Vielleicht hätte ihre feine Nase den Rüden wittern müssen, vielleicht hätte ihr Kopf aber auch wissen müssen wie sie überhaupt hier her gelangt war. Also stellte sie sich diese Frage gar nicht als erschrak weil da plötzlich ein Rüde aufgetaucht war, der ihr auch direkt eine Frage stellte.
Sichtlich irritiert musterte sie den Unbekannten und versuchte herauszufinden ob ihr Verstand ihr einen Streich spielte oder ob er ihr tatsächlich unbekannt war. Sie waren als Rudel nicht oft auf andere Wölfe getroffen und meist unter sich gewesen. Die Grenzen waren klar abgesteckt und die Ränge klar aufgestellt gewesen. Das hatten die Rudel unter sich auch akzeptiert. Aufstände oder Kämpfe gab es so gut war nie. Eigentlich war bis jetzt alles sehr harmonisch gewesen und für die doch recht unsichere Wölfin eigentlich genau das Richtige. Und jetzt? Jetzt wusste sie weder wo sie war, noch wen sie da vor sich stehen hatte. Sie hatte keine Ahnung ob Wölfe aus ihrem Rudel überlebt hatten, ob ihr Partner und ihr Nachwuchs nicht irgendwo ebenfalls völlig irritiert in der Fremde gelandet waren. In ihren Augen sammelten sich kurzzeitig Tränen die sie, als sie sie bemerkte, wegblinzelte und mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Rüden und seine Worte reagierte. Sie machte sich nicht die Mühe unter Schmerzen aufzustehen. Er schien im ersten Moment nichts Böses zu wollen und selbst wenn, welche Chance und welchen Nutzen hatte der Versuch einer Flucht? “Ja ich… nein… ja ich lebe, aber nein, es ist eigentlich gar nichts okay. Wer… wer bist du und wo bin ich hier?”, fragte sie dann vorsichtig, unsicher und die Ohren unsicher nach hinten gedreht. Ihr Blick huschte doch immer wieder hoffnungsvoll suchend an Zeniko vorbei über die Mohnblumen. Aber ihr kam weder etwas bekannt vor, noch war außer ihnen jemand hier.
Mit einem elenden Jaulen, gefolgt von einem Husten erwachte Aithne. Völlig überfordert blinzelte sie und versuchte sich aufzurichten, aber da war ein Schmerz am Hinterlauf, der sie kurzzeitig davon abhielt. Wo zum Teufel war sie und wie war sie hierher gekommen? Fieberhaft versuchte sie sich zu erinnern und warf ihren deutlich irritiert, verlorenen Blick hektisch über … Mohnblumen? Lebte sie überhaupt noch? War das hier der “Himmel”? …
Der Schmerz im Hinterlauf verriet ihr rasch, dass sie noch leben musste. Vorsichtig richtete sie sich auf und ächzte unter den müden, schmerzenden Gliedern. Und kaum dass sie halbwegs auf den Beinen war, konnte sie den Rauch wittern. Er haftete an ihr und jagte ihr für einen kurzen Moment eine Erinnerung in den Kopf. Feuer, Feuer, das sie zu verschlingen drohte. Mit einem leisen Wimmern ging sie wieder zu Boden und verharrte dort einen weiteren Moment, ehe ihr Blick sich über die Mohnblumen hinweg heben wollte. Sie war allein und hatte nicht die leiseste Ahnung wo ihr Instinkt sie hingetragen hatte. Allein, verletzt, aber am Leben. Kein Rudel, keine Familie, kein Partner. Ob sie alle dem Feuer zum Opfer gefallen sind?
Aithne richtete sich nun nicht mehr gänzlich auf und begutachtete mit ihrer feinen Nase den verletzten Hinterlauf. Das Fell war versengt und eine kleine Wunde klaffte dort, aber offenbar nicht mehr blutend. Wie lange sie wohl hier gelegen hatte?
Mit einem trockenen, leisen Schmatzen stellte sie fest, dass sie gut und gerne ein ganzes Wasserloch voll Durst hatte. “Eins nach dem Andren!”, ermahnte sie sich selbst.