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Alle Posts von Salira



Salira » 20.11.2015, 09:55 » Hast du schon einmal? #2
iich glaub schon

hast du schonmal was abgefackelt?
Salira » 20.11.2015, 09:52 » Gucken oder nicht gucken #2
kenn ich nicht :/


Die pferdeprofis?
Salira » 20.11.2015, 09:52 » Licht an- Licht aus
licht aus, es ist tag
Salira » 20.11.2015, 09:51 » Zombiewaffe (Sache rechts neben dir) #2
taschentuch
Salira » 20.11.2015, 09:51 » Tauziehen #4
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Salira » 20.11.2015, 09:49 » November 2015
lisa, weil ichs grad seh.
was für nen rang soll batard haben? also bei den fa?^^
Salira » 19.11.2015, 22:01 » Tauziehen #4
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Salira » 19.11.2015, 17:44 » Bücher
NEUE GESCHICHTE
Genre: Fantasy/Jetztzeit/Jugend/Psychologie

 
Langsam stieg der Rauch in den Himmel auf. Nur sanft und ohne ihn aus den Augen zu lassen, verfolgten klare Augen diesen Aufstieg. Es war kalt hier, das Gebiet überzogen von einer dicken Eisschicht. Nichts davon konnte sie jedoch so fesseln wie ihr eigener Atem. Schwer stieg er doch in den Himmel, der von einem strahlenden Blau war. So malerisch die Landschaft. So sanft und doch stark. Immer wieder kehrte sie an den Ort zurück. Ihren Ort, ganz allein für sie. Ein Ort, der so viel Ruhe versprach und ihr Frieden schenkte.
Als sie sich umsah, erkannte sie die Details. Kleine Eiszapfen hingen an schwer an den Nadelbäumen, die sie nicht benennen konnte. Der Schnee lag hoch, egal wohin das aufmerksame Auge auch blicken würde. Rein, vollkommen weiß und unschuldig. Nichts hatte an der weißen Decke gekratzt, alles war vollkommen. Wie in einem Buch, oder einer Postkarte.
Es war vollkommen still, denn hier gab es keine Tiere. Niemals gab es hier Tiere oder andere Menschen, die diesen Ort verunstalten konnten. Nur dieser war ihr geblieben, etwas, das ganz allein ihr gehörte. Ihr Rückzugsort, nannten es die Therapeuten. All das sei vollkommen normal, immer dieses Wort, ´vollkommen´ ein so großes Wort für so viele Beschreibungen. Es ist etwas ganz anderes, ob etwas vollkommen ist, oder nur vollkommen normal. Bei ihr war es immer nur normal.
Nur kurz ließ sie sich von den Gedanken ablenken. Die Wirklichkeit kam noch früh genug, wie immer, wenn man es genau betrachtete. Hier war ihr Ort an dem sie all dem entfliehen konnte, all dem schrecklichen der Welt. Die Erinnerungen konnten diesen Ort nicht betreten, denn das konnte niemand außer ihr selbst. Hier war sie sicher.
Leise begann es zu schneien, kleidete diese Landschaft erneut in tiefes, beruhigendes Weiß. Sanft landeten die Flocken auf der weichen Decke, die bereits das Land überzogen hatte. Es war kalt, sehr kalt, doch der Schnee gefror nicht, hinterließ weiter die samtene Decke, die weich und flauschig den Boden berührte. Auch die Bäumen, kraftvoll, so unerschütterlich, schienen den neuen Schnee willkommen zu heißen. Stark richteten sie sich auf, gezeugt von der Last, die sie bereits auf sich trugen. Und doch schienen sie sich über ihre neuen Gäste zu freuen. So wie sie selbst es tat.
Nur langsam tat sie einen Schritt, verließ den schützenden Wald, der so stark hinter ihr lag. Vor ihr tat sich die Beständigkeit auf. Das Gebirge erhob sich hoch, nur schmale Pfade schienen in das innerste zu führen. Man erkannte nicht, ob es sich um einen einfachen Berg handelte oder eine ganze Gebirgskette dahinter lag. Hoch und bedrohlich lag der kalte Stein, nur leicht angezuckert mit den Schneemassen des Waldes, vor ihr. Egal wohin sie sah, das beständige Grau setzte sich fort. Gab all ihre Kontrastvielfalt bekannt.
Sie streckte ihre Hand aus. Rau und kalt fühlte es sich an, als sie danach griff. Doch sie zog daraus auch die Kraft die sie brauchte. Den Mut standzuhalten und weiter zu gehen. Immer weiter. Sie wandte sich leicht nach rechts, starrte lang auf den Eingang, der sich zwischen den hoch aufragenden Wänden erhob. Sie folgte den kleinen Unebenheiten, die sich durch den Wind und die Natur eingegraben hatten. Nur sanft strich sie ihnen entlang, ehe sie es endlich wagte einzutreten. Langsam, bedächtig folgte sie dem Weg tiefer hinein. Neugierig darauf, was dahinter liegen würde. Was sie wohl vorfinden würde. Stetig und ruhig waren ihr Schritte, immer darauf bedacht, die Stille hier so wenig wie möglich zu stören. Die Magie, die diesen Ort gefangen hielt, erlaubte es ihr nicht anders. Sie würde nichts dafür tun, diese Energie zu stören, die sich nicht nur in den Bäumen, der Erde und dem Fels wiederfand, sondern auch tief in sie eindrang, sie ausfüllte.
Die Felswände leiteten sie weiter, führten sie näher an ihr Ziel. Sie wollte entdecken.
Es folgte bald eine Gabelung. Noch immer rieselten die kleinen Flocken auf die Erde, auch hier, wo man kaum etwas davon erkennen konnte. Es schien, als wollten Schnee und Fels zusammen existieren. Als sei es ein Miteinander anstatt eines Gegeneinanders. Es sah so einfach aus in dieser Symbiose zu leben. Wieso nur schafften das die Menschen nicht auch? Wieso kämpften sie immer wieder dagegen.
Sie schüttelte nur den Kopf, erfreute sich stattdessen des harmonischen Anblicks ohne sich weiter über die Realität Gedanken zu machen. Sie folgte dem einladenden Weg. Sträucher und Gräser wuchsen am Rande des Weges, welcher von den Steilwänden abgelöst worden war. Es ging sanfter hinauf und sie fühlte sich nicht mehr eingezwängt. Nicht mehr so in der Falle. Erstaunte musste sie feststellen, dass sie dieses Gefühl bisher kein einziges Mal übermächtig erschienen war, so als wolle es erneut kontrollieren, wie so oft. Doch hier hatte es nur ein leicht beklemmendes Gefühl hinterlassen, zwar da, doch in keinster Weise bedrohlich. Sie fühlte sich sogar beschützt. Ein komischer Gedanke, denn sie war nie sicher. Niemals außer hier. In ihrer Landschaft.
Der Weg stieg inzwischen nur mehr sanft an. Begleitet von allerhand Sträuchern und Farnen, setze sie ihren Weg fort. Es war nur mehr eine leichte Steigung, gut für die Schenkel und Lungen. Inzwischen spürte sie eine langsame Müdigkeit. Als es mehr wurde, wollte sie eine Pause machen, und sich erholen. Wollte diesen Ort noch nicht verlassen. Der kleine Fels unter ihr, den sie auserkoren hatte, fühlte sich gar nicht so kalt an, wie sie gedacht hatte. Es war angenehm.
Die Hände wurden ausgestreckt, während der Blick wieder auf den Schneeflocken lag, die von oben kamen. Einige verfingen sich an Händen und Armen, wurden von den dünnen Härchen auf der Haut festgehalten. Mit fasziniertem Blick beobachtete sie, wie diese langsam schmolzen. Das Wasser perlte langsam von ihrer Haut auf den Boden, wo sie in der dünnen Schicht verschwanden. Das Spiel beobachtete sie eine ganze Zeit lang. Irgendwann wurden ihre Arme schwer, sodass sie sie kaum noch oben halten konnte. Mit einem traurigen Seufzer ließ sie sie fallen, stützte sich neben ihren Schenkeln auf und sah den Weg zurück, den sie gekommen war. Nur durch ihre Fußspuren, die bis zum Grau des Steins durchdrangen, war ein Unterschied zu erkennen. Der Weg vor ihr sah genau gleich aus, stellte sie verwundert fest. Ein so weiter weg, den sie noch zu gehen hatte.
Es war an der Zeit weiter zu gehen. So erhob sie sich von ihrem Rastplatz und folgte dem Weg weiter, hinterließ weitere Fußspuren, die die Unberührtheit dieses Ortes störten.



Eine Berührung ließ mich zusammen zucken.
„Miss Takov, wo sind Sie gerade mit ihren Gedanken?“, der tadelnde Blick meines Therapeuten verfolgte mich, ehe sie sich wieder setzte. Frau Doktor Maria Sommerbach, eigentlich ein sehr lustiger Name, wenn man darüber nachdachte. Doch nicht jeder hatte einen dermaßen unpraktischen Namen wie ich. Ich musste sofort an einen Film denken, doch ich hatte keine Ahnung mehr, wie dieser hieß. ´Kann doch nicht jeder Schmidt oder Müller heißen.´ Oder zumindest so ähnlich ging es.
„Wenn Sie weiter so störrisch sind, dann wird die Therapie keinen Erfolg haben. Und dafür sind Sie doch hier nicht wahr? Sie sagen doch immer wieder, dass Sie etwas ändern wollen. Und das Jugendamt steht auch hinter Ihnen.“
Hatte ich schon einmal gesagt, wie wenig ich von diesen sogenannten Therapiestunden hielt? Genau, nichts. Es war jedes Mal das selbe, alle Therapeuten, die ich bisher aufsuchen musste, waren gleich. Zuerst kam unendliche Geduld, dann Pseudo-Ratschläge, bis es irgendwann in frustrierter Wut endete. Warum? Weil ich absolut keine Lust hatte, mich weiter wie ein kleines Kind behandeln zu lassen. Vor allem dieses Miss. Wer sagte denn schon Miss zu jemanden, außer in irgendwelchen Englischen Filmen, oder vielleicht auch Staaten. Aber doch nicht hier.
Ich sah es als eine persönliche Beleidigung, hatte ich schon immer getan, doch niemand fragte mich nach meiner Meinung. Dr. Sommerbach hatte immerhin einen Universitätstitel, die wusste es besser als ich. Genau wie alle anderen davor.
Ruhig saß ich in meinem Stuhl, der sogar ziemlich bequem war. Alles war Minimalistisch eingerichtet. Hier kam man sich vor wie in einem Gefängnis. Nein, es war kein Gefängnis, nicht offiziell. Es war nur eine Einrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Problemen. Nur das ich hier leben musste. Jugendamt und Gericht hatten mir aufgetragen hier zu sein. Erst wenn die Therapien hier Früchte tragen und ich mich selbst nicht mehr gefährde, würde ich endlich hier weg kommen. Nur das ich inzwischen 20 Jahre alt war, somit deutlich zu alt für das Jugendamt. Eigentlich. Denn das Gericht fand, dass ich noch nicht reif genug sei für das Leben ohne Erziehungsberechtigen. Lächerlich meiner Meinung nach.
Alles wirkte hier steril, so sehr darauf bedacht, das Patienten sich hier auf keinen Fall selbst verletzten konnten. Es gab kaum eine Einrichtung in diesem braun gehaltenen Raum. Mich erinnerte es immer an einen dieser alten Filme. Überall standen Bücher, doch keine Bunten oder gar Taschenbücher, alles nur in gedeckten Farben über tausende Arten von Krankheiten und Heilungsmethoden. Als ob psychische Krankheiten verschwanden, nur weil ein Buch das vorgab. Aber man sollte den Ärzten ihren Glauben lassen, nicht?
Inzwischen war ich jedoch sehr gut darin etwas vorzugeben, was nicht richtig war. Es ging mir immer noch nicht besser, es hatte sich nichts geändert. Aber das musste ja niemand wissen.
„Tut mir Leid Frau Doktor. Ich habe nur kurz daran gedacht, als ich das erste Mal einen Hund gesehen habe. Er war so süß und lieb. Ich durfte ihn sogar streicheln, der Besitzer hatte es mir erlaubt“, sanft lächelte ich bei dem Gedanken. Es war wirklich passiert. Nun ja, beinahe. Der erste Hund, den ich gesehen hatte, wollte mich töten, doch das verschwieg ich geflissentlich. Die erste richtige Begegnung war jedoch umso schöner. Die einzige Berührung die mir wirklich gefallen hatte. Er war so weich gewesen, so flauschig, und sehr nass. Als er mich dann abschlecken wollte, war ich doch zurück gewichen. Ich hatte ich mich dennoch gefreut, denn erstmals war man mir ohne Mitleid begegnet, ohne Vorurteile.
Ich war von zuhause weggelaufen und hatte mich versteckt. Hatte damals die halbe Kleinstadt in Angst und Schrecken versetzt, weil ich einfach weg war. Doch dieser Moment ist bis heute einer meiner schönsten. Meiner Glücklichsten.
„Nun, na gut. Was haben Sie dabei gefühlt? Sie sagten gerade, Sie hätten ihn sogar berührt?“, sie schien nun glücklich, endlich einen Ansatz gefunden zu haben. Ich gönnte ihr diesen Moment, denn er brachte mich letztendlich aus den Fängen des Staates. Inzwischen warf ich ihr immer häufiger solch kleine Brocken zu. Sie saugte sie auf wie ein Schwamm. Ich erlaubte ihr diesen Erfolg, den sie allein auf ihr Können schrieb, das sie sich jahrelang angeeignet hatte.
„Ja, ich fand es nicht so schlimm, ihn anzufassen. Er war sogar weich. So extrem weich bekomme ich meine Haare nie.“ Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Wie weit sollte ich es heute treiben? Sie schien so guter Dinge, dass ich sie einerseits bremsen sollte. Andererseits bekam ich nur durch sie den Ausgang und später die Freiheit.
„Es war in Ordnung. Da ich nicht angefasst wurde und es kein Mensch war, den ich berührt hatte, fand ich es nicht so schlimm, dazu war ich viel zu fasziniert von ihm“, ich wusste, wie ruhig und mechanisch ich sprach. Dr. Sommerbach nahm es immer als ein Zeichen des Fortschritts, denn ich dachte darüber nach und begann mich, ernsthaft damit auseinander zu setzen. Mich meinen Ängsten zu stellen.
„Und wie ist es jetzt?“, fragte sie in ihrer typischen Arztstimme. Ruhig, aufmerksam und wie mit einem kleinen verwundetem Kleinkind sprechend. Zumindest empfand ich es so.
„Ich mag es nicht, jemanden oder etwas anzufassen. Aber ich habe auch keinen Hund, daher erübrigt sich diese Frage.“ Vor allem, da ich davon jedes Mal krank wurde. Aber das wusste noch keiner, denn ich war recht häufig krank. Woran das wohl liegt.
„Und was wäre, wenn du wieder die Chance hättest einen weichen Hund zu streicheln? Würdest du es wieder tun?“ Sie ließ mich wohl auch nie in Ruhe oder?
Ein kurzer Blick auf die Uhr rettete meine Nerven. Es war vorbei. Nur mehr ein paar wenige Minuten, dann hätte diese ganze Farce ein Ende, für heute zumindest. Doch heute war Freitag, also hatte ich zwei Tage Zeit mein Konzept für nächste Woche auszuarbeiten.
Ich dachte ernsthaft über diese Frage nach. Würde ich wieder einen Hund anfassen, wenn ich könnte, selbst wenn ich davon nicht krank wurde? Neben den ganzen Krankheiten und dem Dreck, war es immer noch ein lebendes Wesen. Es blutete, es atmete, es lebte.
Daher schüttelte ich langsam den Kopf. Ich war nun älter. Ich war mir damals nicht bewusst gewesen, dass Hunde ebenso Lebewesen waren wie ich selbst, das sie das selbe taten wie ich, nur das sie mehr Haare hatten und auf vier Pfoten liefen.
Doch sie hatten ebenso wie ich eine Persönlichkeit, eine Charakter und trafen selbstständig Entscheidungen. Sie lebten in der Welt wie wir. Sie fühlten, rochen, verstanden die Welt. Damals war mir das nicht klar gewesen, denn ich sah in dem Hund nur einen lebensgroßen Teddy. Inzwischen wusste ich es besser und mein Verstand wollte nicht erneut von jemandem berührt werden, egal ob Tier oder Mensch.
Inzwischen warf mein Therapeut ebenfalls einen Blick auf die Uhr und seufzte schwer. Wie immer wenn wir erst kurz vor Ende zu etwas wichtigem oder wertvollem kamen. Sie sah von ihrem Tablet auf, dass den guten alten Notizblock abgelöst hatte, und musterte mich erneut.
„Haben Sie schon eine Idee, was sie mit ihrer freien Zeit am Wochenende anfangen werden? Besuchen Sie wieder ihre Pflegefamilie?“ Inzwischen fuhr sie den kleinen Rechner herunter um ihn in die Lade zu legen, die sich abschließen ließ.
Erneut starrte ich aus dem Fenster. Es war gerade dabei Frühling zu werden. Der Winter war fast vorüber und die ersten Sprossen kamen hervor. Die Natur erwachte aus ihrer Starre, begann das Graue und Braune abzulösen um Grün den Vorrang zu geben. Hier, in diesem Areal war es nie einfach so schön weiß gewesen wie an meinem geheimen Ort. Hier war der Schnee dreckig und schmutzig, durch die Menschen verunreinigt. All die Autos und andere Dinge machten es zu keinem schönen Anblick. Der meiste Schnee schmolz sowieso schneller als er fallen konnte, denn der Winter war sehr warm gewesen.
„Ja, ich werde wieder zu ihnen gehen. Ich werde vielleicht ins Kino gehen, ich habe mich noch nicht entschieden.“ Immer noch lag mein Blick auf dem Baum, der etwas entfernt des Fensters stand. Das vorsichtige Blatt, das sich als erstes dem neuen Jahr entgegen reckt und der Kälte strotzt. Es war noch allein, stand so einsam da. Doch bald würden viele Blätter um es herum sein und der Baum würde vollständig erblühen. Ich würde es wieder sehen, würde die Wandlung mit verfolgen. Vom Skelett zum blühenden und starkem Kirschbaum.
Ich stand nun ebenfalls auf und verabschiedete mich von der Frau. Sie verließ zusammen mit mir diesen Raum, Mantel und Tasche in der Hand. Es war inzwischen zum Ritual geworden, dass sie mich noch bis zur Glastür brachte, die den Stationären Bereich von den Therapieräumen trennte. Warum ihr das so wichtig war, wusste ich nicht, aber ich hatte auch nie nachgefragt. Wie immer achtete ich nicht darauf, ob sie mich berührte. Inzwischen wusste ich, warum sie es tat, denn sie versuchte mich dadurch gegen Berührungen unempfindlich zu machen. Die Berührung fühlte sich an, als würde sie mich absichtlich beschmutzen wollen. Ich fühlte mich dreckig und jedes Mal musste ich ein zusammenzucken unterdrücken. Mit der Zeit gelang mir das immer besser, auch wenn ich mich dadurch noch schlechter fühlte. Doch solange ich hier war, würde es nie ein Ende nehmen. Erst wenn ich es schaffte hier entlassen zu werden, würde ich all das beenden können. Nie wieder würde mich wer anfassen und ich brauchte mich mit keinem Seelenklempner herumschlagen. Nur kurz kehrte ich in meinen Raum zurück. Mit offen gelassener Tür wollte ich mir nur meine Tasche schnappen, danach war ich sofort weg, bis ich Montags um Sieben wieder hier zu sein hatte. Ich nutzte jede Minute die ich hatte, um hier weg zu kommen. Die meisten gingen erst morgen früh.
„Na, freust du dich schon auf dein Wochenende?,“ ein männliches Gesicht grinste mir entgegen. Der einzige Grund, warum ich hier nicht verrückt geworden war, seit ich fix hierher verlegt worden war. Er war der einzige Mensch, bei dem ich mich auch nur annähernd normal fühlte, auch wenn er mich noch nie angefasst hatte, behandelte er mich trotzdem nicht so, als hätte ich eine ansteckende Krankheit oder sei geistesgestört. Er behandelte mich normal, ohne Mitleid oder Vorurteile.
Ebenso grinsend erwiderte ich seinen lieb gemeinten Spott. „Ja, du wirst mich diese Woche nie wieder sehen.“ Für uns endete eine Woche immer mit Sonntag, diesen Spaß erlaubten wir uns daher öfters.
Schwer ergriffen fasste er sich spielerisch an sein Herz. Sein Blick deutete Unglauben an. „Das du mir das antun kannst, ich bin geschockt. Du brichst mir mein Herz“, er wirkte wirklich entsetzt, total ergriffen und ernst. Wenn ich ihn nicht besser kennen würde, wäre ich wohl selbst geschockt gewesen. So jedoch wusste um den Scherz, den wir gern miteinander trieben.
Kurz darauf wurde er wieder ernst, als ich mir meine Tasche um die Schultern schlang und meinen kleinen Rucksack über die andere hängte. „Fährst du wieder bei mir mit?“, fragte er nun ruhiger. Es gab so viel Rituale für uns, wie ich inzwischen feststellen musste, dass es für mich fast normal war, dass wir das alles taten, auch wenn es das nicht war. Nicht für jemanden wie mich.
Er kannte nur wenig von meiner Vergangenheit, auch wenn er ein Pfleger war. Hier galt es nur um den aktuellen Zustand der Patienten Bescheid zu wissen und nicht um das warum. Das war ein Grund warum ich mir diese Einrichtung gewünscht hatte, wenn ich schon in so etwas leben musste. Ich nickte und folgte ihm hinaus. Sofern er am Wochenende frei hatte, nahm er mich immer bis in die nächste große Stadt mit. Von dort fuhr direkt ein Bus zu meiner Pflegefamilie, die mich während meiner Zeit außerhalb betreuen musste. So ersparte ich mir zwei mal umsteigen, denn die Öffentlichen Verkehrsmittel waren beileibe nicht so praktisch wie die Medien und die Politik es gern anpriesen. Ich hasste sie, doch ich bekam in meinem jetzigen Zustand einfach keinen Führerschein, von was sollte ich auch ein Auto bezahlen, oder auch nur dessen Sprit oder Versicherung? Eben, gar nicht.
Gemeinsam verließen wir das Zentrum, während uns noch einige Pfleger einen guten Abend wünschten. Sie kannten das Bild von uns bereits, wenn wir gemeinsam diesen Ort verließen. Ob es für sie schon normal war? Dieses nichtssagende und zugleich alles bedeutende Wort.
Es war inzwischen dunkel geworden. Überall brannten Lampen, erhellten den Gehweg und den Parkplatz. Diese Stromverschwendung war nicht einfach nur Bequemlichkeit. Es schlichen sich viel öfters Leute weg, die eigentlich hier bleiben mussten, wenn alles dunkel war und die Kameras kein klares Bild mehr bekamen. So konnte man dem Entgegenwirken, dafür war es hier nie richtig dunkel.
Langsam erschien der Mond am Horizont. Nicht mehr lange und es wäre komplett finster. Ihre liebste Zeit.



Die Zeit verging rasend schnell, während ich aus dem Fenster sah und die Landschaft an mir vorbei zog. Ich bekam kaum etwas mit, war tief in Gedanken, die durch die stetig vorbeirasende Landschaft mich weiter beruhigte. Hier fühlte ich mich so wohl wie sonst nie. Viele würden sagen, dass ich mir dies bloß einbildete, denn nichts änderte sich äußerlich. Immer noch verweigerte ich freiwillig jegliche Berührung. Doch hier konnte ich entspannen, konnte mir sicher sein, dass niemand das ausnutze.
Mein Blick fiel auf meinen Fahrer. Er hatte rotbraune Haare, die unordentlich von dem harten Arbeitstag abstanden. Sie gingen ihm bis zum Kinn und umrahmten sein Gesicht auf eine sehr schmeichelnde Art und weise. Er war nicht so stark muskelbepackt, dass es aussah als würde er täglich mehrere Stunden im Fitnessstudio verbringen, was meiner Meinung nach einfach nur ungesund wirkte, sondern war normal gebaut. Er war deutlich größer als ich, was mich bei ihm nicht weiter störte, denn er schüchterte niemanden mit seiner Größe ein. Lächelnd dachte ich darüber nach, ob er das wohl jemals können würde? Es kam mir fast unmöglich vor aber ich kannte auch nur die ruhige Seite von ihm. Ob er bei anderen Patienten der Klinik anders war? Ob er sich bei denen streng durchsetzte, so wie alle anderen Pfleger bei mir auch?
Er schien meinen musternden Blick zu spüren. Klare Blaue Augen sahen mich direkt an. Irritiert sah er mich an. „Was ist los Kleine?“, direkt danach sah er wieder auf die Straße, um keinen Unfall zu bauen. Zwar ging es noch ein ganzes Stück gerade aus, doch er war sehr verantwortungsbewusst, wurde mir klar.
Ich schüttelte nur den Kopf, bis mir klar wurde, dass er das sicher nicht sehen konnte. „Gar nichts, ich habe nur daran gedacht, wie normal das alles ist. Oder zumindest scheint.“ Wieder folgte ein kurzer Blick in meine Richtung.
„Hast du noch Lust was zu Essen ehe ich dich absetze?“, fragte er mich plötzlich. Ich musste wohl so verschreckt aussehen, wie ich mich fühlte, denn er kicherte kurz darauf. Eigentlich sollte es sich doof anhören für einen jungen Mann, aber ich fand es sehr lustig, denn das bewies, dass er auch mal locker sein konnte und nicht immer nur als Macho herum rannte.
„Du weißt genau wie das meine. Was du mir wieder unterstellst.“ Er wirkte ernsthaft gekränkt, während wir fast am Ziel angekommen waren. Sollte ich zusagen? So gab es immerhin noch mehr Zeit, um mich vor meiner Familie zu drücken, die mich sowieso nicht sehen wollte.
Daher nickte ich zustimmend. „Ja gern. Sorry.“ Er kannte mich gut genug um es mir nicht übel zu nehmen. Ein weiterer Grund ihn zu mögen. Wir fuhren zu einer kleinen Pizzeria, wo wir anhielten.
„Endlich mal richtiges Essen, das Klinikessen ist zwar nicht übel, aber nichts im Vergleich zu einer richtigen Pizza, was meinst du?“
Nur mit Mühe hielt ich das Schmunzeln zurück, während ich bestätigend nickte. „Für mich bitte eine Pizza Hawaii.“ Er nickte und machte sich aus dem Staub um unsere Bestellungen aufzugeben und mit Getränken zurück zum Tisch zu kommen, an dem ich währenddessen Platz genommen hatte. Er lag in der Ecke, sodass es möglichst wenig Möglichkeiten gab um mich, versehentlich oder absichtlich zu berühren. Er schüttelte nur belustigt den Kopf und kam auf mich zu. Er begann zu grinsen und seine Augen leuchteten, als er sich zu mir setzte.
„Was grinst du so? Lachst du mich etwa wegen irgendwas aus?“, gespielt wütend sprach ich ihn darauf an, achtete trotzdem auf den Abstand, als er mir mein Sprite reichte. „Würde ich doch nie tun, aber ich habe nur gerade daran gedacht, dass es mit dir einfacher ist in einem Restaurant zu essen als mit anderen Patienten, viele davon würden sich niemals ohne Zwang auf einen Sessel hier setzten, oder aufgrund der Keime etwas von hier Essen.“ Er lehnte sich entspannt zurück, während sein grünes T-Shirt zu spannen begann. Nicht das er dick wäre, doch man sah, dass er nur unregelmäßig Sport machte, was in einer Klinik wie diesen auch nicht anders möglich war, wenn man Tag und Nacht hier sein musste und nur 2 Tage pro Woche wirklich frei hatte. Die anderen musste er, wie die anderen Pfleger auch, immer in Bereitschaft sein, sollte wieder einer durchdrehen oder was anderes passieren, was auch oft genug geschah, musste ich selbst gestehen.
„Ja, das schon, aber ein paar Keime bringen mich sicher nicht um“, gab ich scherzend zur Antwort.
Ich bemerkte, dass ihm noch etwas auf der Zunge lag doch er schwieg sich dazu aus. Erst als die Pizzen kamen schien er aus seinen Gedanken zurückzukehren. Schweigend machten wir uns ans Essen, es war echt lecker, wenn auch sehr fettig, aber man gönnte sich ja sonst nie was.
„Wie zum Teufel kannst du diese Grausamkeit der menschlichen Erfindungen nur essen?“
Irritiert sah ich ihn an. Was meinte er? Erst als ich seinem Blick folgte, der direkt auf meine Hand gerichtet war, die immer noch ein Stück Pizza hielt, die ich gerade essen wollte, dämmerte es mir. „Ich mag es halt ab und an Mal. Schmeckt doch total lecker. Hast du sie überhaupt schon mal probiert?“ Herausforderung lag in meinem Blick. Nun sah ich ihn direkt an, etwas das ich sonst tunlichst vermied, denn es war ebenso eine Berührung, wie wenn ich jemanden direkt anfasste.
Er schüttelte mit gespieltem Entsetzen den Kopf, ehe man den zufrieden kauenden Gesichtsausdruck sah, den er hatte, als er von seiner Pizza ein Stück aß.
„So viel appetitlicher sieht deine auch wieder nicht aus.“ Was der Pfleger konnte, konnte die Patientin schon lange, denn mein Blick zeigte den selben Abscheu, den er auch er vorher zur Schau gestellt hatte.
Zeitgleich schüttelten wir grinsend den Kopf, dachten nicht an die düsteren Zeiten der Vergangenheit und der Klinik, sondern genossen die entspannte Zeit zusammen.
„Wann kommst du Montags immer hier an?“ fragte er mich, als ich fast fertig war. Er hatte inzwischen seine zur Gänze verdrückt und sah mich nun fragend an. „Um 5:49. Wieso?“ Ohne ihn anzusehen aß ich weiter, nachdem ich zuerst brav heruntergeschluckt hatte, ehe ich zu sprechen begonnen hatte, war doch immerhin eine Frage der Erziehung.
„Wenn du willst, können wir uns um kurz nach 6 in der Bäckerei neben der Station treffen, dann nehme ich dich wieder mit. Ich hab das ganze Wochenende frei.“ Begeistert nickte ich. Es ersparte mir viel Mühe und auch einige Rennerei, damit ich noch halbwegs pünktlich zurück war.
Gerade war ich fertig geworden mit meinem Essen und trank noch die kleine Flasche aus. Danach waren wir beide soweit und gingen wieder zu seinem Wagen. „Es ist immer wieder komisch, dich mit Jeans und T-Shirt zu sehen, wo ich dich sonst nur in deinem braunen Anstaltsanzug sehe. Außerdem ist es doch eigentlich schon viel zu kalt für ein kurzärmliges Stoffshirt.“ Ich musste schon sagen, er sah nach meinem Geschmack wirklich gut aus, nur schade, dass nicht einmal seine Berührung ertragen konnte, obwohl ich ihn wirklich sehr gerne mochte. Aber er war für mich nicht mehr als mein großer Bruder, der mich beschützte und half, wo es nur ging.
„Ich hasse die Klamotten der Klinik. Sieht aus wie Scheiße. Aber sag das bloß nicht meinem Chef, der wird zum Thema Uniform immer total eigen.“ Eigentlich hatte er recht, wenn ich genauer darüber nachdachte. Grinsend folgte ein musternde Blick über seine Gestalt. „Wo du recht hast. Ich sage sicher nichts. Wenigstens habt ihr nicht dieses Standard-Weiß oder Blau. Das ist doch noch schlimmer.“ Widerstrebend nickte er. „Ja, da hast du wohl recht.“
Inzwischen waren wir bei der Bushaltestelle angekommen. Ich stieg aus, schnappte mir meine Taschen und hängte sie mir wieder um. Ein kurzer Blick auf die Uhr im Auto beruhigte mich. Gerade noch rechtzeitig. In nicht einmal 10 Minuten kam der letzte Bus für heute.
„Danke Niklas wie immer fürs mitnehmen. Und danke für dein Angebot wegen Montag. Wir sehen uns dann beim Frühstück.“
„Immer gern, wir sehen uns.“ Ich schlug die Tür zu und er fuhr davon. Er hatte es nicht mehr allzu weit bis zu sich nach Hause, das wusste ich.
Es war inzwischen nach 20 Uhr und nicht nur stockdunkel, sondern auch die letzte Möglichkeit nach Hause zu kommen. Auch wenn wir nicht viel gesprochen hatten beim Essen, war es doch schön gewesen, und es hatte sich so normal angefühlt. Wieder ein Grund mehr, warum ich endlich dort raus wollte und allein mein Leben bestimmen.
Ich starrte in die Ferne und verfolgte mit meinen Blicken die Autos, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
Erst spät registrierte ich ein Summen und einen leisen Klingelton. Scheiße, mein Handy. Sofort kramte ich in meinem Rucksack danach. Es dauerte etwas, bis ich es endlich hatte und es war dem erleuchteten Display zu verdanken, dass ich es überhaupt fand. Ich rief den verpassten Anruf auf. Anna. Verdammter Mist. Sie machte sich sicher Sorgen. Sofort drückte ich auf Rückruf. Es klingelte nicht einmal, ehe sofort die hektische Stimme meiner Pflegemutter zu hören war.
„Oh Gott Ronja, wir haben uns schon total Sorgen gemacht. Du solltest doch schon längst zuhause sein. Wo bist du? Ist was passiert? Sollen wir dich abholen? Bitte stell nichts an, sonst kannst du gar nicht mehr raus.“
Ich seufzte leise. Sie bemühten sich wirklich und waren stets besorgt um mich, wollten sich wirklich um mich kümmern, aber es nervte inzwischen einfach nur mehr. All dieses in Watte packen oder falsche Mitleid, diese ewigen Blicke und die Bevormundung. Ich hielt es nur mit größter Mühe aus, aber es war meine einige Chance zumindest kurzfristig aus der Klinik raus zu kommen. Ihre ständige Hilfe, die sie unbedingt geben wollten, die Floskeln, die jeder den ich kannte immer brachte, zerstörten immer einen Teil von mir, ohne das ich es verhindern konnte.
„Ich war noch mit Niklas was Essen. Der Bus kommt gleich, ich bin also in etwa einer halben Stunde bei euch.“ Ich wagte es nicht Zuhause zu nennen, denn das war es nicht. In einem Zuhause fühlte man sich wohl, verspürte Sicherheit und Geborgenheit. Nichts davon traf auf das Heim der Maisners zu, auch wenn sie sich alle Mühe damit gaben, mir das Gefühl zu geben immer willkommen zu sein.
Wie immer in solchen Situationen war das Timing des Busses perfekt. Ich sah schon die Scheinwerfer des Verkehrsmittels näher kommen. „Er kommt auch schon, also bin ich bald da,“ ich wagte jedoch nicht aufzulegen. Alles was ich tat, konnte negativ aufgefasst werden und brachte mir somit nur eine schlechte Beurteilung ein. Das konnte nicht nur meinen Aufenthalt in der Klinik wesentlich verlängern, sondern auch meine Ausgangserlaubnis kosten.
„Na gut, wir sprechen wenn du Zuhause bist, pass auf dich auf, ja?“ Sie legte auch schon auf, ohne das ich noch etwas erwidern konnte. Ich steckte das Handy zurück in den Rucksack und stieg in den Bus. Auf in ein überaus langweiliges Wochenende.


Das Wochenende verging schneller als Ronja sich es gewünscht hatte. Auch wenn das hier nicht ihr Zuhause war, war es immer noch allemal besser als die Klinik, in die zurück musste. Sie spürte, wie sehr man sich um sie bemühte. Es waren immer kleine Gesten, die an sich nichts besonderes sein sollten, aber für sie eine große Bedeutung hatte, wo sie doch sonst viel alleine war, um niemandem zu nahe kommen zu müssen. Man bezog sie bei den Essenswünschen ein, sie durfte aussuchen, wo sie hin gingen und das alles, obwohl sie sich weiterhin abweisend zeigte. Je länger sie in der Familie Maisner lebte, desto anstrengender war es für sie. Es wurde immer versucht, sie zu integrieren und sie dazu zu animieren, mehr mit der Familie zu tun. Etwas, das gar nicht im Interesse von Ronja lag. Sie wollte einfach ihre Ruhe und an die Orte gehen, die ihre Zuflucht, ihr wahres Zuhause waren. In ihren Gedanken war sie frei, sie konnte ohne Angst vor der Realität leben. Die Berührungen anderer waren unangenehm, verursachten einen Schmerz, den man nicht erklären konnte. Er zog durch ihren ganzen Körper, ließ ein sehr unangenehmes und falsches Gefühl zurück, dass sie niemandem erklären konnte. Je länger sie lebte und mit diesem Problem, wie es die Gesellschaft nannte, klar kommen musste, desto mehr verstand sie, dass es niemanden gab, der sie verstehen konnte. Um nicht verrückt zu gelten musste man eine Maske verwenden. Etwas, das das wahre Ich verbarg um in die gesellschaftlichen Normen zu passen. Wieviele Menschen trugen wohl solch eine Maske.
Ihre Gedanken schweiften zu diesem Thema ab, als sie in ihrem Zimmer stand und in die Dunkelheit starrte. Nicht mehr lang, dann durfte sie wieder in die Klinik, sie war es so leid. All die Kraft und das Wissen, das Menschen über Jahrtausende angehäuft hatten reichte nicht aus, um wahrlich die Psyche der Menschen zu verstehen. Es galt immer nur der eine Weg den man gehen sollte, mit einigen Kurven eingebaut, doch es war immer das selbe. Niemand, der nicht selbst in diesem dünnen Konstrukt von Andersheit lebte, würde jemals verstehen, wie es jemandem wie ihr damit ging in einer Klinik zu sitzen und als psychisch krank beschrieben zu werden. Noch dazu, wenn sie sich selbst nicht krank fühlte. Es gab einfach nur etwas, das sich noch immer dem Wissen der jungen Frau entzog. Etwas, das zu erforschen sie sich fest vorgenommen hatte und trotzdem stand sie wie jede Woche nun an ihrem Fenster, starrte in die Dunkelheit und grübelte über etwas, dass sich ihrem Einfluss entzog. Ihre Maske. Sie war noch nicht perfekt. Es kostete viel Kraft die Maske für sich selbst zu finden, die man im Leben ab einem gewissen Zeitpunkt tragen würde. Sie würde einen lange begleiten, bis eine andere kam.
Dieses ewige Verstellen, um normal zu sein. Mit einer tiefen Traurigkeit über den immer wiederkehrenden Freiheitsverlust wandte sie sich ab und verließ mit ihren Sachen leise das Haus. Um die anderen Hausbewohner nicht zu wecken und den ewigen emotionalen Abschied über sich ergehen lassen zu müssen, schlich sie auf leisen Sohlen hinaus. Leise zog sie die Haustür zu, die sie jedes Mal in ein vollkommen anders Leben katapultierte, sobald sie das Haus betreten hatte. Mit einem wehmütigen Blick auf den Weg, den sie jedes Mal ging und der sie auf eine kleine Lichtung brachte, in der sie so gerne las und der ganzen Welt entfloh, wenn sie nicht ihre geheimen Orte aufsuchen wollte. Dem Schotterweg folgend erreichte sie bald die Straße. Auf der war es noch ein ganzes Stück zu Fuß, doch es lag ihr fern zu fragen, ob jemand sie zur Haltestelle brachte. Nicht, weil die Maisners es nicht getan hätten, sondern einfach weil es ihr unangenehm war und sie keine falschen Hoffnungen wecken wollte wo keine waren.
Je näher sie der Landstraße kam, desto mehr befiel sie ein ungutes Gefühl. Es war beklemmend, wie immer, wenn sie der Freiheit den Rücken kehrte und freiwillig in die Gefangenschaft zurückkehrte. Fast kam sich Ronja wie ein Hund vor. Nach einem ausgiebigen Gassigang am Wochenende saß sie wieder in einem Zwinger. Ja er war recht geräumig, da sie ja nicht ständig im Zimmer sitzen musste, doch im Prinzip war es das selbe. Weggesperrt, um die Gesellschaft nicht zu erzürnen. Wie lächerlich, wenn man bedachte, dass niemand war wie er sich benahm. Man gab vor zu sein, doch das eigentliche Selbst war meist komplett anders, tief vergraben um zur Gesellschaft zu gehören.
Ironischerweise waren es gerade die, die sich nicht versteckten diejenigen die als krank betitelt wurden. Aber so war die Menschheit eben.
Fuck! Ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, dass sie viel zu spät war. Wenn sie weiter so schlich und ihren Gedanken nachhing, würde sie zu spät kommen. Das war nichts, was sich lohnte, denn der Busfahrer würde nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt warten, da war sie sicher. Wenn sie zu spät kam, musste sie einen der Maisners aufwecken, dass sie sie noch rechtzeitig in die Klinik brachten, denn sie würde unweigerlich die beiden Anschlussbusse verpassen. Damit wäre ihr Tag ruiniert und im schlimmsten Fall würde sie diese Unachtsamkeit in der Therapie um einiges zurück werfen.
Ihre Beine sprichwörtlich in die Hand nehmend, rannte sie los. Die Tasche schaukelte auf ihrem Rücken und immer stießen ihre Bücher und andere spitze Sachen in ihre Rippen. Ganz toll. Nun würde sie auch noch erklären dürfen, woher die blauen Flecken kamen, auch wenn diese nie lang sichtbar waren.
Sie raste eine Abkürzung nehmen direkt durch die Felder, die immer noch vollgesogen vom Winter waren und sie tief einsinken ließen. Einmal war sie fast gestrauchelt, besann sich dann aber, dass sie die Felder in dem Zustand eher behindern würden als ihr zu helfen und verließ sie wieder. Die Landstraße hatte sie inzwischen erreicht und ihre Turnschuhe waren voller Schlamm. Trotzdem bog sie mit einer eleganten Wende ab und rannte weiter. Ihre Lungen begannen durch die ungewohnte Anstrengung zu stechen, ihre Beinmuskeln brannte. Trotzdem rannte sie weiter, denn sie war immer noch zu spät. Anstatt langsamer zu werden wurde sie noch schneller. Sie musste unbedingt den Bus erreichen.
Auf der Landstraße war es stockdunkel. Der Mond erleuchtete nur wenig und ließ es zu, dass man nicht sofort bei der ersten Gelegenheit in eines der Stäbe am Rand der Straße rannte. Trotzdem war es unangenehm nicht viel sehen zu können, denn immer konnte etwas auf der Straße sein oder sie schief laufen und im Graben landen. Noch eine große Kurve, die hinter einem Waldstück versteckt war und auf unwissende meist gefährlich wirkte, dann hatte sie es geschafft.
Ronja bekam kaum noch Luft als sie rannte. Nichts war so wichtig wie den Bus rechtzeitig zu erreichen um nicht auf den nächsten warten zu müssen. Mist, sie war trotzdem zu spät. Das wurde ihr bewusst, als sie Scheinwerfer entdeckte, die bald um die Kurve kommen würden. Sie konnte nur hoffen, dass der Busfahrer so nett war und nochmals anhielt um sie mitzunehmen. Doch an dieses Glück traute sie sich nicht zu hoffen. Vielleicht sollte sie sich einfach vor dem Bus stellen und warten, dass er anhielt? War zwar riskant, aber ihr gingen schnell andere Ideen aus, ihr Gehirn war damit beschäftigt, ohne Luft auszukommen, da sie immer noch nicht richtig atmete.
Als das Gefährt um die Kurve bog erkannte sie, dass es nicht ihr Bus war. Sie atmete kurz auf, wollte auf die andere Straßenseite ausweichen, um nicht umgefahren zu werden. Das konnte sie gerade am wenigsten brauchen, dass sie auch noch verletzte, weil sie jemand anfuhr, weil er sie nicht rechtzeitig sah. Allein sich vorzustellen, was das bedeutete, verursachte bei Ronja eine wahre Panik. All die Hände und Berührungen, die sie dann über sich würde ergehen lassen müssen. Darauf legte sie, höflich gesagt, keinen Wert.
Gerade war sie auf der rechten Seite angekommen, als das Auto auch schon immer näher kam. Sie lief einfach weiter, wollte den Bus nicht verpassen und machte sich nichts daraus. Sie rannte einfach mit einem starr fixierten Punkt im Auge weiter, um nicht noch vor Erschöpfung zu früh umzukippen, dass sie erst zu spät merkte, dass das Auto nun auf ihre Seite gefahren war. Direkt hielt der Fahrer auf sie zu. Sie wollte noch ausweichen, schmiss sich nach rechts in den Graben, um zu entkommen.
Danach war alles schwarz.


Mit dröhnendem Kopf kam sie wieder zu sich. Ein ganz toller Geburtstag, stellte Ronja ironischerweise fest. Gerade rechtzeitig um ihn im Krankenhaus verbringen zu müssen. Allein bei dem Gedanken an all die Ärzte, die Untersuchungen und die Verbände und Operationen wurde ihr schlecht. Das ihr Magen das nicht verkraften konnte, war auch nicht gerade besser. War der Trottel etwa extra noch aufs Gas gestiegen? Eigentlich sollte man einem Montag Morgen nicht voll besoffen über Landstraßen rasen. Selbst zum Stöhnen tat ihr der Körper zu weh. Nur langsam begann sie beinahe belustigt festzustellen, dass ihr alles wehtat. Etwas, das leicht gesagt war, aber bei ihr war es wirklich so. Jeder Knochen fühlte sich an, als sei er zerschmettert oder zumindest gebrochen worden. Ihre Muskeln hatten sich sicher ebenfalls gelöst und ihre Innereien lagen auch nicht mehr dort, wo sie sein sollten.
Selbst ihre Finger zu bewegen oder mit den Zehen zu wackeln war ihr unmöglich. Unbeweglich lag sie da, nicht sicher, ob sie noch am Leben war, oder ob es das berühmte ´Leben nach dem Tod´ war. Wenn ja, konnte sie getrost darauf verzichten, denn wenn einem alles wehtat, lohnte es sich absolut nicht. Wenn man unbeweglich herumlag, ohne die kleinste Bewegungsmöglichkeit, brauchte sie das echt nicht. Wer wollte schon auf ewig dumm in der Gegend herum liegen? Auch der angebliche Friede, den doch jeder versprach fühlte sie nicht. Nur die Angst, dass man sie berühren würde und sie dadurch noch mehr Schmerzen hatte. Nicht, dass sie sich vorstellen konnte, dass die Schmerzen noch stärker werden konnte, aber man wusste ja nie. Auch das Anspannen der Muskeln funktionierte grandioser weise überhaupt nicht.
Wie ein geräucherter Fisch kam sich Ronja nun vor, da sie immer noch nicht zuordnen konnte wo oben und unten war. War das in ihrer Lage wirklich wichtig? Sie hatte keine Ahnung. Trotzdem versuchte sie ihre Augen zu öffnen. Nur schwer gelang es ihr, denn sie spürte nicht wo ihre Augenlider waren.
Als Ronja glaubte die Augen geöffnet zu haben, änderte sich rein gar nichts an der Dunkelheit, die sie innerlich und äußerlich umgab. Ihr malträtierter Körper lag weiterhin still da, während ihre Atmung nur schleppend ging. Jeder Atemzug versetzte ihre einen Stich, als würde sich eine Rippe in ihr Herz bohren und am Rücken wieder heraus kommen. Nicht das sie soetwas schon einmal mitgemacht hatte, aber sie stellte es sich etwa so vor. Wieso war sie anhand der Schmerzen und ihres zerstörten kaputten Körpers nicht längst tot? Es kam ihr wie ein sehr schlechter Scherz vor, den das Leben gerade mit ihr spielte. Nicht nur die Panik vor Berührungen, nun war sie auch noch wie eine lebende Tote. Entstanden so die Schauergeschichten? Wenigstens ihr stark pochendes Gehirn arbeitete noch mehr oder weniger normal, auch wenn sie starke Schmerzen hatte.
Nur langsam begann sie Geräusche wahrzunehmen. Noch kam ihr alles verschwommen vor, die Geräusche wie in Watte gepackt und sehr gedämpft. Nur sehr langsam gewöhnte sich ihr schmerzender Kopf an die ungewohnte Behandlung und wurde etwas klarer. Nicht das dadurch die Schmerzen geringer wurden, das war ihr nicht vergönnt, aber es war zumindest ein sehr langsamer Anfang.
Wie lang sie schon hier lag, konnte sie nicht mehr sagen. Auch die Zeit spielte keine Rolle mehr, denn es gab nichts außer den Schmerzen.
Irgendwann wurde es hell in ihrem Blickfeld, gerade als sie zu blinzeln anfangen wollte, war es wieder dunkel, doch sie nahm nun eine Bewegung in ihrer Nähe wahr. Ihr Orientierungssinn war immer noch nicht wieder am arbeiten, genauso ihr restlicher Körper, der außer die Augen rein gar nichts bewegte.
„Na endlich aufgewacht? Ich weiß dir geht’s scheiße. Aber das wird wieder, auch wenn du es derzeit nicht glaubst.“ Die Stimme kam ihr bekannt vor, aber sie konnte beim besten Willen nicht zuordnen. Wer war das? Spielte ihr brummender Schädel ihr nur einen Streich oder kannte sie den Sprecher wirklich? Zumindest war sie sich halbwegs sicher, dass es ein Mann war.
Nur langsam klärte sich ihr Blickfeld, als eine Lampe angemacht wurde. Dämmrig glomm es auf und blendete sie. Bald hatten sich ihre Augen an das schwache Licht gewöhnt, sodass sie mehr als nur ein paar Umrisse erkennen konnte. Kurz war sie irritiert, während ihr Gehirn die Informationen ihrer Augen nicht zuordnen konnte.
Vor ihr stand Niklas.
Salira » 19.11.2015, 17:16 » November 2015
oje Julia,alles guter
Salira » 19.11.2015, 17:12 » November 2015
ä ok
Salira » 19.11.2015, 17:01 » November 2015
als ob die lang bei mir bleiben...
ich bin nur am überlegen, ob ich chiara einfrieren soll, bis ich mich wieder durchringen kann zu posten, oder einfach irgendwas schreib.
Sprich komplette szene beenden und was neues anfangen (also neuen tag oder so)
Salira » 19.11.2015, 16:53 » November 2015
ich auch.
aber ich hab kaum was zu essen zu hause, da kein geld smilie
Salira » 19.11.2015, 16:40 » November 2015
hi
Salira » 19.11.2015, 16:25 » November 2015
oki, ich überleg mir was^^
Salira » 19.11.2015, 16:10 » November 2015
hat wer von euch zeit, gleich mal kurz meine neue idee, bzw halt den anfang mal probezulesen, ob das so geht, bzw in welcher person ich schreiben soll??
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