Ihre Augen ruhten befremdlich auf den schwarzen Rüden, zeigten ihre Unruhe. Nein, es war nicht gut, dass er hier war und insbesondere, dass sie nun über den bevorstehenden Krieg sprachen, konnte kein gutes Zeichen sein.
Das war also deren Plan? Reden. Diese Herde musste reichlich neu sein, wenn sie die Lage in diesem Tal noch nicht kannten. Nun gewissermaßen, wussten Kennocha von all den anderen auch nur vom Hören und Sagen. Vieles von dem klang aber äußerst glaubwürdig und ganz und gar nicht so, als würde ein netter Plausch über die Probleme hinweg helfen. Tatsächlich schien dieser helle Hengst, der in seiner Gestalt nur einem Schatten seiner selbst gleich kam, ein Inbegriff des Bösens zu sein. Allein deswegen wäre ein friedliches Gespräch ausgeschlossen, außerdem machte es die Runde, dass er nicht klar im Kopf war. Nicht, dass er dumm war, aber wirres Gerede, größenwahnsinnige Vorstellungen...
Sie schüttelte ihren Kopf. Das würde doch nur funktionieren, wenn einer aus dieser Herde in der Lage war in dieses verrückte Hirn einzudringen und es umzupolen. Vielleicht käme man auf ein Abkommen, aber war dies dann wirklich Frieden? Welchen Preis musste man dafür zahlen und wie sehe die Zukunft aus? Geplagt von der Angst, dass der Hengst den ungeschriebenen Vertrag irgendwann erneuern wollte. Jemand anderes sich von einer Sekunde auf die andere benachteiligt fühlte und durchdrehte.
Wenn dieses Tal also so schlecht war, mochte man sich fragen, warum die Fähe hier verweilte. Nun, manchmal traf eben auch der Klügste eine falsche Entscheidung. Nicht, dass Kenno sich als äußerst klug einschätzen würde. Ganz im Gegenteil. Von Zeit zu Zeit war sie äußerst naiv, hatte sie sich doch diesen beiden winzigen Waisen angenommen, obwohl sie zu der Zeit alleine gewesen war. Ohne jegliche Hilfe und absolut unerfahren was die Aufzucht von Welpen betraf. Jeder anderer Zeitpunkt wäre ein besserer für diese Entscheidung gewesen, als dieser. Sie hätte selbst erst einmal Mutter werden sollen, bevor sie sich als eine aufspielte. So vieles hätte schief gehen können und doch hatte es doch bis hierhin ganz gut funktioniert, oder etwa nicht? Ihr beiden Lieblinge waren gesund und munter.
Ein leichtes Lachen erklang, doch es wirkte befangen von Sorge. Irgendwas?, wiederholte sie ungläubig. Ich befürchte, das ist nicht genug. Das war ganz und gar nicht ausreichend. In Wahrheit hatten die Alacres Pacem also keinen Plan, nur wilde Wünsche und Träume. Wenn es hart auf hart kommt, verwendete sie seine Worte, dann verraten Sie mir doch wie sich helfen, wenn nicht kämpfen. Solange sie ihr keinen überzeugende Idee überbringen konnten, würde sie sich wohl auf keinerlei Deal einlassen, außer dem, dass die Fenrir Ano weiterhin hier verweilte und ihren eigenen Weg ging. Den der Ruhe und Abgeschiedenheit.
Sie konnte seine Emotionen nicht recht deuten. Zum einem hätte sie an Verärgerung gedacht, seine leise Stimme tendierte aber fast zum Verletztseins. Ich habe nicht behauptet, dass ich Sie als solchen bezeichnen würde., stellte sie ruhig fest. Ihr Blick wanderte über das kleines Rudel.
Im Krieg hätten sie so doch überhaupt keine Chance. Diese Tatsache beängstigte sie durchaus, denn wenn sie nicht einmal eine Minute bestehen würde, so bedeutete dies, dass sie auch jetzt sehr verletzlich waren. Die Wölfin schluckte leicht, als die Worte ihres Gegenübers aber wieder ihre Aufmerksamkeit weckten. Mayla? Kennocha war schon immer gut daran sich Namen und dazugehörige Gesichter zu merken. Und auch nun hatte sie eines vor ihrem inneren Auge. Eine kleine, braune Fähe, welche recht erschöpft gewirkt hatte. Doch wo war sie. Erneut glitt ihr Blick über die wenigen Mitglieder.
Nach ihrer Aufnahme war sie wenige Tage verweilt und dann wieder gegangen. Nicht gerade das, was sie sich unter ein Leben im Rudel vorstellte, doch das musste aus ihrer alten Erziehung her stammen. Damals durfte man nie alleine das Rudel verlassen. Mit Gleichaltrigen nur innerhalb eines bestimmten Radius und mit einem Älterem so weit wie eben dieser wollte. Draußen war es gefährlich, hatte man ihr eingebläut. Das war es auch hier, dennoch wollte er niemanden vorschreiben wo und wie lange seine Zeit mit was verbracht werden musste. Vielleicht war sie gar nicht weit weg, sondern hatte sich nur ein Versteck etwas abseits gelegt, weil sie sich in der neuen Gemeinschaft noch nicht so wohl fühlte. Eine Mayla gibt es hier., wandte sie sich ihm wieder zu. Was ist mit ihr? Gab es etwas ein Geheimnis über sie, welches die Weiße wissen sollte? Die Fähe war ihr eigentlich ganz sympathisch erschienen. Ein wenig verwirrt und verängstigt, aber wer war das schon nicht.
Ihr besorgter Blick fiel zu ihrem Sohn Ruari hinab, welcher sich noch immer neben ihr aufhielt. Sie stieß in ein und bedeutet ihn zu gehen, denn auch wenn er der Rudelleiter sein mochte, so war er noch immer ein Kind, welches nicht alles mitbekommen musste. Kennocha wusste, dass dies vielleicht falsch war. Die Skepsis der erwachsenen Mitglieder dem Kleinem gegenüber nur noch schüren wurde. Sie würde sich später auch gerne seine Beschwerde anhören, doch für jetzt... er hatte seine Eltern verloren durch eine Herde und nun stand ein schwarzer Wolf hier, aus einer Herde kommend und sprach vom Krieg und Bösem.
Sie blickte dem rotem Welpen einen Moment nach, bevor sie sich wieder Amdír zuwandte. Ihr Blick hatte ausnahmsweise seinen zärtlichen, mütterlichen Blick verloren.
Sie waren hier her gekommen, also konnten sie auch gehen, wenn es zu heikel wurde. Hilfe?, wiederholte sie, die nicht vorhandenen Augenbrauen fragend hochgezogen. Wie soll diese Hilfe denn aussehen? Sich in den Kampf stürzen, bevor er überhaupt begonnen hat? Denn anders konntest du diese brodelnde Stimmung nicht mehr bremsen. Sieht es so aus, als könnten wir kämpfen?, fragte sie ihn darauf fordernd sich doch nur mal umzusehen. Nein, sie bezeichnete ihr Rudel damit nicht als schwach. Für sie waren all die kleinen Wesen, welche sich hier tummelten, mitunter die stärksten. Sie hatten ihre Eltern verloren, waren mit Sicherheit schon einige Zeit alleine umhergewandert und hatten mehr Lebenserfahrung gesammelt, als so manch anderer in diesem Alter. Doch in einen Kampf würde er sie nicht schicken. Das waren Kinder, die selbst wenn sie nicht an dem Krieg teilnahmen, nicht einmal einen sehen sollten.
Mal davon ab, wusste sie um die Abneigung Ruaris. Er würde sich nicht von einer Herde helfen lassen wollen. Außerdem würde mein Sohn sie wohl als Verräter bezeichnen., meinte sie recht leise. Ein kleines Lächeln zog sich über ihre Lippen. Sie würde das nicht tun, nur weil ein Wolf sich einer Herde anschloss, auch wenn sie diese Entscheidung nicht ganz nachvollziehen konnte, doch der Rote war schon immer eine ehrliche Haut gewesen, der sagte was er dachte.
Es war lange her, dass sich einmal die Sonne blicken gelassen hatte. Um genau zu sein, war die Fähe schon ernsthaft gewesen, dass sich vor dem endgültigen Wintereinbruch so gar kein schöner Herbsttag mehr einrichten würde. Doch nun blitzte von zeit zu Zeit die Sonne zwischen den grauen Wolken hervor und tauchte den Rudelplatz in ein goldenes Licht. Wenngleich noch immer ein frischer Wind die Blätter raschelnd vor sich herjagte, so erwärmte es sich zumindest das Herz. Mal sehen wie lange noch. Nein, woher hätten Sie denn wissen sollen, Amdír. Er musste sich nicht entschuldigen. Es stand schließlich niemandem auf der Stirn geschrieben, wer er war. Dies wahr auch ganz gut so, wenn auch gelegentlich von Nachteil. Es würde sich durchaus als hilfreich erweisen, wenn man beispielsweise Betrüger von vornherein erkennen könnte. Manchmal musste man anderen aber auch eine zweite Chance gönnen. Da prangte eine solche Zuordnung nur allzu sehr wie ein Vorurteil hervor und erschwerte die Entscheidung unweigerlich.
Eine Gruppe Wildgänse flog lautstark über ihre Köpfe hinweg. Ab in den Süden, um wärmere Gefilde aufzusuchen. So sehr man sich wohl für die Vögel freuen mochte, obwohl man nicht einmal sicher wusste, wie beschwerlich und gefährlich ihre Reise war, so bedeutete der Zug für die Wölfe nur Negatives. Der Winter würde kommen. Kurz nach den Vögel, wanderten auch die üblichen Beutetiere wie Hirsch und Reh in andere Gebiete ab. Dort hin wo sie vor derm erbarmungslosem Wetter besser geschützt wären und auch die Nahrungsversorgung leichter viel. Für das Rudel bedeutete es längere Jagden, da man größere Trecken zurücklegen musste. Und manchmal so würde man auch Hunger leiden müssen.
Der Schwarze sprach nach einer längeren Pause weiter und zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. Alacres Pacem hatte Kennocha noch nie wirklich gehört, jedoch hatte der Rüde auch erwähnt, dass sie neu waren. Natürlich gingen Informationen gerne wie ein Lauffeuer herum, doch fühlte sich die Weiße nicht dafür zuständig stets auf dem neusten Stand der Dinge zu sein. Nicht zuletzt war es von Zeit zu Zeit auch mühselig Gerücht und Wahrheit zu unterscheiden. Gerade dies war auch der Grund das Rudel in einer Lage fernab des restlichen Geschehen zu positionieren. Sie wollten einfach nur sorgenfrei und im einträglichen Frieden leben.
Skeptisch beäugte sie Amdír nun. Er kam also von einer Herder hier her. Das konnte Gutes bedeuten oder aber auch Schlechtes.
Den Krieg verhindern. Die Fähe hatte keinerlei Erfahrung in dem Bereich Kriegführung oder dergleichen, dennoch glaubte sie kaum, dass sich das was sich dort im Talinnerem zusammenbraute noch durch irgendetwas retten ließ. Schon davon gehört., meinte sie also nur. Das Lächeln der Hellen schien verschwunden. Eine leichte Anspannung hatte ihren Körper in Besitz genommen, denn offenbar sollte es von nun an vorbei sein mit der Zurückgezogenheit und Ruhe. Man hatte sie gefunden und suchte sie nun sogar noch auf. Aus diesem Grunde leben wir genau hier. Abseits. Denn wir scheinen darin übereinzukommen, dass irgendwelche Schlachten zu schlagen nicht in unserem Sinne ist., erklärte sie knapp. Wir wollen jedoch in keiner Weise in das Geschehen involviert werden., betonte sie weiterhin. Kennocha wünschte weder, dass das Rudel in dem Kämpfen teilnahm, noch dass sie wie diese Alacres Pacem versuchten den Krieg zu verhindern. Ähnelte dies doch auch einem Kampf. Wie wollten sie es tun, wenn nicht ebenfalls dazwischenzuschlagen? Wenn sich irgendwer die Köpfe einschlagen wollte, sollten sie doch.
Eine Mutter zu sein schulte in vielerlei Hinsicht. Wenn man gut sein wollte, so musste man sich oftmals charakterlich verändern oder Züge, welche man bereits hatte, noch weiter verstärken. Mehr Geduld, Einfühlungsvermögen, Verständnis. Man musste aufmerksam sein, nicht nur um die wild tobenden Fellbündel stets im Auge zu behalten, sondern vielmehr auch um stets ein Bild über den aktuellen Gemütszustand zu haben. Welpen erzählten nicht immer wie es ihnen ging. Insbesondere dann nicht, wenn sie in ein Alter kamen, in welchem sie gern schon erwachsen sein wollten. Bei einigen hielt dies bis zum Lebensabend hin an.
Auch der schwarze Rüde schien sich über irgendetwas den Kopf zu zerbrechen. Er wirkte teilweise abwesend und als würde er sich nicht recht auf das Gespräch konzentrieren zu können. Manch einer würde dies als unhöflich erachten, nicht so Kennocha.
Beinahe hätte die Weiße lachen müssen, doch woher sollte der Fremde auch wissen wer hier die führenden Rollen einnehmen würde.
Scheinbar sahen sie die ankommenden Welpen sie in dieser Rolle. Oder sie kamen einfach nur auf sie zu, weil sie eben so etwas friedvolles und mütterliches ausstrahlte. Dies würde dann bedeuten, dass ausgewachsene Tiere sie noch nicht als Stellvertretene wahrnahmen, obgleich sie Stunde um Stunde so zentral wie möglich auf dem Rudelplatz saß. Alles im Augen habend, ihr Rudel beschützend. Sicherlich ist sie nicht die geborene Kämpferin und verabscheute es zu töten, dennoch würde sie alles in ihrer Macht stehende tun, wenn nötig. Sie haben soeben einem solchem diese Frage gestellt., antwortete sie. Mein Name ist Kennocha, die stellvertretene Leiterin des Rudels.
Sie blickte ihm aufmerksam entgegen, dachte einen Moment darüber nach Ruari ebenfalls vorzustellen. Vermutlich wäre es aber besser dies nicht zu tun. Wenn ihr Sohn wollte, konnte er dies alleine tun. So war es sicherer nicht jedem Dahergelaufenen regelrecht ihren empfindlichsten Punkt darzulegen. Was ist Ihr Anliegen?
Kennocha beobachtete seit einiger Zeit skeptisch das Gespräch zwischen Garou und dem großem Unbekannten. Zwar hegte die Fähe üblicherweise keine Vorurteile, jedoch hoffte sie in diesem Falle doch inständig, dass der Unbekannte sich nicht dem Rudel anschließen wollte. Sie hätte kein gutes Gefühl dabei. Der Schwarze hatte schon einen etwas mürrischen Eindruck hinterlassen, doch dieses Wesen dort wirkte bedrohlich. Wie es aussah würde sich ihr Wunsch erfüllen, denn schon einige Male waren ihre Blick zu ihr hinüber gewandert ohne dass es auch nur den Schein machte, dass er sich ihr nähren mochte, um das Gespräch zu suchen.
Bevor die Weiße sich jedoch noch weitere Gedanken darüber machen konnte, weckte eine weitere Bewegung ihre Aufmerksamkeit. Freilich tollten die Welpen um sie herum, von daher herrschte immer Action, doch dieses Exemplar war zu groß dafür.
Es dauerte nur einen Moment bis der fremde Rüde sich vom Randgebiet auf den Weg auf sie zu machte. Ein neues Rudelmitglied vielleicht? Sie nickte ihm lächeln zu. Kein Problem., meinte sie ruhig. Schon lange hatte sich Kennocha damit abgefunden, dass man als leitende Rolle auch nicht ganz unbeträchtliches Stück an Privatssphäre aufgeben musste. Die Mitglieder wollten stets jemanden haben, der sich bereitwillig um sie kümmerte, egal ob sie nun gerade dabei war ein Mittagsschläfchen zu halten oder bereits in ein Gespräch verwickelt war. Sie hatte da zu sein.
Und dies würde nun mit den kälter werdenden Tagen Zuwachs nehmen, zumindest mit dieser Gruppenkonstellation. Die Kleinen waren zum größten Teil noch nicht selbstständig und verlangten somit nach Aufmerksamkeit. Im Winter bekanntlich mehr. Der Hunger rumorte in den Mägen, die Muskeln erzitterten vor Kälte und nicht zuletzt dürfte es einigen auch im Herzen weh tun. Denn dann, wenn man nicht mehr zum Spielen aufgelegt war und genügend Zeit zum Nachdenken bestand, würden einige sicherlich ihre Eltern vermissen.
Im allgemeinen war Kennocha darüber schockiert, wie viele Waisen es doch gab. Als sie damals ihre beiden Söhne gefunden hatte, hatte sie an eine Art Wunder geglaubt. Eine Ausnahmesituation, die ihr nur so gelegen gekommen war. Vielleicht, wenn man an einen himmlischen Herren glaubte auch genauso von jenem vorgegeben.
Mittlerweile hatte ihr dunkles Gegenüber seine Frage gestellt. Ja, das sind Sie., antwortete sie noch immer dieses freundliche Lächeln auf dem Gesicht. Sicherlich würde er ihr gleich sein weiteres Anliegen erläutern, ohne das sie nachfragen musste.
(sorry nur mal so schnell hingeklatscht, wird hoffentlich noch besser)
Die letzten Tage waren fast schon ungemütlich warm gewesen, sodass sich ihr dichtes Fell schnell zu einem glattem, glänzendem Sommergewand verändert hatte. Dies ließ es zumindest ein wenig angenehmer werden, wenn sie mal wieder über das Rudelgebiet wachte. Mittlerweile hatte sie sich mit dieser Aufgabe angefreundet, vermisste nicht ihr früheres einfaches Dasein. Genau genommen konnte die Weiße sich nicht einmal zurückbesinnen, was sie mit der ganzen Zeit gemacht hatte.
Auf einmal knackten einige trockenen Zweige und das frische Laub erzitterte unter einer Bewegung, im nächsten Moment erklang schon ein tiefer, lauter Stoßseufzer und sämtliche Anspannung wich aus der Fähe. Ein rot- weißes, kleines Wesen tapste auf sie zu. Ruari. Tatsächlich wirkte sein Körper schlaksiger, jugendlicher als noch vor einigen Tagen. Wie schnell doch Welpen wuchsen. Fast machte sich ein wenig Wehmut in ihrem Herzen breit. Und doch würden Finley und Ruari immer ihre Kinder bleiben, niemand könnte sie mehr nehmen.
Eine Wärme pulsierte in ihrer Brust und ihre braunen Augen waren ein einziger dunkler See der Liebe, als nur ein einziges Wort die Lippen des Rüdens verließen. Wow. Sprachlosigkeit. Es war sein Traum gewesen und hier war nun die Realität. Sie badete sich nicht in dem Erfolg Ruari diesen Wunsch erfüllen zu können, sondern ganz allein in seiner Zufriedenheit und Glückseligkeit. Es bedurfte keine Worte ihrerseits. Kein ´Bitte´ oder ´Willkommen´, schon gar kein ´Für dich´, alles war selbstverständlich. Ein wohliges Grummeln in das weiche Babyfell, war das Einzige was es bedurfte. Finley geht es gut., bestätigte sie lächelnd. Zwar konnte sie den Kleinen gerade auch nicht erblicken, jedoch musste er in der Nähe sein. Der Graue war nicht so wie sein Bruder und würde sich großartig weit weg wagen. Sag mir lieber, wo du warst. Ich war schon drauf und dran einen Suchtrupp loszuschicken. Ruari, ich hab mir Sorgen gemacht. Doch selbst wenn sie im tiefstem Innerem wütend war, so konnte sie es ihm gegenüber nicht zum Ausdruck bringen. Nicht, wenn die Freude gerade überquoll.
Sie ließ ihm Zeit sich umzublicken. Erst als er sie Anstupste blickte sie zu ihm hinunter. Rasch folgte sie seinem Blick. Garou., antwortete sie ihm. Er kam erst vor Kurzem her. Scheint ein recht ruhiger Genosse zu sein, welcher aber sehr tüchtig sein dürfte. Zumindest hatte er sich sofort nach einer Aufgabe erkundigt. Für einen Moment verweilte ihr Blick auf den Rüden, der doch etwas rätselhaft für Kennocha war. Genauso wie Sahrootar. Oh, und er spricht komisch. Sehr vornehm., meinte sie leicht kichernd, wusste sie doch, dass den beiden Welpen frei Schnauze sprachen und mit seiner Wortwahl äußerst belustigt sein würden.
Es verging einige Zeit der Stille, in welcher die beiden Leiter zusammensaßen und ihren Blick über das Rudel gleiten ließen. Dann fing die Fähe an auf jeden Einzelnen zu deuten und dessen Namen zu nennen, sowie seine Ankunft.
So oft die weiße Fähe auch noch abgelenkt werden mochte, wusste sie es geschickt so zu ihren Gunsten zu händeln, dass sie jeden ihrer Gesprächspartnern die ausreichende Aufmerksamkeit schenkte. Bedeutend viel davon verlangte, der ausgewachsene Rüde vor ihr. In seinem Alter erwartete er ein ernstes, eloquentes und ädäquates Gespräch. Desweiteren bedurfte es ihm gegenüber auch mehr Vorsicht und Bedacht. Verglich man den Einfluss, welchen der kleine, braune Welpe von gerade eben ausüben konnte und den Garous, so waren dies zwei unterschiedliche Welpen. Freilich erwartete sie nichts Böses von dem Schwarzen, doch war es eine untrügerische Tatsache, dass es den Großen gegenüber etwas mehr Autorität von Nöten hatte.
Aufmerksam betrachtete sie ihn. Das neue Mitglied. Unbekannt. Davon gehe ich aus., antwortete Kenno lächelnd. Solch ähnliches Satz hatte er bereits gesagt. Es schien ihm somit außerordentlich wichtig zu sein, dass er als vollwertiges Mitglied akzeptiert werden würde. Es würde für Garou aber sicherlich nicht schwer werden, denn die Wölfin schätzte ihn von seiner Art her als ein sehr ehrgeiziges, leistungsbereites Wesen ein. Vielleicht würden einige der Jüngeren mit seiner Art zu sprechen und zu agieren etwas überfordert sein. Doch mit dem Gebot der Rücksicht untereinander würde auch das funktionieren.
Vorerst nicht. Sie können sich genügend Zeit lassen, um das Gebiet und die Mitglieder kennenzulernen. Es gibt viel zu entdecken., erklang ihre warme Stimme.
Wenn er wirklich sehr auf eine Aufgabe brannte, so sollte er aber nicht mehr lange warten müssen. Das Rudel war mittlerweile in seiner Zahl soweit angewachsen, dass es Zeit werden würde für eine Struktur. Eine Art Leitfaden nach welchem sich gerichtet werden könnte, damit wie jener Wolf es sich wünschte, jeder etwas zum gemeinsamen Leben beitragen könnte.
Ihr Blick wanderte über den Platz. Durch den eingezogenen Frühling war ihre vorherige Aussage richtig. Während einige Sträucher und Büsche noch Blüten, bekamen andere bereits ihr grünes Laub. Vereinzelt standen Blumen. Gräser und Kräuter sprießten grün empor. Das Wasser plätscherte, vermutlich schwommen die ersten kleinen Fische darin und sprangen munter durch die Luft. Bestimmt versteckten sich auch unweit kleine Kaninchenjunge oder gar ein Kitz. Die Welt der Gerüche war größer als jemals sonst im Jahr.
Leider, so musste sie feststellen, war noch immer nichts von Ruari zu sehen. Wo schlich er nur umher? Er hat doch hoffentlich nicht den Anschluss verloren... nein. So dumm war er nicht. Kennocha würde ihm die Ohren lang ziehen, sobald er sich endlich mal blicken lassen würde. Dafür, dass er ihr solche Sorgen bereitete. Und doch sagte ihr mütterliche Instinkt, dass sie dies dann lieber im Verborgenen tun sollte. In ihrer Höhle. Schließlich sollte der kleine Rote der Chef dieser Gruppe werden, da kam es sicher keinem gutem Start gleich, wenn er zuerst vor aller Öffentlichkeit gerügt werden würde.
Eigentlich hatte die Fähe sich immer zu jenen gezählt, welche die Gabe des Einschätzens gegeben war. Bisher war es immer immer gelungen ihr Gegenüber zweifelsfrei anhand dessen Wortwahl und Körpersprache einer Gruppe zuzuordnen. Doch hatte sie bereits bei Sahrootar lernen müssen, dass man sich gelegentlich auch die Zähne ausbeißen konnte. Auch dieser Rüde schien einer der geheimnisvolleren Sorte zu sein, wenn er auch einige Fakten sehr deutlich präsentierte.
Garous straffe, aufrechte Haltung zeigte deutlich, dass er sich selbst wert zu schätzen wusste und sein Herz nur so vor Mut und Selbstbewusstsein strotzen musste. Die an den Tage gelegte Höflichkeit verhinderte dann aber sofort den falschen Schluss, dass es sich um einen großschnäuzigen Angeber handelte. Seine Worte waren klug gewählt und versprachen einen reiferen, erfahrenen Besitzer. Jedoch klang es auch fast etwas altertümlich in Kennochas Ohren oder war es nur der Fall, weil sie bisher viele Jungtiere in ihrer kindlichen Art gehört hatte? Wie dem auch sei, versprach dies aber auch weitere Vorteile. Die alte Schule hatte schließlich gute Zöglinge hervorgebracht.
Sie nickte. Das erfreut mich zu hören. Tatsächlich war die Wölfin über diese Nachricht erfreut. Denn genau dies war mein Ansinnen, als ich diesen Ort für das Rudel gewählt habe. Nicht so sehr im Mittelpunkt stehen und vor allem nicht eingekreist von den vielen Pferden, welche sie bei ihrer Ankunft in der Nase gehabt hatte. Ihr Plan schien aufzugehen. Womöglich lag der Grund aber mit unter auch darin, dass sich noch keines der Rudelmitglieder groß in der Umgebung umgeschaut hatte und selbst wenn würde man sie eher für Einzelgänger halten. Wer sollte schon ahnen, dass sich plötzlich ein Rudel im Tal angesiedelt hatte?
Im nächsten Augenblick wirkte Kennocha fast ein wenig überfordert. Sie spürte Blicke auf sich, brennend heiß im Rücken, sodass ihr Kopf herum schnellte. Ihre braunen Augen erfassten die junge, schwarze Wölfin und die bunte Hündin, welche beide zu ihr hinüber schauten. Ganz sicher unterhielten sie sich über sie oder allgemein das Rudel. Sie schenkte den beiden ein Lächeln, bevor eine weitere Bewegung im Augenwinkel ihre Aufmerksamkeit erregte. Sahrootar hatte sich abgewandt und auch der unbekannte Hund machte nach einigen weiteren Sekunden Anstalten sich davon zu machen. Sie verfolgte seine Schritte noch ein wenig, bevor sie abermals zu Garou schaute, welcher gerade um die Aufnahme ins Rudel bat.
Sie hatte das Bedürfnis sich zu entschuldigen. Sie hätte sich nicht ablenken lassen dürfen und doch sagte ihr etwas anderes, dass es ihr gutes Recht war. Garou spielte als Fremder eine weniger bedeutende Rolle als die Sicherheit der Rudelmitglieder. Wenn diese also gefährdet wäre, so müsste der Schwarze sich eben gedulden, bis sie ihre Aufgabe erledigt hatte. Somit beließ sie es dabei. Ohne Kommentar. Sehr lobenswert, Garou. Es wäre sehr erfreulich, sie ein Mitglied des Rudels bezeichnen zu können., sprach sie ruhig, Davon profitiert schlussendlich ein jeder. Der Rüde würde seine Gesellschaft haben und womöglich schon bald einer Aufgabe nachkommen können, die für das reibungslose Funktionieren des Rudels wichtig sein würde. Kennocha konnte sich über eine ältere, erwachsene Unterstützung in diesem jungem Haufen freuen. Und Ruari hatte mit dem neuem Mitglied einen weiteren Beschützer, Lehrmeister und Freund. So hoffte sie zumindest; bei jedem Neuankömmling.
Selbst als sich der Dunkle noch ein wenig näherte, behielt er zu ihrer Zufriedenheit einen angemessenen Abstand. Sie fürchtete sich nicht davor, womöglich angegriffen zu werden, sondern erwartete einfach von dieser Altersgruppe einen angemessenen Respekt. Es musste so sein, wenn sie diesen hohen Rang erfüllen wollte, wenn sie sonst auch nichts dagegen hatte, wenn man sie regelrecht über den Haufen rannte. Es konnte halt passieren. Kennocha war in der Hinsicht eben doch recht tolerant, bemühte sich aber um etwas mehr Strenge. Sie musste die Starke sein, sie konnte es.
Sie nickte abermals, als er sich vorstellte. Garou Doch egal wie lange die Fähe wartete, schien er nicht dazu bereit sich von selbst zu erklären. Tatsächlich hatte er doch auf den ersten Blick viel Ähnlichkeit mit Sahrootar. Ruhig, die Stimme recht tief, als wäre sie schon längere Zeit nicht mehr genutzt wurden und zu eine Gespräch musste man ihn regelrecht jedes Wort aus seinem Munde heraus betteln. Zumindest war das, was sie von ihm kannte. Den Reisenden, gerade schien er aber in einem ganz anderem Licht zu stehen, wenn die Weiße ihn so im Augenwinkel betrachtete. Was führt dich her, Garou? Natürlich hoffte sie, dass es der Wunsch nach einem Rudelbeitritt war, doch vielleicht war es auch einfach nur Neugierde gewesen. Oder eben leider auch nur ihre Läufigkeit. Es gab vielerlei Gründe, weshalb grenzenloser Optimismus nicht ganz angebracht war.
Kennocha bemerkte, wie die Augen des Rüdens über das Rudelgebiet wanderten. Sie wusste was er sah. Eine kleine Ansammlung, der Großteil junge Tiere nicht älter als ein Jahr. Wölfe und Hunde. Es wäre nicht falsch, wenn der erste Eindruck eher an eine Welpen- und Jungtierauffangstation erinnerte und doch pochte ihr großes Herz mit Stolz. Es war nicht viel, aber sie hatte bereits etwas erreicht. Und aus den Jungen würden schließlich auch mal vollwertige Erwachsene werden.
Weil sie all das genaustens wusste, verharrten ihre braunen Augen aufmerksam auf Garou. Wägten seine Reaktion ab. Ob er dies hier lächerlich fand? Oder traute er den Hunden nicht über den Weg, würde sie als Abschaum bezeichnen? All das spielte eine Rolle, jedoch nur wenn der Schwarze beitreten wollte. Denn in Wahrheit war es der weißen Wölfin vollkommen egal, was Außenstehende über das Rudel sagen würden, was die Mitglieder dachten war von größerer Bedeutung.
Ihre stets sanftmütige braune Augen waren noch immer auf die beiden kleinen Gruppen gerichtet. Da ansonsten alles ruhig war, wartete sie sozusagen nur darauf, dass eines der Gespräche eskalieren würde und ihre Hilfe benötigte. Auch, wenn sie hoffte, dass dies nicht geschehen würde. Kennocha war eine strenge Verfechterin des Friedens und der Ordnung. Kämpfe und Streitigkeiten waren ihr ein schmerzhafter Dorn. Genau aus diesem Grunde hatte die Weiße auch diesen Standort ausgesucht. Denn hier gab es im weitem Umkreis kein konkurrierendes Rudel, nur Einzelgänger. Derartig abgelegen waren diese Grundsätze selbst für den größten Streithahn vergleichsweise einfach nachzuleben.
Momentan müsste die Fähe sich selbst aber als Störfaktor ansehen. Von ihr ging ein äußerst betörender und vielversprechender Duft aus, der noch meilenweit zu vernehmen sein würde. Die Läufigkeit war ein Übel mit dem sich alle Hündinnen ihr Leben lang herumgeschlagen müssten, oft wurde man dann nicht mehr ganz so ernst genommen. Der Respekt ging verloren und die Herren der Schöpfungen wurden nur zu gern aufdringlich. Früh hatte sie gelernt sich aus diesen Situationen höflich und elegant zu manövrieren, aber wenn nötig auch etwas nachdrücklicher zu werden. Es war nicht so, dass sie sich keine Welpen wünschte, sonst hätte sie wohl kaum ihre beiden Kleinen adoptiert. Aber nochmal eigene. Das eigene Fleisch und Blut, das musste nochmal etwas ganz Besonderes sein. Ihre Kehle entglitt ein leises sehnsuchtsvolles Fiepsen. Perplex blinzelte sie einige Male. Nein, sie hatte Finley und Ruari, die es erst einmal groß zu ziehen galt. Ruari... wo war er? War es nicht ihre mütterliche Pflicht ihn zu suchen? War sie vielleicht eine schlechte Mutter?
Ihr Kopf schnellte zur Seite, als dort ein unerhört lautes Knacken zu vernehmen war. Zu laut für kleineres Niederwild. Hatte sich ein Reh direkt ins Rudel verirrt? Wohl kaum, mittlerweile waren die Reviergrenzen deutlich markiert und es wäre Selbstmord dies als Beutetier zu tun. Mit zusammengekniffenen Augen erkannte sie einen dunklen Körper, der sich auf sie zu bewegte und sich schließlich als Artgenosse entpuppte.
Erwartungsvoll stand sie auf und erwartete den fremden Rüden. Zumindest kam er zielstrebig auf sie zu und es wäre komisch, wenn er es sich nun noch anders überlegen würde. Sei gegrüßt., erwiderte sie freundlich und ließ ihren Blick abschätzend über ihn gleiten. Er machte einen sehr selbstbewussten Eindruck. Kräftig und gesund. Fast schon ein wenig ihre Autorität herausfordernd, jedoch keineswegs darauf aus ihren Platz streitig zu machen. Dass er höflich grüßte, Abstand bewahrte und erst nachfragte, zeigte deutlich, dass er keine bösen Absichten hegte.
Sie nickte ihn aufmunternd zu und pendelte kurz einladend mit ihrer Rute. Sie haben die Erlaubnis., die Fähe lächelte leicht. Mein Name lautet Kennocha, Stellvertreterin dieses Rudels. Der Zusatz fühlte sich auf ihrer Zunge noch immer fremd an. Solchen Rang hatte sie nie zuvor besetzt und es bedurfte einiger Zeit sich wirklich einzufinden. Abwartend blickte sie dem schwarzen Rüden entgegen: Mit wem habe ich das Vergnügen?
Es war nun schon einige Zeit ins Land gegangen und das Rudel war zumindest ein wenig herangewachsen, wenn es doch auch noch überschaulich war und man jeden problemlos beim Namen nennen konnte. Doch genau dies hatte die weiße Fähe auch erwartet. Das und nichts anderes. Woher sollten auch alle Wölfe und Hunde dieses Tals wissen, dass sie sich hier aufhielten, wenn sie ihr Lager doch geschickt am Rande aufgeschlagen hatten und sich noch nicht weit außerhalb den Grenzen zeigten.
Ebenso war noch immer ihr Sohne Ruari verschollen. Zwar hatte sie schnell lernen müssen, dass sie sich keine Sorgen machen durfte, doch tat sie dies dennoch. Sooft ihr der kleine selbstbewusste Rüde auch schon klar gemacht hatte, dass er seinem Alter weit voraus war, so übermannten sie doch immer wieder die Muttergefühle. Unruhig hatte sie das Gebiet bereits mehrfach abgelaufen in der Hoffnung, dass der rote Welpe gleich neben ihr aus dem Gebüsch gepurzelt... nein er purzelte nicht. Finley mochte der kleine Tollpatsch sein, nicht aber er.
Gähnend ließ sie sich auf einen kleinen Hügel nieder und überblickte die kleine Ansammlung, während die Frühlingssonne ihren Rücken wärmte und dafür sorgte, dass sich die dichte Winterwolle langsam aus ihrem Pelz löste. Bei diesen Temperaturen würde dem Kleinen nichts geschehen. Es war möglich mehrere Nächste unter freiem Himmel zu verbringen ohne Erfrierungen fürchten zu müssen. Mittlerweile dürften auch schon die ersten nestjungen Küken da sein.
Neugierig wandte Kennocha ihren Kopf nach links, um zu beobachten wie dort doch ein recht lauter Streit von statten ging. Sie wollte sich bereits erheben, um als Schlichterin dazwischen zugehen, als ihr auffiel, dass es sich um niemand anderes als Sahrotaar und dem unbekanntem Wolfswelpen handelte. Bei ihnen befand sich ein großer dreifarbiger Hund, zum größten Anteil schwarz. Von jenem schien das Problem auszugehen und freilich wäre es eine ihre Aufgaben autoritär aufzutreten, aber es lag in ihrem Interesse mehr über ihren stillen Begleiter herauszufinden. Auf der gemeinsamen Reise hatte er sich stets zurückgehalten, blieb lieber für sich und so wusste die Wölfin eigentlich nichts über ihn. Es hatte sie bereits beeindruckt, dass er sich dem Welpen so aufgeschlossen angenommen hatte und nun schien er auch diese Situation unter Kontrolle zu haben. Ihr Kopf war in eine leichte Schräglage geraten, als sie versuchte vergeblich Worte des Gespräches aufzufangen. Was auch immer es war, der unbekannte Hunderüde wäre doch nicht so dumm und würde hier Aufruhr stiften. Gegen ihn stand ein gesamtes Rudel. Leise grummelnd bewegte sich ihr Blick weiter, erfasste ein weiteres kleines Grüppchen. Es war die dunkle Fähe mit welcher sie den Namen Second Sunrise in Verbindung brachte. Bei ihr eine unbekannte Hündin. Jedoch schien dieses Gespräch freundlicherer Stimmung zu sein.
Seufzend legte sie ihren schweren Kopf auf ihre ausgestreckten Vorderläufe und beobachtete aufmerksam das Geschehen um sie.
Ich schreib mal wieder mit ihr und bringe Ruari irgendwie mit rein. Entschuldigt, wenn ich jetzt nicht ganz detailliert auf jeden Einzelnen eingehe.
Rudel
Der Winter hatte schnell und mit eisiger Kälte seinen Einzug gehalten, umso glücklicher war Kennocha damit, hier einen dauerhaften Aufenthaltsort gefunden zu haben. Einen der durch die Gebirgsausläufer windgeschützt lag und auch so genügend Höhlen boten, um sich zurückzuziehen.
Ihre warmen Augen waren noch immer auf Alois gerichtet. Zum einen wirkte er schon wie ein ausgewachsener Rüde und doch verhielt er sich wie ein Welpe. Ein Rudel bringt Verpflichtungen mit sich, Spieluhr. Jedoch wird sich dir keiner seine Gesellschaft aufzwingen, wenn du diese nicht wünscht. Diese Regel galt nicht nur in einer Gruppe, auch allgemein sollte man die Bedürfnisse des Anderen beachten. Wenn sie keine übermäßige Gesellschaft wünschte, aber eben den Rückhalt eines Rudels, warum sollte ihr das verweht bleiben?
Sie nickte den beiden weißen Wölfen zu. Sie hatten sich also erst gerade kennengelernt, dafür wirkte der junge Rüde aber recht anhänglich. Nun, zum Teil war es verständlich, schließlich hatte Spieluhr ihn gerettet, indem sie schnelle Hilfe gesucht hatte. Sicher doch. Ihr könnt so lange verweilen wie ihr wünscht. Sei es nur bis du dich wieder wohl fühlst oder für immer., sagte sie ruhig mit einem freundlichem Lächeln auf ihren Lippen. Ihr Gegenüber war geheilt, jedoch schien er nicht allzu viel Vertrauen darin zu haben. Hinzu kamen sicherlich noch Strapazen, von der die Fähe nicht wusste und so wäre ein wenig Ruhe sicher angebracht. Ich würde natürlich Letzteres begrüßen., fügte sie hinzu, bevor sie die Beiden entließ.
Danach richtete sich ihr Blick zu dem Braunen hinüber der mit ihnen angereist war. Noch immer beschäftigte er sich mit dem kleinem Welpen. Nahezu liebevoll wie ein Vater. Wenn sie zuvor Zweifel hatte, so waren diese nun ganz verflogen. Vermutlich würde man in ihm nie einen gesprächigen, emotionalen Freund haben, doch die Verhaltensweisen innerhalb eines Rudels schienen ihm geläufig zu sein.
Wo war nur Ruari? Ihr zweiter Adoptivwelpe und Finleys Bruder. Jedoch würde man dies nicht vermuten, wenn man die beiden Buben nebeneinander sehen würde.
Finley hatte ein grau-weißes Fell, welches ihn durchaus als Wolf hätte durchrutschen lassen können, bei Ruari verriet jedoch das Rot seine Hundegene. Während der eine zwar neugierig, aber doch freundlich zurückhaltend war, war der anderer dagegen ein echter Rebell. Und dennoch würde dieser das Rudel führen. Die Fähe würde dies nicht zulassen, wenn da nicht die weit entwickelte Seite des Welpen war. Vergleichsweise zu Gleichaltrigen schien er ein ausgezeichnetes Köpfchen zu haben und ein Vermögen sich bestimmt durchzusetzen- mit ein wenig Hilfe konnte er diese Aufgabe also schaffen. Aufgrund dieser Selbstständigkeit machte sie sich auch nicht zu viele Sorgen. Vermutlich erkundete er gerade das gesamte Rudelgebiet oder die nähere Umgebung. Recht schnell musste sie einsehen, dass es ihn nur noch mehr anstachelte etwas zu tun, wenn es verboten war. Also ließ Kenno ihn gewähren und hoffte.
Kennocha hatte sichtlich Mühe allen Anwesenden einen angemessenen Grad an Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Zu ihrer Verteidigung sei aber gesagt, dass dies auch das erste Mal war, dass sie sich irgendwie beweisen musste. Noch war sie sich keineswegs sicher, ob eine angehende Betawölfin sich so verhielt, wie sie es gerade tat, doch die Weiße gab ihr Bestes. Immerhin schien sie keine Aggressionen hervorzurufen, welche sie zugegebenermaßen doch in Bedrängnis gebracht hätte. Eine Kämpferin wohnte ihr nämlich nicht inne.
Freki wirkte etwas missmutig darüber, dass niemand seiner Forderung nachkam. Die Weiße konnte ihn in dieser Hinsicht durchaus verstehen, nicht nur weil es den Eindruck hinterließ, dass er an dieser Stelle nutzlos war. Ihr Blick ruhte einen Moment nachdenklich auf ihn. Was sollte oder konnte sie dagegen tun? Denn das Gefühl des Nichtgebrauchtwerdens ist ein Übel, welches niemand erleben sollte. Es gibt nichts, worauf man bei einer Narbe stolz sein kann., erwiderte sie ruhig, Das Zeitalter der Trophäensammlung aus Kämpfen ist vorbei. Sie war vielen Älteren begegnet, welche in ihren Jugendjahren all die Narben stolz präsentierten und sich dazu wohl die wildesten Geschichten ausdachten, doch mit der zunehmenden Vernunft schämten sie sich eher dafür. Zumal man es irgendwann Leid werden würde jedem erklären zu müssen, woher diese stammten. Und nicht zuletzt fürchteten sich einige auch vor solche vernarbten Gestalten. Schlussendlich war es jedoch eines jeden eigene Entscheidung und Kennocha wollte sich nicht als Mutter aller aufspielen. Diese junge Rüde war bereits aus dem gröbsten heraus und neben ihm stand... ja wer eigentlich? Seid ihr verwandt?“, fragte sie schließlich direkt, als die Neugierde Überhand nahm.
Ihr Kopf schnellte zur Seite, folgte den des jungen Rüden als seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen wurde. Dort purzelte ein brauner Wolfswelpe aus den Gebüschen und kauerte sich flach auf den Boden. Skeptisch beobachtete Kenno wie sich Sahrotaar dem Neuankömmling annäherte. Ihr Körper war bis in die letzte Faser gespannt. Sie hatten den Brauen irgendwo aufgegriffen und noch nicht allzu viel Zeit gehabt, sich kennenzulernen. Doch all die Zeit machte er einen sehr introvertierten Eindruck, fast so als wäre er als Einzelgänger besser aufgehoben. Der mütterliche Instinkt in ihr, wollte sie dazu bewegen sich schützend vor dem verängstigten Welpen zu stellen. Umso erleichterter klang der leise Seufzer, als Sahrotaar sich hilfsbereit und freundlich zeigte. Sie wartete aufmerksam auf einen passenden Moment, in dem er sie wahrnehmen würde. Zufrieden schenkte er ihm ein lächelndes Nicken und formte mit ihren Lippen ein ernstgemeintes lautloses Danke. Es gab ihr Hoffnung, dass dieser schweigsame Begleiter womöglich nur seine Zeit brauchen würde, um aufzutauen. Hier und da ein paar ermutigende Worte und ein wenig Zuwendung. Wenn die Fähe eines wusste, dann dass sie dies konnte. Würde sich ihr Zeit bieten, würde sie dem nachkommen.
Alois wirkte verwundert über die Geschehnisse, vielleicht auch etwas überfordert. Erst war er nahe dem eigenem Tod, plötzlich vollzog sein Körper einer Wunderheilung und nun sollte er ganz normal weiterleben können? Dann diese ganzen Fremden... Es hatte ihn sprichwörtlich die Sprache verschlagen und doch reichte dieses kurze Nicken aus. Es ging ihm gut. Es freut mich, dass es dir besser geht. Dieses Misstrauen ihr gegenüber war der Hellen durchaus bekannt. Es verletzte sie daher nicht wirklich, dass der als Freki vorgestellte nachforschende Fragen stellte. Jedoch war die Antwort auf jener nicht so einfach, denn darauf gab es auch für sie keine zufriedenstellende. Ich weiß es nicht., erklang ihre zarte Stimme. Bisher bin ich tatsächlich niemandem begegnet, der Ähnliches vollbrachte. Leider, musste man sagen. Kennocha wäre glücklicher mit dem Wissen, dass sie nicht ganz allein auf dieser Welt damit war. Aber soll ich mich dafür schämen, anderen helfen zu können?, fragte sie und schaute den Rüden mit ihren warmen Augen an. Sie seufzte und deutete auf Alois. Ich bin in der Lage meine Kräfte mit einem anderem zu teilen und durchaus auf einen bestimmten Punkt zu fokussieren. Ich habe also Alois Körper nur die Möglichkeit gegeben sich schneller zu helfen., erklärte sie ruhig. Was sie natürlich von sich abgab, kehrte nicht zu ihr zurück. Sie konnte es sich auch nicht nehmen. Wenn sie sich also einmal dafür entschied, musste sie mit den Konsequenzen rechnen. Sie zog sich nicht das Leid des Anderen auf sich, aber wurde eben unglaublich geschwächt und müde. Nein, ich kann mich nicht Ausruhen., entgegnete sie dennoch vehement und da gab es auch keine weitere Diskussionen mehr.
Ihre Augen fielen nochmal auf „der da hinten“. Sie lächelte leicht. Der da ist Sahrotaar. Du musst ihn entschuldigen, er ist etwas in sich gekehrt. Doch er wollte sich uns anschließen und ist sicherlich ein würdiges Rudelmitglied. Ihr Blick wanderte wieder zum Horizont. Zu diesem hochbeinigen Hund hatte sich eine weitere Gestalt gesellt. Bevor Kennocha noch weiter darüber nachdenken konnte, schreckte sie eine Berührung auf. Fragend schaute sie Freki an. Was meinte er damit? Er kannte sich selber nicht? Im Normalfall wusste man wo und wann man geboren wurde, konnte sich charakterlich selbst definieren... hatte er womöglich einen Unfall und seine Vergangenheit vergessen? Die weiße Wölfin hatte das Bedürfnis irgendwelche tröstende Worte zu finden. Dass die Erinnerungen schon wieder zurückkommen würden beispielsweise, jedoch verlangte Spieluhr nach ihrer Aufmerksamkeit.
Finley hatte nochmals bestätigt, dass sie ein Rudel hier aufbauen wollte. Ansonsten wirkte der kleine Welpe sehr mit seiner Umwelt beschäftigt. Bei so vielen Eindrücken in diesen jungen Jahren war dies durchaus verständlich. Es ist tatsächlich die Absicht Wölfen und Hunden eine schützende Gemeinschaft zu bieten., sie betonte jenes Wort, welches die Fähe so abfällig ausgesprochen hatte, mit Nachdruck. Wenn sie von Hunden nicht viel hielt, so war dies eine Sache, jedoch hatte Kenno eben solch einen Verwandten adoptiert und damit wurde auch sie beleidigt. Ich wünsche, dass Finley sicher ist. Er soll auf die Mitglieder der Fenrir Anos zählen können, genauso wie dies auch für mich gilt und alle andere, die sich anschließen., ihr fiel auf, dass sie zum ersten Mal einen Namen für das entstehende Rudel ausgesprochen hatte. Fenrir Ano. Verwirrt blinzelte sie einige Male. Wie war sie nur so schnell darauf gekommen? Fenrir Ano. Mehrere Male wiederholte sie diese zwei Worte und kam zu dem Schluss, dass es so sein sollte. Es war nun sowieso ausgesprochen, jede Änderung würde nur Unsicherheiten verbreiten. So als hätte sie überhaupt keinen Plan von irgendwas.
Zugegeben hatte Uhr Recht. Noch hatte sich niemand der bisher nur dreiköpfigen Gruppe angeschlossen. Ich würde mich freuen, wenn ihr bei uns verweilen würdet. Freki. Spieluhr. Alois.
Entschuldigt eventuelle zeitliche Verschiebungen oder was auch immer. Gar nicht so leicht, alles passend unterzubringen. Puh...
Alois, Uhr, Freki, Solitario (Finley, Bâtard und Rest)
Noch immer war die Fremde völlig aufgelöst. Ihre ruhige Art schien nicht ganz zu helfen. Ein großer, brauner Wolf. Sofort wanderte ihr Blick durch die Umgebung. Es war mitunter ihre Aufgabe dieses Gebiet zu sichern, was geschah also, wenn dieses Untier ihnen gefolgt war. Doch ihr Blick fand niemanden dergleichen, nur eine helle Gestalt kauerte sich in der Entfernung auf den Boden. Skeptisch kniff Kennocha ihre Augen zusammen. Es handelte sich nicht um keinen Artgenossen, denn das Fell war viel zu kurz und seine Gestalt zu zierlich. Sie seufzte leicht. Er schien sich nicht zu ihnen gesellen zu wollen, aber plante wohl auch keinen Angriff.
Lächelnd blickte Kennocha auf den jungen Rüden hinab. Sie erfreute sich daran, dass die Heilung so schnell und unproblematisch einsetzte. In diesen Momenten war sie zufrieden mit sich selbst, vergaß ganz gerne, dass einige sie für solche Magie verachten mochten. Dieser kleine Kerl wäre ohne Hilfe sicher innerhalb den nächsten Stunden verblutet. Ermutigend nickte sie ihm zu, denn noch schien er der Sache nicht zu trauen. Aber wenn er es wollte, wäre es ihm möglich problemlos herumzutollen. Ihr müsst mir nicht danken, Alois. Spieluhr., sprach sie mit einem warmen Tonfall. Jedoch war ihr Körper weniger glücklich. Mit einem leisen Ächzen, welches die anderen nicht hören sollten, setzte sie sich. Die Fähe war ausgelaugt, könnte durchaus ein kleines Schläfchen vertragen.
Sie blickte zu dem Schwarzen. Er schien es dringend zu meinen mit den Ringelblumen. Nun, die ein oder andere Narbe hatte noch niemanden umgebracht. Ganz im Gegenteil einige trugen sie wie Trophäen. Ein Weltuntergang oder Alois Untergang wäre es nicht.
Ihre Ohren zuckten aufmerksam, fragend legte sie ihren Kopf schief. Warum flüsterte er denn nun? Sie senkte kurz ihren Kopf. Ihm schien das Geschehene nicht ganz geheuer zu sein und Kennocha befürchtete fast hier wieder einer dieser Skeptiker gefunden zu haben. Jemand, der sie für das, was sie konnte verurteilte. Ich habe geholfen ihm ein wenig Kraft gegeben. Die Wundheilung hat sein Körper alleine vollbracht., erwiderte sie. Und ich werde nie etwas anderes damit anstellen., stellte sie klar. Um ehrlich zu sein, wusste die Weiße gar nicht genau, ob sie damit mehr als die Heilung anfangen konnte.
Am Rande des Gebietes kam ein weiterer Wolf hinzu. Ebenfalls ein schwarzer Rüde und er nährte sich recht zielstrebig. Ein wenig in Bedrängnis kam Kenno schon. Sie war geschwächt und war nicht wirklich bereit sich und Finley zu verteidigen.
Noch bevor der Fremde bei ihnen ankam, stellte sich der Andere vor. Freki ist vollkommen in Ordnung., wieder versuchte sie es mit einem Lächeln auf ihren dunklen Lippen. Man kennt anfangs nie mehr als den Namen.
Sie nickte dem Neuankömmling zu. Er schien ebenfalls freundlich gesinnt zu sein. Sehr erfreut. Danke der Nachfrage, aber ich denke, wir haben alles unter Kontrolle. Ihre hellen Augen fielen erneut auf Alois. Noch immer war es ein Rätsel welche Beziehung die beiden zueinander hatten. Ich bin Kennocha und dies..., sie deutete auf den kleinen Welpen neben ihr, ist mein Adoptivsohn Finley. Es folgte eine kurze Erklärung: Wir möchten hier ein Rudel gründen.
Ihr Augen glitten über die spiegelnden Flächen der Wasserstellen. Wann immer sie ihr eigenes Spiegelbild erhaschte, konnte sie einen Unterschied zu den letzten Tagen erkennen. Ihr Körper war von Zufriedenheit und Entspannung gezeichnet. Damit wirkte sie wieder selbstsicher, konnte der Fels in der Brandung sein, wie es alle von ihr erwarteten.
Sie blickte zu Finn hinab, lächelte ihm zu. Er musste ihr nicht danken, denn was sollte sie schon sonst tun? Ab dem Zeitpunkt in dem sie sich dem kleinem Hundewelpen angenommen hatte, war es zu ihrer Pflicht geworden, Finn zu schützen, zu umsorgen und all mögliche Wünsche zu erfüllen.
Eine Bewegung neben ihr ließ sie aus ihre Gedanken schrecken. Sie seufzte leicht, nickte und beobachtete wie Shrotaar wortlos sich in etwas Entfernung ablegte. Der Rüde hatte sich vor einer Weile den Beiden angeschlossen und hatte noch nie ein wirkliches Wort gewechselt. Er schien ein ziemlich introvertierter Typ zu sein, der lieber sein eigene Ding machte. Gleichzeitig wollte er aber den Schutz eines Rudels nicht missen. Solange er sich halbwegs ordentlich benehmen konnte, sollte es keinen Grund, ihm dies zu verwehren.
Als sie den Wolf in seine Bewegung so verfolgte, bemerkte sie einen weiteren. Ein Fremder, der direkt auf sie zukam. Das Haupt erhoben, aber nicht aggressiv. Kennocha nahm eine ähnliche Haltung ein. Positiv angespannt stand sie dem Schwarzen nun gegenüber und hielt ihm stand. Es ging ihr nicht darum einen Streit vom Zaun zu brechen, jedoch würde sie diesen Ort auch nicht aufgeben, da sie ihn nach so lange Reise gefunden hatte. Zumal der Rüde alleine hier war und Finley hier Träume verwirklicht bekommen sollte. Gute..., begann sie, doch da fegte plötzlich ein weißer Blitz an ihre Seite und haute prompt den kleinen Hundewelpen mit um. Pass doch auf!, motzte sie und zog ihren Adoptivsohn unter der panischen Fähe hervor auf ihre andere Seite. Jedoch verflog ihr Ärger sofort wieder, als sie den verletzten jungen Rüden auf ihren Rücken sah. Seine Brust war in einem tiefrotem Ton getränkt. Himmel, was ist passiert?, sie bedeutete der Fremden ihn runterzulassen. Die Weiße spürte wie die Situation zu eskalieren drohte. So viel Panik, Hektik und Gefühle. Aber genau dies ließ Kenno in eine weitaus tiefere Ruhe verfallen. Sie musste die Ruhe bewahren und ansonsten half es keinem mehr. Jedoch funktionierte dieser Plan nur mäßig. Wie hypnotisiert beobachtete sie still wie der Dunkle zunächst die Wunde routiniert untersuchte und schließlich Hirtentäschel und Ringelblume nannte. Sie blinzelte kurz und leckte sich über ihre Lippen um wieder zu Sinnen zu kommen. Sie bedeutete dem Rüden ein Stück zur Seite zu treten. Wie ist das passiert?, sprach sie ruhig, während sie selbst die Wunde untersuchte. Eine Bisswunde, die nach einem Artgenossen aussah. Fragend schaute sie zu der Fähe auf. Sie wirkte etwas aufgelöst. Ob sie die Mutter war? Bleib ruhig liegen., meinte sie zu dem Jungwolf.
Vorsichtig schob sie ihre Nase in sein dichtes Fell. Was nun geschah war allein ein Zauber zwischen den Beiden. Es würde kein Glitzerstaub fliegen, es brauchte keine beschwörenden Formeln. Rein gar nichts Spektakuläres. Doch wer es aufmerksam beobachtete, konnte sehen, dass Kennocha leicht in sich zusammenfiel. Als wäre ihr Leib entkräftet und müde. Genau genommen würde dies auch der Fall sein, denn sie gab dem Verletzten gerade Teile ihre eigenen Energie ab. Während es ihr kalt den Rücken hinunterlief, konnte sie nicht recht sagen was nun mit dem Rüden geschah. Einige hatten gemeint, dass sie sich von eine Sekunde auf die Andere viel wärmer und behüteter gefühlt haben. Als könnte ihnen nichts mehr etwas tun. Die Fähe wusste es nicht. Es war aber gewiss, dass der Körper mit ihrer Energie in der Lage war die Wundheilung drastisch zu beschleunigen, die Schmerzen zu nehmen und sämtliche Nebenbeschwerden auf ein Minimum verringerten. Es war nicht zu befürchten, dass es sich entzündete oder er einer Blutvergiftung erleiden würde. Sie atmete tief aus und zog sich lächelnd zurück. Es sollte dir in den nächsten Minuten deutlich besser gehen. Du kannst dir dann dieses Blut abwaschen. Sie konnte nicht bewirken, dass alles sofort verheilte wie nie geschehen, das musste die Natur schon alleine tun. Aber in wenigen Minuten sollte die Blutung schwächer werden und nachher würde der kleine Rüde sehen können, wie die Wunde sauber verkrustete.
Ihr Kopf wandte sich dem Schwarzen zu. Hirtentäschel und Ringelblume., wiederholte sie. Ließ ihre glänzenden Augen über seinen Körper streifen. Sie schluckte kurz, bevor sie fortfuhr: Wie dem auch sei, wir brauchen wohl nichts mehr von dem. Es sei denn dieser kleiner Krieger möchte keine Erinnerung behalten. Ringelblume verhindert ebenso gut Narbenbildung., erwähnte sie wieder mehr der Fähe zugewandt. Noch immer konnte Kenno nicht ausmachen in welchem Verhältnis sie zueinander standen. Mutter- Sohn? Irgendwas ließ sie aber auch nicht so vertraut wirken. Naja, auf jeden Fall hatte sie geholfen und ein Leben gerettet. Du scheinst dich jedoch auf diesem Gebiet auszukennen., stellte sie dem älteren Rüden gegenüber fest. Wer seid ihr? Und mit dieser Frage bezog sie alle Neuankömmlinge ein. Sie wollte gerne erfahren, wem sie gerade geholfen hatte und wer dieser Gebildete war.