Was wäre die Welt ohne Träume und Phantasie? Sie wäre definitiv viel grauer und freudloser, als der Schimmel es je zugeben wollen würde. Auch wenn seine Stimmung nicht nur in die heitere Richtung ausschlägt, so begnügt der Weiße sich dennoch oft mit mehr oder weniger realistischen Tagträumen. Seiner Kreativität sind teils nur schwer Grenzen zu setzen, sei es in der gedanklichen Welt, oder aber auch in halsbrecherischen Aktionen.
Gleichzeitig pulsiert eine unbändige Sehnsucht in den Adern Parzivals. Eine Sehnsucht nach Nähe, nach Verbundenheit und Zugehörigkeit. Oftmals fühlt er sich einsamer als er zugeben möchte, sicherlich einer der Gründe, warum er sich in seine Gedankenwelt vertieft. Vielleicht ist die Suche nach Liebe, nach dieser einen Seele, die ihn komplett versteht und begreift der Grund, warum der Hengst noch immer seine Zeit auf endloser Wanderschaft verbringt.
So sehr er sich auch nach Vertrautheit sehnt, so sehr stößt er andere auch von sich weg. Ohne je bösartig oder offensiv gemein zu sein, hat der Schimmel manchmal eine Art an sich, die ein Näherkommen schwer macht. Meistens gehen Themen und Gespräche dann in eine gefährlich persönliche Richtung, die Parzival nicht immer erträgt. Jeder hat seine Wunden und so trägt auch der Weiße seine ganz eigene Sammlung mit sich herum. Dass er dabei ein ausgesprochener Freigeist ist, der auch kontroversen Diskussionen nicht aus dem Weg geht, ist dann zeitweise eine explosive Kombination.
Parzival möchte alles, oder nichts. Er fühlt mit seinem ganzen Sein, auch wenn er gelernt hat, diese Eigenschaft zu verstecken. Dennoch berührt ihn jede Seele, die er trifft. Jede auf ihre eigene Weise. Die Fähigkeit so tief zu empfinden hat den Hengst schon oft verletzt und dennoch hat er keinen Weg gefunden, diese Eigenschaft abzustellen. Vielleicht liegt das daran, dass er es als ultimatives Versagen empfinden würde, sich der Welt zu verschließen, sich und andere aufzugeben. Und so schwankt er in der breiten Welt der Gefühle, mal fröhlich, mal traurig, mal in sich gekehrt und dann doch wieder übersprudelnd und laut.
Parzival ist ein wandelndes Paradoxon. Er ist zu vielschichtig, um ihn in nur wenigen Worten zu beschreiben. Kaum eine Beschreibung würde seiner Essenz, seinem Kern gerecht werden, zu facettenreich sind seine Gedanken und Gefühle. Es gibt Momente, da strotzt der junge Hengst vor Selbstbewusstsein, ist ruhig, gelassen, erwachsen. Zu anderen Zeiten, in Momenten des Zweifels fällt er emotional förmlich in sich zusammen, doch diese Augenblicke sind nur für ihn bestimmt. Er ist niemand, der anderen etwas vorspielt, doch diese verletzlichen Schichten seines Charakters trägt Parzival ungerne an die breite Masse. Aber auch diese vermeintliche Schwäche macht einen großen Teil seines Wesens aus, denn mit jedem Zweifel kommt auch der Mut, die Angst zu überwinden. Wenn der Weiße eines aus seiner Vergangenheit gelernt hatte, dann, dass es im Leben trotz aller Risiken mehr zu gewinnen, als zu verlieren gab. Oder vielleicht gab es genau deswegen so viel zu gewinnen, weil der Verlust so schrecklich hoch sein konnte…
Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders
Vergangenheit
Luft aus Eis
Parzival wurde an einem eiskalten Frühlingsmorgen als jüngster von drei Brüdern geboren. Seine Mutter erlebte mit ihm jedoch die erste schwere Geburt, die Komplikationen wirkten sich auch auf die ersten Monate seines Lebens aus. So erschien der junge Hengst als eher schmächtig und schwächlich, während seine Mutter sich von den Strapazen erholte und doch sah man ihm an, dass er voller Leben steckte. Die Augen immer mit Neugier und Fragen gespickt, erkundete er seine Welt. Dabei war er meist weniger körperlich als seine Altersgenossen. Er raufte, aber nicht mit gleicher Inbrunst, wie seine Brüder es getan hatten, wanderte durch die Natur, doch blieb oftmals stehen und reflektierte, öfter, als es je ein Mitglied seiner Herde getan hatte. Schon früher stellte er sich als Denker heraus, als Kreativkopf, als anders.
Thron über Konvention, das Leben kommt von vorn
Seine erfrischende Andersartigkeit bescherte dem jungen Parzival aber nicht nur Freunde. Obwohl er ein außerordentlich höflicher Zeitgenosse war, der sich gerne unterhielt und mit seinen Herdenmitgliedern philosophierte, waren besonders die Alteingesessenen nicht begeistert, einen so weltoffenen Hengst in ihren Reihen zu haben. Die Herde bestand eher aus konservativen Charakteren, die keine Veränderungen begrüßten oder duldeten. Als jemand der eine Konfrontation eher mit Worten löst, als mit roher Gewalt, sah Parzival sich mit ungefähr anderthalb Jahren dazu gezwungen, seine Heimat zu verlassen.