»Karitsa
Dieser Charakter wurde eingefroren.


Ruao


Schmunzelnd begebe ich mich in die Richung, die der Schimmel mir gedeutet hatte. Aida und ich hatten beide einige vergebliche Versuche unternommen, seinen Namen korrekt zu wiederholen, waren an dieser Aufgabe jedoch glorreich gescheitert. Als mir dann ein „Tannenzapfen“ hinausgerutscht war, hatten wir die Versuche lieber aufgegeben. Zum Glück war der Hengst mir nicht böse gewesen! Ein bisschen peinlich ist mir dieser Ausrutscher noch immer, doch er hatte ohne Zögern meine Entschuldigung angenommen. Den besten Eindruck konnte ich nun wirklich nicht bei ihm hinterlassen haben...

Zuerst mein Kopfstüber, dann der Zwischenfall mit den Tannenzapfen. Umso erstaunlicher, dass er uns trotzdem mit einer Engelsgeduld erklärt hatte, wo wir gelandet waren: Mitten auf dem Herdenplatz der „Alacres Pacem“, tatsächlich eine der großen Herden des Tals! Doch bevor ich ihn mit den Fragen löchern könnte, die mir schon auf der Zunge lagen, empfahl er uns, beim Leittier der Herde vorstellig zu werden. Zwar hätte diese Herde im Grunde genommen nichts gegen Fremde, doch die Zeiten waren nicht ganz einfach. So empfanden sie es, zu ihrer eigenen Sicherheit, als angemessen, dass fremde Pferde sich offiziell beim Herdenleiter meldeten, damit dieser ihre Absichten bewerten kann. Ich schlucke, als ich an diese Worte zurück denke. Wieder ist mir leicht mulmig. Was, wenn man uns nicht hier haben möchte? Der Hengst jedoch schien meine Besorgnis direkt gespürt zu haben und versicherte mir, dass er keine leeren Worte verlieren würde. Es wäre eine reine Vorsichtsmaßnahme, davon solle ich mich nicht abschrecken lassen. Er wies mit dem Kopf in Richtung eines kleinen erdfarbenen Pferdes. „Das ist Ruao. Zu ihm müsst ihr.“ Artig haben wir uns bei dem Schimmel bedankt und waren losgetrottet, doch er rief uns noch einmal zurück. „Am Besten stellt ihr euch alleine vor. Es dauert auch nicht lange“, fügte er beschwichtigend hinzu. Zögernd blicke ich zu Aida. „Geh du schon einmal vor“, grinste sie mich an. „Ich wollte sowieso erst einmal von dem Gras kosten. Auf leerem Magen verhandelt es sich sowieso schlecht“, fügte sie hinzu und zwinkerte mir zu. Liebevoll fuhr ich mit meiner Nase über ihren Widerrist. Typisch Aida. Selbst in dieser Situation hatte sie einen coolen Spruch auf den Lippen. „Dann koste du schon einmal. Aber du musst dann gleich berichten!“, flößte ich ihr ein. Sie verdrehte die Augen und gab mir einen Schubs in die Richtung, in die ich gehen sollte. „Wenn du nicht gleich gehst, werde ich hier Wurzeln schlagen!“, jammerte sie.

Auf meinem Weg komme ich an allerhand Pferden vorbei, die unterschiedlicher eigentlich kaum sein könnten. Es ist kein klares Muster zu erkennen. Und doch, man erkennt irgendwie, dass sie alle zusammengehören, ohne dass ich genau benennen könnte, wieso. Nachdenklich betrachte ich ein Grüppchen aus drei Schimmeln und einem Sandfarbenen, die beieinander stehen, doch ihr Geheimnis will sich mir nicht offenbaren. Alles in allem kann ich jedoch feststellen, dass die Pferde auf der Wiese nicht unzufrieden, ja, sogar ziemlich gelassen. Ob sie wohl Wächter haben? Verstohlen lasse ich meinen Blick weiter schweifen, kann jedoch keinen solchen ausmachen. „Kein Wunder! Wären sie so offensichtlich zu entdecken, könnte man es ja auch gleich bleiben lassen“, tadelt mich mein Verstand in Gedanken. „Stimmt natürlich auch wieder“, denke ich zerknirscht. Aber für weitere Überlegungen bleibt keine Zeit. Ich habe mein Ziel fast erreicht und werde unweigerlich langsamer. Ich stelle fest, dass das Leittier - Ruao - ein ganzes Stück kleiner ist als ich. Für einen kurzen Moment stärkt dies mein Selbstbewusstsein. Lange hält das jedoch nicht vor. Trotz seiner geringen Größe strahlt der Hengst eine Selbstsicherheit aus, die beeindruckend ist. Respektvoll bleibe ich mit einigen Schritten Abstand zu ihm stehen. „H-Hallo“, beginne ich stockend, fasse mir dann aber ein Herz. „Ich bin Karitsa. Tann, äh, Taz– Der Weiße hat mich zu dir geschickt“, erläutere ich und nicke in Richtung des Schimmels. „Wir sind nur zufällig auf euch gestoßen. Doch ich habe schon viel von euch gehört! Nunja, nicht von euch im Speziellen. Aber von den legendären Herden, die durchs Tal ziehen.“ Ich zögere, unschlüssig, wie ich fortfahren soll.


09.10.2018, 20:42
»Ruao
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Karitsa



Es hatte schon lange niemand mehr seinen Weg hierher ins Herdengebiet gefunden. Die Zuwanderung war immer mehr zurückgegangen; so lange, bis sie beinahe zum Stilltstand gekommen war. Somit fiel es Ruao sofort auf, als zwei Neuankömmlinge eintrafen. Er hatte sie schon von Weitem interessiert beobachtet, sich dabei jedoch bedeckt gehalten. Sie wirkten jung - zwar unerfahren aber gleichermaßen unbeschwert und lebensfroh.
Erst, als er aus dem Augenwinkel heraus entdeckte, dass sich eine der beiden Stuten in seine Richtung bewegte, hob er den Kopf und wandte sich ihr zu. Interessiert musterte er sie, versuchte, dabei nicht zu neugierig oder aufdringlich zu wirken. Sein Blick war freundlich, auf seinen Lippen schimmerte ein höflich-distanziertes Lächeln. Auch wenn der Falbe stets jedem offen und unvoreingenommen entgegen trat, so hatte er hier im Tal dennoch gelernt, sich zunächst immer etwas zurückzunehmen. Anders als früher - dort hatte er sein Herz immer zu jeder Zeit auf der Zunge getragen. Es war manchmal überaus erstaunlich, wie sich Zeiten und Gewohnheiten ändern konnten.
"Hallo Karitsa," erwiderte der Norweger die Begrüßung der Stute freundlich, nachdem sie zu Ende gesprochen hatte. Die Fuchsene wirkte etwas nervös und Ruao wollte ihr das Gefühl geben, dass sie dazu keinen Grund hatte. Er wollte Sicherheit und Ruhe ausstrahlen, um anderen stets ein gutes Gefühl zu geben. Er hoffte, dass es ihm gelang.
Als Karitsa kurz zögerte, lächelte Ruao aufmunternd. Sie machte bisher einen wirklich netten Eindruck. "Ich bin Ruao, der Leithengst der Alacres Pacem. Es freut mich, dass du hierher gefunden hast." Er schenkte ihr ein herzliches Lächeln, neigte dabei sein Haupt etwas zur Seite. "Ich hoffe natürlich, dass du nur Gutes über uns gehört hast?" Ruao lachte leise und schüttelte seinen Schopf aus dem Gesicht, der ihm für einen Augenblick zu tief in die Augen gerutscht war. "Wie geht es dir? Und was kann ich für dich tun?" Interessiert spitzte der Falbene die Ohren und bedachte die Stute mit ruhigen, gelassenen Blicken. Sie sollte sich hier wohlfühlen - und nicht glauben, dass sie nicht Willkommen war.



20.10.2018, 18:40
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Ruao


Mir fällt ein Stein vom Herzen, als mich der Norwegerhengst so freundlich begrüßt. „Danke, Ruao“, erwidere ich seine Worte. „Es freut mich auch sehr, euch gefunden zu haben! Ich war eigentlich viel zu lange alleine. Und ich muss sagen, als Einzelgänger ist gar nicht mal so einfach, Näheres über die Herden herauszufinden. Es ist so, dass irgendwie jeder weiß, dass sie existieren - aber darüber hinaus halten sich alle eigentlich ziemlich bedeckt.“ Nachdenklich wiege ich den Kopf hin und her. „Und wie gesagt, über Euch im Speziellen habe ich nie etwas gehört. Überhaupt, alle Herden sind eher so etwas wie ein großes Mysterium“, füge ich hinzu. „Mir geht es gut, vielen Dank. Weiterhelfen? Ähm...“  Erneut fehlen mir die Worte. Auch wenn Ruao sehr freundlich war, strahlte er gleichzeitig die gebündelte Imposanz eines großartigen Leithengstes aus. Und es stimmte ja, dass sich über die Herden kaum etwas in Erfahrung bringen ließ. Vielleicht blieben sie ja lieber unter sich? Verunsichert schaue ich zu Aida und dem Schimmel zurück. Hätte er mich denn an den Leithengst verwiesen, wenn sie Neuen gegenüber gar nicht offen wären? Oder war ihm einfach nicht danach gewesen, uns abzuweisen? Ich räuspere mich und schwenke mit dem Kopf wieder zurück zu Ruao. Peinlich, vor ihm einfach so in Gedanken zu versinken. „Nun, ich wollte fragen, ob wir für einige Zeit euren Weidegrund teilen dürften. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder... Aber bisher habe ich ihn in diesem Tal noch nicht finden können. Dabei bin ich schon vier Sommer hier, es ist wie verhext!“, fasse ich die vergangenen Jahre frustriert zusammen. Mir fällt auf, dass ich zuletzt fast geschrien habe, und hole daher kurz Luft, um wieder auf eine normale Lautstärke zurück zu kommen.„Vielleicht ist er inzwischen auch weitergezogen, ich weiß es nicht. Aber ich dachte, hier ist viel los. Vielleicht hat ihn ja jemand gesehen?“ Die letzten Worte klingen dann wieder hoffnungsvoll. „Wie dem auch sei, andererseits vermisse ich auch die Gesellschaft von Anderen. Eigentlich bin ich damals nur aufgebrochen, um meinen Bruder zurück zu holen, ich hätte nicht gedacht, dass ich so lange fort sein würde...“, seufze ich. „Oh nein, jetzt habe ich euch so zugeplappert!“, rufe ich bestürzt aus. „Das tut mir leid. Da müssen die Fohlen mit mir durchgegangen sein“, meine ich kleinlaut und schaue ihn entschuldigend an.


26.10.2018, 21:34
»Ruao
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Karitsa



Ruao war ehrlich überfordert mit ihrer offenen, aufgeschlossenen Art. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihm das letzte Mal jemand begegnet war, der ähnlich gesprächig und kindlich-optimistisch gewesen war. Es war durchaus erfrischend, ja. Es erinnerte ihn an vergangene Zeiten, in denen er ähnlich unbeschwert gewesen war. Doch es fiel Ruao sichtlich schwer, ihr zu folgen und den Inhalt ihrer Worte wirklich aufzufassen und zu verarbeiten. Vermutlich würde er auf viele Aussagen von ihr nicht reagieren, weil er sie einfach in der Kürze der Zeit und der Masse der Informationen nicht hatte abspeichern können. Es beruhigte den Norweger etwas, dass Karitsa am Ende ihres Wortschwalls selbst bemerkte, wie viel sie in den letzten Minuten gesprochen hatte - quasi ohne Punkt und Komma.
"Es tut mir leid, dass du deinen Bruder noch nicht finden konntest. Wie heißt er denn? Und wie sieht er aus? Vielleicht lebt er ja bereits hier." Ruao lächelte gütig. "Anderenfalls wünsche ich dir natürlich, dass du ihn bald finden wirst. Das Tal ist groß. Vielleicht seid ihr einfach noch nicht zur selben Zeiten am selben Ort gewesen." Wie das Leben eben manchmal so spielte. Man verpasste viele gute Gelegenheiten, weil man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Wer kannte das nicht?
"Und natürlich darfst du sehr gerne hier bleiben. Du bist hier jederzeit Willkommen, Karitsa," versicherte er ihr herzlich und lächelte ihr warm zu. Auch wenn er sie ähnlich alt wie sich selbst schätzte, stellte Ruao sich so seine Tochter vor - wenn er denn eine hätte; beziehungsweise wenn sie nicht gestorben wäre. "Und egal bei was du Hilfe brauchst: du kannst immer zu mir kommen." Ruao wusste, wie wichtig Zusammenhalt war. Und wie einsam man wurde, wenn man so gar niemanden mehr hatte, mit dem man sein Leben teilte. Umso froher war er, dass Karitsa den Weg zu den Alacres Pacem gefunden hatte. Ihr Geist wirkte zu lebhaft, um in Einsamkeit zu versauern.



22.12.2018, 23:50
1
Geschlossen