengst nicht sofort brechen musste. Er war jemand, mit dem man gut Schweigen konnte. Die unangenehme Ruhe, die sich oftmals zwischen Erzählende legte fand man bei ihm selten vor. Dennoch erhob er nach kurzer Zeit die Stimme, denn seine Neugier überwog. „Möchtest du ein wenig von dir erzählen? Was bringt dich an diesen Ort?“ Parzival zog es vor von anderen zu hören, sich Geschichten erzählen zu lassen. Seine eigene kannte er schließlich schon und war nicht zwanghaft darauf aus, sie anderen aufzubinden. Sein Leben war nach eigenem Ermessen dann doch zu unspektakulär, um sie jedem erstbesten Geschöpf darlegen zu müssen. Aber wer wusste schon, was die junge Stute vor ihm so alles erlebt hatte? Für den Weißen gab es immer etwas zu lernen und noch niemand, den er bisher getroffen hatte war wahrlich langweilig und uninteressant gewesen. Und irgendwie hatte er das untrügliche Gefühl, dass auch die Stute vor ihm eine bewegte Vergangenheit besaß.

Parzival » 29.10.2021, 12:35 » Kommt der Moment, kommt die Zeit

Unglaublich. Konnte er wirklich so viel Glück haben? Seine erste Begegnung nach so unzähligen Wochen und direkt war es eine Persönlichkeit, die seiner eigenen in vielen Belangen zu gleichen schien? Zwar schien Parzival die junge Stute ganz kurz etwas aus der Spur geworfen zu haben – sein Vorschlag war nicht unbedingt alltäglich – aber ebenso schnell wie Zweifel in ihrem Blick aufgetaucht waren, waren sie auch wieder verschwunden. Und bevor er sich versah war sie mit einem freudigen Ausruf schon losgeprescht. Die, die mit den Wellen tanzt, ein so passender Name für die Stute. Nur um einen Augenblick verzögert stieß auch Parzival sich mit einem enormen Satz vom Boden ab und schmiss sich mit kraftvollen Sprüngen in die Fluten. Es hatte nicht lange gedauert, da waren die beiden Abenteurer Kopf an Kopf, doch die Wassermassen machten ein Vorankommen zunehmend schwerer. Kalt und unbarmherzig schlug das Wasser gegen die Brust des Weißen, doch es war wie eine Reinwaschung seiner Lebensgeister. Nicht, dass er das zwingend benötigt hätte, aber dennoch war es ein unbeschreiblich erfrischendes Gefühl. Wie er je wieder warm werden würde, darum konnte er sich getrost später kümmern. Weiter und weiter schritt er in die offene Weite, sodass einige Wellen schon zaghaft über seinen Rücken spülten. Er sah hinüber zu seiner Begleiterin, die ihm noch viel zu trocken war. Er selbst war bereits so vom Wasser umhüllt, dass jeder Dreck von ihm gewichen war, die Fuchsstute dagegen war bis zum Hals mit Sand besudelt. Fest davon überzeugt, dass die eigentlich Fremde es ihm nicht übelnehmen würde, tauchte er also mit dem Kopf ins Wasser und spritzte beim Hochkommen einen Schwall der Meeresfluten in ihre Richtung. Freudig blinzelte er durch die salzigen Tropfen, die ihm wild über das Gesicht rannten. Doch bevor sie sich für die Attacke würde revanchieren können, war sein Blick schon wieder auf die Weite gerichtet und es brauchte nur einen gezielten Satz, bis seine Hufe ins Leere traten. In diesem Moment vergaß er beinahe, dass er nicht allein war, war kurz davor, die Augen zu schließen und sich einfach treiben zu lassen. Die Kälte war nun fast atemberaubend und schwer schnaufend hielt Parzival sich über den Fluten. Mit starken Tritten ermöglichte er sich mehr Auftrieb und seine Augen begannen zu leuchten. Das Getöse des Meeres war ohrenbetäubend und so steuerte der Weiße im Kreis, um sich zu vergewissern, dass auch die kecke Stute das gleiche Vergnügen genoss wie er.

Parzival » 28.10.2021, 20:36 » I mean... Whatever.

Tage, wenn nicht bald wenige Wochen waren vergangen, seitdem Parzival in dieses außergewöhnliche Tal gelangt war. Über den Zugang am Meer hatte er an diesen Ort gefunden, der viele Überraschungen für seine Bewohner bereithielt. Voller Sehnsucht, wieder mehr Kontakt zu Artgenossen zu haben, hatte sich der Hengst entschieden, in diesem fremden Land zu bleiben. Es fühlte sich einfach richtig an, nicht zu wenig deswegen, weil das gesamte Tal etwas Mystisches, Geheimnisvolles ausstrahlte. Er hatte sich also Zeit genommen, quer durch das Land zu streifen und hatte dabei als erstes einen finsteren Wald durchquert. Der Geruch nach Wölfen hing stellenweise noch in der Luft, doch er war meist abgestanden gewesen und so hatte Parzival sich nicht sonderlich gefürchtet. Ein einziger Wolf müsste schon mit überweltlichen Kräften ausgestattet sein, um ihn alleine zu reißen und so war er zwar mit wachsamen Sinnen, aber ohne Angst zwischen den dunklen Tannen umhergeschlichen. Doch nicht lange ließ ein erneuter Szenenwechsel auf sich warten, als eine wunderschöne Quelle vor ihm erschienen war. Erstaunt hatte er auch dort kurz gehalten, wie an seinem ersten Tag am Meer und so war es über die Zeit weitergegangen, durch einen märchenhaft anmutenden Wald, ein undurchsichtiges Nebelfeld, alles verlassen. Bis er nun hier gelandet war, am Rande eines kargen Steinbruchs, verwüstet und düster. Obwohl ein solcher Ort die meisten Pferde und Wesen abschrecken würde, so empfand Parzival eine unerklärliche Faszination. Fast schon war es so, als würden ihn abgelegene Ecken wie diese auf ganz besondere Weise inspirieren. Was war hier einmal gewesen, wer war auf seinen Wegen gewandert, welche schönen und schrecklichen Momente hatten sich hier ereignet? So viele Fragen, doch nichts und niemand gab eine Antwort. Oder doch? Obwohl er nicht gesprochen hatte, vernahm der Schimmel plötzlich eine Stimme. Seine Ohren spitzten sich in die Richtung der Laute und dort entdeckte er sie: Eine Stute, die mit ihrer Fellfarbe fast eins wurde mit dem Geröll und Matsch um sie herum, doch hervorstechend war die wallende Mähne, ein wunderschönes Geflecht aus Silberstreifen, das sie weich umspielte. Doch dies war nicht das einzige Merkmal, welches ihm ins Auge fiel. Denn die Stute schien mit sich selbst zu reden. Obwohl die Worte an den Rändern des Steinbruches widerhallten und so auch zu dem neugierigen Weißen getragen wurden, so konnte er sich daraus keinen wirklichen Reim machen. Wir? Mit Sorgfalt erkundete sein Blick die Umgebung nach weiteren Lebewesen, doch Parzival konnte niemanden erblicken. Nun gut, vielleicht war die Fremde noch eine viel längere Zeit allein gewesen, als er selbst und behalf sich nun mit Selbstgesprächen. Imaginäre Freunde zu haben war vielleicht auch ein Weg, um nicht verrückt zu werden, so paradox dies im ersten Moment auch wirken mochte. Etwas Gesellschaft würde ihr vielleicht guttun, denn ihre Vermutung, dass sie alleine besser dran wäre hörte sich in seinen Ohren nicht sonderlich überzeugend an. Und falls sie tatsächlich etwas Zeit für sich bräuchte, würde der Schimmel das Tal eben auf eigene Faust weiter erkunden.

Doch bevor der Hengst aus dem Schatten der kargen Bäume treten konnte, schien die so trittsicher wirkende Stute zu straucheln und fiel mit überraschender Geschwindigkeit. Unfreiwillig beobachtete er, wie sie sich unsanft das Knie aufschlug und dann fast gleichgültig wieder auf alle Hufe kam, erstaunlich gelassen die Verletzung betrachtete. Mit vorsichtigen Schritten kam er näher, rückte mehr und mehr in ihr Blickfeld und kündigte sich mit einem friedvollen Schnauben an. Sein Gesichtsausdruck war nicht besorgt, aber freundlich und offen. Solche Wunden heilten wieder und vielleicht half ja ein wenig Gesellschaft über das anfängliche Brennen hinweg. „Ich komme vermutlich etwas ungelegen.“, begann er, ohne einen konkreten Plan zu haben. Es gab keinen speziellen Grund warum er die Fremde ansprach, außer den Wunsch, mit jemandem zu reden, sich einfach auszutauschen. Wer wusste schon, welche Geheimnisse sie kannte, die ihm noch verborgen waren? „Oder vielleicht komme ich auch genau zur richtigen Zeit.“ Parzival lächelte sanft und bot mit diesen Worten indirekt seine Hilfe an. Sollte sie diese benötigen, so wäre es ihr nun ein leichtes danach zu fragen. Mit etwas Distanz zu ihr kam er zum Stehen, um nicht einschüchternd zu wirken. Er hatte viele grausame Geschichten über Artgenossen gehört, die meisten Übeltäter der Erzählungen waren dabei von seinem Geschlecht gewesen. Da sich die Stute vor ihm verletzt hatte, wollte er möglichst nicht den Eindruck machen, eine Bedrohung darzustellen.

Parzival » 28.10.2021, 19:13 » Kommt der Moment, kommt die Zeit

Gedanken über alles kreisten im Kopf des Weißen, über alles Mögliche, doch wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass er beinahe eine Kollision erleben müsste. Vollkommen in seine eigene Welt vertieft bekam Parzival über das Getöse also nicht mit, dass eine Artgenossin wie ein Tornado auf ihn zugestürmt kam. Erst im letzten Moment, als es für jegliche Reaktion ohnehin zu spät war, sah er die rote Gestalt in einem Wirbel aus Mähne, Beinen und Wasser neben sich stürzen. Die aufspritzenden Tropfen flogen ihm gemischt mit Sand und Schaum ins Gesicht, benetzten ihm die komplette Seite, sodass er wirkte, als wäre er gerade von einem Sandmonster angegriffen worden. Da Parzival ein nicht sonderlich schreckhafter Genosse war, zog er sich nur einen Schritt zurück und schüttelte klärend den Kopf, um den überschüssigen Dreck aus seinem Sichtfeld zu bekommen. Überraschung zeichnete sich dennoch auf seinen Zügen ab, noch viel mehr, als eine hübsche - ihrem Aussehen und Verhalten nach zu urteilen auch junge – Stute sich aus den Fluten erhob, um ihre Contenance wiederzuerlangen. Als wäre gerade überhaupt nichts Sonderbares passiert, begrüßte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln, welches er grinsend und gutmütig erwiderte. „Hallo.“ Auch wenn es nur eine kurze Antwort war, so wirkte sie doch nicht kurz angebunden, denn viel Wärme schwang in seiner Stimme mit. Manchmal tischte einem das Leben kuriose Situationen auf, doch das war es unter anderem, was Parzival so sehr daran liebte. Jeder Tag war für eine Überraschung gut, so wurde es eben nie langweilig. Und die heutige Überraschung fiel eben ein wenig großer aus als üblich. Und in diesem Moment wurde dem Schimmel bewusst, wie lange er schon keinen Kontakt mehr zu einer anderen Seele gehabt hatte, viel zu lange war ihm auf seiner unendlichen Wanderschaft niemand mehr über den Weg gelaufen. Umso mehr begrüßte er nun die zufällige Begegnung. „Das habe ich mir fast gedacht.“ Noch immer umspielte ein Lächeln seine Lippen. „Wäre es anders gewesen, hätten wir vermutlich beide hier gelegen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber auch das wäre interessant gewesen, ich bin noch nie zuvor Opfer eines so offensiven Überfalls geworden.“ Nicht, dass er solche Zustände eines ernst gemeinten Angriffes herbeiwünschen würde, aber die spaßige Ironie war deutlich in seinen Worten zu vernehmen. Etwas nachdenklicher musterte er die Stute. Sie hatte einen offenen Blick, ein unverkennbares Funkeln in den dunkelbraunen Augen und wirkte so aufgeweckt wie er zu seinen besten Zeiten. Augenblicklich stieg Sympathie in ihm auf und wenn es nach ihm ginge, würde er ihre Gesellschaft noch ein wenig länger in Anspruch nehmen. Es tat gut eine Stimme zu hören, wo es doch so lange still um ihn gewesen war. „Da wir ja jetzt ohnehin schon nass sind, was hältst du davon, eine Runde schwimmen zu gehen?“, fügte er nun eine Spur ernster, aber immer noch fröhlich hinzu. Wahrlich war das Wetter nicht sonderlich einladend und auch die Wellen schlugen teilweise etwas hoch, doch umbringen würde ihn das Ganze sicherlich nicht. Zumindest nicht nach seinem etwas unerschrockenen Ermessen. Jedes Pferd mit etwas mehr Vorsicht im Blut würde diesen Vorschlag ablehnen, doch die Fremde schien so, als wäre sie durchaus empfänglich für ein kleines Abenteuer. Neugierig sah er die Füchsin also an und wartete auf ihre Antwort.

Parzival » 28.10.2021, 11:32 » Kommt der Moment, kommt die Zeit
Beautiful Moment

 

Das Meer. Parzival konnte die Faszination, die von diesem rauen Ort ausging nicht in Worte fassen. So poetisch er auch veranlagt war, so sehr sein Herz sich danach sehnte, die Schönheit der Natur und Gezeiten in die Welt des Gesprochenen und Gedachten zu übertragen, jeder seiner Beschreibungen würde etwas fehlen. Denn die Essenz der See, der schäumenden und tobenden Wellen, wie sollte sie eingefangen werden? Und so hüllte der Schimmel sich in Schweigen, schloss die neugierigen Augen, die noch eben die lebendige Gischt beobachtet hatten und atmete tief durch. Die salzige Meeresluft erhob bei jedem Besuch seine Lebensgeister, auch wenn es denkbar lange her war, dass er das Meer hatte bestaunen können. So war es auch heute mehr ein Zufall, dass er diesen Ort gefunden hatte. So lange war Parzival nun schon auf Reisen gewesen, ohne speziell nach einer neuen Heimat zu suchen. Seine Neugierde, sein Tatendrang hatte ihn in die Welt hinausgetrieben, doch nirgends war es gut genug gewesen. Da war etwas in ihm, das nach mehr suchte, ein Teil in ihm, der sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden geben würde. Ein Lächeln zog über seine entspannten Züge. Ist es das? Konnte dies der Platz sein, das erste Tal seit Monaten, in dem er sich vorstellen konnte, heimisch zu werden? Das Gefühl der Ekstase und gleichzeitigen Ruhe ergriff den Hengst bei diesem Gedanken und die Antwort war so klar wie der stürmische Wind in seiner Mähne. Beflügelt von dieser Erkenntnis, diesem Gefühl der Ankunft, öffnete Parzival die Augen und trabte unvermittelt los. Seine ausladenden Schritte führten ihn immer näher an die Wellen heran, die an diesem Tag verrieten, welch ungebändigte Seele in dem Meer wohnte. Der Himmel war grau und trist, doch wirkte er trotzdem einladend, wie ein alter Freund, der immer da war, um zuzuhören. Schnaubend kam er zum Halten, rhythmisch umspülte das eiskalte Wasser seine Fesseln und ließ sie wieder los. Einzelne salzige Tropfen verfingen sich in Mähne und Schweif, wenn sie sich trauten aus der Sicherheit der Menge zu springen, doch Parzival nahm kaum Notiz von ihrem Wagemut. Sein Blick war nun auf fern kreisende Möwen gerichtet und auf den Horizont hinter ihnen. Was würde er nicht geben, nur für einige Augenblicke an ihrer Stelle zu sein, fliegen zu können, die Welt aus einem anderen Winkel zu sehen. Was sahen sie wohl dort oben in den windigen Höhen? Und was war dort hinter dem Meer, welches sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien? Die Welt hatte so unglaublich viel zu bieten und Parzival würde nie müde werden, sich den Wundern dieser Erde zu erfreuen - oder sie zu erfragen.

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